Tag 7 – Mittwoch, 24. Juni 2015
Ain’t no Sunshine – Newcastle-upon-Tyne
„I like hot weather. I think it might be a bit better if England was a bit hotter.”
Freddie Highmore
Die Sonne scheint, als ich im Hotel die Vorhänge zurückziehe. Doch die Freude darüber währt nur kurz. Innerhalb nur einer Stunde ziehen dicke Wolken auf und bald ist es einfach nur noch bedeckt. Ich fahre trotzdem zum St. Mary’s Lighthouse. Der 38 Meter hohe Turm hilft Schiffen seit 1898 den Weg in die Tynemündung besser zu finden. Seit 1929 ist er über einen Damm zu erreichen, der bei Flut überspült wird.
Auf der Fahrt nach Norden fängt es dann zu regnen an. Na toll, ausgerechnet heute. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, doch noch auf die Farne Islands zu kommen, denn das ist der Sinn und Zweck des heutigen Tages.
Auf der Fahrt nach Norden komme ich auch am Bamburgh Castle vorbei, das einst der Sitz der Könige von Northumbria war und noch heute in Familienbesitz ist. Für eine Besichtigung bleibt mir auf dieser Reise jedoch keine Zeit. Es gibt einfach zu viele Schlösser und Burgen, um sie alle auf einer Tour zu sehen.
Als ich am Abzweig nach Lindisfarne ankomme, ist der Weg mit Warnschildern gepflastert. Immer und immer wieder wird darauf hingewiesen, dass man hier „absaufen” könne.
Na ich hoffe doch mal, dass ich die Gezeitenpläne richtig gelesen habe und diesem Schicksal entgehe. Als ich am Damm ankomme, ist die Straße sogar schon 45 Minuten eher als angegeben passierbar. Zumindest sehe ich das so, denn sie ist komplett wasserfrei und es fahren andere Autos darauf. Also traue ich mich auch.
Unterwegs dann noch mehr Warnschilder. Muss ja lustig aussehen, wenn die bei Flut im Wasser stehen. Jetzt aber ist Ebbe und man kann sich kaum vorstellen, dass alles hier in ein paar Stunden im Meer versunken sein wird.
Sicheren, und vor allem trockenen, Fußes komme ich auf Lindisfarne an. Gleich am Ende des Causeway liegt dann ein großer Parkplatz, denn Auto fahren dürfen auf der Insel nur die Einheimischen. Also ist wieder mal Parkschein ziehen angesagt und dann marschiere ich los. Zwar gibt es auch einen Bus, doch der fährt erst in zwanzig Minuten. Da laufe ich lieber schon mal los. Ziel meines kleinen Marsches ist die Lindisfarne Priory.
Lindisfarne Priory wurde im Jahr 635 gegründet und durch den wohl berühmtesten Geistlichen aus Northumberland bekannt. St. Cuthbert lebte hier und ist auf Lindisfarne auch verstorben.
Mein nächstes Ziel, Lindisfarne Castle, kann ich von hier auch schon sehen.
Nach dieser Besichtigung marschiere ich los. Einmal quer über die Insel in Richtung Burg. Es sah zuerst gar nicht so weit aus, doch der Weg zieht sich ziemlich und auf den letzten Metern fängt es auch noch an zu regnen. Jetzt bin ich aber so weit gekommen, dass ich nicht aufgebe und weiter laufe.
Am Wegesrand blühen immer wieder schöne Pflanzen.
Das letzte Stück des Weges geht dann ganz schön bergauf und das auch noch auf Kopfsteinpflaster. Nicht ganz einfach zu laufen, besonders weil es ziemlich rutschig ist.
Oben angekommen, verziehe ich mich gleich ins Innere. Lindisfarne Castle wurde um 1550 erbaut, zu einer Zeit als Lindisfarne Priory gerade aufgelöst wurde. So wurden Baumaterialien aus der Priory zum Bau der Burg genutzt. Bis 1901 war Lindisfarne Castle eine gewöhnliche Burg. Dann ging sie in den Besitz des Verlegers Edward Hudson über. Er nahm grundlegende Veränderungen an der Burg vor und baute sie zu seinem Wohnhaus um.
Als ich auf die Terrasse heraustrete, ist es sogar kurzzeitig trocken und ich kann für einen Moment die Aussicht genießen.
Auf dem Weg nach unten fängt es dann wieder an zu regnen. Etwa auf halber Höhe sehe ich den Bus die Straße entlangkommen. Da lege ich doch einen Schritt zu, denn im Regen mag ich nicht zum Parkplatz laufen müssen.
Mit dem Bus ist der Weg zurück zum Auto schnell vollbracht und ich verlasse Lindisfarne wieder. Schade, dass das Wetter nicht optimal war, aber gefallen hat es mir trotzdem.
Ich fahre einige Meilen zurück bis nach Seahouses. Hier legen die Schiffe zu den Farne Islands ab. Bevor ich zum Hafen gehe, kaufe ich mir noch einen kleinen Snack zum Mittag.
Am Hafen werben die verschiedenen Anbieter um die Gunst der Kunden. Ich hatte mich schon vorher online schlau gemacht und so fiel mir die Entscheidung nicht schwer. Mit der Serenity soll es für mich heute Nachmittag aufs Meer hinausgehen. Nur mal vorneweg, ich kann die Firma absolut weiterempfehlen.
Lange muss ich dann auch nicht mehr warten, bis mein Boot ablegt. Inzwischen ist es wieder trocken, sodass ich die Fahrt genießen kann.
Bald kommt Inner Farne in mein Blickfeld. Sie ist eine der Inseln, die vom National Trust verwaltet werden und zum Schutz der Tiere nur wenige Stunden am Tag und zu bestimmten Jahreszeiten betreten werden darf. Anlegen werden wir hier deshalb auch erst später.
Bald schon sehe ich die ersten Tiere im Wasser. Wir werden neugierig beäugt. Doch irgendwie beruht das ja auf Gegenseitigkeit, denn mein Blick ist nun auch ständig aufs Wasser gerichtet.
Noch einmal kommt Inner Farne ins Blickfeld. Dort legen gerade die ersten Boote des Tages an. Wir aber fahren erst einmal hinaus aufs Meer.
Ganz dicht bringt der Captain das Boot an einige der Felsen. Dort kann ich zuerst riesige Kolonien von Trottellummen beobachten. Der Krach, den die Vögel machen, ist unglaublich.
Und dann sehe ich ihn, meinen ersten Puffin. Der ist noch ganz weit weg, doch ich freue mich riesig. Ich entdecke noch ein paar weitere Vögel auf den Felsen, auf denen einige Möwen brüten. Unser Captain erklärt, dass es für die Vögel überlebenswichtig ist, ganz gezielt bei ihrem Nest zu landen. Schaffen sie das nicht, kann der Rückweg zu einem Spießrutenlauf werden oder sogar tödlich enden. Die anderen Vögel hacken mit ihren Schnäbeln auf den Eindringling ein, manchmal so lange, bis er blutig ist.
Als Nächstes fahren wir an Staple Island vorbei. Auch diese Insel kann im Rahmen einer Bootstour besucht werden.
Schließlich erreichen wir die erste Kolonie von Kegelrobben. Zuerst noch etwas weiter weg, doch dann kommen wir den putzigen Tierchen immer näher. Etwa 6000 Tiere soll die Kolonie umfassen.
Und dann taucht auch noch Longstone Island in der Ferne auf. Zum dortigen Leuchtturm wäre ich ebenfalls gerne gefahren, doch ich musste mich für eine Tour entscheiden. Bekannt wurde der Turm durch Grace Darling, die hier viele Jahre mit ihrem Vater lebte und Schiffbrüchigen das Leben rettete.
Schließlich erreichen wir wieder Inner Farne. Dieses Mal legt die Serenity an und wir gehen von Bord. Etwa 90 Minuten Aufenthalt habe ich nun auf der Insel. Doch dazu werden mir noch einige Sicherheitshinweise mit auf den Weg gegeben. Unbedingt mitzunehmen ist nämlich eine Kopfbedeckung oder auch ein Schirm, denn die Vögel sehen während der Brutzeit jeden als Bedrohung an und die Schnäbel der Küstenseeschwalben sind scharf.
Und die Küstenseeschwalben sehe ich nach dem Anlegen gleich als Erstes. Besonders freue ich mich über die Bilder, als die Vögel gefangene Fische im Schnabel tragen. Das ist gar nicht so einfach, das einzufangen.
Überall zu sehen sind frisch geschlüpfte Junge sowie Eier, die noch nicht ausgebrütet sind. Das ist schon ein Vorteil, wenn man im Juni kommt.
Ich komme am Leuchtturm der Insel vorbei und entdecke immer mehr Vögel, auch Puffins, die niedlichen Papageientaucher.
Und dann sind sie plötzlich in großer Zahl vor mir, die Puffins. Dutzende, nein Hunderte oder gar Tausende Vögel laufen und fliegen quer über die Insel. Sind die niedlich und so nah. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Immer wieder drücke ich auch auf den Auslöser. Allein dafür hat sich der Ausflug gelohnt.
Eines meiner Highlights sind die Puffins, die gerade Beute gemacht habe und diese stolz im Schnabel herumtragen.
Die Puffins leben nicht in Nestern, sondern in kleinen Höhlen im Boden. Putzig sieht es aus, wie sie dort immer wieder den Kopf herausstrecken, fast wie bei den Präriehunden.
Doch genau diese Höhlen sind den kleinen Vögeln dieses Jahr zum Verhängnis geworden sind, sogar so sehr, dass sie jetzt auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere beim National Trust stehen. Die diesjährigen Regenfälle haben nämlich viele der Höhlen überflutet und so gab es fast keinen Nachwuchs.
Kurz bevor ich zum Boot zurückgehe, besuche ich noch die St. Cuthbert’s Chapel. Von 676 bis 685 lebte er auf der Insel, bevor er als Abt nach Lindisfarne ging.
Selbst am Weg zum Anleger treffe ich noch immer wieder auf die Trottellummen. Und ihre Jungen. Den Schirm habe ich übrigens unbedingt gebraucht. Ohne Kopfbedeckung geht hier gar nichts. Den Schirm fand ich persönlich aber angenehmer, da die Vögel so nicht mal in die Nähe meines Kopfes kamen. Attacken konnte ich viele beobachten und auch ich selbst bin nicht verschont geblieben.
Schließlich heißt es dich Abschied nehmen und die Fahrt geht zurück nach Seahouses.
Gegen 17 Uhr bin ich dann wieder an Land, wo es leider gleich wieder zu regnen anfängt. Nun ist es mir aber egal, denn ich bin einfach happy. Das war ein tolles Erlebnis, die Tour auf die Farne Islands. Jetzt fahre ich nach Newcastle zurück, parke das Auto und laufe dann noch zu TGI Fridays, wo ich heute zu Abend esse.
Meilen: 148
Wetter: bedeckt mit Schauern; 12–14 Grad
Hotel: Hampton by Hilton