Tag 3: Sonntag, 14. Mai 2017
A glorious Day – Exeter nach Newquay
„When the weather’s good, there’s no better place to be than the British countryside.” – Ross Kemp
Das Wetter hält, das zeigt sich schon beim ersten Blick aus dem Fenster. Also schnell die Sachen gepackt und raus auf die Straße, denn die Aussichten für die nächsten Tage sind leider nicht ganz so gut. Zuerst führt mich mein Weg nach Norden, tief in den Exmoor National Park hinein. Diesen durchquere ich aber nur, um zu meinem ersten Tagesziel zu kommen.
Der Exmoor National Park wurde nach dem Fluss Exe benannt und umfasst heute ein fast 700 Quadratkilometer großes Gebiet, das sich über den Norden von Devon und Teile von Somerset erstreckt. Im Inland besteht der Park größtenteils aus einer baumlosen Moorlandschaft, die nur von wenigen Straßen, dafür aber umso mehr Wanderwegen, durchzogen wird. Immer wieder wird die Landschaft auch von kleineren Tälern durchschnitten. Neben Schafen, die hier von einigen Bauern gehalten werden, sind besonders die Exmoor Ponys bekannt, aber auch Rotwild findet sich in diesem Gebiet.
Ich durchquere den Park von Süden nach Norden. Viel Verkehr ist auf den Straßen nicht und doch heißt es jede Minute aufmerksam zu sein, denn die hier lebenden Vierbeiner haben immer Vorfahrt.
Umso näher ich der Küste komme, desto mehr ändert sich die Landschaft. Es wird hügeliger und an den Hängen wächst nun dichter Wald.
Schließlich erreiche ich Lynmouth an der Nordküste von Devon. Ich habe Glück und bekomme einen kostenlosen Parkplatz an der Straße. Von hier aus gehe ich zu Fuß weiter. Doch weit komme ich nicht, denn ich entdecke einen schönen Fotospot am Fluss. Der jedoch ist gar nicht so einfach zu erreichen. Erst geht es über eine schmale Treppe hinunter zum Flussbett und dann noch über ein paar Felsen weiter.
Doch schließlich finde ich eine gute Stelle, um ein Foto des kleinen Örtchens machen zu können. Lynmouth liegt am Zusammenfluss des West Lyn River und des East Lyn River, die hier beide in den Atlantik münden. Das Örtchen ist besonders malerisch, denn es liegt in einem engen, 210 Meter tiefen, Felstal. Diese Lage wurde dem Ort 1952 leider auch zum Verhängnis, denn hier fand die schlimmste Flutkatastrophe statt, die England bisher erlebt hat. Nach sintflutartigen Regenfällen rollte sich eine Schlamm- und Gerölllawine durch den Ort und zerstörte über 100 Gebäude sowie 28 der 31 Brücken. Es hab damals 34 Tote und viele Obdachlose. Einzigartig war die Katastrophe jedoch nicht, denn schon von 1607 und 1796 gibt es Aufzeichnungen über solche Unwetter. Das Örtchen wurde danach wieder aufgebaut, der Flusslauf aber größtenteils umgeleitet, sodass heute nur noch ein kleiner Bach durch den Ort fließt. Es gibt auch ein kleines Museum zur Tragödie, das ich aber nicht besuchen konnte, da es geschlossen hatte.
Ich laufe durch den Ort und genieße das tolle Wetter. Es gefällt mir richtig gut und macht Spaß, am Fluss entlangzuspazieren. Momentan beginnt gerade die Ebbe und ich sehe schon, wie sich das Wasser im Hafen langsam zurückzieht.
Ich laufe noch ein Stück weiter an der Küstenstraße entlang.
Schließlich erreiche ich die Lynton & Lynmouth Cliff Railway. Während der Vorbereitung dieser Reise konnte ich mir noch nicht sonderlich viel darunter vorstellen, doch da ich solche kleinen Bahnen mag, habe ich beschlossen, sie mir einmal näher anzusehen. Die Standseilbahn verbindet seit ihrer Eröffnung im Jahr 1890 das Dörfchen Lynmouth mit dem Ort Lynton, der hoch oben auf der Klippe liegt. Zuerst war für die Bahn ein Dampfantrieb geplant, doch gebaut wurde schließlich eine Wasserballastbahn. Und mit solch einer Bahn war ich auch noch nicht unterwegs, was sich gleich ändern wird.
Zwei Wagen besitzt die Bahn, die durch ein umlaufendes Seil miteinander verbunden sind. Dieses läuft am Ende der Strecke über eine 1,7 Meter große Umlenkrolle. Durch eine mehr als eine Meile lange Rohrleitung wird nun Wasser aus dem West Lyn River in einen Tank unter dem oberen Wagen geleitet. Jeder der zwei Wagons besitzt solch einen 3,2 Kubikmeter großen Tank. Danach wird so lange Wasser aus dem unteren Wagen abgelassen, bis der obere schwerer ist und nach unten zu rollen beginnt. Auf jedem Wagen fährt ein Bremser mit, der die Geschwindigkeit reguliert. 263 Meter ist die gesamte Strecke lang und überwindet dabei 150 Höhenmeter bei einer Steigung von 57 Prozent.
Jetzt aber genug der Geschichten, ich will die Bahn natürlich auch selbst ausprobieren. Dazu kaufe ich einen Fahrschein, gleich für die Hin- und Rückfahrt. Dann darf ich auch schon in die Kabine einsteigen. Bis zu 40 Personen haben hier Platz, heute ist der Wagen nicht mal zur Hälfte gefüllt. Da ich eine der ersten an Bord bin, ergattere ich einen Platz ganz vorn.
Nur wenige Minuten später ertönt eine Glocke und dann rumpelt die Bahn auch schon los.
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Nach ungefähr zwei Minuten Fahrt erreicht die kleine Standseilbahn die Bergstation und ich steige aus. Als ich mich umdrehe, liegt vor mir ein tolles Küstenpanorama.
Ein Fußweg führt von der Bergstation mitten ins Zentrum von Lynton. Von hier gibt es immer wieder tolle Ausblicke aufs Meer.
Ich schaue mich ein wenig in Lynton um und laufe bis zum schönen Rathaus der Gemeinde. Hier befindet sich auch die Touristeninformation. Das Gebäude wurde vom Verleger George Newnes finanziert, der auch die Standseilbahn erbauen ließ. Außerdem ist er auch für die Bahnverbindung nach Barnstaple verantwortlich. George Newnes war der Verleger der Sherlock Holmes Bücher und ist so zu Reichtum gekommen. Später wurde er auch zum Sir geadelt und verliebte sich in diese Region. So ließ er sich hier ein Herrenhaus auf der Hollerday Hill erbauten, das leider 1913 abbrannte. Die von ihm finanzierte Standseilbahn sowie das Rathaus gibt es hingegen heute noch.
Leider sitzt mir die Zeit im Nacken, denn ich habe heute noch viel vor und da das Wetter nur noch heute so toll sein soll, drehe ich nun um und gehe zurück zur Standseilbahn.
Jetzt ist es schon etwas voller. So langsam strömen die Tagestouristen in den Ort. Da Lynmouth eng und verwinkelt ist, setzen wohl vor allem die Reisebusse ihre Reisenden hier ab und sie fahren dann mit der Bahn ins Tal. So muss ich eine Bahn fahren lassen, bevor ich wieder einsteigen kann. Das ist allerdings gar nicht so schlimm, denn so komme ich wieder ganz nach vorn, wo die Aussicht einfach am schönsten ist.
Nach noch einmal rund zwei Minuten Fahrt bin ich wieder im Tal, wo ich an der Küstenstraße zurück in den Ortskern zu meinem Auto schlendere.
Als ich meine Parklücke am Straßenrand aufgebe, freut sich bereits der nächste Besucher über den kostenlosen Parkplatz. Ich fahre aus dem Ort hinaus, doch kurz in Richtung Nordosten, denn von der Steilküste soll es einen schönen Blick über Lynmouth geben. Das ist auch tatsächlich so, aber das Anhalten ist leider gar nicht so einfach. Schließlich schaffe ich es doch, eine der wenigen Parkbuchten zu erwischen. Belohnt werde ich mit einem tollen Ausblick.
Nur wenige Meilen südwestlich von Lynmouth liegt bereits mein nächstes Ziel, Arlington Court. Das Herrenhaus wurde um 1820 für John Chichester erbaut und 1865 von seinem Enkel erweitert. Bis 1949 lebte die Familie im Haus, bevor es von Rosalie Chichester an den National Trust übergeben wurde. Zuerst schaue ich mich im Haus um, das ich auf eigene Faust besichtigen kann.
Wieder draußen, besichtige ich das weitläufige Anwesen. Dazu gehört auch die Kutschensammlung des National Trust, die in den Stallungen zu bewundern ist. Das Highlight ist die „Speaker’s State Coach”, die aber nicht fotografiert werden darf. Darauf wird ganz streng geachtet. Sie gehört nämlich noch heute zum Parlament und der National Trust darf sie nur zeigen. Die Speaker’s State Coach wurde 1698 für William III. gebaut und später von Queen Anne dem Speaker of the House übergeben. Die Kutsche wurde zum letzten Mal im Jahr 1981 anlässlich der Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di von einem Speaker verwendet. Seitdem wird sie nur noch ausgestellt, seit 2011 vom National Trust in Arlington Court.
Auch eine kleine Kirche gehört zum Anwesen der Chichester, denen das Land schon seit dem 14. Jahrhundert gehörte. Sie wurde wahrscheinlich im 15. Jahrhundert erbaut, doch 1846 erneuert, sodass heute nur der Turm des originalen Gebäudes erhalten ist.
Zum Schluss besuche ich noch den wunderschönen Garten, in dem es derzeit überall blüht. Das milde Klima lässt hier unter anderem Rhododendron und Hortensien gedeihen. Weiterhin gibt es ein viktorianisches Gewächshaus sowie einen Zierteich und Pfaue, die ich in den Büschen und auf der Rasenfläche entdecke.
Nun geht es für mich immer weiter an der Küste entlang in Richtung Cornwall. Während die breite Schnellstraße weiter im Landesinneren verläuft, entscheide ich mich für einige kleine, aber feine Nebenstraßen. Vor hier habe ich immer wieder das Meer im Blick und erreiche auch, nach einigen Ausweichmanövern, mein nächstes Ziel.
Die letzten paar Meter muss ich noch über eine unbefestigte Piste zurücklegen, bevor ich den Parkplatz zum Hartland Point erreiche. Die Landzunge ist der nordwestlichste Punkt von Devon und der am weitesten von einer Bahnlinie entfernte Ort in ganz England. Ganze 14 Meilen ist die nächste Strecke entfernt.
Ich gehe zu Fuß weiter. Ein kleiner Wanderweg führt bis an die Küste heran. Bei diesem tollen Wetter macht es richtig Spaß hier unterwegs zu sein. Noch sehe ich mein Ziel nicht, doch das wird sich gleich ändern.
Nur ein paar Meter weiter habe ich dann den Aussichtspunkt auf das Hartland Point Lighthouse erreicht. Erbaut wurde der Leuchtturm bereits 1874 und vom Bischof von Exeter offiziell eröffnet. Damals führte noch eine Straße zum Turm, der bis 1984 von einem Leuchtturmwärter bewohnt war. Später wurde der Leuchtturm automatisiert und ist auch heute noch in Betrieb. Die Straße, die in den Fels geschlagen war, ist inzwischen abgebrochen und der Turm nur noch per Hubschrauber oder Geländewagen erreichbar, weswegen er auch nicht besichtigt werden kann.
Und weiter geht die Fahrt, über Straßen, die immer enger werden. Hier im Südwesten Englands gibt es besonders viele dieser einspurigen Landstraßen, die aber trotzdem keine Einbahnstraßen sind und immer wieder über Ausweichstellen verfügen. Gewöhnt man sich einmal daran, macht es Spaß, hier unterwegs zu sein.
Nach kurzer Fahrt erreiche ich Hartland Abbey. Bereits 1157 wurde die Abtei gegründet und erst 1539, als letztes Kloster, von Heinrich VIII. aufgelöst. Der König übergab das Anwesen seinem Kellermeister William Abbot, der das Haus des Abtes zu einem Wohnhaus umbauen ließ. Über die Jahrhunderte hatte das Anwesen viele Eigentümer und gehört heute Hugh George Copplestone Bampfylde Stucley, 6. Baronet. Leider darf ich in dem schönen Haus nicht fotografieren, da es noch heute in Privatbesitz ist. Allerdings sieht man es sehr oft in Film und Fernsehen, denn schon unzählige TV- und Kinoproduktionen waren hier zu Gast. Unter anderem wurde hier auch das Buch „Die Muschelsucher” von Rosamunde Pilcher verfilmt.
Noch einmal fahre ich zurück auf die engen Landstraßen und als ich um eine Kurve biege, habe ich plötzlich ein interessantes Hindernis vor mir. Überholen geht nicht, sodass ich bis zur nächsten Kreuzung etwas langsamer vorankomme.
Auf dem nächsten Abschnitt überquere ich schließlich irgendwo die Grenze zwischen Devon und Cornwall. Wo genau weiß ich gar nicht, denn auf den kleinen Nebenstraßen steht hier kein Schild.
Am späten Nachmittag erreiche ich Tintagel, ein kleines Örtchen an Cornwalls Küste. Hier sieht es in der Vorsaison noch ziemlich leer aus. Ich bin froh darüber, denn so finde ich schnell einen Parkplatz.
Im Tintagel Old Post Office war ich bereits einmal, auf meiner ersten Reise in diese Region im Jahr 2008. Heute, neun Jahre später, hat sich das Haus aus dem 14. Jahrhundert kaum verändert. Höchstens ein paar Büsche sind gewachsen, ansonsten sieht es aus wie eine Zeitkapsel, während man vor der Gartenpforte die gesamte Ortsdurchfahrt modernisiert hat.
Das alte Stadthaus gehört zum National Trust und kann so auch besichtigt werden. Innen fühlt man sich fast ein wenig in die Tudor Zeit zurückversetzt. Viel verändert wurde hier nicht. Bis auf die große Halle sind die Räume eng und klein. Ins Obergeschoss führt eine schmale, steile Treppe.
Hinter dem Haus gibt es einen kleinen Garten, in dem sich wunderbar etwas Zeit verbringen lässt.
Hinter Tintagel nehme ich nun die Küstenstraße, denn es ist schon spät geworden und ich muss noch ein Stückchen fahren. Jetzt verläuft die Route immer wieder in Sichtweite des Meeres und bietet tolle Ausblicke, sodass ich wieder langsamer vorankomme als gedacht.
Einen kurzen Stopp lege ich noch am Trevose Head ein, der 40 Meilen südlich des Hartland Head liegt. Der Leuchtturm an dieser Stelle wurde bereits 1847 erbaut und erst im Jahr 1995 automatisiert. Das Licht des 27 Meter hohen Turms kann bis zu 23 Meilen weit gesehen werden.
Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu meinem letzten Ziel des heutigen Tages. Eigentlich hatte ich vor, diesen Küstenabschnitt am morgigen Tag zu besuchen, doch es ist Regen vorausgesagt, sodass ich umgeplant habe. Die Bedruthan Steps sind ein besonders schöner Teil der nördlichen Steilküste in Cornwall und werden heute vom National Trust verwaltet. So gibt es auch einen gut ausgebauten Parkplatz, der ohne Mitgliedschaft allerdings Gebühren kostet. Da es schon recht spät ist, laufe ich nur ein kleines Stück den Wanderweg entlang und genieße die Aussicht. Bei Ebbe kann man über eine schmale Steintreppe in eine Bucht hinunterlaufen, doch da gerade Flut ist, ist mir dieser Weg sowieso versperrt.
Nur noch wenige Meilen sind es nun bis zu meinem heutigen Hotel, das nahe Newquay liegt. Unterwegs sehe ich noch diesen kleinen Laden und einen schönen Strand, von denen es hier einige gibt. Zum Baden ist es im Mai aber noch viel zu kalt. Jetzt sind es nur noch 14 Grad und es weht ein frischer Wind.
Dann erreiche ich Fraddon, das am Rande von Newquay an einer Durchgangsstraße liegt. Hier befindet sich das Premier Inn, das ich für die heutige Nacht reserviert habe. Wie bei Premier Inn gewohnt, ist das Zimmer gut ausgestattet und sehr sauber.
Ich fahre noch schnell in einen nahen Supermarkt, um mir etwas zu essen zu kaufen, bevor ich überlege, was ich mit dem morgigen Tag anstelle. Der Wetterbericht wird immer grausiger und es ist strömender Regen angesagt. Da ist es gut, dass ich die Küste heute bei so schönem Wetter besuchen konnte.
Meilen: 220
Wetter: sonnig, 11–18 Grad
Hotel: Premier Inn Fraddon