Tag 4: Freitag, 31.07.2020
Sekt und Diplomatie – Franzensbad nach Marienbad
„Umwege erweitern die Ortskenntnis.” – Kurt Tucholsky
Wir haben gut geschlafen in unserem Studio. Eigentlich schade, dass wir nur eine Nacht hier sind, denn hier könnten wir es auch länger aushalten. Nach dem Frühstück fahren wir aber nicht gleich ab, sondern machen noch einen zweiten kleinen Rundgang, denn wenigstens einige der bekanntesten Quellen wollen wir uns noch anschauen.
Wir kommen abermals zur Neuen Kolonnade und ich mache noch ein paar Bilder, denn heute Morgen ist das Licht ganz anders. Auch das Casino und den Informationspavillon passieren wir auf unserem Weg.
Unterwegs entdecke ich eine spezielle Uhr mit Barometer und verschiedenen Statistiken zum Wetter in Franzensbad. Es ist sehr interessant, sich diesen Zeit- und Wettermesser ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.
Durch den Park geht es nun weiter zu einer der berühmtesten Quellen von Franzensbad.
Die Glauberquellenhalle aus dem Jahr 1929 wurde im Stil des modernistischen Klassizismus erbaut. Der Bau beherbergt die Glauber III und Glauber IV, die aufgrund ihres hohen Glaubersalzgehalts zu den wichtigsten Heilquellen der Welt zählen. Glaubersalz wird als beliebtes Mittel zur Entschlackung genutzt.
Richtig beeindruckend ist aber besonders die ovale Säulenhalle durch deren Fenster viel natürliches Licht nach innen dringt.
Die Glauber-IV-Quelle besitzt übrigens den weltweit höchsten Gehalt an Glaubersalz. Seit 1930 ist die Glauberquellenhalle ein wichtiger Bestandteil der Kureinrichtungen in Franzensbad.
Es gibt zwar noch einiges mehr zu sehen im Kurbezirk doch wir kehren für heute um, checken aus und verlassen Karlsbad. Zu unserem nächsten Ziel sind es allerdings nur wenige Kilometer. Wir wollen die Stadt Eger besuchen. Eger, das heute Cheb heißt, war schon im Heiligen Römischen Reich eine bedeutende Reichsstadt und wurde bereits 1061 zum ersten Mal erwähnt. Ich habe zuerst ein paar Probleme einen Parkplatz zu finden, denn die Schilder für die Parkzonen haben hier noch schriftliche Ergänzungen, die ich nicht lesen kann. In einer Seitenstraße finde ich schließlich einen Parkplatz, der für besagt, dass er für eine Stunde kostenfrei ist. Von hier laufen wir zurück zum Marktplatz.
Der große Marktplatz wurde bereits im 13. Jahrhundert angelegt und ist sehr schön renoviert worden. Es gibt auch einige kleinere Hotels, doch an Unterkünften mangelt es Eger schon ein bisschen. Eine Touristenhochburg ist die Stadt nicht gerade und doch ist es schade, dass viele Reisende einfach vorbeifahren. Einen Stopp ist Eger auf jeden Fall wert.
Die wohl geschichtsträchtigsten Häuser sind die etwas schief anmutenden Gebäude, die als einzige mitten auf dem Marktplatz stehen. Stöckl wird der Gebäudekomplex genannt, der noch aus dem Mittelalter erhalten geblieben ist. Da es in Städten schon damals relativ wenig Platz gab, baute man nach oben und mit sehr engen Gassen.
Durch die letzte erhaltene dieser Gassen laufen auch wir. Sie verläuft zwischen dem Häuserkomplex, der 1472 zum ersten Mal auf einem Bild zu sehen ist. Damals gab es noch mehr Gebäude, doch nur diese elf sind erhalten geblieben.
Vom Marktplatz folgen wir einer der Straßen, in der weitere schön restaurierte Häuser zu finden sind. Überhaupt gefällt mir Eger sehr gut, denn anscheinend wurde hier zur Abwechslung viel alte Bausubstanz erhalten und nicht einfach durch Plattenbauten ersetzt. Zwar gibt es um die Altstadt natürlich auch moderne Gebäude, doch im Zentrum findet man diese eher nicht.
Nur einen kurzen Fußmarsch entfernt erstreckt sich die Basilika St. Nicolaus in den Himmel. Es ist unmöglich die Kirche als Ganzes zu fotografieren, so dicht ist die alte Bebauung hier. Trotz Kriegszerstörung ist hier anscheinend vieles erhalten geblieben.
Die romanische Basilika St. Nicolaus wurde im Zuge einer Stadterweiterung im 13. Jahrhundert erbaut. Eine erstmalige Erwähnung bezieht sich auf das Jahr 1239 und von diesem Bau sind heute die unteren Teile der Türme sowie das Westportal erhalten.
Die noch heute erhaltene monumentale dreischiffige Halle mit vierzehn Altären, einer Länge von fünfzig Metern, einer Breite von dreißig Metern und einer Höhe von einundzwanzig Metern wurde erst zwischen 1456 und 1476 realisiert, als die Kirche umgebaut wurde.
Der größte Teil der heutigen Innenausstattung geht auf einen weiteren Umbau im 19. Jahrhundert zurück. Einige alte Stücke wie Statuen oder ein Taufbecken wurden allerdings erhalten.
In einer Ecke der Kirche entdecke ich den Schmucksarg der Gräfin von Schlick. Das Geschlecht der von Schlick hatte in dieser Region einst großen Einfluss und besaß viele Schlösser und Burgen.
Der eigentliche Sarg aber steht eine Etage tiefer im Kellergewölbe der Kirche und ist durch diesen Gang zu sehen.
Bei meiner Recherche vor der Reise habe ich entdeckt, dass Eger auch eine Burg besitzt. Die wollen wir uns natürlich auch noch anschauen. Sie liegt etwas außerhalb der Innenstadt, sodass wir mit dem Auto fahren. An der Straße finden wir einen kostenlosen Parkplatz und müssen so nur wenige Meter bis zum Eingang laufen.
Doch schon nach wenigen Meter wundere ich mich, denn hier gibt es nur einen Garten und eine Mauer. Das kann doch nicht die Burg sein? Ist sie auch nicht wie ich kurze Zeit später feststelle, oder eben doch, aber nur eine der äußeren Ringmauern, an der man diesen kleinen Park eingerichtet hat, der zur länderübergreifenden Landesgartenschau 2006 gestaltet wurde.
Fahren wir also noch ein Stück weiter und landen vor diesem Haus, wo es zum Glück auch einen Parkplatz gibt. Gleich daneben befindet sich nun der richtige Eingang zur Burganlage.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde die Kaiserburg von Eger errichtet, von der heute nur noch Teile erhalten sind.
Seit 2013 steht vor dem Eingang zur Burg eine Stauferstele, die ich mir etwas genauer ansehe. Stauferstelen sind achteckige Gedenksteine, die an die Staufer erinnern, ein deutsches Herrschergeschlecht, das im Hochmittelalter römisch-deutsche Könige und Kaiser stellte.
Heute sieht die Burg von außen allerdings eher wie eine Zitadelle aus, zu der die Anlage ab 1675 umgebaut wurde. Doch schon bald nach der Fertigstellung im Jahr 1713 wurde die Anlage bedeutungslos und war lange dem Verfall preisgegeben, bevor sie zu dem heutigen Touristenziel ausgebaut wurde.
Im Innenhof aber sind Teile der alten Burg zu finden. Dazu gehört eine der wenigen Doppelkapellen aus der Kaiserpfalz, die heute noch weitgehend intakt ist.
Die obere und die untere Ebene der Kapelle wird dabei durch eine achteckige Öffnung verbunden.
Das Erdgeschoss wird von vier Granitsäulen getragen und verfügt über acht Fenster. Die Kapelle hier trägt den Namen St. Martin und war der Ort, an dem sich der Hofstaat versammelt, wenn die kaiserliche Familie in der Kapelle war.
Die prunkvollen Kapellen St. Ursula und St. Erhard im Obergeschoss waren allein der kaiserlichen Familie vorbehalten. Der Raum hier ist mit einem Kreuzrippengewölbe und Marmorsäulen verziert. Er zeigt sehr schön den Übergang von der Spätromanik zur Gotik.
Nach der Besichtigung der Kapelle setze ich die weitere Besichtigung der Burganlage vor. Mutti nimmt derweil auf einer Bank Platz, da einige Teile der Anlage ziemlich uneben sind.
In einem Burgturm gibt es eine kleine Ausstellung zu den Menschen, die zu jener Zeit hier in der und rund um die Burg lebten.
Das älteste Gebäude der Anlage ist der schwarze Turm, der mit Basaltquadern verkleidet wurde. Im Erdgeschoss beträgt die Wandstärke über drei Meter, sodass das Gebäude auch als Gefängnis genutzt wurde. Nach dem Umbau zur Zitadelle wurde der rund achtzehn Meter hohe Turm um ein Stockwerk erhöht, was gut an dem andersfarbigen Bruchgestein zu sehen ist.
Am frühen Nachmittag verlassen wir Eger und fahren nach Süden, zuerst über die Schnellstraße, dann über kleine Nebenstraßen bis zum Schloss Königswart. Dieses Schloss wollte ich unbedingt besuchen, denn es wurde von einer ganz berühmten Familie erbaut, die heute vor allem als Sektmarke bekannt ist.
Besitzer dieses herrlichen Anwesens war von 1623 bis 1945 im Besitz der Familie von Metternich, deren Mitglieder einst viele Ämter an den Höfen Europas bekleideten. Ihr Name ist heute wieder auf dem Hauptportal des Schlosses zu lesen, das seit 2000 ein Museum ist und besichtigt werden kann.
Die Metternichs kauften einst ein Renaissance Fort, das zuerst in ein Barockschloss umgebaut wurde. Seine heutige klassizistische Form bekam es aber von Klemens Wenzel Lothar von Metternich, der österreichischen Staatskanzler, der das Schloss von seinem Vater zum Geburtstag bekam.
Leider ist das Innere auch hier wieder nur mit einer Führung zu besichtigen. Das scheint in Tschechien generell an der Tagesordnung zu sein und stört mich schon etwas. Besonders deshalb, weil die Führungen ausschließlich in Tschechisch stattfinden. Als Ausländer bekommt man lediglich einen Hefter mit schriftlicher Übersetzung, muss aber trotzdem die ganze Zeit bei der Gruppe bleiben. Aber was solls, wenn ich das Schloss sehen will, muss ich mich fügen.
Gleich im Flur hängt ein Porträt des Staatskanzlers, der als Gesandter in Dresden und Berlin sowie Botschafter in Paris war. Er war einer der mächtigsten Politiker seiner Zeit.
In den fürstlichen Räumen zu sehen sind auch Bilder von Kaiser Napoleon und seiner Frau Josephine.
Besonders wertvoll ist die Bibliothek des Schlosses, die mittelalterliche Handschriften, wertvolle Drucke, wissenschaftliche Bücher und Enzyklopädien beherbergt. Außerdem wird hier der Nachlass des französischen Dichters Alexandre Dumas verwaltet.
Zwei der prächtigsten Räume des Schlosses sind der große und kleine Speisesaal, in denen große, opulente Tafeln gedeckt sind.
Der letzte Raum, den wir besichtigen, ist die Kapelle, in der noch die Logen der Fürstenfamilie zu finden sind.
Schloss Königswart hat mir sehr gut gefallen und die Besichtigung hat sich auf jeden Fall gelohnt, auch wenn die Führung etwas langatmig war. Schade, dass man nicht auf eigene Faust unterwegs sein könnte.
Umgeben ist das Schloss von einem herrlichen englischen Landschaftsgarten, für den wir aber heute leider kaum mehr Zeit haben. Uns zieht es weiter, denn es ist schon später als gedacht und wir haben noch einiges vor.
Nun sind es nur noch ein paar Kilometer bis zu unserem heutigen Tagesziel, dem dritten Kurort im Bäderdreieck, Marienbad. Hier habe ich mich recht schwergetan ein Hotel zu finden. Einige Häuser waren richtig teuer, andere schlecht bewertet oder einfach ziemlich weit außerhalb. Mein Favorit war dann auch noch ausgebucht, sodass ich beim Orea Spa Hotel Bohemia hängenblieb, das zwar nur mittelmäßige Bewertungen hat, aber sehr gut gelegen ist, sodass wir zum Erkunden des Kurzentrums kein Auto brauchen würden. Das war mir wichtig, denn mit unserer begrenzten Zeit wollte ich nicht viel Zeit mit Parkplatzsuchen oder öffentlichen Verkehrsmitteln verschwenden.
Von außen sieht das Hotel fantastisch aus, innen ist es dann schon etwas in die Jahre gekommen. Es war aber sauber und alles funktionell, sodass Preis und Leistung hier schon stimmten. Und die Lage ist einfach super.
Der restliche Nachmittag steht nun ganz im Zeichen von Marienbad. Nachdem wir uns kurz frisch gemacht haben, starten wir zu einem ersten Rundgang durch das Kurviertel. Die Lage des Hotels ist wirklich super, denn es steht direkt am Kurpark, sodass wir sofort mittendrin sind.
Marienbad liegt in einem Tal des Kaiserwaldes und wurde erst 1818 als Heilbad anerkannt, dessen bekannteste Quelle die Marienquelle ist. Von ihr erhielt die Stadt ihren Namen. Bis 1823 wurde viele der wunderschönen Kurgebäude errichtet, die noch heute in der Stadt zu finden sind. Zu ihnen gehört auch das Hotel Nové Lázne.
Die erste Quelle, die wir besuchen, ist die Karolinaquelle. Das Wasser der Quelle hat einen hohen Magnesiumgehalt und wird zur Behandlung von urologischen und nephrologischen Erkrankungen sowie Diabetes II. und Gicht eingesetzt.
Und dann kommt die Enttäuschung des Tages. Statt die berühmte Hauptkolonnade besuchen zu können, ist der Weg versperrt. Hier findet heute die Verleihung des Basketballers des Jahres statt und für die Abendveranstaltung wird gerade aufgebaut. Deshalb wird auch die berühmte singende Fontäne heute nicht spielen. Besonders ärgerlich, das stand nirgendwo auf der Tourismusseite, sodass ich hätte anderes planen können.
So müssen wir hinter der Kolonnade entlanglaufen. Es gibt zwar schöne Gebäude, die ich auch im Bild festhalte, aber richtig gute Stimmung kommt gerade nicht auf.
Auf der anderen Seite der Kolonnade ist zum Glück nicht alles abgesperrt, sodass ich wenigstens einen Teil anschauen kann. Die restlichen Bilder der inneren Kolonnade habe ich am nächsten Morgen gemacht.
Unter der Kolonnade befindet sich auch ein Café, wo wir uns niederlassen. Heute ist ja das Mittag ausgefallen, sodass wir doch etwas hungrig sind. Die Pizza hier ist sehr lecker und so genießen wir die Pause an diesem schönen Ort.
Die Kolonnade im Stil des Barrocks wurde zwischen 1888 und 1889 auf dem Grundriss des ehemaligen Kursaals erbaut. Sie ist ein bedeutendes historisches Baudenkmal und ihre Deckenfresken wurden vom Maler Josef Vyleťal geschaffen.
Gleich neben der Kolonnade befindet sich die Kreuzquelle, der heilende Wirkung bei Stoffwechselstörungen, Margen-Darm-Erkrankungen und Allergien zugeschrieben wird.
Wir laufen ein Stück weiter durch den Kurpark und landen schließlich vor der Villa Patriot, die einst ein herrschaftliches Wohnhaus war und heute ein Hotel mit Restaurant beherbergt. Eigentlich hatte ich vor, hier zu übernachten, doch leider war das Haus bereits voll belegt.
Auf dem Rückweg zum Hotel treffen wir schließlich noch auf zwei Statuen, die den österreichischen Kaiser Franz Josef I. sowie den englischen König Edward VII. zeigen. Die beiden Herrscher haben sich 1904 in Marienbad während eines Aufenthalts getroffen.
Am frühen Abend möchte ich meiner Mutti noch einen Wunsch erfüllen. Sie erinnert sich an eine Ausstellung von Märchen am Krakonos, die sie als Kind besucht hat, und würde gern wissen, ob davon noch irgendetwas existiert. Also fahren wir auf den Hausberg von Marienberg. Unterwegs kommen wir an einem der besten Hotels der Stadt, dem Esplanade vorbei.
Wir parken ganz in der Nähe des Hotels Krakonos, das sich auf der Spitze des Berges befindet. Hierher führt im Winter auch eine Seilbahn, denn es existiert in der Nähe sogar ein kleines Skigebiet.
Tatsächlich finden wir vor dem Hotel einen kleinen Park mit Märchenfiguren. Das sind zwar nicht die Figuren, an die sich meine Mutti erinnert, denn die wurden wohl nach dem Krieg zerstört, doch hat man in den letzten zwanzig Jahren begonnen, eine neue Ausstellung aufzubauen. So folgen wir dem traditionellen Märchenweg und schauen uns die verschiedenen Statuen an.
Meine Mutti ist richtig happy, dass es hier eine neue Ausstellung gibt. Und so fahren wir beide absolut zufrieden zurück in die Stadt. Den Abend verbringen wir im Hotel, wo wir uns ein bisschen ausruhen, denn morgen haben wir ein ziemlich straffes Programm geplant.
Kilometer: 68
Wetter: sonnig, 17–31 Grad
Hotel: Orea Hotel Bohemia, Mariannenbad (Mariánské Lázně)