Bismarckturm Stettin-​Gotzlow, Polen

Einst galt er als der größ­te und teu­er­ste im Deut­schen Reich, der Bis­marck­turm in Stet­tin. Und noch heu­te strahlt das Bau­werk eine beson­de­re Magie aus. Selbst jah­re­lan­ge Ver­nach­läs­si­gung und Van­da­lis­mus hat der Turm auf dem Wein­berg nörd­lich von Stet­tin über­stan­den, um seit kur­zen eine Renais­sance zu erle­ben. Das Inter­es­se bei jun­gen Stet­ti­ner an der deut­schen Geschich­te ihrer Stadt ist groß und so hat sich auch für den Bis­marck­turm ein Inve­stor gefun­den, der ihn denk­mal­ge­recht sanie­ren will.

Um zum Bis­marck­turm zu gelan­gen, bedarf es zunächst einer Fahrt mit der Stra­ßen­bahn bis zur End­sta­ti­on Stettin-​Gotzlow (Goclaw) oder alter­na­tiv mit dem Auto. Die klei­ne Zufahrt ist etwas ver­steckt und Park­plät­ze Man­gel­wa­re. Aber mit etwas Glück ist eine Lücke in der Nähe des Auf­stiegs zum Turm zu fin­den, der inzwi­schen wie­der mit einem Schild mar­kiert ist.

Der Weg hin­auf auf den Wein­berg ist leicht zu fin­den. Er führt heu­te durch dich­ten Laub­wald. Doch der Hügel im Nor­den Stettins war nicht immer von Wald bedeckt. Einst gab es hier Wein­ber­ge und der Trau­ben­saft wur­de in einem Aus­flugs­re­stau­rant ver­kauft. Heu­te ist von all dem nichts mehr zu sehen, nur der Bis­marck­turm auf der Spit­ze des Wein­ber­ges ist erhal­ten und soll in Zukunft wie­der ein belieb­tes Aus­flugs­ziel werden.

Für den Turm, der wäh­rend des Auf­stiegs erst spät durch das dich­te Blät­ter­werk zu sehen ist, kam die Ret­tung durch den Stet­ti­ner Jung­un­ter­neh­mer Wojciech Kłod­ziń­ski, der das Bau­werk 2019 kauf­te, nach­dem meh­re­re frü­he­re Ver­su­che, einen neu­en Eigen­tü­mer zu fin­den, scheiterten.

Inzwi­schen aber tut sich eini­ges und als ich den Turm im Mai 2024 besucht habe, herrsch­te rege Bau­tä­tig­keit. Es wur­de gehäm­mert, gemei­ßelt und gebohrt. Der Bis­marck­turm soll wie­der im alten Glanz erstrah­len. Und zumin­dest von außen sieht das auch schon ganz gut aus, denn die Spu­ren jahr­zehn­te­lan­ger Ver­nach­läs­si­gung und Van­da­lis­mus sind so gut wie verschwunden.

An der Fas­sa­de sind Roset­ten und Wap­pen restau­riert wor­den und sind nun wie­der gut zu erken­nen. Dage­gen sind die Spu­ren der Free­clim­ber, die hier einst Haken ein­schlu­gen, verschwunden.

Der Ent­wurf für den Bis­marck­turm stammt vom Archi­tek­ten Wil­helm Kreis, der sich auch für wei­te­re Tür­me wie die in Rade­beul und Jena ver­ant­wort­lich zeigt. Hier in Stet­tin hat er sich das Grab­mal Theo­de­richs in Raven­na sowie die Befrei­ungs­hal­le in Kehl­heim als Vor­bild genom­men. Die Grund­stein­le­gung erfolg­te schließ­lich 1913 und 1921 konn­te der fünf­und­zwan­zig Meter hohe Bis­marck­turm eröff­net wer­den, der vie­le Jah­re als Aus­sichts­punkt genutzt wur­de, bevor er in den 1970er Jah­ren ver­schlos­sen wurde.

Inzwi­schen kann der Turm aber wie­der von innen besich­tigt wer­den, nach­dem er so vie­le Jah­re ver­schlos­sen war. An den Wochen­en­den füh­ren Frei­wil­li­ge inter­es­sier­te Besu­cher durch das Gebäu­de. Sehr prak­tisch für mich als Besu­che­rin aus Deutsch­land, es gibt auch deutsch­spra­chi­ge Füh­run­gen. Und so tref­fe ich auf Anna, die Stu­den­tin ist, und am Wochen­en­de vie­le Gäste aus Deutsch­land durch die Bis­marck­turm führt. Drei Euro zah­le als Ein­tritt und bekom­me die Füh­rung dafür sogar exklu­siv, da sich an die­sem Sonn­tag­mor­gen sonst noch pol­ni­sche Gäste auf dem Podest vor der Ein­gangs­tür ein­ge­fun­den haben. Zunächst geht es durch die schwe­re Eisen­tür, die den Ein­gang momen­tan pro­vi­so­risch ver­schließt, hin­ein in die Vorhalle.

Sie­ben Meter ist die Vor­hal­le lang und wird von zehn dori­schen Säu­len getra­gen. Von hier geht es in fen­ster­lo­se Kuppelhalle.

Die Decke der Hal­le besteht aus einer Kup­pel, die mit Roset­ten ver­ziert ist. In der Mit­te befin­det sich eine Öff­nung durch die man die obe­re Kup­pel, die das Dach bil­det, sehen kann. So fällt auch natür­li­ches Licht in die Halle.

In der Hal­le gab es einst ein Bismarck-​Abbild, das aber nicht erhal­ten ist. Auch sonst ist viel von der Deko­ra­ti­on ver­blasst oder verschwunden.

Zu erken­nen ist aber noch die Inschrift am Über­gang der Hal­len­wand zur Kup­pel. Hier steht geschrie­ben: WIR GEHEN MIT EISERNEM SCHRITT ZERMAHLEN WAS DER HERSTELLUNG DER DEUTSCHEN NATION UND IHRER HERRLICHKEIT UND MACHT ENTGEGEN STEHT BISMARCK 23.V.1870. Gut zu lesen ist der Text aber nur noch in Tei­len und war­tet noch auf die voll­stän­di­ge Restaurierung.

Wäh­rend mei­nes Besuchs war in der Hal­le eine klei­ne Aus­stel­lung zu alten Kachel­öfen zu fin­den, die einst vie­le der Stet­ti­ner Bür­ger­häu­ser zierten.

Auch eini­ge ande­re Stücke sind als Muse­ums­leih­ga­be aus­ge­stellt. Gemein­sam haben sie alle, dass sie aus einer Zeit stam­men, in der Stet­tin noch zum Deut­schen Reich gehörte.

Auf bei­den Sei­ten des Ein­gangs­be­reichs füh­ren Trep­pen in das Ober­ge­schoss. Momen­tan ist aller­dings nur eine der Trep­pen begeh­bar. Fünf­zehn Stu­fen füh­ren hin­auf unter das Dach des Bis­marks­turm, der schon immer über die Rund­kup­pel ver­füg­ten und nie eine Feu­er­scha­le besaß, wie es bei so vie­len ande­ren Tür­men der Fall war.

Im obe­ren Bereich des Turms gibt es gro­ße Fen­ster, die viel Tages­licht in das Gebäu­de las­sen, das durch die Öff­nung im Boden in die unte­ren Hal­le gelei­tet wird.

Schaut man hin­un­ter, ist auch ein Teil der Kup­pel mit ihren Roset­ten zu sehen. Sogar die Inschrift ist von hier oben gut zu erkennen.

In die­sem Bereich sind noch gut die Schä­den durch Ver­nach­läs­si­gung und Van­da­lis­mus zu sehen. So wur­den die Wän­de mit zahl­rei­chen Graf­fi­tis beschmiert und es gibt Was­ser­schä­den, da das Dach lan­ge Zeit undicht war.

Kaum erhal­ten sind auch die Ver­zie­run­gen der Fen­ster. Es ist aber geplant, die­se wie­der her­zu­stel­len, wie mir Anna auf dem Rund­gang erklärt.

Rund um den Turm ver­läuft ein offe­ner Gang, der durch zwei Aus­gän­ge betre­ten wer­den kann. Dar­un­ter befin­det sich ein klei­ner Bal­kon, der extra für Red­ner gebaut wurde.

Vom Rund­gang habe ich einen schö­nen Aus­blick über die Oder und bis hin nach Stet­tin, wo ich vor allem das Werft­ge­län­de ent­decken kann. Tei­le der Aus­sicht sind inzwi­schen lei­der durch den dich­ten Bewuchs ver­stellt und es ist noch nicht klar, inwie­weit man die Sicht­ach­sen wie­der her­stel­len kann.

Am Ende des Rund­gangs ver­ab­schie­de ich mich von Anna, die mir noch auf den Weg mit­gibt, mich ein wenig vor dem Turm umzu­se­hen, denn auch hier ist noch eini­ges an Geschich­te zu fin­den. Die Stei­ne, die hier noch recht acht­los her­um­lie­gen, gehör­ten einst eben­falls zum Turm und man schaut, was man noch ver­wen­den kann oder nach­bau­en muss.

Dar­un­ter sind auch Tei­le der Reichs­ad­ler, die den Turm frü­her krön­ten und nach dem Zwei­ten Welt­krieg her­un­ter­ge­sto­ßen wurden.

Nach­dem ich mich noch ein wenig umge­se­hen habe, tre­te ich den Rück­weg zum Auto an. Wie­der geht es durch den Wald, der heu­te auf dem ehe­ma­li­gen Wein­berg zu fin­den ist und als klei­nes Nah­erho­lungs­ge­biet genutzt wird.

Mir hat es auf jeden Fall Spaß gemacht, die­sen inter­es­san­ten Bis­marck­turm zu erkun­den. In Deutsch­land habe ich schon so man­chen Bis­marck­turm besucht, doch im Aus­land bis­her nur zwei Tür­me in Tsche­chi­en ent­deckt. In Polen sind von den einst vier­zig Tür­men noch sieb­zehn erhal­ten und viel­leicht schaf­fe ich es ja auch einer ande­ren Rei­se noch den ein oder ande­ren zu besu­chen. Den Stet­ti­ner Bis­marck­turm wür­de ich aber auch ger­ne irgend­wann noch ein­mal besu­chen, wenn die Reno­vie­rung abge­schlos­sen ist und viel­leicht auch das klei­ne Café eröff­net hat, das momen­tan hier geplant wird.

Bis­marck­turm Stettin-Gotzlow
Nar­ciars­ka 5A, 71–737 Szc­ze­cin, Polen
Sa und So 10 bis 17 Uhr
im Som­mer 11 bis 17:40 Uhr
mehr Infor­ma­tio­nen: https://​tower​.ren​tu​mi​.pl

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Betty

Es gibt nichts, was ich mehr liebe als die Welt zu bereisen. Immer mit dabei ist meine Kamera, wenn ich spannende Abenteuer erlebe und neue Reiseziele erkunde. Das Reisen bereitet mir so viel Freude, dass ich nun auch meine Leser an meinen Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen möchte.

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