Tag 4 – Mittwoch, 10. Februar 2016
Georgia on my Mind – Jekyll Island nach Savannah
„The home should be the treasure chest of living.” – Le Corbusier
Es ist noch dunkel draußen, als ich heute aufstehe, doch der Mond scheint hell und es sind keine Wolken zu entdecken. Ich mache mich fertig und gehe zum Frühstück. Danach beschließe ich noch eine Runde um das Hotel zu drehen. Viel habe ich, aufgrund meiner späten Ankunft, schließlich noch nicht gesehen.
Das Hampton Inn liegt fast am Meer, getrennt ist es nur durch Dünen und einen schützenden Küstenwald. Durch den wurde ein Boardwalk gebaut, damit man einerseits bequem zum Meer kommt und andererseits die Dünen nicht zertrampelt.
Als ich am Strand ankomme, geht gerade die Sonne auf.
Kein Mensch ist zu sehen, weit und breit. Herrlich ist es hier so früh am Morgen.
Irgendwann breche ich dann aber doch auf. Ich möchte noch eine kleine Runde um die Insel drehen. Das habe ich zuletzt vor über zehn Jahren gemacht. Viel hat sich aber, zumindest an den historischen Orten, nicht verändert. Mein erster Halt ist Horton House, das noch im Schatten hoher Bäume liegt. Im Jahr 1743 wurde es von Major William Horton erbaut, der einerseits ein enger Vertrauter von General Oglethorpe war, aber auch Georgias erste Bier braute. Horton House ist heute eines der ältesten Gebäude in Georgia. Gleich gegenüber findet sich noch ein kleiner Friedhof der Familie duBignon.
Folgt man dem River Drive, der um die nördliche Insel führt, weiter, hat man immer wieder Ausblicke auf das weite Sumpfland und die riesige Sidney Lanier Bridge, die einfach nicht zu übersehen ist.
Schließlich erreiche ich das Herzstück von Jekyll Island, den Historic District. Von 1886 bis zum Zweiten Weltkrieg war Jekyll Island ein Erholungsgebiet für die oberen Zehntausend und einige von ihnen ließen sich hier Sommerhäuser, sogenannte „Cottages”, bauen. Zutritt zur Insel hatten nur Mitglieder des Jekyll Island Club. Unter ihnen berühmte Persönlichkeiten wie die Rockefellers, Harkness, Pulitzers, Macys, Goodyears oder Vanderbilts. Die rund hundert Mitglieder formten einst den wohl exklusivsten Club der USA.
Moss Cottage ist eines der ersten Häuser, die der Besucher des Historic District nach seiner Ankunft sieht. Im Jahr 1896 wurde es im viktorianischen Stil für den A&P Eigentümer George Macy erbaut.
Goodyear Cottage wurde 1906 im mediterranen Stil für Frank Goodyear errichtet und gleich daneben steht das Mistletoe Cottage, das 1900 fertiggestellt wurde.
Der Rockefeller Familie gehörte Indian Mound. Das Haus hat 25 Zimmer und wurde 1892 im viktorianischen Queen Anne Stil erbaut. Es gehört, genauso wie Moss Cottage und Mistletoe Cottage, zum Jekyll Island Museum und kann auf geführten Touren besichtigt werden.
Herzstück der Anlage war das Jekyll Island Club House, das heute ein exklusives Hotel beherbergt. Das Haus ist auch Mitglied der Historic Hotels of America. Erstmalig öffnete es 1888 seine Türen. Gleich daneben steht eines der wohl ersten exklusiven Apartmentgebäude der USA, Sans Souci. Einst gehörte es J.P. Morgan, der hier seine Freunde unterbrachte. Heute ist es Teil des Jekyll Island Club Hotels.
Das wohl größte Anwesen ist Crane Cottage, heute ebenfalls Teil des Jekyll Island Club Hotels. Es hat zwanzig Zimmer und 17 Badezimmer, ganz passend für Richard Crane, der sein Geld im Sanitärbereich verdiente.
Eines der Cottages, das nicht mehr existiert, ist Chichota Cottage. Es gehörte einst Edwin Gould, doch nachdem sein Sohn 1917 bei einem Jagdunfall tödlich verletzt wurde, kehrte die Familie nicht mehr auf die Insel zurück. Das Haus verfiel und wurde später abgerissen. Erhalten sind heute nur noch Fundamente und der Löwe, der einst den Eingang zierte.
Hollybourne wurde 1890 erbaut und wird gerade einer aufwendigen Renovierung unterzogen. Eigentümer war Charles Stewart Maurice. Seine Familie ist auch die einzige, die von Beginn des Clubs 1886 bis zu seiner Auflösung im Jahr 1948 Mitglied war. Die Maurices wollten übrigens ihr Haus nicht dem Staat überlassen, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Gebiet einen Museumsdistrikt machen wollte, wurden aber letztendlich dazu gezwungen.
Als Nächstes kommt man zur Villa Ospo. Gebaut wurde es 1927 für Walter Jennings, einen Direktor der Standard Oil Company. Das Haus wird heute für Veranstaltungen vermietet. Gleich dahinter liegt die Villa Marianna, die 1929 und eines der größten Cottages im Historic District ist.
Daneben befindet sich das Casino, das ebenfalls der Familie Gould gehörte, die in Chichota wohnte. Es wurde, wie ihr Haus, nach deren Weggang nicht mehr genutzt. Früher gab es hier ein Schwimmbad, eine Bowlingbahn, einen Tennisplatz und verschiedene Freizeiträume.
Cherokee wurde 1915 für die Witwe von Dr. George Frederick Shrady erbaut, der im Civil War ein bekannter Chirurg war und später einer der Leibärzte von Präsident Grant. Heute gehört es ebenfalls zum Jekyll Island Club Hotel und beherbergt Gästezimmer. Gleich daneben steht die Faith Chapel, die aus dem Jahr 1904 stammt. Die Kapelle war nur für Mitglieder des Jekyll Island Clubs bestimmt und kann heute für Hochzeiten gemietet werden.
Das letzte Haus, an dem man während eines Rundgangs vorbeikommt, ist das duBignon Cottage. Im Jahr 1884 wurde es vom einstigen Besitzer von Jekyll Island, John Eugene duBignon, erbaut. Er verkaufte das erste Stück Land an den Club und wurde dadurch zum Mitglied.
Das war er also, mein kleiner Rundgang durch den Jekyll Island Historic District. Irgendwann will ich hier nochmal etwas mehr Zeit verbringen. Es gibt einfach noch so viel zu entdecken. Nur eine Glaskugel, die habe ich auch dieses Mal nicht gefunden. Muss ich wohl noch einmal im Januar oder Februar hierher, denn nur dann kann man eines dieser exklusiven Andenken finden und mit nach Hause nehmen.
Es hat unheimlich Spaß gemacht bei solchem Traumwetter hier umher zu laufen, doch ich muss mich nun sputen. Zwar sind es nur um die siebzig Meilen bis Savannah, meinem heutigen Etappenziel, doch dazwischen liegen so viele Orte, die ich gerne besuchen möchte.
Noch einmal fahre ich nun nach St. Simons Island, denn den Leuchtturm würde ich doch noch gerne sehen. Diesmal bin ich aber sehr darauf bedacht, nicht zu sehr in das Verkehrschaos zu geraten. Das klappt auch recht gut, denn das St. Simons Island Light liegt in einer anderen Ecke der Insel.
Ein erster Leuchtturm wurde hier bereits 1810 erbaut. Der heutige ersetzte ihn ab 1872. 32 Meter ist der Turm hoch und 129 Stufen führen zur Aussichtsplattform. Leider ist heute Vormittag geschlossen, sodass ich mich mit einem Blick von außen zufriedengeben muss.
Ich verlasse St. Simons Island diesmal problemlos und folge der US 17 nach Norden. Nur wenige Meilen weiter liegt die Hofwyl-Broadfield Plantation State Historic Site, die ich schon so oft besuchen wollte, wenn ich hier in der Gegend war, doch bisher hatte es nie geklappt. Heute aber biege ich in die Einfahrt ein.
Am Visitor Center angekommen, stelle ich mein Auto ab. Ich gehe hinein und bezahle den Eintritt. Die Rangerin schaltet dann für mich das kurze Einführungsvideo an, damit ich die Geschichte der Plantage kennenlerne. Ich bin heute Morgen der einzige Gast, es ist absolute Nebensaison im Februar in Georgia. Und es ist kalt, jedenfalls für die Einheimischen. Ich finde die zehn Grad zwar auch nicht gerade sommerlich, aber in der Sonne lässt es sich gut aushalten. Trotzdem bietet mir die Rangerin an, aufgrund der Kälte doch direkt bis zum Plantagenhaus zu fahren. Bei mehr Betrieb dürften da nur die Gehbehinderten vorfahren, aber heute wäre das schon ok. Gesagt, getan, so überwinde ich die 400 Meter doch etwas schneller und lande bei dieser Aussicht auf die Sümpfe, die die gesamte Plantage umschließen. Diesen Ausblick hat man übrigens auch vom Eingang zum Plantagenhaus.
Das Land der Hofwyl-Broadfield Plantage wurde 1806 von William Brailford erworben. Er begann hier Reis anzupflanzen und eine Plantage zu gründen. Bis zum Civil War war das Unternehmen sehr erfolgreich und 1850 wurde das heutige Plantagenhaus erbaut. Nach dem Krieg verarmte die Familie und musste große Teile ihres Besitzes verkaufen, um die Steuern und Reparationszahlungen leisten zu können. Bis 1915 wurde weiter Reis angebaut, um die Schulden zu tilgen, die nach dem Krieg entstanden sind. Im Jahr 1915 stellte die Familie schließlich auf Milchproduktion um. Bis 1942 kam nun Milch von der Plantage, bis die Schulden getilgt waren und neue Hygienevorschriften die Milchproduktion zum Ende brachten. Die letzte Eigentümerin, Ophelia Dent, verstarb 1973 und vermachte das Anwesen dem Staat Georgia, der es seitdem als State Park führt.
Das Haus ist innen heute noch so eingerichtet, wie es Ophelia Dent verlassen hat. Begrüßt werde ich von John, der mir kurz die Geschichte der Plantage erläutert, mich aber dann auf eigene Faust durch das Haus ziehen lässt.
Ich verlasse das Plantagenhaus schließlich durch die Hintertür und schaue mir auch die Nebengebäude an.
Dazu zählen die Küche und die ehemaligen Unterkünfte der Bediensteten.
Selbst die Garage ist noch intakt und drinnen steht das letzte Auto von Ophelia Dent.
Ich fahre weiter nach Norden. Erst nehme ich noch die US 17, dann wechsele ich für kurze Zeit auf die I‑95 und lande so am frühen Nachmittag in Savannah. Hier gibt es eine weitere Historic Site, die ich bisher noch nicht kannte und der ich heute einen Besuch abstatten will, die Wormsloe Historic Site.
Die Einfahrt erstreckt sich entlang dieser über eineinhalb Meilen langen Eichenallee, der längsten in den USA. Über 400 Bäume stehen rechts und links der Fahrbahn, die leider nicht so gut in Schuss ist und so muss ich oft eher auf die Schlaglöcher achten, als auf die schöne Umgebung.
Wormsloe ist der einzige Ort aus der Gründungszeit von Georgia, der heute noch in Savannah existiert. Die Plantage wurde 1736 von Noble Jones gegründet. Vom einstigen Wohnhaus sind nur noch einige Grundmauern sowie ein kleiner Friedhof erhalten.
Durch das Gelände führt ein schöner Rundweg. Ich laufe zuerst über das Ende der Eichenallee, dann durch Waldstücke und vorbei an Sumpfland. Eine schöne kleine Wanderung durch die Natur.
Auch zurück geht es wieder über die Eichenallee, die sich wie ein Tunnel über der Straße wölbt.
Ich folge dem Expressway um Savannah herum und fahre auf die US 80 nach Osten. Vorbei an Fort Pulaski führt mich der Weg bis nach Tybee Island und direkt zum dortigen Leuchtturm. Das letzte Mal als ich hier wahr, war alles grau und es regnete, deshalb will ich nun unbedingt ein schönes Foto vor blauem Himmel.
Da der Turm und das Museum noch geöffnet haben, zahle ich schnell die neun Dollar Eintritt und mache mich sogleich daran, die 178 Stufen zu erklimmen. Vierundvierzig Meter hoch ist der 1867 erbaute Turm und noch heute leuchtet er Schiffen den Weg nach Savannah.
Rund um den Turm gibt es ein kleines Museum, das vom Leben der Leuchtturmwärter erzählt. Dazu zählt auch eine kleine Tafel, auf der das Wetter von 1874 zu lesen ist. Und das ist schon etwas unheimlich, denn das ist so ziemlich das gleiche Wetter wie heute, am 10. Februar 2016.
Während im Assistent Lighthouse Keeper House heute ein Videovorführraum ist, ist das Haus des Leuchtturmwärtes noch eingerichtet. Mit viel Liebe zum Detail wurde das Gebäude restauriert und wieder in seinen Originalzustand zurückversetzt.
Über die Talmadge Bridge verlasse ich schließlich nicht nur Savannah, sondern auch Georgia, und fahre nach South Carolina. Die Talmadge Bridge ist übrigens die erste der drei großen Hängebrücken, die zwischen Charleston und Jekyll Island gebaut wurden. Bereits 1991 wurde sie errichtet und ist damit die einzige der Brücken, die ich nur in dieser Art kenne. Wie über ihre Schwesterbrücken führt auch über sie die US17. Auch diese Brücke wurde gebaut, um Schiffen einen besseren Zugang zu einem Hafen zu bieten, in diesem Fall, dem von Savannah, der der viert geschäftigste Hafen der Ostküste ist.
Für diese Nacht habe ich mich im Fairfield Inn in Bluffton einquartiert. In Savannah selbst war es mir einfach zu teuer und die Lage hier finde ich etwas besser, als die der Hotels direkt am I‑95.
Im Hotel bekomme ich einen Rabattgutschein für Olive Garden, den ich zum Abendessen gleich einlöse. Danach stöbere ich noch ein wenig durch das angrenzende Outlet Center, bevor ich ins Hotel zurückkehre.
Meilen: 247
Wetter: sonnig und windig, 33–50 Grad
Hotel: Fairfield Inn & Suites Hilton Head Bluffton