Tag 8 – Sonntag, 14. Februar 2016
Hello Mr. President – Macon nach Tallahassee
„I’m a country boy. I’m from Georgia.” – Jason Aldean
Die Sonne scheint, was habe ich doch für ein Glück. Auch wenn es heute ein paar Schleierwölkchen gibt, so könnte das Wetter doch kaum besser sein. Sogar etwas wärmer ist es geworden, die dicke Jacke kann jetzt im Koffer bleiben.
Ich fahre in die Innenstadt von Macon und lande als Erstes beim Cowles-Woodruff House. Das Haus liegt auf einem Hügel, der die Stadt überschaut. Im Bürgerkrieg diente es während der Belagerung als Hauptquartier für General Wilson. Heute gehört es zur Mercer Universität.
Gleich nebenan steht die Walter F. George School of Law. 1873 gegründet, ist sie eine der ältesten Fakultäten für Rechtswissenschaften in den USA. Das Gebäude liegt auf dem Coleman Hill und ist der Independence Hall in Philadelphia nachempfunden. Einer der Absolventen ist übrigens der derzeitige Gouverneur von Georgia, Nathan Deal.
Nur einen Katzensprung entfernt steht das Cannonball House. 1853 erbaut, hat das Haus seinen Namen durch einen Zwischenfall im Civil War erhalten. Am 30 Juli 1864, während der Schlacht von Dunlap Hill, schlug eine Kanonenkugel der Unionssoldaten in dem Haus ein. Der Einschlagsort an einer der Säulen ist heute noch zu sehen.
In unmittelbarer Nähe liegt das Hay House, das ich schon seit Jahren besichtigen will. Doch auch dieses Mal klappt das nicht, denn sonntags ist nur am Nachmittag geöffnet und da will ich schon längst woanders sein. Von außen schaue ich mir das grandiose Haus allerdings schon an. Erbaut wurde das prächtige Gebäude zwischen 1855 und 1859 im italienischen Renaissance Stil und wurde auch der Palast des Südens genannt.
Auf meinem Weg aus der Stadt fahre ich nochmals am Cowles-Woodruff House vorbei, dass nun komplett von der Sonne angestrahlt wird.
Während ich an einer Kreuzung halte, fällt mir dieses Haus auf, das wohl nicht so viel Glück hatte und noch auf eine umfassende Renovierung wartet.
Um Punkt 9 Uhr erreiche ich das Ocmulgee National Monument. Das ist auch gut so, denn vorher werden die Tore nicht geöffnet.
Zuerst stoppe ich am Visitor Center, wo ich von einem freundlichen Ranger begrüßt werde. Neben mir sind bisher nur zwei Besucher hier. So kann ich mich auch ganz in Ruhe im angeschlossenen Museum umsehen.
Ich schlage den Weg zur Earthlodge ein. Angelegt wurde sie, wie die anderen künstlichen Hügel, zwischen 950 und 1150 von amerikanischen Ureinwohnern. Die Earthlodge wurde zwischen 1933 und 1942 im Rahmen des New Deals ausgegraben und restauriert. So kann sie auch von innen besichtigt werden.
Durch einen niedrigen engen Gang gehe ich in die Erdlodge hinein. Ich muss gebückt laufen, da ich mir ansonsten den Kopf stoßen würde. Innen befindet sich ein großer leerer Raum, in dem früher Zeremonien abgehalten wurden. Während Eingang und Wände neueren Datums sind, ist ein Teil des Bodens noch aus dem Jahr 1015. Dieser Teil darf auch nicht betreten werden und liegt hinter Glas.
Zum hinteren Teil des Parks könnte man ebenfalls laufen, doch dafür ist es mir noch zu frisch. So setze ich mich ins Auto und fahre bis zum hinteren Parkplatz. Die Straße unterquert hier die Eisenbahn, die einfach durch das Gebiet gebaut wurde, bevor es 1936 zum National Monument erklärt wurde.
Der größste und höchste Hügel des National Monument ist der Great Temple Mound. Niemand weiß genau, warum die Ureinwohner, die hier schon 9000 vor Christus lebten, diese Hügel bauten. Klar ist nur, dass sie wohl religiöse Gründe hatten.
Der Temple Mound ist der einzige Hügel, der bestiegen werden darf. Eine Holztreppe mit fast 70 Stufen führt auf das Plateau, von dem aus ich nicht nur einen guten Rundumblick über Ocmulgee habe, sondern sogar Downtown Macon entdecke.
Ich verlasse Macon und es liegt eine längere Fahrt durch das ländliche Georgia vor mir. Immer wieder komme ich an Kirchen vorbei, deren Parkplätze knackevoll sind. Ich bin im Bible Belt und es ist Sonntag, das ist nicht zu übersehen. Ich aber nähere mich meinem nächsten Ziel, der Kleinstadt Warm Springs. Hier liegt dieses Haus, das ich vor 14 Jahren schon einmal besucht habe.
Einst gehörte das Little White House Präsident Franklin D. Roosevelt, heute jedoch ist es ein Georgia State Park. Und so entrichte ich meinen Eintritt, um das Gelände besichtigen zu können. Zuerst lande ich in einem modernen Visitor Center, das es so in 2002 noch nicht gab. Jetzt ist hier auch das Museum untergebracht, das zahlreiche Erinnerungsstücke an den 32. Präsidenten der USA zeigt. Darunter natürlich einer seiner Rollstühle sowie seine Beinschienen, denn Roosevelt war als junger Mann an Polio erkrankt, eine Krankheit, die ihn letztendlich auch das Leben kostete. Und sie war auch der Grund, warum Roosevelt überhaupt nach Warm Springs kam. Doch dazu später mehr.
Auf dem Weg vom Visitor Center zum Haus komme ich an den State Stones vorbei. Im Andenken an Präsident Roosevelt sendete jeder Bundesstaat sowie der District of Columbia je einen Stein, der ihren Staat repräsentiert. 1959 war die Kollektion vollständig.
Dann aber komme ich zur eigentlich Einfahrt des Grundstücks. Flankiert wird das Tor von diesen 2 Häuschen, in denen je ein Marine Corps Soldat und ein Mitarbeiter des Secret Service stationiert war.
Bevor ich zum Haupthaus komme, passiere ich das Gästehaus sowie das Wohnhaus der Angestellten.
Und dann stehe ich vor dem Little White House. Roosevelt kam einst hierher, als er Gouverneur von New York war, um seine Polio behandeln zu lassen. Ihm gefiel das Gebiet so sehr, dass er sich 1932 dieses Haus bauen ließ, das später, als er Präsident wurde, als das Little White House bekannt wurde.
Im Wohnzimmer steht dann auch jener Stuhl, in dem der Präsident am 12. April 1945 kollabierte. Der schöne Frühlingstag begann für Roosevelt wie viele hier in Georgia. Er nahm ein leichtes Frühstück zu sich und erledigte Korrespondenz. Dann arbeitete er an einer Ansprache, die er am nächsten Tag im Radio halten wollte. Immer bei ihm war sein Hund Fala. Später saß er für ein Portrait Modell, an dem eine Malerin arbeitete. Kurz nach dem Mittagsessen klagte Roosevelt über Kopfschmerzen und kollabierte. Er wurde in sein Schlafzimmer gebracht und verstarb dort um 15:35 Uhr. Noch am selben Tag legte Harry S. Truman den Amtseid ab, denn die US befanden sich im Krieg und konnten nicht ohne Präsident sein.
Neben dem Schlafzimmer des Präsidenten lag das seiner Frau Eleanor, die ihn aber nur selten nach Warm Springs begleitete. Ihr gefiel es hier in Wildnis nicht so gut und sie blieb lieber in New York State. Dazu muss man wissen, dass die Gegend hier in den 30ziger Jahren noch völliges Hinterland war. Nicht einmal Strom hatten die meisten Leute. Erst Roosevelt ließ die erste Leitung in die Gegend verlegen.
An der Vordertür sitzt schließlich auch eine Statue des berühmten Fala. Genau dort, wo noch heute Kratzspuren des Hundes zu finden sind. Fala begleitete Roosevelt ab 1940 fast überall hin, besonders zum Missfallen des Secret Service, denn schon bald wusste jeder, wo Fala ist, ist auch Roosevelt nicht weit.
Fala war übrigens auch der Auslöser der berühmten „Fala-Rede” im Wahlkampf 1944. Die Opposition warf Roosevelt vor, den Hund auf einer Reise vergessen zu haben und dann einen Navy Zerstörer ausrücken zu lassen, um ihn wieder abzuholen. KLICK
Zu guter Letzt endet der Rundgang in einem weiteren kleinen Museumsraum. Hier sind die Fahne von Roosevelts Sarg, Erinnerungsstücke an seinen Sterbetag sowie das unfertige Portrait zu sehen, während dessen Entstehung der Präsident verstarb.
Im Giftshop hüpft mir dann mein eigener Scottish Terrier in die Tasche. So ist Fala seitdem auch mein Reisebegleiter. Und nein, ich habe ihn bisher nirgendwo vergessen.
Nur wenige Meilen vom Little White House entfernt liegen jene Poolanlagen, die Warm Springs seinen Namen gaben und wegen denen auch Franklin D. Roosevelt hierher kam. In den 1920er und 30er Jahren war das kleine Städtchen bekannt für seine warmen Quellen, die besonders an Polio Erkrankten Linderung versprachen. Damals gab es weder eine Impfung noch wirksame Therapien. Auch das wollte Roosevelt ändern. Er gründete in Warm Springs ein Institut zur Behandlung von Polio, nachdem er von einem Jungen hörte, der durch Hydrotherapie seine Beine wieder nutzen konnte. Das Institut gibt es noch heute. Es wird vom Staat Georgia betrieben und ist eine Art Reha Einrichtung für Polio Erkrankte, aber auch für Patienten mit Amputationen, Verletzungen der Rückenmarkes, Schlaganfällen oder Gehirnverletzungen. Die alte Poolanlage, in der Roosevelt therapiert wurde, verfiel dagegen lange Zeit und wurde erst Mitte der 90ziger Jahre, anlässlich des 50. Todestages von Roosevelt, renoviert und für Besucher geöffnet.
Mir war die Polioerkrankung von Roosevelt schon lange bekannt. Eigentlich habe ich mich dadurch erst richtig mit dem Thema beschäftigt und die heutige Impfung zu schätzen gelernt. Zu gerne würde ich das Ferienhaus der Familie im Norden von Maine noch besuchen. Jenr Ort, wo sich der junge Roosevelt einst beim Baden in einem See infiziert hat. Doch das hat bisher leider nicht geklappt. Nun schaue ich mich erst einmal hier um, denn von der Poolanlage wusste ich bei meinem ersten Besuch hier noch nichts.
Zuerst kommt der Besucher durch ein kleines Museum. Eintritt zahlen muss man hier nicht extra, wenn man den Bon vom Besuch des State Parks vorlegt. Im Museum selbst wird die Anlage an Hand von Fotos und Ausstellungsstücken wieder lebendig.
In der Anlage gab es insgesamt 3 Poolanlagen sowie Umkleideräume. Durch die ursprüngliche Glasüberdachung waren die Becken ganzjährig nutzbar. Das Wasser stammte aus einer natürlichen Quelle, die 31 Grad Celsius warm war. Die Gerätschaften im Pool wurden für Übungen genutzt.
Ich fahre weiter Richtung Süden. Hier, im ländlichen Georgia, ist ein anderer Präsident zu Hause, Jimmy Carter. Noch heute ist er seinem Geburtsort Plains treu geblieben und hat hier, in unmittelbarer Nähe seines Geburtshauses, sein heutiges Anwesen. Begrüßt werde ich dann auch gleich vom typischen Jimmy Carter Lachen und einer Erdnuss, denn hier bin ich im Peanut Country.
Zentraler Ort der Jimmy Carter National Historic Site ist die ehemalige Schule des Präsidenten. Nicht nur er, auch seine Ehefrau, ging hier zur Schule. Heute ist hier das Visitor Center eingerichtet, doch ein Stückchen Schule ist ebenfalls erhalten geblieben.
Angeschlossen ist ein kleines Museum, das Bilder und Ausstellungsstücke aus dem Leben von Jimmy Carter zeigt, der erst in der Navy war, später Erdnussfarmer und schließlich Präsidentschaftskandidat.
Da Presidents Weekend ist, finden das ganze Wochenende über Sonderveranstaltungen statt. Heute sind es 2 Buchvorstellungen und die Autoren signieren mir nicht nur ihre Bücher, sie sind auch noch hellauf begeistert, dass sie jetzt international gelesen werden.
Als zweites historisches Gebäude gehört der alte Bahnhof zur National Historic Site. Diese kleine Station war einst das Wahlkampfhauptquartier von Jimmy Carter. Das Telefon, das hier ausgestellt ist, spielte in den Vorwahlen die entscheidende Rolle. Hier nahm Carter den Anruf seines schärfsten Konkurrenten entgegen, der aufgab und ihm seine Wahlmänner überließ.
Und dann gibts da noch den Grabstein eines Hundes, der wohl ein Streuner war und während des Wahlkampfes hier auftauchte. Seitdem hatte er ein neues Zuhause.
Gleich gegenüber dem Depot entdecke ich diese historische Tankstelle, die ich doch gleich mal in Augenschein nehmen muss. Auch sie hat eine Verbindung zu Jimmy Carter.
Billy Carter, Jimmy Carters jüngerer Bruder, betrieb diese Tankstelle für 10 Jahre. Gekauft hatte er sie 1972 und im Wahlkampf 1976 war sie das Pressezentrum von Plains.
Der dritte Ort, der zur National Historic Site gehört, ist das Haus, in dem Jimmy Carter seine Kindheit verbrachte. Es liegt etwas außerhalb von Plains. 1928, als Jimmy 4 Jahre war, kaufte sein Vater Earl die Farm, die bis 1949 im Besitz der Familie blieb. Gleich am Eingang vom Parkplatz gibt es heute eine Betonplatte mit den Handabdrücken des Präsidenten.
Dann komme ich zum Farmhaus, das am alten Highway, der in die Stadt führte, liegt. Interessant ist hier besonders der Briefkasten, der eine ganz besondere Geschichte erzählt. Gegenüber des Hauses verliefen die Bahnschienen und während der Großen Depression in der 30ziger Jahren reisten viele Männer und Jungen illegal auf diesen Zügen mit. Wenn sie Hunger hatten, sprangen sie in der nächsten Stadt ab. Doch nicht überall wurden sie freundlich empfangen. Manchmal wurde sogar die Polizei gerufen. Wo es jedoch Essen gab, wurde der Briefkasten mit dem Kreuz für christliche Familie sowie dem Kreuz im Kreis für Essen und Trinken markiert. Andere Symbole jedoch wiesen einen Farmer hin, der z.B. von der Waffe Gebrauch macht. Als Mrs. Carter davon hörte, stellte sie sicher, dass die Zeichen am Briefkasten bestehen blieben.
Das Haus ist so eingerichtet, wie bei den Carters. Jedoch sind nicht alle Möbel original, denn das Haus hatte zwischenzeitlich verschiedene Besitzer. Erst 1996 wurde es vom National Park Service gekauft.
Rund um das Haus sind auch noch verschiedene Farmgebäude zu sehen. Hier verdiente die Familie Carter viele Jahre ihren Lebensunterhalt. Zum Abschied beäugen mich noch ein paar Pferdchen.
Es ist schon wieder dunkel, als ich die Grenze zwischen Georgia und Florida überquere. Nur wenige Meilen weiter beginnt das Stadtgebiet von Tallahassee, der Hauptstadt Floridas. Auf Grund meiner Planänderung bin ich nun her gelandet, anstatt in Dothan, Alabama und auch mein kleiner Schlenker an die Golfküste ist gestrichen. Ich ahne noch nicht, was das für ein Glücksfall ist, denn zwei Tage später erfahre ich, dass genau dort ein F3 Tornado über das Land gezogen ist. Nun ja, es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ich unter Tornado Warning gewesen wäre, aber freiwillig muss ich das nicht wiederholen.
So checke ich also im Hampton Inn in Tallahassee ein. Das liegt genau gegenüber dem Homewood Suites, in dem ich von 3 Jahren übernachtet habe, als ich zum letzten Mal hier war.
Ich fahre noch schnell zu Wal Mart, der nur 2 Minuten entfernt liegt. Und hier werde ich doch tatsächlich auf dem Parkplatz von einem netten Herrn angesprochen, der sich nach meinem Auto erkundigt. Er würde sich auch überlegen so einen Jeep zu kaufen und wollte mal wissen, wie er mir denn gefällt. Huch, sowas ist mir auch noch nicht passiert.
Meilen: 362
Wetter: heiter, 32–61 Grad
Hotel: Hampton Inn