The Road less traveled

TAG 9: Mitt­woch, 19. Juni 2013
Skan­da­le, Kino und ein berühm­tes Auto – von Sout­hamp­ton nach Warwick

Mein vor­letz­ter Tag in Eng­land & Wales begrüßt mich heu­te end­lich mit dem lang­ersehn­ten Son­nen­schein und so mache ich mich schon recht früh auf zu Kris­py Kre­me, um einen wei­te­ren lecke­ren Strawberry&Crème Donut zu kau­fen. Danach fah­re ich auf der M3 in Rich­tung Nor­den, wo ich nach etwa 30 Minu­ten Win­che­ster errei­che. Die Stadt ist unter ande­rem wegen ihrer beein­drucken­den Kathe­dra­le berühmt.

Winchester Cathedral (2)

Die Kathe­dra­le ist eine der größ­ten in Groß­bri­tan­ni­en und wur­de von 1079 bis 1093 errich­tet. Ein Grund für die Grö­ße mag auch gewe­sen sein, dass Win­che­ster die Haupt­stadt des König­rei­ches war, bevor es im 12. Jahr­hun­dert Lon­don wurde.

Winchester Cathedral (3)

Im Jahr 1817 starb die berühm­te Autorin Jane Austen in Win­che­ster und wur­de hier in der Kathe­dra­le beigesetzt.

Winchester Cathedral (1)

Auch rund um die Kathe­dra­le fin­de ich vie­le alte Häuser.

Winchester

Am Fluss Itchen ent­lang set­ze ich mei­nen Stadt­rund­gang fort.

Fluß Itchen

So errei­che ich auch die zum Natio­nal Trust gehö­ren­de Win­che­ster City Mill. Die erste Müh­le an die­ser Stel­le wur­de bereits im Jahr 1086 errich­tet, das heu­ti­ge Bau­werk datiert von 1744. An den Wochen­en­den fin­den hier oft Vor­füh­run­gen statt, am Tag mei­nes Besu­ches ist die Müh­le aber lei­der geschlossen.

Winchester City Mill

Auf dem Rück­weg zu mei­nem Auto kom­me ich auch am Abbey Hou­se vor­bei. Das Haus wur­de 1750 auf den Grund­mau­ern der alten St. Marys Abtei errich­tet und beher­berg­te vie­le Jah­re Non­nen, die ursprüng­lich vor der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on 1790 geflo­hen waren. Heu­te wohnt hier der Bür­ger­mei­ster von Winchester.

Abbey Hall, Winchester

Nur weni­ge Schrit­te wei­ter liegt auch das Rat­haus der Stadt, das 1871 errich­tet wurde.

Guildhall, Winchester

Bei strah­len­dem Son­nen­schein fah­re ich wei­ter nach Nuf­field. Dort emp­fängt mich die­ses klei­ne Cabrio, das bei mei­nem näch­sten Besuch aber eine ganz gro­ße Rol­le spielt.

Nuffield Place (1)

Nuf­field Place war das Zuhau­se eines der wohl außer­ge­wöhn­lich­sten Män­ner des 20. Jahun­derts, Wil­liam Mor­ris Lord Nuf­field, dem Grün­der von Mor­ris Motor Cars (spä­ter MG) und einem der reich­sten Män­ner der Welt.

Nuffield Place (3)

Als Wil­liam Mor­ris am 10. Okto­ber 1877 gebo­ren wur­de, ahn­te noch nie­mand, dass der klei­ne Jun­ge aus ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen ein­mal zu einem der größ­ten bri­ti­schen Auto­bau­er auf­stei­gen und Mul­ti­mil­li­ar­där wer­den wür­de. Doch genau­so kam es. Der 15-​jährige Wil­liam warf die Schu­le hin und begann ein Prak­ti­kum in einer Fahr­rad­werk­statt. Nur neun Mona­te spä­ter eröff­ne­te er sein erstes eige­nes Geschäft, indem er Fahr­ra­der von zu Hau­se aus repa­rier­te. Das war so erfolg­reich, dass er kur­ze Zeit spä­ter ein eige­nes Geschäft eröff­ne­te, in dem er auch neue Fahr­rä­der ent­warf und bau­te. Nur wenig spä­ter stieg er jedoch auf Autos um, da er in ihnen eine gro­ße Zukunft sah. Auch begann er bald, eige­ne Model­le zu ent­wer­fen. In 1929 wur­de schließ­lich der erste MG Mid­get gebaut und die Mar­ke MG war geboren.

Nuffield Place (2)

Nuffield Place (4)

Im Jahr 1903 hei­ra­te­te Wil­liam Mor­ris Eliza­beth Anstey. die bei­den hat­ten kei­ne Kin­der und so spen­de­ten sie ihr Leben lang Mil­lio­nen für gute Zwecke. Spä­ter schu­fen sie eige­ne Org­nis­a­tio­nen, die auch heu­te noch in vie­len Berei­chen unter dem Namen Nuf­field tätig sind. Dazu zäh­len diver­se Gesundheits- und For­schungs­ein­rich­tun­gen, Col­leges und auch sozia­le Ein­rich­tun­gen. Ins­ge­samt spen­de­ten Lord und Lady Nuf­field mehr als £11 Milliarden.

Nuffield Place (5)

Auf mei­ner Tour durch das Haus des Ehe­paar Mor­ris, habe ich jedoch nicht den Ein­druck, dass hier ein Mil­li­ar­där gewohnt hat. Die Bei­den haben ihr Leben lang eher ein­fach gelebt und sich kei­nen unnö­ti­gen Prunk und Luxus gegönnt.

Nuffield Place (6)

Dann kom­me ich in das Schlaf­zim­mer von Wil­liam Mor­ris. Auf den ersten Blick ist das Zim­mer nicht unge­wöhn­lich, doch dann zeigt mir ein Gui­de den Kleiderschrank.

Nuffield Place (7)

Und der hat es in sich, denn er ent­hält kei­ne Klei­der, son­dern ist der Traum eines Man­nes, der schon immer gern hand­werk­lich gear­bei­tet hat und oft unter Schlaf­lo­sig­keit litt. Dann bastel­te er gern an neu­en Erfin­dun­gen, wozu er Werk­zeug und Mate­ria­li­en beötigte.

Nuffield Place (8)

Und noch etwas ent­decke ich hier, den Blind­darm von Wil­liam Mor­ris, dem 1. Viscout Nuf­field. Den muss­te er sich her­aus­neh­men las­sen. Auf Grund einer unge­wöhn­lich hef­ti­gen Rea­ti­on auf die Anäs­the­sie ver­lor Wil­liam Mor­ris bei der OP fast sein Leben. Als Erin­ne­rung an die­sen Tag, bewahr­te er sei­nen Blind­darm auf.

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Erst seit Kur­zem ist Nuf­field Place über­haupt regel­mä­ßig geöff­net, denn nach sei­nem Tod ver­mach­te Mor­ris sein Anwe­sen dem Nuf­field Col­lege in Oxford, das die Türen des Hau­ses aber nur sel­ten öff­ne­te. Der Vor­teil dar­an ist, dass das Haus im wahrtsten Sin­ne des Wor­tes lan­ge Zeit eines Zeit­kap­sel war. So ist fast alles noch genau­so erhal­ten, wie es zu Leb­zei­ten der Mor­ris war. Erst in 2012 schenk­te das Col­lege Nuf­field Place dem Natio­nal Trust, der es nun regel­mä­ßig für Besu­cher öffnet.

Nuffield Place (10)

Nur etwas 20 Minu­ten Fahr­zeit sind es bis zu mei­nem näch­sten Stopp, Basil­don Park. Heu­te wird das Haus eben­falls vom Natio­nal Trust ver­wal­tet wird. Das pal­la­dia­ni­sche Her­ren­haus aus dem 18. Jahr­hun­dert wur­de von Fran­cis Sykes erbaut, der sein Ver­mö­gen in der bri­ti­schen Ostindien-​Kompanie machte.

Basildon Park (1)

Seit Anfang des 20. Jahr­hun­derts stand Basil­don Park jedoch immer wie­der leer oder wur­de wäh­rend der Krie­ge zweck­ent­frem­det und sei­ne Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de wur­den zer­stört, gin­gen ver­lo­ren oder wur­den ver­kauft. Anfang der 1950er Jah­re stand es kurz vor dem Abriss, ehe es Lord und Lady Ilif­fe davor bewahr­ten. Sie restau­rier­ten Basil­don Park und rich­te­ten das Haus wie­der mit Möbeln und Gemäl­den ein.

Basildon Park (2)

Beson­ders bekannt ist das Gebäu­de für sein ele­gan­tes Trep­pen­haus sowie die vie­len auf­wen­di­gen Stuck­ar­bei­ten, die auch noch heu­te im Ori­gi­nal erhal­ten sind.

Basildon Park (3)

Basildon Park (4)

Auch Basil­don Park dürf­te dem ein oder ande­ren Kino­gän­ger bekannt vor­kom­men, denn es tauch­te in den letz­ten Jah­ren immer wie­der in Fil­men auf. So unter ande­rem in der Ver­fil­mung von Janes Austens Pri­de & Pre­ju­di­ce oder Sophie Cop­po­las Marie Antoinette.

Basildon Park (5)

Basildon Park (6)

Zum Schluß ent­decke ich noch die­se bei­den beson­de­ren Stüh­le. Ich habe über die Jah­re schon eini­ge von ihnen gese­hen und doch erzäh­len sie immer wie­der eine beson­de­re Geschich­te. Die­se Stüh­le, wie man schon am Logo oben links ind der Leh­ne erken­nen kann, wur­den eigens zur Krö­nung eines Mon­ar­chen her­ge­stellt. Auf ihnen saßen die gela­de­nen Gäste, die zur Krö­nung anwe­send waren. nach der Ver­an­stal­tung bestand die Mög­lich­keit, den Stuhl zu kau­fen, was vie­le Gäste taten, denn das ist ein ein­ma­li­ges Sou­ve­nir, wel­ches es so nie wie­der geben wird. Ganz beson­ders in Basil­don ist, dass es je einen Stuhl von der Krö­nung Geor­ge V. und von Eliza­beth II. gibt.

Chairs

Und wei­ter geht die Fahrt durch typi­sche bri­ti­sche Dör­fer und über eine win­zig klei­ne Maut­brücke, die Nahe Whitchurch die Them­se über­quert. Selbst das Maut­häus­chen scheint hier antik zu sein und die 40 Pence ent­rich­te ich zur Erhal­tung eines sol­chen Klein­od dop­pelt ger­ne. Dann führt die Fahrt wie­der ein­mal über die typi­schen ein­spu­ri­gen Stra­ßen und durch die Wäl­der Mittelenglands.

Straße (1)

So errei­che ich nach etwa 45 Minu­ten Greys Court. Der Besuch hier wur­de mir emp­foh­len, als ich mit einem net­ten Ehe­paar aus Kent wäh­rend mei­nes Rund­gangs in Basil­don Park ins Gespräch kam. Und da das Haus nicht weit weg von Basil­don Park ist, bin ich nun kur­zer­hand auch noch hier­her gefahren.

Greys Court ist ein Land­sitz, der im 16. Jahr­hun­dert im Tudor Stil errich­tet wur­de. Einer der inter­es­san­te­sten Bewoh­ner jener Zeit war sicher­lich Sir Fran­cis Knol­ly. Er war Schatz­mei­ster unter Eliza­beth I. und Ker­ker­mei­ster über Mary of the Scots.

Im Jahr 1937 wur­de das Haus von Sir Felix Brun­ner und sei­ner Frau Eliza­beth gekauft. Die bei­den ver­mach­ten das Anwe­sen 1969 dem Natio­nal Trust, wohn­ten aber wei­ter­hin hier, sodass vie­le der Stücke auch heu­te noch in Fami­li­en­be­sitz sind. Des­halb herrscht auch hier lei­der wie­der ein­mal Fotoverbot.

Greys Court (1)

Inter­es­sant ist auch die­ses Haus im Gar­ten. Dort ste­hen die Rui­nen einer alten Burg, die hier 1347 errich­tet wur­de. An Tei­le des Burg­turms wur­de die­ses Haus angebaut.

Greys Court (2)

Eigent­lich hat­te ich nach die­sem Halt geplant, wei­ter nach Oxford zu fah­ren, doch das Wet­ter ist so schön und eines mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­häu­ser ganz in der Nähe. So ent­schlie­ße ich mich, noch nach West Wycom­be zu fahren.

Straße (2)

In West Wycom­be Park war ich 2009 schon ein­mal. Ursprüng­lich kam ich hier­her, weil ich das Haus aus ver­schie­de­nen Kino­fil­men ken­ne und ein­mal selbst besu­chen woll­te. Damals reg­ne­te es aber in Strö­nem, sodass ich von außen lei­der nicht viel sah un im Inne­ren darf mal wie­der nicht foto­gra­fiert wer­den, denn das Haus ist noch heu­te das Heim von Lord Dashwood und sei­ner Fami­lie. Aus die­sem Grund ist es auch nur drei Mona­te im Jahr für Besu­cher geöffnet.

West Wycombe Park (1)

Das heu­ti­ge Her­ren­haus in West Wycom­be Park wur­de 1740 bis 1800 errich­tet. Sir John Dashwood, der 10. Baron Dashwood schenk­te das Haus 1943 dem Natio­nal Trust, die Ein­rich­tung ver­blieb aber in der Fami­lie. Auch hat die Fami­lie ein Anrecht im Haus zu wohnen.

Die Dashwoods waren übri­gens über Gene­ra­tio­nen hin­weg eine ziem­lich illu­ste­re Fami­lie und so ist es nicht ver­wun­der­lich, dass ich wäh­rend mei­ner Tour so manch unglaub­li­che Geschich­te zu hören bekomme.

West Wycombe Park (2)

Sir Fran­cis Dashwood, der 15. Baron le Despen­cer war zum Bei­spiel Mit­be­grün­der zwei­er sehr eli­tä­rer Clubs sei­ner Zeit. Erste­rer war der Divan Club. Ihm konn­ten nur Per­so­nen bei­tre­ten, die schon das Osma­ni­sche Reich bereist hat­ten. Sein Name war vom tür­ki­schen Divan abge­lei­tet. Die Mit­glie­der tra­fen sich, um wäh­rend opu­len­ter Essen über ihre Erleb­nis­se zu spre­chen. Den Club gab es aller­dings nur zwei Jah­re. Schon 1746 wur­de er auf­ge­löst, denn Sir Fran­cis Dashwood grün­de­te einen wei­te­ren Club, den Hell­fi­re Club.

West Wycombe Park (3)

Der Hell­fi­re Club war eine exklu­si­ve eng­li­sche Ver­ei­ni­gung, die sich Knights of St. Fran­cis nann­te und deren Mit­glie­der sich zwi­schen 1746 und 1763 tra­fen. Ihren Mit­glie­dern wur­de nach­ge­sagt, dass sie unter dem Denk­man­tel ihres Clubs Orgi­en und Schwar­ze Mes­sen fei­er­ten. Einer der bekann­te­sten Teil­neh­mer war übri­gens Ben­ja­min Frank­lin, der mit Sir Fran­cis Dashwood befreun­det und mehr­mals zu Gast an West Wycom­be war.

West Wycombe Park (4)

Wem West Wycom­be Park bekannt vor­kommt, der hat es bestimmt schon ein­mal in zahl­rei­chen Fil­men und TV-​Serien gese­hen, die hier gedreht wur­den. Immer wie­der wird der Park für Pro­duk­tio­nen genutzt. Eini­ge der bekann­te­sten sind wohl die Ver­fil­mung von Oscar Wil­des „The Importance of Being Ear­nest” mit Rupert Ever­ett, Colin Firth, Ree­se Withers­poon und Judi Dench oder „What a girl wants” mit Colin Firth, Kel­ly Pre­s­ton und Aman­da Bynes.

West Wycombe Park (5)

Umge­ben ist das Haus von einem rie­si­gen Park, der, im Gegen­satz zum Haus selbst, ganz­jäh­rig besucht wer­den kann.

West Wycombe Park (6)

West Wycombe Park (7)

Auf dem Weg nach Nor­den ent­schlie­ße ich mich doch noch durch Oxford zu fah­ren. Doch irgend­wie gefällt mir die Stadt gar nicht. Ich hal­te nicht ein­mal an. Ich weiß nicht, ob es dar­an liegt, dass ich nach einem so schö­nen und ruhi­gen Tag plötz­lich in das Gewu­sel die­ser Uni­stadt gewor­fen wer­de oder ob es die Stadt selbst ist, aber anzu­hal­ten und aus­zu­stei­gen reizt mich über­haupt nicht. Und so fah­re ich nach einem kur­zen Schlen­ker ein­fach weiter.

Einen zwei­ten Stopp lege ich noch im Bice­ster Out­let Cen­ter ein. Doch im Gegen­satz zu ande­ren Cen­tern fin­de ich die­ses total ent­täu­schend und kau­fe nicht einen ein­zi­gen Arti­kel. Das Cen­ter selbst ist rie­sig, doch die Aus­wahl an Läden gefällt mir gar nicht. Die ist irgend­wie auf wohl­ha­ben­de Lon­don­tou­ri­sten und beson­ders Asia­ten zuge­schnit­ten. Da hier­her jeden Tag Bus­shut­tle von Lon­don ange­bo­ten wer­den, ist das auch nicht wei­ter ver­wun­der­lich. Ich hin­ge­gen habe mich in Cen­tern wie Swin­don oder Liver­pool viel woh­ler gefühlt.

Mei­ne letz­te Nacht in Eng­land ver­brin­ge ich heu­te noch­mals in einem Days Inn in einer Road Ser­vice Area. Dies­mal liegt das Hotel nahe War­wick und ist neu reno­viert. Auch sonst macht die Anla­ge einen sehr guten Ein­druck. Von Lärm ist auch dies­mal nichts zu hören.

Days Inn Warwick

Mei­len: 183
Wet­ter: heiter/​ 21–27 Grad
HOTEL: Days Inn War­wick South, £35.96

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