Stadtrundgang durch Tallinn, Estland, Teil 2

In die­sem Arti­kel set­ze ich mei­nen Rund­gang durch die Alt­stadt von Tal­linn fort. Nach mei­nem Spa­zier­gang rund um den Rat­haus­platz, der Besich­ti­gung des alten Rat­hau­ses sowie der Erkun­dung des Dom­ber­ges, schaue ich mir nun zunächst die histo­ri­sche Stadt­be­fe­sti­gung näher an, bevor ich in den engen Gas­sen noch eini­ge wei­te­re Ent­deckun­gen mache.

Nach­dem ich mei­nen Abstieg vom Dom­berg gemei­stert habe, ste­he ich nur vor dem Sau­na­torn, dem Sau­na Turm, an der Reva­ler Stadt­be­fe­sti­gung. Ein Durch­lass erlaubt hier heu­te den ein­fa­chen Zutritt zur Alt­stadt, der spä­ter hin­zu­ge­fügt wur­de. Auch ein­fa­che Durch­brü­che erlaub­te heu­te den Wech­sel zwi­schen den bei­den Sei­ten der Stadt­mau­er wäh­rend einer Erkundungstour.

An die­ser Stel­le der Stadt­be­fe­sti­gung befin­det sich wie­der ein Stück des alten Wehr­gan­ges, das auch heu­te noch begeh­bar ist. Nur klei­ne Tei­le die­ser alten Über­wa­chungs­an­la­ge sind heu­te noch erhal­ten und über eini­ge Tür­me zu erklimmen.

Jeder Turm und vie­le Gebäu­de in der Stadt ver­fü­gen über klei­ne Pla­ket­ten, die ihre Geschich­te erzäh­len. So trägt die­ser Turm den Namen Kuld­ja­la Torn (Gol­den Leg Tower) und wur­de im 13. Jahr­hun­dert erbaut. Der Name wur­de erst­ma­lig 1434 erwähnt aber sei­ne Her­kunft ist unbe­kannt. Der Turm gehört noch zu den ersten der Stadt­mau­er und wur­de damals in Huf­ei­sen­form gebaut.

An die Innen­sei­ten der Stadt­mau­er wur­den in spä­te­ren Jah­ren oft Häu­ser ange­baut und dazwi­schen befin­den sich enge Gas­sen, die teil­wei­se nur zu Fuß erkun­det wer­den können.

Manch­mal sind die Gebäu­de an der Mau­er sogar so groß, dass kaum noch zu erken­nen ist, dass sich direkt dahin­ter die Stadt­be­fe­sti­gung befindet.

Durch die engen Gas­sen fol­ge ich der Stadt­mau­er zunächst auf der der Alt­stadt zuge­wand­ten Sei­te, an der sich heu­te meist Wohn­häu­ser befin­den. Hier gibt es auch eini­ge der weni­gen Gebäu­de der Tall­in­ner Alt­stadt, die noch auf eine Reno­vie­rung warten.

Über einen Durch­bruch in der Mau­er wech­se­le ich schließ­lich auf die Außen­sei­te der Mau­ern, denn von hier soll man den berühm­ten Blick auf eini­ge der Tür­me der Stadt­be­fe­sti­gung haben.

Inter­es­sant auch, dass über die Jah­re in einen klei­nen Teil der Stadt­mau­er auch nach Außen Woh­nun­gen ein­ge­baut wurden.

Und dann sehe ich ihn, den wohl bekann­te­sten Blick auf die Stadt­mau­er von Tal­linn und ihren Tür­men. Ein­fach wun­der­schön und auf jeden Fall einen Besuch wert.

Aus bestimm­ten Blick­win­keln ist im Hin­ter­grund die Olai­kir­che zu sehen, der man nach­sagt, zwi­schen 1549 und 1625 das höch­ste Gebäu­de der Welt gewe­sen zu sein. Ob das nun stimmt, ist umstrit­ten. Sicher ist aber, dass das fast 140 Meter hohe Got­tes­haus eine gute Mar­kie­rung für die See­fah­rer auf der Ost­see war.

Ich fol­ge der Stadt­mau­er nun wie­der an ihrer Innen­sei­te und in Tei­len ist sie hier auch ori­gi­nal und ohne Anbau­ten erhal­ten. Dazu gehört der im 15. Jahr­hun­dert erbau­te Pla­te Turm, der nach dem dama­li­gen Auf­se­her Her­bord Plae­te benannt wurde.

Ein wei­te­res inter­es­san­tes Gebäu­de, das sich ganz in der Nähe der Stadt­mau­er befin­det, ist die Pfer­de­müh­le, die bereits 1389 erst­ma­lig erwähnt wur­de. Ursprüng­lich erbaut wur­de die Müh­le für den Fall, dass eine Bela­ge­rung den Was­ser­zu­fluss zum schüt­zen­den Gra­ben um die Stadt abschnei­den wür­de. In die­sem Fal­le wür­de die von sech­zehn Pfer­den ange­trie­be­ne Müh­le für nach­lau­fen­des Was­ser sor­gen. Nach­dem die Müh­le ihre Bedeu­tung ver­lo­ren hat­te, wur­de sie 1732 von rus­si­schen Händ­lern gekauft und lan­ge Zeit als Waren­la­ger genutzt.

Fast die gesam­te Alt­stadt von Tal­linn wur­de inzwi­schen wun­der­schön saniert, sodass es eine rei­ne Freu­de ist, wei­ter durch die Gas­sen zu streifen.

Schließ­lich errei­che ich die dicke Mar­ga­re­the, einen Wehr­turm am nörd­li­chen Ende der Alt­stadt. Der Turm­bau begann um 1510 im Zuge des Aus­baus der Stadt­be­fe­sti­gung, die auf­grund ver­bes­ser­ter Waf­fen­tech­ni­ken not­wen­dig gewor­den war. Der mas­si­ve Turm dien­te dabei als Geschütz­turm, der die Stadt vor Angrif­fen von der nahen Ost­see schüt­zen soll­te. Der zwan­zig Meter hohe Turm hat fünf Meter dicke Wän­de und einen Durch­mes­ser von vier­und­zwan­zig Metern. Er ist damit brei­ter als hoch.

West­lich der dicken Mar­ga­re­the befin­det sich mit dem Gro­ßen Strand­tor der nörd­li­che Zugang zur Alt­stadt. Von der ursprüng­li­chen Tor­an­la­ge aus dem 14. Jahr­hun­dert ist nicht mehr viel erhal­ten, denn der Zugang wur­de mehr­mals um- und ausgebaut.

Gleich hin­ter dem Stadt­tor beginnt die Pikk, eine der Haupt­ach­sen durch die Tall­in­ner Alt­stadt. Die Stra­ße ist gesäumt von Gebäu­den aus ver­schie­de­nen Epo­chen, wobei die­ses Haus wohl zu den jüng­sten Bau­wer­ken gehört. Es wur­de erst zwi­schen 1900 und 1902 im eng­li­schen Gothic Revi­val Stil erbaut und beher­bergt heu­te eine Kinderbibliothek.

Nur eini­ge Meter wei­ter errei­che ich die drei Schwe­stern, eine Grup­pe von Häu­sern, die ursprüng­lich bereits im Mit­tel­al­ter errich­tet wur­de. Die heu­ti­ge Form erhiel­ten die drei Gebäu­de aller­dings erst in der ersten Hälf­te des 15. Jahr­hun­derts zur Blü­te­zeit der Hanse.

Ich fol­ge der Pikk nun wei­ter und ent­decke immer wie­der schön restau­rier­te alte Häu­ser. Es macht rich­tig Spaß hier unter­wegs zu sein.

Schließ­lich kom­me ich auch an der Olai­kir­che vor­bei, deren Turm ich schon über die Stadt­mau­er erblicken konn­te. Die Kir­che ist von allen Sei­ten ein­ge­baut, sodass es ziem­lich unmög­lich ist, das Kir­chen­schiff ordent­lich zu fotografieren.

Gleich hin­ter der Kir­che schlie­ßen sich wie­der reno­vier­te Gebäu­de an, in denen teil­wei­se Mini­ste­ri­en und ande­re Ver­wal­tun­gen unter­ge­bracht sind.

Ein Gebäu­de aber ist beson­ders inter­es­sant, denn hin­ter die­ser wun­der­schö­nen Fas­sa­de befand sich ab 1940 ein Haus des Schreckens. In jenem Jahr zog die est­ni­sche Unter­ab­tei­lung für Staats­si­cher­heit des Volks­kom­mis­sa­ri­ats für inne­re Ange­le­gen­hei­ten der UdSSR in das Haus an der Pikk, in des­sen Unter­ge­schoss auch Gefäng­nis­zel­len ein­ge­rich­tet wur­den. Heu­te ist hier ein Muse­um zur Erin­ne­rung an den kom­mu­ni­sti­schen Ter­ror eingerichtet.

Wäh­rend ich der Pikk wei­ter fol­ge, ent­decke ich ab und zu mal ein Haus, das noch auf eine Reno­vie­rung war­tet, aber die mei­sten Gebäu­de, die hier auch als Wohn­raum genutzt wer­den, sind in den letz­ten Jah­ren saniert worden.

Umso wei­ter ich der Stra­ße fol­ge, desto präch­ti­ger wer­den die Häu­ser. Ein beson­ders schö­nes Palais beher­bergt heu­te die schwe­di­sche Botschaft.

Gleich neben­an befin­det sich das Schwarz­häup­ter­haus, das ehe­ma­li­ge Gemein­schafts­haus der Bru­der­schaft der Schwarz­häup­ter in Reval. Die Bru­der­schaft ent­stand 1399 als die ledi­gen Kauf­leu­te aus der Gro­ßen Gil­de aus­schei­den muss­ten und die­ser erst nach einer Hei­rat wie­der bei­woh­nen durften.

Der Ein­gangs­be­reich des Hau­ses ist mit ver­schie­de­nen Stein­pla­sti­ken ver­ziert. Die älte­sten wur­den der Bru­der­schaft 1575 von Ewert Schroe­der und Hans Koser geschenkt.

Direkt über der Tür ist das Wap­pen der Bru­der­schaft zu sehen, das einen Mohr mit Stirn­bin­de zeigt. Das Bild­nis geht auf den Schutz­pa­tron der Bru­der­schaft, den hei­li­gen Mau­ri­ti­us, zurück, der oft als Mohr dar­ge­stellt wird.

Das Haus der Schwarz­häupt­er­bru­der­schaft ist aber bei wei­tem nicht das ein­zi­ge inter­es­san­te Gebäu­de in die­sem bereich der Straße.

Nur weni­ge Meter wei­ter ent­decke ich ein Gebäu­de mit recht eigen­wil­li­gen Ver­zie­run­gen und deut­scher Inschrift.

Gleich gegen­über befin­det sich das Haus der 1326 gegrün­de­ten Kanu­tigil­de, die zu den älte­sten in Tal­linn zählt. Die Gil­de war ursprüng­lich eine geist­li­che Bru­der­schaft, wur­de aber spä­ter zur Gil­de der Hand­wer­ker, in der sich vor allem die schwie­ri­gen und wert­vol­len Gewer­ke zusam­men­schlos­sen. Zu ihnen zähl­ten Gold­schmie­de, Uhr­ma­cher, Hut­ma­cher, Bäcker, Schuh­ma­cher oder Kunst­ma­ler. Die mei­sten Mit­glie­der die­ser Gil­de, die ihre Hoch­zeit im 16. Jahr­hun­dert hat­te,  waren deut­scher Her­kunft. Das Gebäu­de der Gil­de wur­de letzt­ma­lig um 1863 im Tudor­stil umge­baut und mit Figu­ren des hei­li­gen Knut und Mar­tin Luthers versehen.

Noch ein paar Schrit­te wei­ter ent­decke ich das Café Mai­as­mokk, wo mich zuerst die wirk­lich tol­le Schau­fen­ster­de­ko­ra­ti­on anhal­ten lässt.

Dann ent­decke ich einen Hin­weis, dass das Café bereits 1864 gegrün­det wur­de und damit wirbt, das älte­ste sei­ne Art in Tal­linn zu sein. So wer­fe ich auch noch einen Blick in das wirk­lich tol­le Lokal.

Schließ­lich gelan­ge ich zum Haus der Gro­ßen Gil­de, das heu­te das est­ni­sche histo­ri­sche Muse­um beher­bergt. Der Bau wur­de 1410 errich­tet und geht auf die­sel­ben Bau­mei­ster zurück, die auch für den Bau des alten Rat­hau­ses ver­ant­wort­lich waren. Die Gro­ße Gil­de war eine beson­ders ein­fluss­rei­che Gil­de in Tal­linn und Mit­glied konn­ten nur ver­hei­ra­te­te und gleich­zei­tig wohl­ha­ben­de Kauf­leu­te oder Gold­schmie­de wer­den. Die Gro­ße Gil­de bestand von 1325 bis 1920.

Gegen­über befin­det sich die um 1380 fer­tig­ge­stell­te Hei­lig­geist­kir­che. Der mina­rett­ar­ti­ge Turm wur­de aller­dings erst im 17. Jahr­hun­dert hin­zu­ge­fügt, nach­dem sein Vor­gän­ger durch Blitz­schlag abge­brannt war.

Ich ver­las­se nun die Pikk und schla­ge den Weg zur Vene, der Ruß­gas­se ein, die ich über eine Sei­ten­gas­se errei­che. Hier wer­fe ich noch einen Blick auf die Kir­che des Hei­li­gen Niko­laus des Wun­der­tä­ters, eine ortho­do­xe Kir­che, die in ihrer heu­ti­gen Form zwi­schen 1825 und 1827 entstand.

Auch in der Ruß­gas­se tref­fe ich neben der Kir­che wie­der auf vie­le wun­der­bar restau­rier­te Häuser.

Ein Blick in eine der Sei­ten­gas­sen zeigt dann aber­mals einen Teil der mäch­ti­gen Stadtbefestigung.

Ein paar Schrit­te wei­ter befin­det sich das Stadt­mu­se­um von Tal­linn, in dem Besu­cher mehr über die Geschich­te der est­ni­schen Haupt­stadt erfahren.

Mein Rund­gang endet am Hotel Schlös­s­le. Das fünf Ster­ne Hotel gehört heu­te zu den Lea­ding Hotels of the World und wur­de wun­der­schön in meh­re­ren histo­ri­schen Häu­sern eingerichtet.

Am Ende des Rund­gangs keh­re ich nun in mein Hotel zurück, das sich eben­falls in der Ruß­gas­se befin­det. Bestimmt habe ich noch nicht jeden Win­kel der Tall­in­ner Alt­stadt gese­hen, doch den­ke ich, dass ich auf mei­nem aus­führ­li­chen Rund­gang vie­le der inter­es­san­te­sten Sehens­wür­dig­kei­ten besu­chen konn­te und so einen wun­der­ba­ren Ein­druck von die­ser bezau­bern­den Stadt bekom­men habe.

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Betty

Es gibt nichts, was ich mehr liebe als die Welt zu bereisen. Immer mit dabei ist meine Kamera, wenn ich spannende Abenteuer erlebe und neue Reiseziele erkunde. Das Reisen bereitet mir so viel Freude, dass ich nun auch meine Leser an meinen Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen möchte.

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