The undiscovered Country

Tag 8: Don­ners­tag, 03. Okto­ber 2013
Into the Heart of the Mid­west – von Min­nea­po­lis nach Des Moines

Als ich auf­wa­che reg­net es immer noch. Zwar nicht mehr ganz so hef­tig, aber doch ste­tig. Im Lau­fe des Tages soll sich das, zumin­dest hier oben in Min­ne­so­ta auch nicht ändern, denn ein neu­es Regen­band ist auf dem Weg. Des­halb packe ich schnell mei­ne Sachen und bre­che in Rich­tung Iowa auf. Umso wei­ter ich nach Süden kom­me, desto mehr lich­tet sich dann auch der Him­mel. Als ich kurz vor Clear Lake den Inter­sta­te ver­las­se, ist es zwar immer noch stark bewölkt aber bereits trocken.

Jetzt wird es inter­es­sant, denn zu mei­nem ersten Ziel heu­te habe ich nur eine vage Beschrei­bung aus dem Inter­net. Das Pro­blem, die eigent­lich Rou­te ist gesperrt, denn dort fin­den Bau­ar­bei­ten statt. Es soll jedoch eine Umlei­tung geben, die aller­dings nicht aus­ge­schil­dert ist. Über eini­ge Gra­vel­roads fah­re ich mit­ten durch Mais- und Soja­fel­der, vor­bei an ein­zel­nen Far­men und begin­ne schon dar­an zu zwei­feln, ob ich hier rich­tig bin.

Buddy Holly 1

Doch dann sehe ich sie tat­säch­lich, die schwar­ze Bril­le am Stra­ßen­rand. Ich par­ke am Stra­ßen­rand und sehe mich um. Das soll der Ort sein, an dem die Rock n’ Roll Legen­de Bud­dy Hol­ly starb? Das kann nicht sein, spre­chen die Berich­te im Inter­net doch von einer unweg­sa­men Stel­le. Ich schaue noch­mal in mei­ne Noti­zen, wo steht, dass man noch etwa eine Mei­le am Feld­rand ent­lang lau­fen muss, um zur Absturz­stel­le zu kom­men. Ich schaue also noch ein­mal genau hin und kom­me zu dem Schluß, dass damit nur die­ser Feld­weg gemeint sein kann, der neben der schwar­zen Bril­le star­tet. Der sieht zwar nicht sehr ein­la­dend aus, aber ich ent­schei­de mich, es ein­fach zu versuchen.

Buddy Holly Collage 1

Zuerst läuft sich der Weg durch die Soja­fel­der noch sehr gut, doch umso wei­ter ich lau­fe, desto mat­schi­ger wird er. Manch­mal ver­sin­ke ich direkt im roten Schlamm. Irgend­wann bin ich kurz davor umzu­dre­hen, doch dann sehe ich etwas sil­ber­nes Auf­blit­zen. Und tat­säch­lich, ein paar Minu­ten spä­ter ste­he ich vor der Absturz­stel­le, wo an jenem eis­kal­ten 3. Febru­ar 1959 das Leben von Bud­dy Hol­ly, Rit­chie Valens, Big Boo­per und dem Pilo­ten Roger Peter­son so tra­gisch endete.

Buddy Holly Collage 2

Das Denk­mal wur­de 1988 vom Bud­dy Hol­ly Fan Ken Paquet­te errich­tet. Es besteht aus aus einer Gitar­re und drei Schall­plat­ten, die den Namen, den bekann­te­sten Song­ti­tel und den Schall­plat­ten­fir­men­na­men jeweils eines der drei Künst­ler tragen.

Nach gut einer hal­ben Stun­de und einem wei­te­ren Marsch durch den Matsch bin ich wie­der zurück am Auto. Über wei­te­re Gra­vel­roads fah­re ich nun in Rich­tung Clear Lake, dem Ort, wo die drei Musi­ker am Abend zuvor ihr letz­tes Kon­zert gaben.

Buddy Holly 11

Clear Lake ist eigent­lich eine Klein­stadt im länd­li­chen Iowa, wie sicher­lich vie­le Dut­zend ande­re auch, doch durch Bud­dy Hol­ly erlang­te sie eine Berühmt­heit, die noch bis heu­te anhält. Mit­tel­punkt des Gan­zen ist der Surf Ballroom.

Surf Ballroom Collage 1

Der sieht heu­te noch fast genau­so aus wie 1948, als er eröff­net wur­de. Lie­be­voll restau­riert ist er und ich füh­le mich in die Zeit der 50er Jah­re zurückversetzt.

Surf Ballroom Collage 2

Zur Vor­ge­schich­te: 1959 führ­te die Win­ter Dance Par­ty eini­ge Rock n’ Roll Musi­ker durch den Mitt­le­ren Westen der USA. Ihr Tour­plan war mör­de­risch und schlecht orga­ni­siert, denn die Künst­ler rei­sten oft elen­dig lan­ge Strecken im Zick Zack durch die ver­schie­de­nen Bundesstaaten.

Surf Ballroom 1

Am 2. Febru­ar soll­ten sie dann hier in Clear Lake im Surf Ball­room auftreten.

Surf Ballroom 3

Der Tour­bus, der die Musi­ker von Ort zu Ort brach­te, erwies sich auch als nicht sehr win­ter­taug­lich, denn das Heiz­sy­stem fiel schon kurz nach Tour­start aus. Bud­dy Hol­lys Schlag­zeu­ger Carl Bunch muss­te sogar wegen Frost­beu­len an den Füßen im Kran­ken­haus sta­tio­när behan­delt wer­den. Vor dem Auf­tritt in Clear hat­te Bud­dy Hol­ly schließ­lich genug und char­ter­te mit sei­nen ver­blie­be­nen Band­kol­le­gen Way­lon Jen­nings und Tom­my All­sup ein Klein­flug­zeug des Types Beech­craft Bonan­za, um damit zum näch­sten Auf­tritt in der Nähe von Far­go in North Dako­ta zu gelangen.

Jiles Per­ry „The Big Bop­per“ Richard­son, der sich ver­mut­lich im kal­ten Tour­bus eine Grip­pe­er­kran­kung zuzog, bat Way­lon Jen­nings um des­sen Platz im Flug­zeug. Rit­chie Valens wie­der­um, der noch nie in einem Klein­flug­zeug geflo­gen war, frag­te Tom­my All­sup, ob er des­sen Platz haben kön­ne. Er ließ dar­auf­hin einen Münz­wurf dar­über ent­schei­den, aus dem Valens als Gewin­ner hervorging.

Surf Ballroom Collage 4

Nach dem Auf­tritt in Clear Lake hob die Beech­craft mit­ten in der Nacht mit ihren Pas­sa­gie­ren bei Schnee­fall vom drei Kilo­me­ter ent­fern­ten Mason City Muni­ci­pal Air­port ab. Knapp fünf Minu­ten spä­ter stürz­te die Maschi­ne über einem Getrei­de­feld acht Kilo­me­ter nörd­lich von Clear Lake ab. Alle Insas­sen kamen dabei ums Leben. Unter­su­chun­gen zufol­ge waren die wahr­schein­li­chen Ursa­chen für den Absturz schlech­te Wet­ter­be­din­gun­gen und mensch­li­ches Ver­sa­gen sei­tens des Piloten.

Surf Ballroom 4

Die­ser Tag schock­te die gesam­te Musik­welt und soll­te als „The Day the Music died” in die Geschich­te ein­ge­hen. 1971 schrieb der Musi­ker Don McLean sein berühm­tes Lied „Ame­ri­can Pie” durch den die­ser Satz end­gül­tig unsterb­lich wurde.

Bud­dys berühm­te schwar­ze Bril­le wur­de übri­gens aus den Trüm­mern geret­tet und lag bis 1998 im Poli­zei­ar­chiv, bevor sie an das Bud­dy Hol­ly Cen­ter in Lub­bock, Texas über­ge­ben wurde.

Der Surf Ball­room ist seit die­sem Tag eine Pil­ger­stät­te für Bud­dy Hol­ly Fans, aber auch welt­be­rühm­te Musi­ker tre­ten hier immer wie­der auf. Am bekann­te­sten ist die all­jähr­li­che Win­ter Par­ty, die immer am Wochen­en­de um den 3. Febru­ar zu Ehren der drei getö­te­ten Musi­ker statt­fin­det. Seit Jahr­zehn­ten ver­ewi­gen sich die teil­neh­men­den Künst­ler an den Wän­den der Garderobe.

Surf Ballroom Collage 3

Auf der wei­te­ren Fahrt nach Süden ver­zie­hen sich die Wol­ken dann immer mehr und die Son­ne kommt her­aus. Als ich Des Moi­nes errei­che, wech­seln sich Son­ne und Wol­ken bereits wie­der ab und es ange­nehm warm.

Des Moines

Mein erster Stopp in der Haupt­stadt von Iowa ist dann wie­der das Kapi­tol. Auch hier war ich 2007 schon ein­mal, aber eben­so wie in Min­ne­so­ta fehlt mir noch der Stem­pel. Das wird auch gleich nachgeholt.

IA State Capitol 5

Erbaut wur­de das Kapi­tol zwi­schen 1871 und 1886. Es ist das ein­zi­ge Kapi­tol mit 5 Kup­peln in den USA. Im Gebäu­de sind sowohl der Senat, das Reprä­sen­tan­ten­haus als auch der Supre­me Court untergebracht.

Iowa State Capitol Collage

Etwa zwei Kilo­me­ter vom Kapi­tol ent­fernt liegt Ter­race Hill, eines der schön­sten Her­ren­häu­ser von Des Moi­nes. Das Haus wur­de zwi­schen 1866 und 1869 von Ben­ja­min Frank­lin Allen erbaut, dem ersten Mil­lio­när in Iowa. Auf einer Füh­rung sehe ich mir die­ses präch­ti­ge Haus auch von innen an.

Terrace Hill

Lei­der darf ich wäh­rend der Füh­rung nicht foto­gra­fie­ren, denn das Haus wird heu­te als Gover­neurs Man­si­on genutzt. Der Gou­ver­neur von Iowa nutzt die Räu­me für Emp­fän­ge und er und sei­ne Fami­lie bewoh­nen die 3. Eta­ge des Hau­ses. Inter­es­sant ist aber, dass es trotz­dem kei­nen Zaun um das Gebäu­de gibt. Es ist, soweit ich mich erin­nern kann, das Ein­zi­ge, das kei­ner­lei Absper­run­gen hat. Das kommt daher, dass Ter­race Hill noch nie einen Zaun beses­sen hat und man die­sen histo­ri­schen Fakt auch nicht ändern woll­te. Trotz­dem gibt es natür­lich Überwachungskameras.

Und noch ein wei­te­res Her­ren­haus möch­te ich in Des Moi­nes besu­chen. Salis­bu­ry Hou­se wur­de von Carl und Edith Weeks erbaut und ist dem Kings Hou­se in Salis­bu­ry, Eng­land nachempfunden.

Salisbury House 9

Die Weeks und ihre vier Kin­der zogen 1926, nach drei Jah­ren Bau­zeit, in ihr neu­es Heim.

Salisbury House 4

Das Haus hat 42 Zim­mer und fast 2000qm Wohn­flä­che, die aber heu­te nicht mehr kom­plett möbliert sind. Die Fami­lie ver­füg­te auch über eine gro­ße Kunst­samm­lung, deren schön­ste Stücke im Haus aus­ge­stellt sind.

Salisbury House Collage

Sein Ver­mö­gen mach­te Carl Weeks mit Kos­me­tik. Die Fir­ma exi­stiert auch heu­te noch und stellt Kos­me­tik für gro­ße Dro­ge­rie­ket­ten in den USA her.

Salisbury House 5

Auch ein schö­ner eng­li­scher Gar­ten sowie ein Kut­schen­haus gehö­ren zum Ensem­ble des im Tudor Stil erbau­ten Salis­bu­ry House.

Salisbury House 8

Da das Wet­ter auch wei­ter­hin hält, ent­schei­de ich mich dazu, noch nach Win­ter­set zu fah­ren. Die Klein­stadt liegt etwa 30 Kilo­me­ter von Des Moi­nes ent­fernt und hat ihren ursprüng­li­chen Charme weit­ge­hend erhal­ten können.

Winterset Collage

Es hat natür­lich einen Grund, oder bes­ser gesagt zwei, war­um ich hier­her fah­re. Der Erste ist der berühm­te­ste Sohn der Stadt, Mari­on Robert Mor­ri­son, bes­ser bekannt als John Way­ne, der am 26. Mai 1907 in die­sem unschein­ba­ren Haus das Licht der Welt erblickte.

John Wayne Collage

Heu­te ist hier ein klei­nes Muse­um ein­ge­rich­tet, dass sich ganz und gar dem „Duke” wid­met. Außer­dem ist gera­de ein Neu­bau in Pla­nung, um noch umfang­rei­che­re John Way­ne Aus­stel­lun­gen zu ermöglichen.

John Wayne Birthplace 4

Der zwei­te Grund ist, dass Win­ter­set der Coun­ty Seat von Madi­son Coun­ty ist. Und das Coun­ty ist berühmt für sei­ne Cover­ed Bridge, die durch den Film „Die Brücken am Fluß” mit Meryl Streep und Clint East­wood unsterb­lich gewor­den sind. Eini­ge die­ser Brücken will auch ich besu­chen. Die Erste zu fin­den, ist gar nicht so schwer, denn die liegt gleich am Ein­gang des Stadt­parks von Winterset.

Die Cutler-​Donahoe Cover­ed Bridge wur­de 1870 erbaut und stand eigent­lich 18 Mei­len nörd­lich von Win­ter­set. 1970 wur­de sie hier­her in den Stadt­park versetzt.

Winterset City Park Collage

Durch den Stadt­park führt auch ein Rund­weg, den man gut mit dem Auto befah­ren kann. An der Strecke steht auch der Clark Tower, der 1926, anläss­lich des 80zigsten Geburts­tags von Madi­son Coun­ty errich­tet wurde.

Die ande­ren Brücken zu fin­den ist dann nicht mehr ganz so leicht. Ich habe zwar eine Kar­te von der Home­page von Madi­son Coun­ty aus­ge­druckt, doch die ist nicht all­zu genau. Trotz­dem schaf­fe ich es mit ihrer Hil­fe und ein paar klei­nen Schil­dern am Weges­rand auch die Rose­man Cover­ed Bridge zu fin­den. Sie wur­de 1883 als eine der letz­ten ihrer Art in Madi­son Coun­ty errich­tet und wur­de noch bis 1981 als Stra­ßen­brücke genutzt.

Rosewell Covered Bridge Collage

Sie ist die ein­zi­ge der Brücken, die einen eige­nen Gift Shop gleich neben­an hat, der aber lei­der geschlos­sen war.

Die näch­ste Brücke, die ich fin­de, ist die eben­falls 1883 errich­te­te Cedar Bridge. Über sie kann ich auch heu­te noch mit dem Auto fah­ren, denn sie bil­det die Zufahrt zu einem Coun­ty Park außer­halb der Stadt.

Cedar Bridge 2

Jetzt fah­re ich über etli­che Gra­vel­roads rund um Win­ter­set und befürch­te schon kom­plett falsch zu sein, als ich plötz­lich etwas Rotes am Hori­zont auf­blit­zen sehe. Und tat­säch­lich ist es die Hol­li­well Cover­ed Bridge, die bereits 1880 über dem Midd­le River erbaut wurde.

Holliwell Bridge

Die Suche­rei nach den Brücken nimmt auch ganz schön Zeit in Anspruch, sodass so lang­sam die Däm­me­rung ein­setzt und ich beschlie­ße, nach Des Moi­nes zurück­zu­keh­ren. An einer letz­ten Brücke hal­te ich aber unter­wegs noch an. Die Imes Bridge wur­de bereits 1870 errich­tet und liegt ganz in der Nähe der Auf­fahrt zu, I‑35, der mich nun zu mei­nem Hotel brin­gen soll.

Imes Bridge

Kurz vor der Auf­fahrt auf den Inter­sta­te geht die Son­ne dann mit einem schö­nen Far­ben­spiel end­gül­tig unter. Die paar Wol­ken am Him­mel stö­ren da gar nicht, son­dern las­sen das Gan­ze eher ein­drucks­vol­ler aussehen.

Abendstimmung

In West Des Moi­nes habe ich heu­te das Hamp­ton Inn reser­viert. Hier zah­le ich nur $50+tax und den Rest in Hil­ton Honors Punk­ten. Das Hotel ist ein typi­sches Hamp­ton Inn und liegt in der Nähe des Jor­dan Town Cen­ter, dem ich heu­te Abend noch einen Besuch abstat­ten will.

Hampton Inn Des Moines West

Zum Abend­essen gehe ich in die Cheese­ca­ke Fac­to­ry und da der Abend so schön warm ist, esse ich drau­ßen auf der Ter­ras­se. Zum Nach­tisch gibt es natür­lich den obli­ga­to­ri­schen Cheese­ca­ke. Die Hälf­te der Tor­te wan­dert aller­dings in eine Schach­tel und fährt mit mir ins Hotel.

Cheesecake Factory

Am Abend schaue ich dann noch ein­mal Wea­ther Chan­nel und was ich da höre, gefällt mir gar nicht. Es wur­de ja über die letz­ten Tage immer wie­der ange­kün­digt, dass sich ein Unter­wet­ter­ge­biet auf uns zu bewegt. Doch nun scheint es Ost­ne­bras­ka und Westio­wa erreicht zu haben. Es gibt auch bereits die ersten Tor­na­do War­nings für die Regi­on. Das schlimm­ste dar­an ist aber, dass ich mor­gen genau in die­se Rich­tung fah­ren will. Immer wie­der über­le­ge ich, ob ich umbu­chen soll, doch dann ent­schei­de ich mich dafür abzu­war­ten und es zu versuchen.

Wäh­rend ich ins Bett gehe, höre ich bereits das erste Don­ner­grol­len. Und das soll sich über nach noch inten­si­vie­ren. Ich bin gespannt, was da kom­men wird. Ändern kann ich es ja sowie­so nicht, aber vor­be­rei­tet will ich auf jeden Fall sein. Mit­ten in einen Sturm mit Tor­na­dos am Boden will ich nie wie­der gera­ten. Ein­mal war genug, damals in Geor­gia 2006.

Mei­len: 381
Wet­ter: 11–26 Grad, mor­gens hef­ti­ge Gewit­ter mit Stark­re­gen, spä­ter heiter
Hotel: Hamp­ton Inn Des Moi­nes West, $56 + 12.000 Points