TAG 1: Dienstag, 11. Juni 2013
Auf nach England – von Berlin nach Liverpool
Schon um 5:30 Uhr bin ich auf den Beinen, denn heute geht es los nach Großbritannien. Für zehn Tage bin ich diesmal auf der Insel unterwegs. Inzwischen ist es meine vierte Mietwagentour, die ich hier starten will, in diesem Jahr von Birmingham aus. Um 8:05 startet die Lufthansa bereits in Berlin-Tegel, wo die Sonne von einem blauen Himmel strahlt.
Nach dem Start, der heute in Richtung Westen ist, habe ich einen sehr schönen Blick auf Siemensstadt und Spandau.
Gut neunzig Minuten später lande ich in Birmingham, bei zugezogenem Himmel, Nieselregen und fünfzehn Grad. Na toll, das fängt ja gut an, aber unterkriegen lasse ich mich davon nicht.
Den Mietwagen habe ich über holidayautos reserviert und so begebe ich mit gleich nach der Ankunft zum Schalter von Alamo. Negativ in UK finde ich immer, dass für ein Automatikauto ein viel höherer Preis anfällt, da sie generell keine Kleinwagen anbieten und ich so gezwungen bin, ein größeres Auto zu buchen, als ich eigentlich bräuchte. Schaltwagen kommt für mich aber nicht in Frage. Am Schalter will mir die Angestellte dann unbedingt eine Zusatzversicherung „Master Cover Plus” verkaufen, die den Selbstbehalt der Kasko ausschließen soll. Erst nach längeren Erklärungen gibt sie auf, denn ich brauche das nicht, da holidayautos den Selbstbehalt im Schadensfall erstattet. Dann gehts zum Parkplatz, wo die Autos stehen, und den muss ich erst einmal finden. Nur ein winzig kleines Schild weist den Weg. Dort angekommen wird mir dann der Schlüssel zu einem Ford ausgehändigt, der in Reihe E auf Platz 13 stehen soll. Ich mache mich also auf den Weg und frage mich, was da wohl stehen wird. Ich bin ja schon mal froh, dass es kein Franzose ist, denn mit dem war ich letztes Jahr nicht so glücklich.
An der Parkposition angekommen, finde ich ihn dann, meinen knallroten Ford, der mich die nächsten zehn Tage begleiten soll. Von außen macht er ja schon mal einen guten Eindruck, doch erst nach dem Einsteigen kommt die ganz große Freude auf. Der Ford Focus ist neu und so riecht er auch. Gerade mal sieben Meilen hat er auf dem Tacho.
Doch das wird sich natürlich ganz schnell ändern und das heute schon, denn der Tag ist ja noch jung und ich habe noch viel vor.
Auf der berühmt, berüchtigten M6 durchquere ich den Großraum Birmingham. Und das geht erstaunlich gut, obwohl dieses Stück Autobahn doch für seine Staus berühmt ist. Und so geht es ziemlich zügig weiter nach Westen, immer meinem ersten Ziel entgegen, dem Chirk Castle. Unterwegs hört es auch auf zu regnen, doch umso näher ich den Hügeln an der Grenze zu Wales komme, desto mehr legt sich ein nebeliger Schleier über das Land. Nach guten 2 Stunden Fahrt, begrüßen mich die 1719 erbauten Eisentore von Chirk Castle.
Als ich die Einfahrt des Chirk Castle passiere, sieht die Landschaft durch den Nebel fast mystisch aus. Und so hat die Fahrt hinauf zur Burg doch einen gewissen Reiz, auch wenn mir etwas Sonne lieber gewesen wäre.
Chirk Castle wurde im Jahr 1310 fertigstellt und ist die letzte Burg in Wales aus der Zeit Edward I., die heute noch bewohnt ist. Begonnen wurde der Bau bereits 1295 durch Roger Mortimer de Chirk als Teil einer Kette von Forts, die Edward I. in Nordwales errichten ließ, nachdem sich Wales 1282 ergeben hatte. Fast sicher ist, dass Roger Mortimer royale Unterstützung bei Bau hatte, denn die Burg weißt zahlreiche Ähnlichkeiten mit Beaumaris Castle auf, dass zur selben Zeit errichtet wurde.
Im Jahr 1595 wurde Chirk Castle von Thomas Myddleton gekauft. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann und Gründer der East India Company. Dadurch hatte er auch die finanziellen Mittel, das Gebäude als eine bequeme Residenz umzubauen. Bis 1978 blieb Chirk Castle in der Familie Myddleton, bevor es vom National Trust übernommen wurde. Die Familie wohnte jedoch bis 2004 auch weiterhin im Schloss und betreibt auch heute noch weite Teile der Ländereien, die es umgeben.
Da die Innenräume des Schlosses erst um 12 Uhr öffnen, habe ich noch etwas Zeit, mich im Garten umzusehen. Und hier finde ich auch schon die ersten Rhododendron. Schon im letzten Jahr habe ich festgestellt, dass der Juni die richtige Reisezeit für die Rhododendronblüte in Großbritannien ist und auch dieses Jahr freue ich mich schon auf diese Blütenpracht.
Ganz pünktlich um 12 Uhr öffnen sich dann auch die Türen ins Chirk Castle. Zuerst wandere ich durch die verschiedenen Räume. Das ist etwas, was ich am National Trust sehr schätze, man muss sich in fast keinem der von ihm verwalteten Gebäude einer Führung anschließen. Man kann fast immer auf eigene Faust losziehen. Informationen gibt es auf Karten, die in jedem Raum ausliegen oder von den Guides, die überall anzutreffen sind.
Zum Schluss erreiche ich dann diesen Raum. Hier erzählt gerade Tourguide James mehr über die Bewohner von Chirk Castle.
Einer von ihnen ist Thomas Scott-Ellis, der 8. Baron Howard von Walden, der das Schloss einige Zeit als Wohnsitz mietete. Er liebte alles, was mit dem Mittelalter zu tun hatte und ließ sich sogar eine Rüstung anfertigen, mit der er regelmäßig durch das Haus lief.
Sein Sohn John Scott-Ellis aber war es, der fast den Verlauf der Geschichte verändert hätte. Er zog im Jahr 1931 nach München, wo er ein Automobil erwarb. Trotz schlechter Sehstärke, fuhr er am 22. August 1931 wieder einmal durch die Stadt. In der Brienner Straße fuhr er dabei einen Fußgänger an. Diesen verletzte er aber nur leicht und tauschte daraufhin seine Adresse mit ihm aus. Der Name des Fußgängers, Adolf Hitler.
Nach diesem sehr interessanten Besuch habe ich eigentlich vor, das Pontcysyllte Aqueduct, das zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, zu besuchen, doch der wieder einsetzende Regen macht dem einen Strich durch die Rechnung. Nebel+Regen sind keine gute Mischung, um ein solches Bauwerk zu bewundern. Und so fahre ich weiter Richtung Norden, immer in der Hoffnung auf besseres Wetter. Das stellt sich auch tatsächlich ein, denn als ich Erddig erreiche, hat der Regen aufgehört und auch der Nebel ist etwas verschwunden.
Erddig ist eines der wohl interessantesten Herrenhäuser in Großbritannien, denn es zeigt nicht nur wie die adlige Familie lebte, auch die Räume der Bediensteten sind fast vollständig erhalten. Dazu gehört auch eine umfassende Kollektion von Bildern der Bediensteten.
Seit 1733 war das 1684 bis 1687 erbaute Haus im Besitz der Familie Yorke, die es 1973 dem National Trust schenkte. Seitdem verwaltet der Trust das Haus und öffnet es für Besucher.
Leider ist dieses Haus eines der Wenigen in Verwaltung des National Trust, in denen ich auch heute noch nicht fotografieren darf. Insgesamt war ich aber auf dieser Reise sehr erstaunt, denn im Gegensatz zu früheren Reisen durfte ich in ausgesprochen vielen Häusern fotografieren.
Jetzt geht es aber auf direktem Weg nach Liverpool. Eigentlich wollte ich noch kurz im Outlet vorbeifahren, aber dafür bleibt keine Zeit, denn ich habe in der Beatles Stadt einen Termin. Mit Musik und der berühmten Gruppe hat der aber so gar nichts zu tun. Nein ich will heute in die Unterwelt der Stadt eintauchen, genauer gesagt unter den River Mersey.
Trotzdem mache ich auf dem Weg in die Stadt noch einen kleinen Abstecher zu dem Haus, in dem Paul McCartney aufgewachsen ist. Heute steht es unter der Verwaltung des National Trust und kann im Rahmen einer Beatles Tour besichtigt werden.
Auch das Haus, in dem John Lennon aufwuchs, soll hier irgendwo stehen, doch trotz genauer Adresse und Navi finde ich es nicht. Viel Zeit zum Suchen bleibt mir aber auch nicht, denn ich muss weiter. Um 17 Uhr soll ich am George Dock Building sein. Dazu begebe ich mich zum Pier Head, wo ich mein Auto parke. Und hier scheint doch tatsächlich die Sonne. Also nichts wie raus aus dem Auto und schnell noch ein paar Fotos gemacht. Man weiß ja nie, wie lange sich das Wetter noch so hält.
Hier am Pier Head stehen drei der berühmtesten Gebäude von Liverpool. Das Port of Liverpool Building gehört zu den drei Grazien von Liverpool, die die Wahrzeichen der Stadt sind und seit 2004 sogar dem Weltkulturerbe der UNESO angehören. Die anderen zwei sind das angrenzende Cunard Building und das sich daneben befindliche Royal Liver Building. Das Port of Liverpool Building wurde von Sir Arnold Thornley und F.B. Hobbs entworfen und in dreijähriger Bauzeit 1907 fertiggestellt. Bis 1994 saß hier die Hafenbehörde von Liverpool.
Das Cunard Building wurde von William Edward Willink und Philip Coldwell Thicknesse entworfen und zwischen 1914 und 1917 erbaut. Bis in die 1960er Jahre war hier die Reederei Cunard ansässig. Heute gehört es dem Merseyside Pension Fund und die Räume werden von mehreren privaten und öffentlichen Unternehmen genutzt.
Das Royal Liver Building wurde nach der Royal Liver Assurance benannt, einer Versicherung, die das Gebäude als ihr Hauptquartier erbauen ließ. Entworfen wurde es von Walter Aubrey Thomas und war eine der ersten mehrstöckigen Stahlbetonkonstruktionen sowie eines der ersten Hochhäuser Großbritanniens. Von 1911 bis 1932 war es sogar das höchste Gebäude in Europa. Die Ziffernblätter der Uhren an den zwei Türmen gehören übrigens mit 7,6 Metern Durchmessern auch heute noch zu den größten im Vereinigten Königreich.
Und dann darf natürlich auch dieses hier nicht fehlen, das Beatles Museum.
Dann wird es aber Zeit, zum George Dock Building zu gehen. Doch welches der vielen Gebäude hier ist eigentlich das Richtige? Nach einigem Suchen und der freundlichen Hilfe eines Liverpoolers finde ich dann aber das richtige Haus.
Das George Dock Building ist das Herz der Merseytunnel, die von Liverpool unter dem Mersey nach Birkenhead und Wallasey führen. Vor dem Gebäude steht ein liebevoll restaurierter Tollboth, wie er bei der Eröffnung des Queensway Tunnel in Betrieb war. Maut kosten die beiden Tunnel übrigens auch heute noch. £1.60 werden pro Richtung und Durchfahrt fällig, die aber heute an grauen Betonmautstationen eingesammelt werden.
Rechts und links des Haupteingangs befinden sich dann die zwei bekannten Statuen von Tag und Nacht, die darauf hinweisen sollen, dass die Tunnel 24 Stunden am Tag geöffnet sind. Die Statue der Nacht ist allerdings eine Kopie, denn das Original wurde im 2. Weltkrieg während des Liverpool Blitz zerstört.
Der Ältere der beiden Tunnel unter dem Mersey ist der Queenswaytunnel. Er wurde am 18. Juli 1934 eröffnet. Heute dürfen durch ihn nur noch Fahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen sowie Linienbusse fahren. Der restliche Verkehr wird durch den 1971 eröffneten Kingswaytunnel geleitet. Beide Tunnel werden jedoch von einer Zentrale überwacht, die sich im George Dock Building befindet.
Im Foyer des George Dock Building treffe ich Allison, die mich heute, zusammen mit 4 anderen Besuchern durch das Herz der Tunnel von Liverpool führen wird. Schon viele Jahre arbeitet sie für die Merseytunnel und ist noch immer begeistert von der Technik, die hinter diesem Bauwerk steckt. Zuerst führt sie uns in die Zentrale der Tunnel. Hier laufen alle Überwachungskameras, Brandmelder, die Luftversorgung und auch die Beleuchtung der Tunnel zusammen. Tony, der zu den 12 Mitarbeitern gehört, die hier 365 Tage im Jahr 24 Stunden am Tag arbeiten, erläutert uns die Bedeutung der verschiedenen Bildschirme.
Noch interessanter wird es aber, als er sich umdreht, denn dort steht noch immer das alte Schaltbord, dass die Tunnel bis vor wenigen Jahren steuerte. Heute ist es abgeschaltet und ein Museumsstück, doch ich kann mir gut vorstellen, wie beeindruckend es gewesen sein muss, als hier hunderte von Lämpchen aufleuchteten und Zeiger in alle Richtungen ausschlugen.
Dann geht es weiter nach unten. Etliche Treppen legen wir zurück, bevor wir das Herz eines der 5 Lüftungstürme der Tunnel erreichen. Hier stehen riesige Ventilatoren mit einem Durchmesser von 28 Metern, die Frischluft in den Tunnel befördern und schlechte Luft absaugen. Es unglaublich, welche Kraft diese Maschinen haben. Wenn man daneben steht, kann man die Luftbewegungen förmlich spüren.
Dann führt uns Allison in einen Teil des Tunnelgewölbes, der viel älter ist als der heutige Queenswaytunnel. Hier sind Reste der alten Brückenkonstruktion zu sehen, die einmal von den Schiffsanlegern vorbei am Cunardbuilding in die Stadt führte. Da die Gebäude am Pier Head größtenteils auf künstlich aufgeschüttetem Land stehen, brauchte man diese Brücken, um besser in die Stadt zu kommen. Auch in die Keller der umliegenden Gebäude kann ich von hier aus sehen.
Von hier gehen wir weiter einen alten Rettungstunnel entlang, der uns zu einer Plattform führt, die einen Blick auf den vierspurigen Queenswaytunnel ermöglichst. Leider darf ich hier nicht fotografieren, da zu viele Autofahrer durch Kameras von Touristen schon irritiert wurden, weil sie sie für Geschwindigkeitsmessgeräte der Polizei hielten.
Und noch tiefer geht es jetzt nach unten. An die tiefste Stelle des Merseytunnel. Inzwischen sind wir fast 100 Fuß unter dem Wasser. 80 Fuß davon sind reiner Fels. Hier in diesem Gang unter der Fahrbahn kommt die Frischluft an, die die Ventilatoren nach unter schicken. Durch kleine Öffnungen unter den weißen Platten an der Decke wird sie dann dosiert auf die die Fahrbahnebene abgegeben.
Wir laufen weiter im Frischluftkanal und stoßen schließlich auf eine Tür, die uns mittig unter die Fahrbahn führt. Hier sollte nach den ursprünglichen Bauplänen eigentlich einmal eine zweispurige Straßenbahnverbindung entlanglaufen. Die wurde jedoch nie gebaut. Heute verlaufen hier viele Versorgungsleitungen und noch viel wichtiger, die Rettungsgasse des Tunnels.
Allison ist sichtlich stolz auf das, was hier in den letzten Jahren geschaffen wurde. Durch diese Baumaßnahmen wurde der Queenswaytunnel zu einem der Sichersten in ganz Europa. Insgesamt 8 Rettungshäuschen wurden errichtet, die durch Notausgänge von der Fahrbahn erreicht werden können. Hier drin können die Menschen auch bei Feuer überleben.
Nach etwas mehr als zwei Stunden ist die Tour durch den Queenswaytunnel dann beendet und ich verabschiede mich von Allison. Auf dem Weg zum Hotel entdecke ich dann noch dieses Gebäude, dessen Geschichte auf einer Stehle erklärt wird. Das Albion House in der Liverpooler James Street wurde zwischen 1896 und 1898 für die Ismay, Imrie and Company erbaut, einer Tochterfirma der White Star Line, zu der auch die Titanic gehörte. Als 1912 die Nachricht über den Untergang des Schiffes die Dienststelle erreichte, hatten die Mitarbeiter Angst, das Gebäude zu verlassen und lasen die Namen der Toten vom Balkon vor.
Meine erste Übernachtung in UK habe ich im Days Inn Liverpool City Centre reserviert und ich bin angenehm überrascht, denn das Hotel liegt wirklich absolut zentral. Ich kann die meisten wichtigen Sehenswürdigkeiten bequem zu Fuß erreichen und das zu diesem Preis, da kann man nicht meckern.
Am Abend schlendere ich dann noch ein bisschen durch das Shoppingcenter Liverpool One, doch so recht habe ich keine Lust mehr, nachdem ich schon den ganzen Tag auf den Beinen bin. So entscheide ich mich dazu, nur kurz in den Tesco Express nebenan zu gehen und mir dort etwas zum Abendessen zu kaufen. Gedacht, getan und so wandern kurze Zeit später eine schöner Chef-Salat, eine Diet Coke und ein kleines Eis mit mir aufs Zimmer.
Meilen: 145
Wetter: bedeckt mit Schauern, später heiter/ 13–20 Grad
HOTEL: Days Inn Liverpool Centre, £46.80