Tag 6: Mittwoch, 11. Oktober 2017
A rainy Day – Bristol nach Cheltenham
„I’m just fascinated by visiting actual castles in the countryside.” – Lily Collins
Es ist dunkel und grau an diesem Oktobertag, so richtig herbstlich, aber noch trocken, sodass ich nach Longleat aufbreche. Schon die Anfahrt ist imposant, denn zu dem riesigen Anwesen gehört nicht nur ein Herrenhaus, sondern auch ein Safaripark. Den werde ich allerdings nicht besuchen, denn mit meiner HHA-Mitgliedschaft komme ich nur ins Herrenhaus und den umliegenden Garten.
Zuerst einmal führt die Fahrt aber über eine kleine Straße über das riesige Grundstück. In der Ferne sehe ich exotische Tiere grasen und dann kommt auch schon das Herrenhaus in mein Blickfeld. Der Parkplatz ist jedoch etwas entfernt, sodass ich das Haus zunächst aus meinem Blickfeld verliere.
Als ich aussteige, weht ein recht frischer Wind und es scheint noch düsterer geworden sein. Nur die großen, leuchtend bunten Blumen bringen etwas Farbe in den Tag. Sie sind für ein Event hier aufgestellt, von dem ich gleich noch mehr sehen werde.
Das Event, das hier jährlich in der Vorweihnachtszeit stattfindet, ist das Festival of Light. 2017 stand es unter dem Motto „The Magic of Storytelling” und zeigte Szenen aus sechzehn bekannten Märchen. Ein Video zeigt, wie die Figuren bei Dunkelheit wirken.
Auch vor dem Herrenhaus selbst ist schon einiges aufgebaut. Longleat House ist seit dem 16. Jahrhundert der Sitz der Familie Thynne, die seit 1789 den Titel Marquess of Bath führt. Das Herrenhaus wurde von 1568 bis 1580 errichtet, ist das älteste Herrenhaus der Frührenaissance in England und ein Paradebeispiel für die elisabethanische Architektur.
Im Jahr 1949 öffnete der damalige Marquess of Bath das Haus zum ersten Mal für Besucher. Das war damals völlig unüblich und zuerst wurde er dafür von anderen Adligen gemieden. Doch der Erfolg gab ihm recht. Durch die Einnahmen war es ihm möglich, das Anwesen in der Familie zu halten. 1966 wurde auf dem Grundstück schließlich noch der erste Safari-Park außerhalb Afrikas eröffnet, der noch heute viele Besucher anzieht.
Bilder aus dem wirklich beeindruckenden Herrenhaus kann ich leider nicht zeigen, denn das Fotografieren ist nicht gestattet. Angeblich um die wertvollen Stücke zu schützen, was ich aber immer nicht nachvollziehen kann, denn moderne Kameras können gute Bilder ohne Blitz machen. Wahrscheinlicher ist eher, dass die Versicherung etwas dagegen hat, wie ich es schon mehrmals gehört habe. Auf der Homepage gibt es zumindest einen kleinen Eindruck von den Prunkräumen.
Nach dem Besuch im Haus stoße ich noch auf viel mehr Figuren, die schon für das Festival of Light aufgestellt wurden. Eigentlich steht der halbe Garten voll damit. Abends sieht das sicher beeindruckend aus, jetzt aber stört es mich schon etwas. Aber ich kann auch verstehen, dass es solche Events sind, die so ein Anwesen mit finanzieren.
Nur der Rosengarten ist dann von den Figuren verschont geblieben und so schaue ich mich hier noch ein wenig um.
Auf dem Anwesen von Longleat könnte man übrigens sogar einen ganzen Urlaub verbringen. Neben dem Safari-Park und dem Herrenhaus gibt es heute eine ganze Center Parcs Anlage mit 600 Bungalows, einen großen Spiel- und Freizeitpark, Erklär Pfade für Kinder und vieles mehr.
Ich aber mache mich auf den Rückweg zu meinem Auto, denn mit der HHA-Karte habe ich nur Zutritt zum Haus und zum Garten. Das reicht mir auch, denn das ist der Grund, warum ich hergekommen bin. Die meisten anderen Aktivitäten sind doch eher etwas für Familien.
Ich fahre weiter, an Bristol vorbei und nach Norden. Hier liegt Dyrham Park, ein barocker Landsitz, der sich in einem uralten Rotwild Park befindet. Auch hier wurde schon im Domesday Book ein Manor House registriert und der Name Dyrham wird von dem angelsächsischen Wort Dirham abgeleitet, das so viel wie Gehege für Hirsche bedeutet.
Ich erreiche das Anwesen, das seit 1961 dem National Trust gehört, und fahre auf den großen Parkplatz. Zu sehen ist von hier gar nichts, denn der Weg zum Haus ist recht weit. Es wird sogar ein Busshuttle angeboten, doch der ist gerade weg. Auf den nächsten warten will ich nicht und so mache ich mich zu Fuß auf den Weg. Hätte ich nur gewartet, aber ich konnte ja nicht wissen, welches Abenteuer dieser Weg ist. Erst einmal geht es recht schnurgerade diese Allee entlang.
Dann führt der Weg plötzlich ins Tal und ich habe einen tollen Blick auf das Herrenhaus sowie die Landschaft dahinter.
In einem geschwungenen Bogen geht es immer weiter der Talsohle entgegen. Unterwegs kreuzen Hirsche meinen Weg, die hier in großer Zahl im Park leben.
Doch hier lebt noch jemand, nämlich eine Herde Rinder. Und die sind ziemlich seltsam drauf. Vor mir ist ein Paar unterwegs, das bereits einen großen Bogen um die Tiere macht. Der Bulle sieht nicht gerade vertrauenerweckend aus und einige der Kühe blockieren den gesamten Weg und hinterlassen überall große Fladen. Auch ich entscheide mich so, einen recht großen Bogen um die Tiere zu machen und das war auch gut so. Später erfahre ich von Angestellten des National Trust, dass die Herde neu und noch nicht an die Besucher gewöhnt ist. Sie hätten da schon einige Probleme gehabt und empfehlen vorläufig die Nutzung des Busses.
Warum man die Tiere dann dort laufen lässt, ist mir irgendwie schleierhaft. Jedenfalls bin ich froh, als ich hinter dem Wildzaun angekommen bin.
Zuerst gehe ich um das Haus herum und schaue mir den Garten an. Gerade ist es noch trocken, doch am Horizont sind schon dunkle Regenwolken zu sehen.
Die Kirche St. Peter, die neben dem Garten steht, gehört nicht dem National Trust, ist aber eng mit dem Haus verbunden. Das Kirchenschiff wurde bereits im 13. Jahrhundert erbaut, der Turm im 15. Jahrhundert hinzugefügt. Das ganze Gebäude wurde im 17. Jahrhundert, als das Herrenhaus erbaut wurde, saniert.
In der Kirche sind die Gräber vieler Angehöriger der Familie Blathwayt beigesetzt, der Dyrham Park bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gehörte.
Durch die Gartenanlage gehe ich nun zurück zum Haus, das in mehreren Abschnitten zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert erbaut wurde. Das Haus war bis 1956 im Besitz der Familie, bevor sie es an die Regierung verkaufte. Es wurde jedoch schon während des Zweiten Weltkrieges für Flüchtlingskinder genutzt, die hier untergebracht waren, als Lady Anne Islington das Haus mietete. Sie dekorierte auch viele der Räume um, sodass sie leider nicht original erhalten sind.
Nach der Besichtigung des Hauses erkundige ich mich nach dem Shuttlebus. Der steht dieses Mal auch bereit und so mache ich mich zusammen mit einer Gruppe anderer Gäste wieder auf den Weg zum Parkplatz. Unterwegs sehen wir wieder eine Herde Rotwild und der Busfahrer ist nicht nur so nett anzuhalten, sondern öffnet sogar die Türen, damit ich besser fotografieren kann.
Als ich vom Parkplatz fahre, fängt es an zu regnen und es wird auch nicht weniger, im Gegenteil, bald schüttet es wie aus Kannen. Ich fahre trotzdem noch ein weiteres Ziel an, Newark Park. Schon auf dem Parkplatz wird klar, dass das eine nasse Angelegenheit wird. Aber nun bin ich schon mal hier, da will ich mir das Anwesen auch anschauen.
Newark Park liegt am südlichen Ende der Cotswolds und befindet sich seit 1946 im Besitz des National Trust. Ursprünglich zwischen 1544 und 1556 als Jagdhaus gebaut, wurde es jedoch bereits 1600 verkauft und vom neuen Eigentümer umgebaut sowie erweitert. Haus und Park, so wie sie heute aussehen, wurde schließlich von der Clutterbuck Familie gebaut, die hier bis 1860 zu Hause war. Als der National Trust das Anwesen übernahm, öffnete er es jedoch nicht für Besucher, sondern vermietete das Haus weiter. Bis 1970 war hier ein Altersheim untergebracht. Das Haus und der Garten leider komplett vernachlässigt und erst der amerikanische Architekt Robert Parson, der als nächster Mieter einzog, restaurierte das Anwesen, so wie es heute zu sehen ist. Erst seit 2012 ist das Haus nicht mehr vermietet, sondern für Besucher geöffnet.
Leider sehe ich von der tollen Aussicht des Parks nur sehr wenig. Es regnet weiterhin heftig und sogar die Tiere verkriechen sich unter den Büschen.
So gehe ich dann auch recht schnell zum Haus, um die Innenbesichtigung zu starten. Ich bin der einzige Besucher an diesem trüben Nachmittag und so werde ich herzlich begrüßt und gleich in die Geschichte des Hauses eingeführt. Die Inneneinrichtung ist nicht original, sondern zusammengetragen und zeigt Stücke aus der Sammlung des National Trust.
Aus diesem Fenster im Flur soll man eigentlich einen besonders tollen Blick haben, doch leider ist auch hier heute nicht sehr viel zu sehen.
Besonders seltsame Stücke wurden in diesem Schlafzimmer zusammengetragen, darunter das Bild über dem Bett, dessen Proportionen so gar nicht stimmen.
Und noch ein doch recht kurioses Stück entdecke ich. Auf einem Beistelltisch liegt ein echter Zahn eines Mammuts.
Einer der schönsten Räume ist wohl das von Robert Parson in den 1970er Jahren eingerichtet Schlafzimmer im obersten Stock. Was man auf dem Bild nicht sehen kann, der Raum hat eine Decke, die einem Zelt nachempfunden ist.
Beim Verlassen des Parks fahre ich wieder an jeder Menge Rindviecher vorbei. Doch diesmal sitze ich ja im Auto und diese hier sehen auch bedeutend friedlicher aus.
Nun ist es nicht mehr weit bis zu meinem Hotel für heute Nacht. Ich habe das Doubletree by Hilton in Cheltenham gebucht, das in einem historischen Gebäude untergebracht ist. Zumindest ein Teil des Hotels, der Rest befindet sich in einem Anbau. Von außen macht es schon mal einen tollen Eindruck.
Auch die Lobby sieht toll aus. Das war es aber dann leider, denn das Personal ist irgendwie so gar nicht auf Gäste eingestellt. Schon an der Rezeption ist man mehr mit sich selbst beschäftigt und checkt mich nur widerwillig ein. Vielleicht passt es den Herrschaften aber auch nicht, dass ich das Zimmer mit Punkten gebucht habe und sie mir deshalb nicht ihre überteuerten Preise aufdrücken können?
Ich bekomme jedenfalls ein Zimmer im obersten Stockwerk des historischen Hauses. Und das heißt erst einmal Treppen steigen. Das allein wäre ja noch nicht so schlimm, aber das Zimmer ist wirklich winzig. Allein um das Foto zu machen, musste ich schon ins Bad gehen. Ich weiß nicht mal, wo ich meinen Koffer öffnen soll. Ansonsten sieht es auf den ersten Blick zwar ganz nett aus, doch schon als ich die Decke zurückschlage, sehe ich riesige Stockflecken in der Bettwäsche. Das ist wirklich eklig und ich bemühe mich darum, dass das behoben wird. Wird es aber leider nicht, sodass ich die Bettdecke für die eine Nacht zumindest auf links drehe.
Winzig ist auch das Bad, in dem ich mich kaum drehen kann. Aber gut, damit hätte ich noch leben können, wenn denn die anderen Problem nicht wären.
Es ist ja nur für eine Nacht, da wird es schon gehen, und so schaue ich noch ein wenig die Planungen durch, bevor ich das Licht ausschalte.
Meilen: 121
Wetter: bedeckt mit Schauern, 13–16 Grad
Hotel: Doubletree by Hilton Cheltenham