Tag 5: Dienstag, 16. Mai 2017
Half-hearted- Penzance nach Newquay
„If the rain spoils our picnic, but saves a farmer’s crop, who are we to say it shouldn’t rain?” – Tom Barrett
Es regnet immer noch. Erstaunlich, wie viel Wasser so vom Himmel kommen kann. Aber nicht nur das, die Sicht aus dem Fenster ist dazu auch noch gleich null – eine richtige Waschküche ist das. Da hat es keinen Zweck zeitig aufzustehen, zumal das Wetterradar zeigt, dass es in ganz Cornwall so aussieht. So trödele ich auch heute wieder und gehe erst um 8 Uhr zum Frühstück, das in einem B&B natürlich mit dazu gehört. Serviert wird es im Konservatorium, einem Raum mit Oberlicht und tropischer Dekoration. Das heitert etwas auf, bei dem Wetter da draußen. Das Full English Breakfast ist in Ordnung und sättigend.
Auf dem Programm stehen heute drei Herrenhäuser, zwei davon kenne ich schon aus 2008 und so mache ich mich dann doch auf den Weg. Der eigentlich geplante Ausflug nach Lands End fällt aus. Nun bin ich so nah und doch so fern, aber bei dem dicken Nebel macht das keinen Sinn. Wenigstens der löst sich im Landesinneren etwas auf, regnen tut es allerdings weiter, auch als ich den Parkplatz von Lanhydrock ansteuere. Na super, noch schlechteres Wetter als vor 9 Jahren, na das kann ja heiter werden. Trotzdem ist es hier ziemlich voll. Kein Wunder, hier hält auch so ziemlich jeder Reisebus, besonders die mit Deutschen, denn dieses Haus war auch in den Rosamunde Pilcher Filmen schon zu sehen.
Und wie viele Deutsche es in Cornwall an den Hotspots gibt. Anscheinend werden die Touren bei so ziemlich jedem Busreiseunternehmen angeboten – Cornwall in sieben Tagen. Ich rede kurz mit ein paar Leuten und bin entsetzt, wie wenig man auf so einer Reise von diesem schönen Landstrich zu sehen bekommt. Kein Wunder, dass ich den Gruppen bisher recht gut ausweichen konnte, aber die Busse passen nun mal nicht auf die Straßen und Parkplätze, die ich mit dem Auto wunderbar anfahren kann. Ich würde England nur mit dem Mietwagen bereisen, was sich hier besonders gut zeigt.
Aber genug erzählt, ich gehe zum Kassenhäuschen, zeige meinen National Trust Pass vor und mir wird Eintritt gewährt. Zum Glück gibt es hier eine extra Schlange für Passinhaber. An der Barkasse ist die Schlange recht lang. Dann mache ich mich auf den Fußweg zum Haus und der ist in Lanhydrock ziemlich weit. Um die 15 bis 20 Minuten läuft man bestimmt, bei diesem Wetter leider keine Freude.
Auch dieses Anwesen ist alt, sehr alt, denn es wird schon vor 1539 als klösterlicher Bauernhof geführt, bevor es nach der Auflösung der Klöster von der Familie Glynn gekauft wurde. Durch Heirat und Erbschaften ging es durch viele Hände, bis 1621 der Kaufmann Sir Richard Robartes das Anwesen kaufte. Er ließ hier das erste Herrenhaus errichten. Spätere Generationen zogen jedoch andere Wohnorte vor, sodass das Haus immer mehr verfiel. Erst im 19. Jahrhundert kam wieder Leben nach Lanhydrock House. Das Haus wurde wieder renoviert, doch ein Feuer am 4. April 1881 machte all diese Mühen zunichte. Nur die Galerie im Nordflügel sowie das Frontportal blieben verschont. Nach dem Feuer wurde das Haus im viktorianischen wieder aufgebaut und konnte 1885 wieder bezogen werden. 1953 wurde das Anwesen schließlich dem National Trust übergeben.
Es ist kurz vor 11 Uhr, als ich im Innenhof des Hauses ankomme. Momentan hat zumindest der Regen etwas nachgelassen, sodass das Warten nicht ganz so schlimm ist. Während das Anwesen schon um 10 Uhr öffnet, kommt man in das Gebäude erst eine Stunde später. Ich will aber zu den Ersten gehören, damit es nicht ganz so voll in den Räumen ist und eine Gartenbesichtigung ist bei dem Wetter sowieso nicht so toll.
Tatsächlich öffnet sich um Punkt 11 Uhr die Tür und die ersten Besucher strömen in das Haus. Da ich schon einmal hier war, halte ich mich aber gar nicht lange auf, sondern beginne gleich mit dem Rundgang durch die 50 Zimmer, die inzwischen für Besucher geöffnet sind. So schaffe ich es, die meisten Besucher abzuhängen.
Zuerst komme ich in das Esszimmer. Was für ein Glück, dass noch keiner hier ist, denn es gibt keine Absperrungen und später am Tag ist es unmöglich Bilder ohne andere Personen zu bekommen. Jetzt aber scheine ich fast die einzige Besucherin, denn die restlichen Leute lassen sich am Eingang erst einmal eine Einführung geben.
Interessant in Lanhydrock ist der stetige Wechsel zwischen den Räumen der Herrschaft und der Dienerschaft. Auf einer späteren Reise werde ich detailliert erfahren, dass hier die Hierarchien fast noch strenger waren als bei der Herrschaft. Eines der wichtigsten Refugien eines Herrenhauses war immer die Küche und die Köchin eine der am besten bezahlten Bediensteten.
Von der Küche geht es zurück in den Arbeitsbereich. Hier war das Büro des Hausherrn, der auch der Chef über ein großes Anwesen mit Farmen und anderen Betrieben war. Dieser Raum hat einen extra Eingang, damit geschäftliche Besucher direkt in das Büro kommen konnten.
Ich aber gehe durch eine Hintertür zurück in den Wohntrakt des Hauses und lande im Billardzimmer.
Danach lande ich in einem Flur, der mit allerhand Jagdtrophäen ausgestattet ist. Hier erlebe ich eine lustige Begegnung. Ich komme mit einer der Damen ins Gespräch, die hier überall die Fragen der Besucher beantworten. Sie erzählt mir, dass sie von Kindern oft gefragt wird, warum denn hier nur der Elchkopf an der Wand hängt. Sie erzählt dann immer, dass der Rest vom Elch hinter der Wand verborgen ist. Nur fällt mir dabei auf, dass sich dort die Küche befindet. Wir müssen dann beide herzhaft lachen, denn dieses Detail wollte sie den Kindern lieber nicht verraten.
Auch im Herrenzimmer gibt es noch viele Jagdtrophäen zu entdecken.
Weiter geht der Rundgang durch zwei Schlafzimmer, wo ich dann auch wieder Krönungsstühle entdecke. Diesmal von Queen Elizabeth sowie ihrem Vater. Diese zeigen, dass die Familie zu diesem Event eingeladen war.
Als Nächstes lande ich in einem Klassenraum. Sowas habe ich in einem Herrenhaus so auch noch nicht gesehen.
Schließlich führt der Weg unter das Dach, wo sich die Zimmer der Dienstmädchen sowie Lagerräume für die Habseligkeiten der Hausherren befinden.
Eine Etage tiefer liegen dann wieder Schlafzimmer der Herrschaften. Diesmal etwas standesgemäßer mit Baldachin. Man beachte besonders die typisch viktorianische Tapete, mit der diese Räume nach dem Brand ausgestattet wurden.
Schließlich lande ich im Nordflügel, der als einziger vom Feuer verschont blieb und auch der älteste Teil des Hauses ist. Hier sind noch die schönen Wandvertäfelungen und Decken erhalten geblieben. Der erste Raum, den ich besichtige, ist ein großes Wohnzimmer, das durch spanische Wände in mehrere Bereiche aufgeteilt wurde.
Und dann stehe ich am Eingang der langen Galerie, dem wohl prächtigsten Raum von Lanhydrock. Besonders die Decke ist ein wahres Kunstwerk und zum Glück vollständig erhalten geblieben.
Mit der langen Galerie ist die Hausbesichtigung beendet und ich lande durch einen Seitenausgang wieder im Freien. Hier gehe ich die wenigen Schritte zu den Stallungen, wo es eine recht ungewöhnliche Ausstellung gibt. Lanhydrock hatte nach dem Feuer im Jahr 1881 eine eigene Feuerwehr und deren Gerätschaften sind hier zu sehen.
Schließlich werfe ich noch einen kurzen Blick in die schönen Gärten, doch es beginnt bereits wieder zu regnen, sodass ich es dabei belasse. Jetzt war ich bereits zum zweiten Mal hier, aber diesen Bereich des Anwesens habe ich immer noch nicht richtig erkunden können.
Als ich in Richtung Torhaus gehe, kann ich dann leider kaum noch laufen. Irgendwie macht mir plötzlich mein Knie zu schaffen, was bestimmt auch an dem nasskalten Wetter liegt. Jedenfalls ist es so schlimm, dass ich direkt zurück zum Auto will. Am Torhaus geht es erst einmal nicht mehr weiter, ich muss mich setzen. Da kommt eine Mitarbeiterin des National Trust auf mich zu und fragt, ob alles okay sei. Ich erzähle ihr von meinem Knie und sie bietet mir an, den Shuttle zu rufen, der sonst für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte reserviert ist. Das nehme ich dankend an. So komme ich zügig, und vor allem trocken, zum Auto. Dort schalte ich dann die Sitzheizung an und wärme mich auf, danach geht es bald besser.
So entschließe ich mich nach Pencarrow House zu fahren. Hier war ich noch nie und man kann das Haus nur auf einer geführten Tour besuchen, da es noch heute bewohnt wird. Schon die Zufahrt zum Anwesen ist beeindruckend. Über eineinhalb Kilometer ist sie lang und führt durch verschiedene Vegetationsarten des Anwesens.
Nach dem Stück durch den Wald lande ich dann plötzlich in einem Blütenmeer aus Rhododendron. Über 700 der rund 1000 Rhododendronarten kann man auf dem Anwesen entdecken.
Schließlich erreiche ich den Parkplatz und werde erst einmal darauf hingewiesen, dass einige Parkplätze für bestimmte Besucher reserviert sind. Bei diesem bedeckten Himmel ist das aber wohl eher kein Problem.
Auch Pencarrow House dürfte Pilcher Fans bekannt vorkommen. In mehreren Verfilmungen spielte das Haus eine Rolle. Ich aber besuche es eher wegen seiner Geschichte und dem, was ich hier entdecken kann.
Pencarrow ist bereits seit rund 500 Jahren im Besitz der Familie Molesworth-St. Aubyn, seit John Molesworth im 16. Jahrhundert in den Dienst des Herzogtums Cornwall trat. Das heutige Herrenhaus wurde für den 5. Baron zwischen 1765 und 1771 anstelle eines älteren Gebäudes erbaut. Der 5. Baron war Mitbegründer des Bankhauses Molesworth & Co., das später im Bankhaus Lloyds aufging.
Elf Räume des Hauses sind zur Besichtigung geöffnet und können nur während einer Führung angesehen werden. Leider darf im Inneren des Gebäudes auch nicht fotografiert werden, sodass nur die Bilder aus dem Schaukasten einen Eindruck geben können.
Pencarrow wird von einem Landschaftsgarten umgeben, der zwischen 1831 und 1835 vom 10. Baron angelegt wurde. Während einer Regenpause schaue ich mich ein wenig um, kann jedoch aufgrund des Wetters nur einen kleinen Teil der Anlage besichtigen.
Dieser Besuch hat mir sehr gefallen, auch wenn ich vom Garten, aufgrund des Wetters, wieder nur sehr wenig gesehen habe. Hierher würde ich bei schönerem Wetter gerne noch einmal kommen, auf jeden Fall aber zur Blütezeit der Rhododendron.
Ganz in der Nähe liegt auch Prideaux Place, ein Herrenhaus, das ebenfalls aus den Rosamunde Pilcher Filmen bekannt ist und in dem ich schon 2008 einmal war – zum Glück, denn Einlass bekomme ich hier heute nicht. Es ist wegen Filmarbeiten für einen Monat geschlossen. Das hätte man ja auch mal auf der Homepage bekannt geben können.
Auf weitere Ausflüge habe ich einfach keine Lust mehr, denn es regnet schon wieder stärker und so fahre ich direkt nach Newquay zurück, wo ich während meiner Umbuchaktion das Best Western Bristol Hotel reserviert habe. Ich hoffe mal, morgen kommt auch wirklich die Sonne und die ganze Aktion war nicht völlig umsonst.
Am Check-in stoße ich dann wieder auf eine deutsche Busgruppe. Und ärgere mich gleich mal, einige der Herren sind doch mehr als unfreundlich. Da wird die ganze Lobby blockiert, der Fahrstuhl ebenso. Und angeblafft werde ich auch noch, als ich um Durchgang bitte. Jetzt wären sie hier und ich könne ja wohl warten. Unglaublich.
Ich schleppe dann mein ganzes Gepäck die drei Stockwerke nach oben, denn die Herrschaften passen samt ihren riesigen Koffern (für 7 Tage Busreise wohlgemerkt) immer nur zu zweit in den Fahrstuhl. Wenigstens bekomme ich ein schönes Zimmer mit Blick auf das Meer, auch wenn es heute ziemlich diesig ist.
Nachdem ich mein Zimmer inspiziert habe, sehe ich, dass der Regen aufgehört hat. So entschließe ich mich, doch noch einen kleinen Spaziergang zu machen. Newquay ist ja berühmt für seine Strände, die zu den schönsten in Corwall zählen. Insgesamt gibt es 12 verschiedene Strände, der vor meinem Hotel ist der Tolcarne Beach. Der Strand ist nicht nur bei Schwimmern, sondern auch bei Boogie Boardern und Surfern beliebt.
Bei Ebbe gibt es auch verschiedene kleine Gesteinsformationen und Wasserbecken sowie eine Höhle zu entdecken. Da jedoch gerade die Flut kommt, bleibt mir dafür keine Zeit mehr.
Schließlich kehre ich auf mein Zimmer zurück, wo ich gemütlich zu Abend esse. Heute habe ich mich wieder einmal bei Tesco Express versorgt. Als ich dann noch den Wetterbericht überprüfe, macht mir dieser Hoffnung. Hoffentlich werde ich nicht enttäuscht und das Regengebiet zieht endlich ab.
Meilen: 107
Wetter: bedeckt, mit Regen, 13–15 Grad
Hotel: Best Western Bristol Hotel