Tag 14: Dienstag, 01. November 2022
Zurück auf Anfang – Andorra La Vella nach Barcelona
„Lebe, reise, erlebe Abenteuer, preise und bereue nichts.” (Jack Kerouac)
Tatsächlich hat sich die Wettervorhersage bewahrheitet. Über Andorra la Vella ist blauer Himmel zu sehen. Auch die Sonne ist zu erahnen, nur die Stadt selbst erreicht sie bisher nicht. Das ist übrigens in so einigen engen Bergtälern in der dunklen Jahreszeit ein Problem. So auch hier. Das Sonnenlicht erreicht nur wenige Stunden, wenn überhaupt, den Talboden. Inzwischen haben einige Orte sogar riesige Spiegel installiert, um so mehr Licht in die Orte zu bringen.
In Andorra la Vella merken wir den Effekt heute Morgen auf jeden Fall, denn während die Berghänge in hellem Sonnenlicht erstrahlen, ist es am Talboden immer noch schattig und recht frisch. Es soll sogar Tage im Winter geben, wo das Sonnenlicht das Tal überhaupt nicht erreicht. So laufen wir im Schatten noch einmal zur Pont de Paris und zur Skulptur Noblesa del temps.
Nach dem kleinen Rundgang packen wir die Sachen ins Auto und fahren in die Oberstadt. Hier stellen wir das Auto in einem städtischen Parkhaus ab, um noch etwas mehr von der Stadt zu entdecken.
Das Parkhaus ist in unmittelbarer Nähe der Església de Sant Esteve, der wichtigsten Kirche von Andorra la Vella, die sich in der kleinen historischen Altstadt befindet.
Der Kirchenbau wurde ursprünglich im 11. und 12. Jahrhundert im romanischen Stil errichtet. Erhalten sind aus dieser Zeit allerdings nur noch einige Elemente, denn das Gotteshaus wurde über die Jahrhunderte mehrmals umgebaut. Der letzte große Umbau fand erst 1940 statt.
Der Innenraum der Kirche ist recht schlicht gehalten, lediglich der Altar ist noch aus der Zeit des Barock erhalten. Die Buntglasfenster stammen genauso wie das Mobiliar der Kirche aus dem 20. Jahrhundert.
Eines der wohl geschichtsträchtigsten Gebäude der Stadt ist das Casa de la Vall. Es wurde 1580 als Patrizierhaus mit Verteidigungsturm für die Familie Busquets erbaut und 1702 vom bereits 1419 gegründeten Generalrat als Regierungsgebäude angekauft. Damit ist es eines der ältesten durchgehend genutzten Parlamente Europas. Leider können wir das Gebäude nur von außen besichtigen, denn obwohl ein Schild darauf hinweist, dass geöffnet sein sollte, bleiben die Türen an diesem Tag verschlossen.
Vor dem Gebäude sind Tänzer beim traditionellen andorranischen Kontrapass zu sehen. Die Skulptur wurde 1967 von Josep Viladomat geschaffen, um den hundertsten Jahrestag der Reform des Generalrates zu feiern. Die Reform führte dazu, dass allen Haushalten in Andorra das aktive und passive Wahlrecht zugestanden wurde.
Neben dem Casa de la Vall steht das neue Parlamentsgebäude von Andorra, das 2011 eingeweiht wurde. Der historische Sitzungsaal war einfach zu klein geworden und so finden dort nur noch die Eröffnungssitzungen des Parlamentes statt. Alle weiteren Sitzungen und viele Büros wurden in das neue Gebäude verlegt.
Vom Platz vor dem Parlament haben wir einen schönen Blick auf das Tal, in dem sich Andorra la Vella befindet. Man sieht sehr gut, welches Problem die Stadt hat, der Platz geht aus, denn die Wände der Berge können nicht bebaut werden.
Wir verlassen die Parkgarage und fahren weiter. Der Weg führt uns einen der Berge hinauf, von wo wir große Teile des Tales überblicken können. Die Sicht ist heute grandios und so macht die Fahrt hier hinauf richtig Spaß.
Von Andorra la Vella fahren wir nochmal ein Stück zurück gen Osten auf der Straße, auf der wir gestern gekommen sind. Unterwegs durchqueren wir einige kleine Orte, die nicht besonders sehenswert sind. Hier reihen sich vor allem Skihotels aneinander sowie einige größere Geschäfte. So halten wir erst wieder am Parkplatz der Kapelle Sant Joan de Caselles.
Rund um den Parkplatz bestaunen wir zunächst das Bergpanorama. An den Hängen sind noch einige Herbstfarben zu sehen, viele Bäume haben hier ihre Blätter allerdings schon abgeworfen.
Die Kapelle selbst ist nur wenige Schritte vom Parkplatz entfernt. Erbaut wurde sie bereits im 12. Jahrhundert im lombardischen Stil. Leider haben wir auch hier den Effekt, dass die Sonne nicht bis auf den Talboden reicht und die Kapelle selbst um die Mittagszeit noch im Schatten liegt.
So zieht es uns dann auch hinauf in die Berge. Wir nehmen die 1980 Meter hohe Coll d’Ordino Pass-Straße unter die Räder, die die Berge oberhalb von Encamp hinaufführt. Von einer der wenigen Inlandspass-Straßen in Andorra bieten sich uns wunderschöne Ausblicke auf das Tal und große Teile von Andorra.
Unser Ziel ist der Roc del Quer Aussichtspunkt und hier oben steppt tatsächlich der Bär. Der Parkplatz ist gut gefüllt und manche Leute parken sogar direkt am Abgrund. Wir suchen und lieber einen etwas sicheren Parkplatz und laufen von hier zum Aussichtspunkt. Denken wir zumindest, denn am Parkplatz beginnt ein gepflasterter Weg, der recht steil zur Bergkuppe führt. Am Ende des Weges gibt es eine kleine Hütte mit Café.
Was niemand verrät und auch nirgendwo gut sichtbar angeschrieben steht, zum Aussichtspunkt ist es auch von hier noch ein ganzes Stück zu laufen. Und das soll nicht die einzige Information sein, die uns hier vorenthalten wurde. Im Prinzip kann man diesen Stopp hier schon fast als Touristenfalle beschrieben. Aber davon wissen wir bisher noch nichts.
Derweil folgen wir immer weiter dem ungepflasterten Weg, der recht steil nach unten führt. Siebzig Meter Höhenunterschied sind auf dem vierhundert Meter langen Weg zu überwinden. Das geht ganz schön auf die Knie. Und wir müssen hier ja später auch wieder hoch. Trotzdem gehen wir weiter. Nun sind wir schon so weit gekommen, da wollen wir auch die Aussicht sehen.
Tatsächlich erreichen wir nach rund zehn weiteren Minuten den Aussichtspunkt, oder besser gesagt eine Absperrung kurz davor. Hier steht doch tatsächlich ein Kassenhäuschen und verlangt fünf Euro Eintritt. Unglaublich. Darauf wurde zuvor nirgendwo hingewiesen. C. mag nicht mehr weiter und will hier warten. Ich aber will nun doch die Aussicht sehen und zahle die fünf Euro. Es soll ja hier auch eine Plattform mit Glasboden geben und da bin ich dann doch gespannt darauf.
Hinter der Kasse gibt es dann zwar einen Ausblick, aber immer noch nicht den erhofften. Hier überblicke ich nur die rund zwanzig Meter lange Aussichtsplattform.
Um dort hinunterzukommen, muss ich noch einem weiteren recht steilen Weg folgen, der aber dieses Mal gepflastert ist.
Endlich erreiche ich die Aussichtsplattform. Das war ja ein ganz schön langer Weg bis hierher. Jetzt freue ich mich aber über die Aussicht von der Plattform, die 500 Meter über dem Abhang hängt.
Doch dann die riesige Enttäuschung. Der Glasboden der Plattform ist völlig verdreckt und die Scheiben stumpf. Na klar, man lässt die Leute ja vorher einen sandigen Abhang herunterlaufen und auf dem Weg bleiben sicherlich auch viele Steinchen in den Sohlen der Wanderschuhe stecken, die dann das Glas zerkratzen. Zu sehen ist hier jedenfalls nichts. Als ich mich später an der Kasse beschwere, wird mir mitgeteilt, dass man sich dessen durchaus bewusst ist und die Scheiben demnächst ausgetauscht werden sollen. Ach na super, aber den Gästen das vorher mitzuteilen hält man nicht für nötig? Und dasselbe Eintrittsgeld wird natürlich auch fällig, obwohl ein Teil des Erlebnisses gar nicht nutzbar ist. Unglaublich.
Zumindest die Aussicht ist dann doch sehr schön. Und auf der Spitze der Plattform gibt es auch noch die Skulptur „The Ponderer” von Miguel Ángel González zu sehen, die hier fast über dem Abgrund zu schweben scheint.
Nachdem ich mich ausgiebig umgesehen habe, geht es für mich wieder hinauf zur Kasse, wo ich mich mit C. treffe. Zusammen laufen wir zum Auto zurück. Mal wieder stehen wir etwas unter Zeitdruck, denn dieser Besuch hier hat doch bedeutend länger gedauert als gedacht. Leider bleibt so für weitere Besichtigungen in Andorra keine Zeit mehr, obwohl ich noch einige interessante Orte auf meiner Liste hatte. Ein Tag ist halt auch für einen Zwergstaat einfach zu wenig. Wir machen uns auf den Weg in Richtung Grenze. Auf der Straße hinunter ins Tal halten wir noch an einem weiteren Aussichtspunkt, der uns einen Blick in ein anderes Tal gewährt, in dem sich der Ort Ordino befindet.
Anschließend geht es für uns auf direktem Weg zur Grenze zwischen Andorra und Spanien. Hier bilden sich kleine Autoschlangen, denn unzählige Autos wollen den Checkpoint passieren. Und kontrolliert wird hier durchaus, zumindest in Stichproben, denn immerhin kann man in Andorra zollfrei einkaufen und darf somit nur eine bestimmte Menge an Waren zurück nach Spanien transportieren.
Zurück in Spanien beginnt dann eine recht eintönige dreistündige Fahrt durch Katalonien in Richtung Küste. Wir hätten hier auch die Autobahn nehmen können, doch das Navi zeigt an, dass diese völlig zugestaut ist. Was wir nicht wussten, in Spanien war auch Feiertagswochenende und somit haben viele Leute aus der Region Barcelona die freie Zeit für einen Ausflug nach Andorra genutzt. So zuckeln wir also zunächst größtenteils über Landstraßen. Mit mehr Zeit könnte man hier sicherlich auch noch den ein oder anderen Abstecher machen, doch die haben wir heute nicht und so geht es ohne Halt weiter.
Irgendwann erreichen wir dann doch die Autobahn, die uns zurück nach Barcelona bringen soll und damit unaufhaltsam dem Ende unserer Reise entgegen.
Einen kleinen Abstecher machen wir aber noch, denn der späte Nachmittag ist wirklich schön und wir wollen noch nicht ans Packen denken. So geht es für uns noch nach Sitges, einem Ferienort südwestlich von Barcelona. C. wollte dort unbedingt hin, denn hier ist wieder einmal ein Drehort ihres Idols Errol Flynn zu bewundern. Im Jahr 1955 drehte dieser in Barcelona und Umgebung den Film „King‘s Rhapsody“, und die Kathedrale in Sitges fungierte als fotogener Hintergrund für eine aufwendige Krönungsszene.
Bei dem schönen Wetter steppt hier auch am 1. November der Bär und es ist ja auch noch Feiertag. Viele Menschen sind am Strand unterwegs und Parkplätze rar. So steigt zunächst nur C. aus, um ein paar Bilder zu machen, während ich meine Runden drehe. Dann habe ich aber Glück und bekomme einen Parkplatz, allerdings nur für dreißig Minuten. Aber immerhin, für ein paar Fotos wird es schon reichen.
Im Parc de la Ribera entdecke ich einige der öffentlichen Kunstwerke, die überall in der Stadt zu finden sind. Insgesamt wurden im Jahr 2013 zweiundvierzig Skulpturen aufgestellt, die auch mithilfe eines Stadtführers entdeckt werden können.
Vom Park habe ich auch einen schönen Blick auf die Kirche des heiligen Bartholomäus und der heiligen Thekla, ein Gotteshaus aus dem 17. Jahrhundert, das auf den Grundmauern eines Vorgängerbaus errichtet wurde. C. ist gerade irgendwo auf der Treppe, doch entdecken kann ich sie nicht.
Gerne würde ich mir die Kirche auch noch näher anschauen und ein wenig weiter durch die Stadt bummeln, doch dafür müsste ich erst einmal umparken. Das aber lohnt sich heute nicht mehr, denn die Sonne steht schon recht tief und bald wird es dunkel sein.
An der Promenade treffe ich wieder auf C. und gemeinsam gehen wir langsam zum Auto zurück. Noch einmal verabschieden wir uns von den spätsommerlichen Temperaturen und der schönen Atmosphäre hier am Mittelmeer. In diesem Moment ist es fast unvorstellbar, dass wir schon morgen ins kalte und verregnete Deutschland zurückkehren sollen.
Wenige Kilometer sind es nun noch bis zum Hampton by Hilton Hotel in Barcelona. Das Hotel haben wir für unsere letzte Nacht gewählt, da es sich in der Nähe des Flughafens befindet. Nachdem wir das Auto in der Tiefgarage geparkt haben, beziehen wir unsere Zimmer.
Abendessen gibt es heute im Hotel, denn in der Umgebung ist hier nicht viel zu finden und nochmal mit dem Auto wegfahren, darauf haben wir auch keine Lust. Das Hampton bietet zwar keine Haute Cuisine, aber es macht satt und ist auch preislich in Ordnung.
Anschließend heißt es packen, etwas, das wir beide nicht gerade mit Freude tun. Aber was getan werden muss, das muss halt getan werden. Morgen bleibt dafür keine Zeit mehr, denn unser Flug startet schon mittags.
Kilometer: 292
Wetter: sonnig, 12 bis 29 Grad
Hotel: Hampton by Hilton Barcelona Fira Gran Via