Tag 10: Sonntag, 21. Mai 2017
Royal Roots – Corby nach Southampton
„I love England though; I’ve been back a few times and just love it. My favorite thing to do there is going to museums and all the castles.” – Catherine Bell
Am heutigen Tag liegt noch einmal eine längere Strecke vor mir, doch bevor ich diese antrete, stehen noch einige Besichtigungen auf meiner Agenda. Besser gesagt sind diese Orte der Grund gewesen, auf der Reise auch noch in das Gebiet nördlich von London zu fahren, denn einige der Schlösser und Herrenhäuser will ich schon sehr lange besuchen, aber sie haben nur sehr eingeschränkte Öffnungszeichen. Das auch noch das Wetter passt, ist ein zusätzlicher Bonus. Blöd ist nur, dass die meisten Häuser erst gegen Mittag aufmachen und ich auch keinen weiten Anfahrtsweg habe. So habe ich etwas für den Vormittag gesucht und bin auf Lyveden New Bield gestoßen.
Lyveden New Bield ist ein unfertiges Herrenhaus, das heute dem National Trust gehört. Erbaut wurde es um 1605 für Sir Thomas Tresham, dessen Stammsitz Rushton Hall war. Er war auch der Erbauer der Rushton Triangular Lodge und Lyveden war genauso wie diese übersät mit religiösen Symbolen. Die Fassaden haben eine strikte Symmetrie, es gibt genau zwei Stockwerke über dem Keller, es gibt ausschließlich rechteckige Fenster und jedes Geschoss hat genau drei Räume, die mit einer Treppe verbunden waren. Auch die Fassade wurde mit diversen religiösen Symbolen versehen.
Das Haus war nie als ganzjährig bewohntes Gebäude vorgesehen, dafür war es zu klein. Die genau Bedeutung kennt man nicht, doch es könnte wahrscheinlich als Sommerhaus oder Zweitwohnsitz gedacht gewesen sein. Noble Herrschaften ließen sich so ein Gebäude oft erbauen, damit sie einmal im Jahr aus ihrem Haupthaus ausziehen konnten, damit dieses grundlegend gereinigt werden konnte. Lyveden wurde nie fertiggestellt, denn noch während des Baus verstarb Thomas Tresham und seine Erben hatten kein Interesse an dem Gebäude. So gibt es auch keine richtige Tür, sondern ich muss durch den Personaleingang in das Haus hineingehen.
Das ist eine ziemlich niedrige Tür im Keller. So gelange ich in das Innere der Ruine, die ansonsten keinerlei Räume mehr besitzt. Das Haus ist eine einzige leere Hülle.
Ich kann während meines Rundgangs auf der Kellerebene jedoch sehr gut erkennen, wo die einzelnen Etagen geplant waren. Im Gegensatz zu den rechteckigen Fenstern hatten die Durchgänge alle einen Rundbogen, was ebenfalls gut zu sehen ist.
Von der alten Gartenanlage, die zwischen Lyveden New Bield und dem Haupthaus erstreckte, ist heute kaum noch etwas erhalten. Ebenso vom alten Herrenhaus, dessen Interieur verkauft wurde. Die Treppe findet sich heute im Edsel und Eleanor Ford House in Detroit, das ich ebenfalls schon besucht habe. Was man über den Garten weiß, stammt hauptsächlich von alten Aufnahmen der Deutschen Luftwaffe aus dem Zweiten Weltkrieg. Hierauf sind ein Labyrinth und ein Hain mit Obstbäumen zu erkennen, die der National Trust inzwischen wieder anlegen ließ.
Die Tresham Familie selbst, hatte übrigens nicht nur kein Interesse am Weiterbau von Lyveden New Bield, innerhalb von zwei Generationen verloren sie fast ihren ganzen Besitz. Nach dem Tod des bekennenden Katholiken Thomas Tresham erbte sein Sohn Francis, doch dieser war noch im selben Jahr zusammen mit zwei Cousins in den Gunpowder Plot verwickelt, der den Tod von King James I. zur Folge haben sollte. So kam das Anwesen in die Hände von Lewis Tresham, der das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinauswarf, was den Verkauf von Lyveden im Jahr 1643 zur Folge hatte.
Nach dieser interessanten Besichtigung fahre ich weiter zu einem Ort, den ich schon viele Jahre besuchen will, der aber nur wenige Tage im Jahr geöffnet hat, sodass es noch nie geklappt hat – ich fahre nach Althorp. Der Weg führt mich wieder über typische englische Landstraßen, bis ich das Tor zum Anwesen erreiche.
Gegenüber, auf einer Wiese, ist ein provisorischer Parkplatz eingerichtet, wo ich mein Auto abstelle. Zum Glück bin ich ein paar Minuten eher dran, sodass ich eine der Ersten am Tor bin. Es gibt nämlich nur eine Kasse und die, die Eintritt zahlen müssen, brauchen immer etwas. Ich muss nur kurz meine HHA-Karte vorzeigen und schon wird mir Eintritt gewährt. Dann geht es nur zu Fuß weiter, über eine lange Zufahrt, die durch den Park des Anwesens führt.
Schließlich erreiche ich die ehemaligen Stallungen. Wo früher Pferde und Kutschen untergebracht waren, befinden sich heute das Besucherzentrum, der Shop, ein Café und Ausstellungsräume. Momentan ist hier eine Ausstellung mit überdimensionalen Fotografien von Prinzessin Diana zu sehen, denn Althorp ist der Stammsitz der Familie Spencer und Prinzessin Diana hier aufgewachsen. Früher war hier auch die berühmte Princess Di Ausstellung zu sehen, die ich noch auf ihrer letzten Tour in den USA erleben konnte.
Nachdem ich mir die Bilder angesehen habe, laufe ich durch in Innenhof weiter. Den Shop werde ich erst am Ende der Tour besuchen, denn von hier nehme ich auf jeden Fall ein Buch mit, da ich im Haus leider auch wieder nicht fotografieren darf.
Althorp wurde schon im Doomesday Book als Olletorp erwähnt und gehört seit über 500 Jahren der Familie Spencer. 1508 wurde das Grundstück von John Spencer gekauft, dessen Familie ihr Geld mit der Schafzucht verdiente. Das heutige Herrenhaus wurde 1688 erbaut und im 19. Jahrhundert wurde Althorp einer der kulturellen Treffpunkte des Landes. Die Earls of Spencer trugen eine Kunst- und Büchersammlung zusammen, die ihresgleichen suchte.
Im 20. Jahrhundert kamen jedoch harte Zeiten auf die Familie zu. So musste fast die gesamte Bibliothek, die 100.000 Bücher umfasste, verkauft werden. Sie sollte später den Grundstock für die Universitätsbibliothek von Manchester bilden. Auch etwa 20 Prozent des Mobiliars musste veräußert werden sowie viele wertvolle Kunstgegenstände. Selbst heute noch ist Earl Spencer immer wieder gezwungen, wertvolle Gegenstände zu veräußern, um das Anwesen zu erhalten. Damit ist er nicht allein, wie ich auf meiner letzten Reise lernen konnte. Noch ist das Haus in den Händen der Familie und es bleibt zu hoffen, dass das auch in Zukunft so bleiben wird.
Nach der wirklich fantastischen Tour durch das Haus laufe ich nochmal um das Gebäude herum. Leider kann ich zurzeit nicht zum See laufen, auf dessen Insel das Grabmal der Princess of Wales steht. Das wird aufgrund ihres nahenden 20. Todestages gerade saniert und ist deshalb nicht zu sehen. Näher heran kommt man sowieso nicht, aber ein Blick hätte ich schon gerne darauf geworfen.
So laufe ich zurück zu den Stallungen und kaufe mir noch das Buch über Althorp, denn gefallen hat mir der Besuch dieses wirklich beeindruckenden Hauses auf jeden Fall. Die Sammlung im Haus und die Geschichten, die erzählt wurden, sind einfach großartig und einen Besuch absolut wert.
Schließlich laufe ich über die lange Zufahrt zurück zum Auto. Noch immer kommen mir neue Besucher entgegen und am Parkplatz herrscht nun reges Treiben. Zum Glück war ich zeitig hier, sodass ich den meisten Leuten aus dem Weg gehen konnte.
Jetzt führt mich der Weg wieder fast dort hin, von wo ich gekommen bin. Den kleinen Umweg habe ich nur wegen Althorp gemacht, was sich für mich aber absolut gelohnt hat. Nach kurzer Fahrt erreiche ich Deene Park, das ich auch schon einige Jahre besuchen will, seitdem ich das Anwesen einmal durch Zufall im Vorbeifahren entdeckt habe.
Ich fahre durch das Tor und dann ein weiteres Mal über eine lange Zufahrt, vorbei an Seen und alten Bäumen, bis ich den Parkplatz auf einer Wiese erreiche. An einer kleinen Brücke ist die Kasse aufgebaut, wo ich wieder meinen HHA-Pass vorzeige. Dann kann ich den ersten Blick auf das Haus werfen.
Und bin entsetzt. Was ist das denn? Noch ein voll eingerüstetes Herrenhaus? Und wieder stand das nirgendwo geschrieben. Na super, schöne Außenaufnahmen sind also schon mal gestrichen.
Deene Park ist bereits seit 1514 der Stammsitz der Familie Brudenell, deren Name mit dem Marquessate of Ailesbury und dem Earldom of Cardigan verbunden ist. Während der Garten im Sommer auch unter der Woche geöffnet ist, kann das Haus nur an einigen Sonntagen besichtigt werden, sodass dieser Besuch, ebenso wie der von Althorp, lange von mir geplant wurde. Durch den Haupteingang betrete ich das Gebäude und kann mich nach Herzenslust allein im Haus umsehen, nur Fotografieren darf ich auch hier nicht, denn die Familie Brudenell bewohnt das Haus nach wie vor.
Als ich wieder nach draußen komme, gehe ich direkt auf jenes Tor zu, durch das ich das Haus auf einer früheren Reise zuerst entdeckt hatte. Bis ganz zum Tor komme ich jedoch nicht, sondern biege vorher in den Garten ab.
Hier wird erklärt, was es mit den Bauarbeiten auf sich hat. Solch alte Gebäude brauchen immer wieder Instandhaltungsarbeiten und momentan werden vor allem das Dach und die Schornsteine saniert.
So laufe ich dann noch ein bisschen weiter durch den Garten und kann sogar eine Perspektive finden, auf der man das Gerüst kaum sieht.
Quasi nur um die Ecke liegt mein letztes Ziel für heute, Rockingham Castle. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich es noch schaffe, aber ich liege gut in der Zeit. Ich fahre nur rund 10 Minuten, bis ich vor der Einfahrt stehe und dank des HHA-Passes einmal mehr Zutritt bekomme. Auch hier muss ich relativ weit weg vom Haus parken, sodass ein weiterer Fußweg entlang einer Zufahrt nötig ist, bis ich vor dem Burgtor stehe.
Durch das Tor gelange ich in den Burghof. Hier entdecke ich dann gleich mal den wohl ältesten erhaltenen Teil der Anlage.
The Street heißt dieser Seitenhof und die Gebäude sind schon über 600 Jahre alt. Dieser Weg führte einst direkt zum Keep, der sich hinter mir befand und von dem heute nichts mehr erhalten ist. In diesen Häusern wurde damals das Fleisch gelagert, es gab eine Bäckerei, Molkerei und was sonst noch benötigt wurde, um die Burg am Leben zu erhalten. Das Gebäude mit dem Glockenturm ist übrigens keine Kirche, sondern die Wäscherei. Gebaut wurde sie um 1660 und hinter dem Fenster unter der Uhr befand ich der Wohnraum der Wäscherin.
Etwas versteckt, unter einer Treppe, entdecke noch diesen Brunnen, der aus Blei gebaut wurde. Er stammt aus dem Jahr 1783 und in den oberen Ecken sind die Abbilder von King George III. und Queen Charlotte zu sehen.
Durch den Durchgang im rechten Haus bin ich in den Innenhof gekommen. Nichts zeugt hier noch von den Rundtürmen, die auf der anderen Seite zu sehen sind. Von hier sieht es wie eine normale Tordurchfahrt aus.
Als Nächstes besichtige ich die interessante Burganlage von innen. Rockingham Castle ist auch heute noch bewohnt und damit eines der ältesten durchgehend bewohnten Gebäude im Vereinigten Königreich. Leider herrscht auch hier absolutes Fotoverbot.
Am Schluss des Rundgangs kann ich noch den Burgturm besteigen, von dem ich einen tollen Rundumblick habe. Hier darf dann auch die Kamera wieder ausgepackt werden.
Nach der Innenbesichtigung laufe ich um das Haus herum in Richtung Gärten. Heute hat die Burg eine wunderschöne Gartenanlage. Das war jedoch nicht immer so, denn eigentlich war sie eine Verteidigungsstellung. Doch das Gelände wurde schon viel länger genutzt. Bereits in der Eisenzeit, unter der römischen Besatzung, wurde es bebaut. Auch im Mittelalter war die erhöhte Lage, die einen weiten Blick über das Land erlaubte, beliebt und so wurde die erste Burganlage errichtet.
William der Eroberer war es, der den Bau der ersten Motte anordnete. Diese war noch aus Holz, wurde jedoch bereits wenige Jahre später durch einen Steinbau ersetzt. Heinrich III. war es, der den Bau des Tores in Auftrag gab, so wie es noch heute zu sehen ist. Der letzte königliche Besucher war Edward III. solange die Burg in den Händen der Krone war.
Ende des 15. Jahrhunderts war die Burg verfallen und wurde nicht mehr genutzt. Heinrich VIII. gab sie Sir Edward Watson zum Lehen, der Begründer der Familiendynastie Watson war, deren Nachfahren noch heute hier wohnen. Somit war Rockingham Castle während seiner tausendjährigen Geschichte nur in den Händen der Krone sowie einer Familie, die seit der Übernahme hier lebt. Von der alten Burg ist trotzdem nur einiges erhalten, denn sie wurde 1646, im englischen Bürgerkrieg, geschleift. Danach wurde sie als Wohnhaus wieder aufgebaut, aber ohne größere Verteidigungsanlagen.
Ich starte nun erst einmal meinen Rundgang durch die tollen Gärten. Richtig schön wurde das hier alles angelegt. Besonders die riesigen Hecken haben es mir ja immer wieder angetan.
Durch dieses Tor kann man das Burggelände auch verlassen und durch die umliegenden Ländereien spazieren. Dazu habe ich allerdings keine Zeit und kehre wieder in den Garten zurück.
Hinter der großen Hecke verändert sich die Gartenanlage. Statt großer Rasenflächen gibt es hier auch Blumen und Büsche.
Mitten im Garten entdecke ich dann dieses Kunstwerk, das bei genauerem Hinsehen eine Bedeutung für die Familie Watson-Saunders hat, die gerade hier lebt. Die Skulptur wurde erst in den 2000er Jahren errichtet und ich entdecke nicht nur die Koordinaten der Burg, sondern auch die Geburtstage der Kinder der Familie.
In einem weiteren Teil des Gartens, geschützt von kunstvoll geschnittenen Hecken, entdecke ich den Rosengarten. Leider steht hier noch nicht viel in Blüte, denn dafür ist es noch etwas zu früh.
Die Zeit rennt, während ich im schönen Garten unterwegs bin und bald muss ich mich auf den Rückweg machen, denn um 17 Uhr werden hier die Burgtore geschlossen. Gut, so ganz genau nimmt man es nicht, aber für den Sparziergang zur kleinen Kirche bleibt mir keine Zeit mehr.
Ich bin sehr zufrieden, als ich wieder am Auto ankomme. Es hat wirklich alles geklappt, wie ich mir das vorgestellt habe und sogar das Wetter hat mitgespielt. Nun liegt aber noch eine etwas längere Fahrt vor mir, denn mein Hotel für heute liegt südlich von London in Southampton und momentan befinde ich mich noch nördlich der englischen Hauptstadt. Rund drei Stunden Fahrt sind es bis zu meinem Ziel, die ich aber am heutigen Sonntagabend schnell hinter mich bringe. Ich habe lange überlegt, ob ich das machen soll, mich aber dann dafür entschieden, da an einem Werktag rund um die großen Städte immer mehr Verkehr unterwegs ist.
Schließlich erreiche ich im letzten Licht des Tages Southampton, die Hafenstadt am Ärmelkanal. Hier habe ich das relativ neue Hilton at the Ageas Bowl reserviert. Auch dieses Hotel ist in ein Stadion gebaut, diesmal wird hier allerdings nicht Fußball, sondern Cricket gespielt oder es finden Konzerte statt. Das Hotel ist toll und gefällt mir sehr gut. Ich bekomme ein nettes Upgrade, Loungezugang und ein paar Begrüßungspralinen. Abendessen nehme ich mir mit aufs Zimmer und genieße es auf meinem Balkon, von wo ich den Sonnenuntergang anschaue.
Meilen: 235
Wetter: heiter, 12–19 Grad
Hotel: Hilton at the Aegas Bowl