TAG 4: Freitag, 14. Juni 2013
Berg und Tal – von Caernarfon nach Swansea
Leider ist es mir heute Morgen nicht vergönnt, Caernarfon Castle noch einmal in der selben Pracht zu sehen, wie gestern Abend. Was bin ich froh, so lange in der Stadt unterwegs gewesen zu sein, denn jetzt ist der Himmel wieder zugezogen und neuer Regen droht. Egal, der Besuch der Burg wird trotzdem nicht gestrichen. Ich bin auch diesmal wieder einer der ersten Gäste, denn ich stehe gleich nach der Öffnung um 9:30 Uhr vor der Tür. Das ist wirklich die beste Zeit zur Besichtigung, denn jetzt ist es auch hier noch nicht so voll.
Caernarfons über 100 Meter langer Burghof wird von einer Ringmauer umschlossen und die Anlage ähnelt der von Conwy Castle, denn auch hier wurde auf doppelte Schutzmauern verzichtet. Sieben große und zwei kleine Türme gehören genauso zur Burg, wie zwei doppelte Torhäuser, das Kingsgate und das nie ganz vollendete Queensgate.
Da Caernarfon von Edward I. als neuer Regierungssitz von Nordwales geplant war, wurde sein Sohn Edward II. 1284 auf der Burg als „Prince of Wales“ geboren. Und so galt Caernarfon infolgedessen jahrhundertelang als Symbol der Unterdrückung von Wales durch England. Ein weiterer Prinz of Wales sollte diesen Titel hier jedoch erst 1911 wieder erhalten.
Der Zweite und vorerst Letzte, der diesen Titel in Caernarfon erhielt, war am 1. Juli 1969 Charles, der älteste Sohn von Königin Elisabeth. Und das geschah genau auf dieser steinernen Mittelplatte, auf der dieser Stuhl und Hocker platziert waren.
Der Titel Prince of Wales wird in der Regel immer an den ältesten lebenden Sohn des amtierenden Herrschers verliehen. Er fällt, wie alle anderen Titel, an die Krone zurück, wenn der jeweilige Inhaber König wird. Er wird nicht wie andere britische Adelstitel vererbt, wenn der Titelträger stirbt. Ob und wann er neu vergeben wird, hängt allein vom Willen des Monarchen ab. Der Titel verleiht seinem Träger keine bestimmte Funktion. Er ist weder das Staatsoberhaupt von Wales noch hatte er je eine besondere Aufgabe in der Regierung von Wales inne.
Das Wappen des Prince of Wales besteht aus drei Straußenfedern, die in einer einfachen Krone stecken, unter der sich ein Spruchband mit dem Wahlspruch „Ich dien“ befindet. Den deutschen Spruch hatte der junge Edward of Woodstock, auf den die Form dieses Wappens zurückgeht, der Legende nach nach der Schlacht von Crécy im Angedenken an den in der Schlacht getöteten König Johann von Luxemburg (Johannes der Blinde), der für die Zeitgenossen den Inbegriff ritterlicher Tapferkeit verkörperte, aus dessen Wappen übernommen.
Neben diesem Titel trägt der Thronfolger aber noch zahlreiche andere. Im letzten Jahr bin ich ja in Schottland z.B. auf den Titel Duke of Rothesay gestoßen, den momentan ebenso Prinz Charles trägt. Sein vollständiger Titel heißt sogar: His Royal Highness The Prince Charles Philip Arthur George, Prince of Wales, Duke of Cornwall and Earl of Chester, Duke of Rothesay, Earl of Carrick, Baron of Renfrew, Lord of the Isles, Prince and Great Steward of Scotland, Knight Companion of the Most Noble Order of the Garter, Knight of the Most Ancient and Most Noble Order of the Thistle, Great Master and First and Principal Knight Grand Cross of the Most Honourable Order of the Bath, Member of the Order of Merit, Knight of the Order of Australia, Companion of the Queen’s Service Order, Honorary Member of the Saskatchewan Order of Merit, Chief Grand Commander of the Order of Logohu, Member of Her Majesty’s Most Honourable Privy Council, Aide-de-Camp to Her Majesty.
Bevor ich nun heute in Richtung Süden aufbreche, will ich noch einen letzten Schlenker durch den Snowdonia Nationalpark machen. Die Hoffnung Mt. Snowden noch zu sehen habe ich zwar längst aufgegeben, doch ich habe gelesen, dass sich ein Besuch im kleinen Dörfchen Beddgelert sehr lohnen soll.
Und ich werde auch nicht enttäuscht. Als ich das kleine Dorf erreiche, schaut sogar immer wieder einmal die Sonne durch die dunklen Wolken. So macht es Spaß zwischen den alten Häusern und am Fluß entlangzuwandern.
Beddgelert hat seinen Namen angeblich von dem legendären Hund Gelert. Der walisische Ortsname bedeutet „Gelerts Grab”. Gelert war der Hund Llywelyns des Großen, der auf die Jagd ging und seinen Hund bei seinem kleinen Sohn in der Wiege zurückließ. Als er zurückkam, sah er das Kind nicht mehr und fand den Hund blutverschmiert. Er tötete ihn umgehend mit dem Schwert und entdeckte dann das unverletzte Baby unter den Kissen und neben der Wiege lag die Leiche eines Wolfs. Llywelyn bedauerte sein voreiliges Handeln und lächelte nie mehr. Der Hund aber wurde in Ehren begraben. Einen Nachweis für die Authentizität dieser Erzählung gibt es nicht, das Grab in dem der Hund beerdigt sein soll, kann aber auf einem kleinen Spaziergang am Fluß entlang besucht werden.
Mein nächster Halt auf dem Weg nach Süden ist Cymer Abbey. Die kleine Abtei, von der heute nur noch ein paar Ruinen übrig sind, hatte nie die Bedeutung ihrer großen Schwestern errungen und wurde 1535 letztendlich aufgegeben. Die Anfahrt zur Abtei ist etwas versteckt und ich verpasse sie fast. Als ich schließlich den Parkplatz erreiche, bin ich ganz allein hier und kann mich so nach Herzenslust umsehen. Zwischendurch kommt auch hier immer wieder die Sonne durch die dicken Wolken und wirft die Mauern so in ein interessantes Licht.
Etwas weiter südlich von Cymer Abbey erreiche ich dann diese Brücke. Von oben sieht sie ganz unspektakulär und wie unzählige andere Brücken auch aus. Doch diese Brücke ist etwas Besonderes und das in mehrerlei Hinsicht.
Die Devils Bridge ist eigentlich nicht nur eine Brücke, sondern drei Brücken übereinander. Man hat hier also nicht eine Brücke abgerissen und durch eine andere ersetzt, sondern im Laufe der Jahrhunderte immer eine Brücke über die andere gebaut. Die erste Brücke wurde im 11. Jahrhundert gebaut. Als diese zu instabil wurde, baute man 1708 einfach eine zweite Brücke darüber. Dazu nutze man auch die Fundamente der ersten Brücke. Die dritte Brücke, diesmal eine Eisenkonstruktion, wurde schließlich 1901 über den beiden Vorgängern errichtet und ist noch heute in Betrieb.
Mit dem Namen Devils Bridge ist aber auch eine Legende verbunden. Der zufolge wurde die Brücke vom Teufel gebaut, denn der Bau über die Schlucht war für Sterbliche zu schwierig zu bewältigen. Im Gegenzug für seine Arbeit, verlangte der Teufel die Seele des ersten Lebewesens, das die Brücke passiert. Der Teufel wurde aber von einer alten Frau ausgetrickst, die ein Stück Brot auf die Brücke warf. Deshalb rannte ihr Hund zuerst über die Brücke und war somit das erste Lebewesen, das die Brücke überquerte.
Rund um die Devils Bridge in Wales gibt es aber noch viel mehr zu entdecken. Wasserfälle ergießen sich hier von den Felsen und können von zwei Rundwegen aus entdeckt werden. Der Kürzere der beiden Wege führt über etliche Treppen nach unten und man benötigt etwas 15 Minuten. Der längere Weg beginnt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und ist ein Nature Walk, der nach Regen schon recht schlamming sein kann. Für den kompletten Weg werden hier ungefährt 45 Minuten veranschlagt.
Nach diesem, wie ich fand, sehr interessanten kleinen Ausflug, fahre ich weiter durch die Hügel von Wales. Unterbrochen werden die saftigen Grüntöne nur durch unzählige kleine weiße Punkte, Schafe, die auch hier zu Tausenden gehalten werden.
Mein letztes Ziel heute ist ein weiteres Herrenhaus. Llanerchaeron wurde vom berühmten Architekten John Nash entworfen, der auf viele andere berühmte Bauwerke Großbritanniens entworfen hat, u.a. den Buckingham Palace in London oder auch den Royal Pavillon in Brighton. Das Haus wurde 1795 für Colonel William Lewis erbaut. Heute werden Haus und Gärten vom National Trust verwaltet.
Da es schon später ist als gedacht, entscheide ich mich dazu, nach diesem Stopp direkt nach Swansea durchzufahren. Eine gute Entscheidung, denn im Gegensatz zu den letzten Tagen bin ich hier wieder in einer etwas dichter besiedelten Gegend mit mehr Verkehr. Unterwegs passierten jedoch noch einige kuriose Dinge.
Auf einer anderen Reise ist mir vor einigen Jahren ja einmal ein Greifvogel frontal in die Frontscheibe meines Mietwagens geflogen und dieses Schicksal sollte sich hier fast wiederholen. Auf dem Weg nach Swansea fahre ich über zahlreiche britische Landstraßen mit den typischen hohen Hecken rechts und links. Plötzlich kommt über die Hecke ein großer Vogel geschossen und sackt kurz vor meinem Auto durch. Ich trete auf die Bremse und sehe gerade noch, dass der Vogel ein noch lebendes Kaninchen in seinen Krallen hat und sich deshalb in so extremen Tiefflug befindet. Schreck gerade verkraftet, schauen mich ein Stück weiter doch tatsächlich zwei Augen aus dem Dickicht an und nur Sekunden später springt ein Reh aus der Hecke. Auch diesmal kann ich zum Glück rechtzeitig bremsen.
Wenig später komme ich im Großraum Swansea an. Nach einigen Tagen in Nordwales ist es schon etwas ungewohnt, wieder in einer Stadt mit Rush Hour und etwas mehr Verkehr unterwegs zu sein, sodass es einige Zeit dauert, bis ich am Hotel bin. Einen Schrecken versetzt mir dann auch noch eine Frau, die nur wenige Meter vor meinem Ziel ohne zu schauen direkt vor mein Auto läuft. Auch hier passiert aber zum Glück nichts.
Das Premier Inn Swansea Waterfront ist eine neues Hotel direkt im Herzen der neuen Waterfront, die hier in Swansea gerade geschaffen wird. Nach dem Einchecken entscheide ich mich dazu, auch heute ein Abendessen in einem Restaurant einzunehmen. Irgendwie habe ich Lust auf Potato Skins und da es in Swansea auch einen TGIs Friday gibt, ist das natürlich gar kein Problem. Das Restaurant liegt direkt im Herzen der Innenstadt, durch die ich aber nur kurz bummele, da es wieder zu regnen anfängt. So kehre ich recht bald ins Hotel zurück, zum Glück, denn am späten Abend öffnet der Himmel seine Schleusen so richtig und es gehen ganze Sintfluten über Swansea nieder.
Meilen: 205
Wetter: bewölkt mit Schauern, etwas Sonne/ 14–18 Grad
HOTEL: Premier Inn Waterfront, £25