Tag 9: Samstag, 14. Oktober 2017
Rising from the Ashes – Southampton nach Bracknell
„The garden suggests there might be a place where we can meet nature halfway.” – Michael Pollan
Vom Hovercraft habe ich zum ersten Mal in der Schule gehört. Irgendwie war dieser Begriff immer mit einer Reise nach England verbunden, als ich Kind war. In den Schulbüchern stand auch immer etwas über die Luftkissenboote. Doch irgendwann verschwanden sie, ohne dass ich jemals auf einem gewesen war, und damit auch meine Erinnerung. Auf einer meiner letzten Reisen stieß ich dann, ganz durch Zufall, auf das Hovercraft Museum in der Nähe von Southampton. Da das Museum aber nur von Freiwilligen betrieben wird, hat es nur an wenigen Tagen geöffnet, so bedurfte es etwas Planung, doch heute sollte alles passen und so mache ich mich auf den Weg.
Das Museum befindet sich in Lee-on-the-Solent in Hampshire und hat die größte Kollektion an Hovercraft Fahrzeuge weltweit zusammengetragen. Über 60 Fahrzeuge sind im Museum zu sehen. Dazu gehört auch die Princess Anne, das größte Hovercraft, das je für den Personenverkehr genutzt wurde und als einziges erhalten bliebt. Außerdem gibt es eine umfangreiche Sammlung an Dokumenten, Fotos, Filme und Zeichnung, einige davon sogar von den Herstellern selbst.
Das erste Hovercraft, das ich beim Betreten des Museums sehe, ist die Princess Margaret. Und gleich dieses Bild ist heute schon von historischem Wert, denn bereits kurz nach meinem Besuch wurde das Hovercraft leider verschrottet. Das Museum hatte nicht die Mittel zwei Fahrzeuge zu erhalten und hat sich deshalb entschieden, die Princess Anne zu behalten, die in einem besseren Zustand war.
Insgesamt gab es sechs dieser Hovercraft, die von 1968 bis zu ihrer Außerdienststellung im Jahr 2000, zwischen Frankreich und England unterwegs waren. SR.4N hieß die Baureihe, deren erster Prototyp die Princess Margaret war. Sie war das erste der sechs Hoovercraft, das den Liniendienst aufnahm, was für mich die Verschrottung noch trauriger macht.
Wer die Princess Margret noch einmal in Action sehen will, der muss sich den James-Bond-Film „Diamonds are forever” ansehen, in dem das Hovercraft zu sehen ist.
Die Princess Anne hingegen ist noch immer im Museum zu bestaunen, als letztes Exemplar ihrer Art. Das Hovercraft der Mountbatten Class war ursprünglich fast vierzig Meter lang und wurde später auf rund 56 Meter verlängert. 320 Tonnen schwer ist das Gefährt und konnte zuletzt 60 Autos sowie 240 Passagiere befördern.
Angetrieben wurden die Hovercrafts von vier Rolls-Royce Gasturbinen, durch die sie eine Geschwindigkeit von bis zu 110 Kilometern pro Stunde erreichen konnten. In die Tanks passten ganze 12.700 Liter Treibstoff, die bei voller Geschwindigkeit in vier Stunden aufgebraucht waren.
Die riesigen Propeller, die durch die Turbinen angetrieben wurden, sind fast sechs Meter hoch. Seinerzeit waren sie die größten Propeller der Welt.
Die Princess Anne kann ich nicht nur von außen besichtigen, sie steht auch von innen offen. Irgendwie hatte ich mir ja in der Schule immer mal vorgestellt, mit solch einem Hovercraft zu fahren. Da das, zumindest über den Ärmelkanal, nun nicht mehr möglich ist, will ich wenigstens mal anschauen, wie der Reisekomfort so ausgesehen hat.
Über die Autorampe gehe ich an Bord. Hier wurde die bis zu 60 Fahrzeuge verladen, die auf einer Tour mitgenommen werden konnten.
Das Deck gleicht von innen dem einer ganz normalen Fähre. Wüsste ich nicht, dass ich in einem Hovercraft bin, hier würde ich wohl nicht darauf kommen. Auf dem Deck sind heute kleinere Hovercraft aus der Sammlung des Museums, sowie Fotografien und Prospekte aus der Zeit der Hovercraft Fahrten über den Kanal ausgestellt.
Durch Türen gelangte man von Fahrzeugdeck in die Passagierräume, die sich bei den Hovercraft rechts und links des Fahrzeugdecks befinden. Auch ich nehme heute diesen Weg.
Der Innenraum sieht dann eher wie einer der Schnellfähren aus, mit denen ich unter anderem zwischen Hongkong und Macau unterwegs war. Sehr luxuriös oder bequem ist es nicht gerade, doch so eine Überfahrt dauerte im Schnitt auch nicht länger als eine gute halbe Stunde. Den Rekord für die schnellste Überfahrt hält übrigens jene Princess Anne, auf der ich mich hier gerade befinde. In 22 Minuten überquerte sie am 15. September 1995 den Kanal zwischen England und Frankreich.
An einigen Sitzen gibt es Tische und die Sitzbänke sind sich gegenüber angeordnet. Die Bestuhlung erinnert hier eher an einen Zug.
Eine kleine Bordküche stellte trotz der kurzen Überfahrt die Versorgung der Passagiere sicher.
Sogar ein Onboard Menu gab es, aus Speisen, Getränke und Duty Free Artikel bestellt werden konnten.
Die kleinen Toiletten erinnern dann wieder einer an Flugzeugtoiletten und sind auch genauso eng.
Beim Sitztest stelle ich fest, dass die Bestuhlung doch recht eng gewesen ist. Durch fehlende Armlehnen in der Mitte war Körperkontakt mit den Mitreisenden bei voller Besetzung wohl eher die Regel.
Nach der Einführung des Liniendienstes gab es zuerst zwei Anbieter, Seaspeed und Hoverlloyd. Im Jahr 1981 wurde die zwei Anbieter jedoch zu einem verschmolzen, der dann den Namen Hoverspeed trug und die Boote bis zum Ende betrieb.
Eine kleine Ausstellung widmet sich auch dem Personal auf den Hovercrafts. Eine dreiköpfige Besatzung war für die Steuerung zuständig, die eher einem Flugzeugcockpit als einer Schiffsbrücke glich. Außerdem arbeitete Servicepersonal an Bord, das sich um die Passagiere kümmerte.
Nach der Besichtigung der Princess Anne will ich mir nun noch einige der anderen Hovercrafts anschauen, die zur Sammlung des Museums gehören.
Die meisten kleineren Hovercraft sind in zwei großen Hallen untergebracht, um sie besser zu schützen. Hier werden sie, eines nach dem anderen, von den Freiwilligen des Museums wieder restauriert.
In einer Ecke der hinteren Halle gibt es hingegen Modelle zu sehen, denn die Hovercraft waren ein beliebtes Souvenir für Reisende.
Eines der größten Ausstellungsstücke ist das Warden Class Hovercraft, das sogar einen Preis für die ausgezeichnete Restauration gewonnen hat. Die Boote wurden sowohl zivil als auch militärisch genutzt. Das Hovercraft im Museum ist für den Personentransport ausgestattet.
Der James-Bond-Film, in dem die Princess Margaret zu sehen war, war jedoch nicht der einzige, in dem Hovercrafts genutzt wurden. Gleich drei dieser Fahrzeuge waren in „Die Another Day” mit Pierce Brosnan im Einsatz, zwei Osprey 5s und ein Slingsby SAH 2200. Sie sind heute im Museum zu sehen.
Das SR.N5 Hovercraft wurde zuerst 1964 gebaut und es gab insgesamt vierzehn Fahrzeuge. Sie wurden jedoch eher im militärischen Bereich eingesetzt. Nur zwei SR.N5 waren je in ziviler Nutzung und wurden einst in der San Francico Bay zwischen San Francisco und Oakland eingesetzt.
Das Griffon Hovercraft kommt aus einer britischen Firma gleichen Namens, die noch heute Hovercraft für die zivile und militärische Nutzung herstellt. Griffon war der weltweit erste Hersteller, der Hovercrafts mit Benzinmotor anstelle von Gasturbinen auslieferte, die deutlich effizienter betrieben werden konnten.
Eines der wenigen Hovercrafts, das neben der Princess Anne außerhalb der Hallen steht, ist dann noch das XW255. Konstruiert wurde es vor allem für die militärische Nutzung und neben Großbritannien auch von einigen anderen Ländern betrieben.
Der Aufbau gleicht hier her dem größeren Bruder, wie es die Princess Anne war. In der Mitte gibt es einen Frachtraum und an den Seiten Platz für die Passagiere.
Es war ein interessanter Besuch im Hovercraft Museum, der mir sehr gut gefallen hat. Schade, dass die Hovercraft nur solch eine kleine Lobby haben und der Verein praktisch jeden Tag um den Erhalt kämpfen muss. Deshalb habe ich die vielen fleißigen Hände hier auch gerne mit meinem Besuch unterstützt.
Nur kurz ist der Weg zu meinem nächsten Ziel für heute, Titchfield Abbey. Die ehemalige Abtei befindet sich ganz in der Nähe des Hovercraft Museums. Gegründet wurde sie bereits 1222 und ereilte dasselbe Schicksal wie alle Klöster, die 1537 durch Heinrich VIII. aufgelöst wurden.
Danach ging die Abtei an den 1. Earl of Southampton, der aus ihr ein Wohnhaus machte, doch 1781 wurde das Haus von den Nachbesitzern verlassen und teilweise abgerissen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Ruine schließlich von der Regierung gekauft und unter die Verwaltung von English Heritage gestellt.
Ich laufe ein wenig um das Gebäude herum und schaue mir auch die weniger gut erhaltenen Teile des Herrenhauses sowie des alten Klosters an. Viel ist außer dem prächtigen Portal leider nicht mehr zu sehen.
Nach diesem Kurzbesuch muss ich mich etwas sputen, denn mein nächstes Ziel liegt etwas weiter entfernt. Ich will noch einmal nach Clandon Park fahren, das ich bereits 2009 besucht habe. Doch Clandon Park hat in der Zwischenzeit ein ganz trauriges Schicksal ereilt. Das Herrenhaus, das dem National Trust gehört, wurde im April 2015 durch ein Feuer größtenteils zerstört, das durch einen defekten Stromkreis ausgelöst wurde. Tausende wertvolle Stücke und fast die ganze Einrichtung wurden damals zerstört.
Schon als ich auf das Grundstück komme, erinnere ich mich an meinen ersten Besuch hier, der mir vor allem wegen des Maori Hauses im Garten im Gedächtnis geblieben ist. Bedauerlicherweise ist das kleine Gebäude, das den Versammlungsräumen der neuseeländischen Ureinwohner nachempfunden ist, derzeit auch komplett eingerüstet, um es zu schützen.
Aber zurück zu Clandon Park, das einst ein prunkvolles Herrenhaus war. Gerne würde ich Bilder aus dem Inneren zeigen, doch 2009 erlaubte der National Trust das Fotografieren noch nicht. Die Gartenfront, deren Blick man hier sieht, war einst die fotogenste Seite des Anwesens.
Nach dem Feuer wurde das Haus zunächst gesichert und der Schaden aufgenommen. Was gerettet werden konnte, kam in ein Lager. Inzwischen sucht der National Trust nach einem Konzept, wie man das Haus weiter nutzen will. Im Gespräch ist eine Renovierung und die Nutzung als Ausstellungsfläche. Nur eines ist klar, so wie vor dem Brand wird Clandon Park wohl nie wieder aussehen.
In der Zwischenzeit werden jetzt Touren durch die Ruine angeboten, auf denen man die gewaltigen Zerstörungen des Feuers in Augenschein nehmen kann. Einer solchen Tour will auch ich mich anschließen. Mit Helm und Sicherheitsweste dürfen wir mit einem Guide das Gebäude betreten.
Damit der Besuch überhaupt möglich ist, würden solche Holzgänge mit einem Gitterdach gebaut. Nur auf ihnen kann ich mich durch das Gebäude bewegen.
Zuerst geht es in die große Marmorhalle. Ich erinnere mich noch gut an den imposanten Raum, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Außer einigen Säulen und dem Kaminsims hat das Feuer nicht viel verschont. Es ist schon sehr traurig, das Haus so zu sehen.
Auch den wunderschönen Salon hat es schwer getroffen. Hier ist noch viel weniger erhalten geblieben.
Im Royal Bedroom zeugen nur noch Reste der roten Wandbehänge davon, was sich einst in diesem Raum befunden hat.
Der Besuch von Clandon Park war für mich ein emotionales Erlebnis. Ich bin sehr traurig darüber, was das Feuer alles zerstört hat und auch gespannt, was man nun neues bauen wird. Auf jeden Fall ist es schade um alles, was unwiederbringlich verloren ist.
Von Clandon Park habe ich es nicht mehr weit bis zu meinem Hotel für heute Nacht. Gebucht habe ich das Hilton in Bracknell, das zu den älteren Hotels seiner Art gehört. Es ist nicht mehr besonders modern, aber an manchen Wochentagen recht günstig zu buchen.
Sehr praktisch ist, dass sich gegenüber dem Hotel ein großer Sainsbury befindet, in dem ich mir heute auch etwas zum Abendessen hole.
Meilen: 108
Wetter: bedeckt, 16–20 Grad
Hotel: Hilton Bracknell