Tag 9 – Freitag, 26. Juni 2015
To Live and let Die – Kendal nach Derby
“I know I have the body of a weak and feeble woman, but I have the heart and stomach of a king, and of a king of England too.”
Queen Elizabeth I.
Killington Lake sieht heute früh auch nur grau in grau aus. Nun gut, fahre ich halt gleich weiter nach Süden. Der Wetterbericht verspricht allerdings erst die nächsten Tage Besserung. Da muss ich aber jetzt durch. Also packe ich zusammen und bringe alles zum Auto, mal wieder durch vier Feuerschutztüren laufend.
An Lancaster, Preston und Manchester vorbei, fahre ich bis tief in den Peak District National Park. Das kleine Dörfchen Eyam ist mein Ziel. Eine schaurig schöne Geschichte hat den Ort bekannt gemacht. Im Mittelalter kam die Pest nach Eyam und um die umliegenden Orte zu schützen, brachten die Einwohner das ultimative Opfer, sie töten sich alle selbst, um die Verbreitung der Krankheit einzudämmen. Es gibt einige Geschichten dazu und man kann auf den Spuren der Menschen, die hier lebten, wandeln. Auf denen einer Familie oder zwei frisch verliebten.
Ebenfalls hier zu finden ist Eyam Hall, ein außergewöhnliches und doch gewöhnliches Herrenhaus. Eigentlich fragt man sich beim ersten Hinschauen, warum der National Trust es unbedingt übernehmen wollte. Erfährt man aber die Geschichte, wird das schnell klar. Eyam Hall ist auch eines der wenigen Herrenhäuser, die sehr lange in ein und derselben Familie waren und somit intakt erhalten geblieben sind. Neun Generationen der Wright Familie lebten hier.
Für Besucher regelmäßig geöffnet ist das Haus übrigens auch erst seit 2013 und noch ganz neu im Besitz des National Trust. Zuvor lebte die Familie immer noch im Haus.
Es ist nur eine gute halbe Stunde zu fahren, bis ich Hardwick Hall erreiche, doch der Regen hört tatsächlich auf und es luken sogar ein paar blaue Fetzen hervor. Das macht doch etwas Hoffnung, zumal dies ein Ort ist, den ich unbedingt besuchen wollte. Hardwick Hall hat einst die englische Geschichte verändert, ja fast sogar eine neue Königin hervorgebracht. Erbaut wurde dieses prachtvolle Herrenhaus von Elizabeth von Shrewsbury, genannt Bess von Hardwick, deren Initialen schon außen am Haus von überall zu sehen sind. Doch die Geschichte beginnt hier erst. Sie endet an einem Ort, von dem es kein Entkommen gab, dem Tower of London.
Von 1590 bis 1597 wurde Hardwick Hall im Stil der englischen Renaissance erbaut. Es ist eines der frühesten noch erhaltenen Bauwerke in diesem Stil. Bess von Hardwick war seinerzeit die reichste Frau Englands, gleich nach Königin Elizabeth I. Ihr Haus war ein Zeichen ihres Reichtums und ihrer Macht. Besonders die großen und zahlreichen Fenster zeigen das, denn sie waren ein wahrer Luxus zu jener Zeit. Man sagte damals über das Haus: „Hardwick Hall – more glass than wall.”. Ein Teil der Innenräume ist heute noch so eingerichtet wie in elisabethanischer Zeit. Große Bilder zeigen die Hausherrin und ihre Nachfahren.
Andere Teile des Hauses zeigen, wie die Bewohner in späteren Jahrhunderten gelebt haben. Bis 1959 lebten die Nachfahren von Bess von Hardwick, die Herzöge von Devonshire, im Haus. Letzte Bewohnerin war Evelyn, die Witwe des 9. Duke of Devonshire. Da Hardwick Hall seit dem 17. Jahrhundert nur Zweitwohnsitz der Familie war, bliebt es, trotz Nutzung, weitgehend unverändert. Hauptwohnsitz der Familie ist noch heute Chatsworth House.
Doch kommen wir noch einmal zurück zu der Geschichte, die Hardwick Hall zu einem bedeutenden Ort der englischen Historie gemacht hat. Zuerst bekannt wurde Bess dadurch, dass sie für fünfzehn Jahre, von 1569 bis 1584, einen besonderen Hausgast hatte. Maria Stuart verbrachte diese Zeit ihrer englischen Gefangenschaft hier bei Bess von Hardwick, denn Königin Elizabeth legte Wert auf die standesgemäße Unterbringung ihrer Cousine.
Bess selbst aber hatte auch hohe Ambitionen. Viermal war sie verheiratet und baute dadurch ihre Macht und ihren Reichtum aus. Eine Ehe brachte ihr die Position einer Lady of the Bedchamber bei Königin Elizabeth ein. Weiterhin trug sie die Verantwortung für zehn Kinder. Im Jahr 1574 gelang ihr ein weiterer Coup. Sie verheirate, ohne das Wissen der Königin, ihre Tochter Elizabeth mit Charles Stewart, einem Verwandten von Maria Stewart. Da die Familie Anspruch auf den Thron hatte, hätte vor einer Eheschließung immer der Monarch um Erlaubnis gebeten werden müssen. Aus dieser Ehe entstammt eine Tochter, Arabella Stewart, die Bess von Hardwick auf den Thron von England bringen wollte. Deshalb wuchs sie unter der strikten Aufsicht ihrer Großmutter Bess auf. Arabella versuchte diesem goldenen Käfig immer wieder zu entkommen und verstrickte sich in die unmöglichsten Komplotte. Schließlich endete ihr Leben aber nicht auf dem Thron, sondern im Tower von London, wo sie 1615 verstarb.
Gleich neben Hardwick Hall ist übrigens Hardwick Old Hall zu sehen. Bevor Bess von Hardwick ihren Palast errichtete, wohnte die Familie hier.
Hardwick Old Hall ist aber auch der Ort, an dem Bess von Hardwick am 27. Juli 1527 geboren wurde. Und auch dieses Haus zeugt von den hohen Ambitionen der Bess von Hardwick. Bevor sie ihr neues Haus baute, ließ sie ab 1584 ihr Elternhaus abreißen und verwandelte es so von einem Haus im Tudor Stil in ein elisabethanisches Herrenhaus.
Die oberen Etagen waren Repräsentationsräume. In zwei Flügeln gab es Räume, um Gäste zu empfangen. Doch ganz fertiggestellt hat sie ihre Vision hier nie, denn 1590 begann sie bereits mit dem Neubau. Nach Fertigstellung des neuen Hauses wurde das Alte für Gäste und Personal genutzt. Nach dem Tod von Bess wurde das Haus jedoch kaum noch genutzt und in den 1750er Jahren wurden alle Möbel und viele Verzierungen ausgebaut. Das Haus verfiel und wurde schließlich zur Ruine. Heute wird es von English Heritage verwaltet.
Von Hardwick Old Hall habe ich einen schönen Blick zum neuen Haus. Doch diese beiden Herrenhäuser sind nur zwei der Besitztümer ihrer Familie. Auch Chatsworth House, Bolsover Castle und Wingfield Manor sind Zeugnisse des Reichtums der Herzöge von Devonshire.
Ich fahre weiter nach Kedleston Hall, das ich ebenfalls besichtigen will. Wer das Herrenhaus jetzt aus dem Kino kennt, der liegt nicht ganz falsch, denn 2008 wurde hier der Kinofilm „Die Herzogin” mit Keira Knightley und Ralph Fiennes gedreht. Doch ich habe nicht beachtet, dass das Haus genau heute geschlossen hat. So bleibt es bei diesem Foto, bevor ich weiterfahre.
Als letztes Haus dieses Tages will ich noch Calke Abbey besuchen. Ich bin gespannt, was mich erwartet, denn online konnte ich entnehmen, dass hier ein „vernachlässigtes” Herrenhaus zu sehen ist. Es soll der Niedergang eines Herrenhauses durch die Verarmung seiner Besitzer gezeigt werden. Irgendwie genauso ein merkwürdiges Konzept wie bei Wray Castle. Manchmal verstehe ich die Gedankengänge des National Trust auch nicht und kann die Witwe des 9. Duke of Devonshire schon ein bisschen verstehen. Sie war dem Trust nicht sehr wohl gesonnen und auch zeit ihres Lebens nicht glücklich mit der Übernahme von Hardwick Hall. Nun gut, angeschaut habe ich es mir trotzdem, aber schon mal vorneweg, viel Begeisterung kann ich dafür nicht aufbringen.
Das Herrenhaus wurde zwischen 1701 und 1704 auf dem Gelände einer ehemaligen Priorei erbaut und gehörte bis 1985 der Familie Harpur. Zum National Trust kam es, da die Familie die Erbschaftssteuer von 80 Prozent nicht aufbringen konnte und es deshalb übereignete.
Der National Trust wiederum erhält Calke Abbey als ein Haus im Verfall. Es wird am Haus repariert, aber nicht renoviert und die Räume so erhalten, wie sie 1985 vorgefunden wurden. Der Niedergang von Gebäude und Einrichtung wurde somit aufgehalten, aber nicht rückgängig gemacht.
Allerdings wurde einige Jahre nach dem Übertragen des Hauses ein weiter Erbe entdeckt, ein reicher Amerikaner. Dieser bekam dann ein Apartment im Haus, das die Familie auch heute noch nutzt.
Auf dem Gelände steht auch diese Kirche, die ich mir auf einem Rundgang über das Gelände anschaue.
Auf der Ausfahrt vom Grundstück werde ich dann noch kurzzeitig aufgehalten. Aber sowas ist mir nicht zum ersten Mal in England oder Schottland passiert.
Auf dem Weg zurück nach Derby sehe ich ein Schild zum Ashby de la Zouch Castle und da es noch nicht so spät ist, entschließe ich mich, dort noch hinzufahren.
Erste Gebäude auf dem Grundstück wurden bereits für den 1172 aus der Bretagne nach England gekommenen Alan de la Zouch errichtet. Von seinen Nachfahren wurde die Burg immer mehr erweitert. Im 14. Jahrhundert starb die de la Zouch Linie aus und die Burg wechselte mehrmals den Besitzer. Im Jahr 1461 fiel die Burg schließlich an die Krone zurück, als der letzte Besitzer nach der Schlacht von Towton hingerichtet wurde.
Nachdem die Burg mehrere Jahre in der Hand der Krone geblieben war, verlehnte sie König Edward IV. an William Hastings, 1. Baron von Hastings. Hastings erhielt 1474 die königliche Erlaubnis, die Burg zu befestigen und begann danach mit dem Ausbau. Es gab einen Rittersaal und andere Paraderäume zur Unterhaltung der Gäste. Besucher beschrieben reich mit dem Familienwappen verzierte Fenster. Auch eine reich verzierte Kapelle gab es. Diese wird übrigens heute noch für Bestattungen der Familie genutzt, zuletzt 1997 und 2002.
Im englischen Bürgerkrieg war Ashby de la Zouch Castle eine Hochburg der Royalisten. Als sich das Glück der Royalisten im Krieg wandte, wurde die Burg von September 1645 bis März 1646 belagert. Die Burg wurde schließlich eingenommen und die Übergabevereinbarung verfügte, dass die Burg geschleift werden müsse, was so viel heißt wie die Anordnung der Zerstörung. Ein Teil wurde später nochmals aufgebaut, war aber im 19. Jahrhundert schon wieder zur Ruine verfallen.
Ihre heutige Berühmtheit verdankt Ashby de la Zouch Castle aber einem anderen Umstand. Nach der Veröffentlichung von Sir Walter Scotts Buch Ivanhoe im Jahr 1819 wurde die Burg berühmt und zu einer Touristenattraktion, die sie noch heute ist. Verwaltet wird das Gelände von English Heritage.
In Derby habe ich das Hampton by Hilton reserviert. Auch hier werde ich nicht enttäuscht und fühle mich gleich wohl. Leider ist es immer noch regnerisch und kalt, sodass ich das Hotel heute nicht mehr verlasse.
Meilen: 231
Wetter: stark bewölkt; 15–24 Grad
Hotel: Hampton by Hilton