Tag 7: Dienstag, 25. Oktober 2022
Inseltraum – Menorca – Teil 2
„Fahre in die Welt hinaus. Sie ist fantastischer als jeder Traum.” (Ray Bradbury)
Mahón, wo die Azamara Onward heute festgemacht hat, ist die Hauptstadt von Menorca. Wer auf der Insel unterwegs ist, wird auch auf den Namen Maó stoßen, der katalanische Name der Stadt. Spanisch und Katalanisch werden auf den Balearen nebeneinander gesprochen und so sind auch viele Schilder zweisprachig.
Mahón selbst liegt zu einem großen Teil auf einem Felsen über dem Hafen. Um in das Stadtzentrum zu kommen, gab es bisher nur einen Weg, Treppen steigen, und zwar ganz schön viele.
Doch seit 2021 ist das nicht mehr der einzige Weg in die Stadt, denn es wurde ein fünfundzwanzig Meter hoher gläserner Fahrstuhl erbaut, mit dem sich der Höhenunterschied nun ohne Anstrengung überwinden lässt. Einundzwanzig Personen können pro Fahrt mitgenommen werden und das völlig kostenlos.
Am oberen Ausgang des Fahrstuhls habe ich einen schönen Blick zurück zum Schiff. Inzwischen sind wir übrigens allein im Hafen, denn die Le Champlain ist bereits abgefahren.
Schaue ich in die andere Richtung, kann ich wieder ein Stück den fjordähnlichen Hafen hinunterblicken, der schon vielen Seefahrernationen einen sicheren Ankerplatz geboten hat. Der Genueser Großadmiral Andrea Doria (1466–1560) sagte einst: „Ich kenne nur drei sichere Häfen im Mittelmeer: Juli, August und Mahón.”.
Mahón wurde, wie auch Ciutadella, bereits von den Karthagern gegründet. Einer Legende nach wurde die Stadt nach Mago Barkas, dem Bruder des großen Feldherrn Hannibal, benannt. Er überwinterte 205 vor Christus auf der Insel, bevor er zu einem weiteren Feldzug aufbrach. Die dunkelste Zeit erlebte Mahón 1533 als Barbarossa (Khair ad-Din, osmanischer Kosar, Herrscher über Algier und Admiral des Osmanischen Reiches) mit seinen Truppen die Insel überfiel. Besonders hier wüteten die Kämpfe und der Osmane verschleppte über 6.000 Einwohner nach Algier, wo sie als Sklaven verkauft wurden. Inselhauptstadt wurde Mahón aber erst unter den Briten. Im Jahr 1708 eroberten sie Menorca und beeinflussten die Architektur der Stadt nachhaltig.
Ich starte meinen Rundgang an der Iglesia del Carmen, die das größte religiöse Gebäude in Mahón ist und einst zu einem Kloster gehörte. Der Bau des Gotteshauses begann bereits 1750, zog sich aber bis zur Fertigstellung über siebzig Jahre hin, da es immer wieder Streitigkeiten zwischen den Mönchen und der Regierung von Menorca gab. Letztendlich wurde die Kirche 1835 an den Staat übertragen, nachdem die Franziskaner aus der Stadt verbannt wurden. Deshalb wurden auch die Türme der Kirche bis heute nicht fertiggestellt.
Im Inneren ist die Kirche ganz klassisch in der Form eines lateinischen Kreuzes angelegt. Über der Vierung befindet sich eine kleine Kuppel.
Da die Kirche nie richtig fertiggestellt wurde, ist sie auch sehr sparsam verziert. Oft ist der nackte Stein zu sehen. Sehr schön sind allerdings die zahlreichen Fenster, die sehr viel natürliches Licht in den Innenraum leiten.
Wie in vielen spanischen Städten ist auch in Mahón die Plaza Espana einer der Hauptplätze der Stadt. Er schließt sich gleich an das obere Ende der Treppe an und auch vom Ausgang der Kirche gelange ich nach wenigen Schritten hierher. An den Platz grenzen viele historische Gebäude und der alte Fischmarkt, in dem heute aber traditionelle Speisen und Getränke serviert werden.
Von der Plaza führen einige Straßen weiter in die Altstadt. Ich folge diesem Weg und hoffe hier noch mehr von der Stadt sehen zu können.
Der nächste Platz, den ich erreiche, ist die Placa de la Conquesta. Das größte Gebäude hier ist die Rückseite der Kirche Santa Maria de Maó, die ich später noch einmal sehen werde.
Vor der Kirche steht eine Statue von König Alfons III., der Menorca einst von den Mauren zurückeroberte. Schräg gegenüber ist die öffentliche Bibliothek untergebracht.
Folgt man einer der kleinen Gassen, die vom Platz wegführen noch einige Meter, so hat man einen schönen Blick auf den Hafen. Das will ich mir natürlich auch nicht entgehen lassen, zumal hier die Azamara Onward schön zu sehen ist.
Während ich nun weiter durch die Stadt laufe, werde ich auf Schritt und Tritt beobachtet, zumindest bis ich um die nächste Ecke biege.
Hier stoße ich auf das Rathaus von Mahón, dessen Grundmauern auf das Jahr 1633 zurückgehen. Sein heutiges Aussehen hat das Gebäude allerdings erst bei einem Umbau 1788 bekommen. Besonders interessant ist die Uhr, die 1731 in London angefertigt wurde und 1788 in das Rathaus eingebaut wurde. Es wird gesagt, dass diese Uhr die erste Uhr in Mahón war.
Gleich gegenüber stehe ich dann auch vor der Hauptfassade der Kirche Santa Maria de Maó, deren Grundmauern bereits auf einen gotischen Bau aus dem 14. Jahrhundert zurückgehen. Das heutige Bauwerk ist allerdings erst um 1748 unter der englischen Herrschaft entstanden, nachdem die Vorgängerkirche durch Blitzschlag vollständig zerstört wurde. Gerne hätte ich mir das Gotteshaus auch von innen angesehen, doch findet hier gerade ein Gottesdienst statt, sodass das heute nicht möglich ist.
Ich biege in die Carrer d’Isabel II ein, mit ihren weißen Häusern eine der sehenswertesten Straßen in Mahón. Etwa in der Mitte der Straße stoße ich auf den Palacio Isabel II., einen Palast, der einst vom König genutzt und später von den Engländern zum Gouverneurspalast umgebaut wurde. Heute residiert hier die Militärverwaltung von Menorca, sodass ich das elegante Gebäude nur durch den Zaun anschauen kann.
Am Ende der Carrer d’Isabel II. befindet sich die Església i Convent de Sant Francesc, die zu einem weiteren Franziskanerkloster gehört, das bereits um 1459 gegründet wurde. Die heutige Kirche stammt allerdings ebenfalls aus der britischen Zeit und wurde 1719 bis 1792 erbaut.
Während die Kirche noch heute als solche existiert, wurden Gotteshaus und Kloster ebenfalls 1835 vom Staat beschlagnahmt und das Kloster zunächst zu einer Seefahrtschule, später zu einer Bibliothek und inzwischen zum Menorca Museum umfunktioniert. Das Museum hat heute Abend allerdings schon zu, sodass ich nur die Kirche anschauen kann.
Rund um die Kirche und auf dem Vorplatz geht es am frühen Abend ruhig zu. Außer mir ist kaum noch jemand unterwegs. Die meisten Besucher vom Schiff sind wohl schon wieder an Bord und Touristen sind Ende Oktober auch nicht mehr viele auf der Insel. Dabei ist der Abend heute mild und wunderschön, geradezu ideal, um durch die Stadt zu streifen.
Während ich wieder in Richtung Hafen laufe, komme ich durch einige interessante Gassen und durchschreite auch das letzte Stadttor, das Pont de Sant Roc, das noch aus dem 14. Jahrhundert erhalten ist.
Der weitere Weg führt mich an schönen Palästen vorbei, von denen einige auch besichtigt werden können. Heute Abend ist aber leider schon geschlossen.
So ziehe ich weiter durch die Stadt, bis ich schließlich wieder zur Plaza Espana gelange.
Hier stellt sich nun die Frage, ob ich den Fahrstuhl oder die Treppe nehme. Ich entscheide mich für letzteres und beginne meinen Abstieg zum Hafen.
Am Fuß der Treppe ist noch ein kleiner Markt aufgebaut, auf dem auch typisch menorquinische Artikel wie die Avarcas, die typischen Sandalen von Menorca, verkauft werden. Früher wurde die einfache Ledersandale hauptsächlich von der Landbevölkerung getragen, denn das Material war leicht zu beschaffen und haltbar. Heute sind die Avarcas oft kleine Kunstwerke und werden auch von vielen Prominenten und sogar Königen getragen.
Der Rückweg zum Schiff führt mich noch ein Stück die Hafenpromenade entlang, an der sich viele Restaurants befinden. Apropos Essen, in vielen dieser Restaurants wird Mayonnaise als eine Spezialität serviert. Die soll nämlich hier auf Menorca erfunden worden sein. Am 28. Juni 1756 wurde der Hafen von Mahón vom französischen Herzog Richelieu erobert und ihm zu Ehren soll die „Mahonnese” kreiert worden sein. Eine andere Variante der Geschichte behauptet, dass die weiße Sauce während der Belagerung aus der Not heraus entstanden ist. Wie auch immer die Mayonnaise nun wirklich entstanden ist, die Menorquiner beanspruchen die Erfindung auf jeden Fall für sich.
Mit dem letzten Licht des Tages bin ich dann auch wieder zurück am Schiff und gehe an Bord. Inzwischen meldet sich doch der Hunger und C. wartet sicher auch schon auf mich.
Der heutige Tag ist damit aber noch lange nicht zu Ende, denn es gibt noch eine große Party für C. zum Geburtstag. Na ja, fast – heute Abend ist White Night an Bord. Schon vor der Reise wurde uns das mitgeteilt, sodass man sich weiße Kleidung einpacken konnte. Das ist zwar kein Muss, aber die meisten Gäste haben sich schon daran gehalten.
Richtig los geht die Party, als wir in Mahón ablegen. Vor schöner Kulisse fahren wir langsam hinaus auf das Meer. Die Stadt verabschiedet uns ruhig, fast, denn in einem Lokal ist anscheinend auch noch Party und so winken wir uns gegenseitig zu und feiern für einen kurzen Moment zusammen.
C. und ich bleiben noch an Deck, bis wir die Hafenausfahrt von Mahón passiert haben. Dann übermannt uns aber doch so langsam die Müdigkeit. Es war ein langer Tag und morgen früh werden wir schon im nächsten Hafen festmachen.
Wetter: heiter, 24 bis 29 Grad