Tag 7: Mittwoch, 02. Oktober 2013
Three Millionaires and a Murder – von Duluth nach Minneapolis
Mit der Sonne stehe ich heute auf und da es im Days Inn kein Frühstück gibt, checke ich auch relativ schnell aus. Erst einmal fahre ich nach Downtown Duluth, denn so früh am Morgen hat das Haus, das ich noch besichtigen möchte nicht auf.
Am Ufer des Lake Superior sind bereits die ersten Jogger unterwegs, aber sonst ist es noch ganz leer und das Licht wunderbar. Nur etwas frisch ist es. Man merkt schon, dass der Sommer vorbei ist. Ich habe aber vorsorglich meine Jacke dabei und so ist das auch kein Problem, als ich ein wenig über den schön angelegten Lake Walk laufe.
An der Hafeneinfahrt von Duluth stehen gleich drei Leuchttürme und die sehe ich mir natürlich alle an. Zwei sind nur über einen sehr langen Pier zu erreichen, der in den See hineinragt. Ein schöner kleiner Spaziergang so früh am Morgen.
Gleich um die Ecke steht auch das Visitor Center vom Army Corps of Engineers, doch wegen des Shutdowns ist es leider geschlossen.
Nicht geschlossen ist allerdings die Aerial Lift Bridge. Sie wurde ursprünglich als Schwebefähre erbaut und später zu einer Hubbrücke umgebaut. Der Bau einer Brücke war notwendig geworden, nachdem 1870/71 ein Kanal gebaut worden war, um auch größeren Frachtschiffen die Einfahrt in den Hafen von Duluth zu ermöglichen. Die Aerial Lift Bridge kann innerhalb von 55 Sekunden um rund 40 Meter angehoben werden. Dies geschieht je nach Schiffsverkehr bis zu 30 Mal täglich. Leider nicht, als ich hier unterwegs bin.
Und so fahre ich dann wenigstens selbst einmal über die Brücke, die Duluth mit der Park Point Halbinsel verbindet.
Park Point ist mit einer Breite von durchschnittlich 150 Metern und einer Länge von elf Kilometern gilt sie als die längste Sandbank in einem Süßwassersee und etwa 1500 Menschen nennen diesen schmalen Streifen Land ihr Zuhause.
Zuerst stehen rechts und links der Straße noch Wohnhäuser, doch ein paar Meilen weiter lichtet sich die Bebauung und ich habe einen schönen Blick auf die 1961 eröffnete John A. Blatnik Bridge, über die ich gestern auch gefahren bin. Die Brücke ist 2431 Meter lang und bis zu 37 Meter hoch, um auch großen Schiffen die Durchfahrt zu gewähren.
Hier machen auch ganz viele Canada Geese auf ihrem Weg nach Süden Rast und ich beobachte sie eine ganze Weile. Das ist gar nicht mal uninteressant, denn während die Meisten von ihnen fressen, gibt es immer ein bis zwei Aufpasser. Jedes Mal wenn ich mich ein wenig bewege, werden die ganz aufgeregt und strecken die Hälse. Es könnte ja ein Feind im Anmarsch sein. Von herannahenden Autos hingegen sind sie kaum beeindruckt. Da muss man schon mal ein Weilchen warte, bis sie die Straße überquert haben.
Um kurz vor neun mache ich mich auf den Weg nach Glensheen. Das Herrenhaus ist einer der Gründe, warum Duluth schon ganz zeitig als ein Stopp auf dieser Tour feststand. Als ich auf dem Parkplatz ankomme, ist es noch ganz leer und ich bin die erst die 2. heute Morgen, die ein Ticket kauft. Da die Tour um 9:40 Uhr beginnt, habe ich noch etwas Zeit. Zuerst einmal für einen kleinen Plausch mit der netten Dame hier, die mich gleich in die schaurige Geschichte dieses Hauses einweiht und mir sagt, dass ich auf der Tour nicht wirklich viel darüber erfahren würde.
Glensheen liegt direkt am Lake Superior. Von hier kann ich bis nach Downtown Duluth sehen, dessen Häuser am Horizont zu erkennen sind.
Das Haus wurde zwischen 1905 und 1908 für Chester Adgate Congdon und seine Familie errichtet. Congdon war einer der reichsten und einflußreichsten Bürger seiner Zeit in Minnesota.
Glensheen steht auf einem mehr als drei Hektar großen Grundstück und ist umgeben von schönen Gärten. Am schönsten ist jedoch der unverbaute Blick auf den See.
Da Glensheen immer nur von einer Familie bewohnt wurde, sind fast alle Stücke im Haus Original und noch heute dort, wo sie vor über 100 Jahren platziert wurden. Eine wahre Zeitkapsel also.
Die Congdons waren eigentlich immer eine glückliche Familie, bis zu jenem 27. Juni 1977. Jahrelang wurde, auf Wunsch der Familie, über diesen Tag während der Touren nie gesprochen. Und auch heute noch wird die tragische Geschichte nur auf Nachfragen enthüllt, obwohl es im Museumshop Bücher dazu zu kaufen gibt.
Der 27. Juni 1977 war der Tag, an dem Chester Congdons Tochter Elisabeth hier gewaltsam zu Tode kam. Zuerst sah alles nach einem Einbruch aus, doch nach und nach wurde die gesamte Geschichte aufgedeckt. Elisabeth und ihre Pflegerin wurden vom Mann ihrer Adoptivtochter ermordet, um schneller an das Erbe der Mutter zu kommen. Hinter dem Mordplan aber steckte Majorie Congdon, die Adoptivtochter von Elizabeth.
Elisabeth war nie verheiratet und adoptierte Majorie und ein weiteres Mädchen. Majorie wurde schon als junges Mädchen als Soziopathin diagnostiziert und kam im Laufe ihres Lebens oft mit dem Gesetz in Konflikt. Auch verschiedene Todesfälle werden mit ihr in Verbindung gebracht. Verurteilt wurde sie allerdings immer nur für kleine Delikte. Majorie lebt heute in Arizona und sitzt zur Zeit in Tucson im Gefängnis.
Als ich wieder aus dem Haus komme, bin ich froh, schon vorher einige Bilder gemacht zu haben, denn momentan verdeckt ein hartnäckiges Wolkenband die Sonne und da leuchten die Farben nicht halb so schön. Trotzdem verbringe ich über zwei Stunden in Glensheen, bevor ich weiter fahre.
Und zwar für einen kurzen Abstecher nochmals zurück nach Wisconsin, weil ich noch ein Foto vom Fairlawn Mansion in Superior machen möchte, dass gestern total im Gegenlicht lag. Als ich hier ankomme, beginnt sich das Wolkenband auch bereits wieder aufzulösen und die Sonne scheint.
Dann fahre ich geradewegs auf den I‑35, der mich in zwei Stunden nach St. Paul bringt. Hier führt mich mein erster Weg gleich zu Kapitol. Das letzte Mal, als ich hier war, war das Wetter genauso schön, aber es war eisig kalt. Minus 10 Grad zeigte das Thermometer an. Heute hingegen sind es 25 Grad Plus und ich laufe im T‑Shirt herum.
Im Kapitol hole ich mir dann gleich mal meinen Stempel, denn der fehlte mir noch, da ich 2007 die Capitol Collection noch nicht kannte. Danach drehe ich eine Runde durch die Rotunda, den Senat und das Repräsentantenhaus.
Erbaut wurde das Kapitol zwischen 1896 und 1902, bevor es 1905 offiziell eingeweiht wurde. Es ist bereits das dritte Kapitol von Minnesota, nachdem das Erste einem Feuer zum Opfer fiel und das Zweite bald nach seiner Errichtung bereits zu klein geworden war.
Vorbei komme ich natürlich auch an der Galerie der Gouverneure. Und da hat Minnesota auch einen recht ungewöhnlichen zu bieten, nämlich den Wrestler und Schauspieler Jesse Ventura, der das Amt von 1999–2003 innehatte.
Zum Schluß gehe ich in den Keller. Da ist aber kein Verlies untergebracht, sondern die wohl interessanteste und, wie ich finde, auch schönste Cafeteria aller State Capitols. Sie heißt „Rathskeller” und sieht, zumindest an den Wänden, auch so aus. Überall stehen deutsche Trinksprüche in alter Sütterlinschrift und zeugen von der einst größten Emigrantengemeinde in Minnesota.
Die Inschriften waren übrigens lange Zeit unbekannt, denn sie wurden überstrichen und erst in den 1980ziger Jahren wiederentdeckt. Nach einer umfassenden Restaurierung erstrahlen sie heute wieder in altem Glanz. Insgesamt gab es 29 Inschriften, von denen heute noch 23 existieren. Die anderen vielen leider der modernen Ventilation des Raums zum Opfer.
Alle Sprüche gibt es auch hier zum Nachlesen.
Von den Stufen des Kapitols habe ich auch einen schönen Blick auf Downtown St. Paul, der Hauptstadt von Minnesota. Bevor ich jedoch dorthin fahre, geht es noch in eines der vornehmsten Viertel der Stadt.
Auf dem Weg dorthin komme ich auch an der Cathedral of Saint Paul vorbei. Sie ist die Bischofskirche des römisch-katholischen Erzbistums Saint Paul und Minneapolis.
Gleich dahinter liegt der Summit Hill, wo die teuersten Häuser von St. Paul stehen. So auch das des einst reichsten Einwohners von Minnesota, James Hill. 1891 errichtet, ist es mit über 3000 qm Wohnfläche das größte Privathaus in Minnesota. Heute ist es allerdings ein Museum und Kulturzentrum.
Auch in der unmittelbaren Umgebung des Hauses stehen schöne Villen, die noch heute von Privatleuten bewohnt sind oder Organisationen beherbergen, wie das Germanic-American Institute.
Von hier fahre ich nun zurück nach Downtown. Dort war ich bisher noch nie und so stelle ich das Auto ab und laufe ein wenig herum. Ganz in der Nähe steht das St. Paul Hotel. Das ehrwürdige Haus empfängt schon seit über 100 Jahren Gäste. Unter ihnen auch Prominente wie Charles Lindbergh, Gene Autry oder John F. Kennedy.
Im Rice Park gegenüber entdecke ich dann diese Statuen, an denen ich nicht einfach so vorbei gehen kann. Die Peanuts Charaktere stehen hier, um deren Erfinder Charles Schultz zu ehren, der in Minnesota geboren wurde.
Da das Wetter morgen nicht mehr so schön sein soll, entschließe ich mich allerdings dazu, meinen Besuch in St. Paul etwas abzukürzen und auch noch in die Andere der Twin Cities zu fahren, nach Minneapolis. Hier treffe ich, zum ersten Mal auf dieser Reise, auf der Großen Fluss, den Mississippi, der in Minnesota auch seine Quelle hat. Über ihn spannt sich die historische Stone Arch Bridge. Die 640 Meter lange, ehemalige Eisenbahnbrücke wurde 1883 von James Hill für seine Great Northern Railway errichtet. Bis 1978 wurde sie auch als solche genutzt. Nach ihrer Stilllegung ist sie heute nur noch für Fußgänger und Radfahrer geöffnet.
Wie die meisten amerikanischen Großstädte besitzt auch Minneapolis einige Wolkenkratzer, die in Downtown angesiedelt sind. Deswegen bin ich jedoch nicht hierhergekommen. Ich will eine ganz besondere Dame besuchen.
Direkt vor dem Haupteingang von Macys steht eine Statue von Mary Tyler Moore und die muss ich einfach noch einmal besuchen. War es doch diese TV-Serie, die mich mit in meiner Berufswahl bestärkte.
Inzwischen ist es schon nach 17 Uhr und normalerweise haben Museen ja um diese Zeit meistens schon zu. Heute jedoch nicht, denn mittwochs hat das Turnblad Mansion bis 20 Uhr geöffnet. Das kommt mir gerade Recht, denn so kann ich es diesmal auch von innen anschauen, was bei meinem letzten Besuch in Minneapolis nicht geklappt hat.
Das Turnblad Mansion wurde 1903 für die schwedischen Emigranten Swan und Christina Turnblad erbaut. Im Jahr 1929 spendete die Familie ihr Haus, um das American-Swedish Institute zu gründen, das schwedische Kunst und Kultur in den USA zeigt. Ein Teil des Hauses ist aber noch so eingerichtet, wie die Turnblads es verlassen haben.
Der größte Teil des Hauses aber wird als Galerie genutzt, so wie hier für eine Ausstellung der schwedischen Künstlerin Ingalena Klenell.
Auch Veranstaltungen aller Art, wie Lesungen und Vernissagen, finden im Turnblad Mansion statt.
Als ich am Ende meiner Besichtigung aus dem Fenster sehe, bin ich erschrocken, denn vom schönen blauen Himmel ist nichts mehr zu sehen. Inzwischen sind unheimliche, dunkle Wolken aufgezogen, sodass ich lieber auf dem schnellsten Weg zum Hotel fahre, denn es sind Unwetter angekündigt worden.
Übernachten will ich heute im Towne Place Suites in Eden Prairie, das zwar etwas außerhalb liegt, aber recht verkehrsgünstig zur Mall of America, der ich noch einen Besuch abstatten möchte. Zuvor checke ich aber erstmal ein. Schon als ich mein Gepäck holen will, hat Petrus die Schleusen geöffnet und es regnet so heftig, dass ich innerhalb von Sekunden pitschenass bin. Egal, dann muss ich mich wohl umziehen und die Regenjacke aus dem Koffer holen. Gesagt getan. Da ich aber während des Wolkenbruchs nicht unbedingt losfahren will, mache ich es mir in meinem Zimmer bequem.
Eine halbe Stunde später lässt der Regen dann zumindest so viel nach, dass ich mich wieder hinters Steuer setze. Es schüttet zwar weiter, aber jetzt schafft es der Scheibenwischer wenigstens die Sicht freizuhalten. Etwa 20 Minuten brauche ich, bis ich die Mall of America erreiche. Sie ist ein Einkaufszentrum der Superlative und so groß, dass es hier sogar einen Indoor Vergnügungspark gibt, komplett mit Achter- und Wildwasserbahnen sowie einem Riesenrad.
Einkaufen kann man natürlich auch. Mehr als 520 Geschäfte gibt es hier auf 390.000 Quadratmeter, mehr als 42 Millionen Menschen besuchen die Mall jedes Jahr und etwa 12.000 arbeiten hier. Außerdem gibt es ein Aquarium, ein Kino mit 14 Sälen, ein Lego Imagination Center, ein Dinosaurier-Museum, Diskotheken, einen NASCAR-Simulator und sogar eine Hochzeitskapelle.
Und dann gehe ich zum Schluß noch zu Archivers. Das ist eine Kette von Bastelläden, die besonders im Mittleren Westen, aber auch bis nach Colorado, Georgia oder Texas vertreten ist. Zufällig haben die hier heute auch noch Sale, sodass alles um 25% reduziert wurde. Da gehe ich natürlich nicht ohne Tüte heraus, denn Materialien für meine Scrapbooks brauche ich immer.
Draußen regnet es derweil immer noch und so fahre ich auch die 20 Minuten zurück zum Hotel mit eingeschalteten Scheibenwischern und wenig Sicht. Bevor ich zu Bett gehe, schalte ich noch einmal kurz den Weather Channel ein. Das sieht gar nicht gut aus. Das gewaltige Sturmtief, das schon im Westen für Überschwemmungen gesorgt hat, zieht unaufhaltsam auf diese Region zu. Nur gut, dass ich heute noch jeden Sonnenstrahl genutzt habe. Doch so ganz gebe ich die Hoffnung noch nicht auf, dass es nicht ganz so schlimm werden wird.
Meilen: 236
Wetter: 11–26 Grad, sonnig, abends Gewitter und Starkregen
Hotel: Towne Place Suites, Free Night (7.500 Points)