Tag 2: Freitag, 8. März 2019
A walk in the city – Stockholm
„Stockholm is surely an urban planner’s dream. Everything works. Everything looks good.” – Janine di Giovanni
Ich habe gut geschlafen in meiner Suite im Clarion und lasse es ganz gemütlich angehen. Draußen dämmert es erst, denn im hohen Norden sind die Tage Anfang März noch erstaunlich kurz, sodass es recht spät hell wird. Gemütlich mache ich mich so auf den Weg zum Frühstück, das im Zimmerpreis inkludiert ist und in einem großen Restaurant serviert wird.
Gegen zehn Uhr stürze ich mich dann in das Unterfangen Transfer nach Stockholm, denn der Flughafen liegt rund vierzig Kilometer nördlich der Stadt. Die, wie auf allen Plakaten zu lesen ist, umweltfreundlichste und schnellste Variante ist die Bahn. Was aber nicht dabei steht, diese Verbindung kostet ein kleines Vermögen. Ich bin bestimmt nicht geizig, aber für rund 25 Minuten Fahrt in einem Schnellzug fast fünfzig Euro hinzublättern, finde ich dann doch etwas übertrieben. Taxi scheidet aus demselben Grund aus, es ist wahnsinnig teuer. Bleibt also noch der Bus und der ist erstaunlich günstig, na ja, zumindest für schwedische Verhältnisse. Für rund 17 Euro kann ich mir ein Ticket ziehen. Am Automaten funktioniert die Kreditkarte, während sie beim Onlinekauf weiterhin streikt.
Das Finden der Haltestelle stellt sich dann aber auch nicht als so einfach dar. Hat den Schweden schon mal jemand erklärt, dass es so etwas wie Hinweisschilder gibt? Und dass hier auch Touristen ankommen, die nicht jeden Weg schon ein Dutzend Mal gegangen sind? Zum Glück sprechen viele Schweden zumindest Englisch, sodass ich mich durchfragen kann.
An der Haltestelle ist es eisig kalt. Der Wind pfeift geradezu um die Ecken und die minus drei Grad fühlen sich eher wie minus dreißig an. Irgendwann geht aber auch das vorbei und der Bus kommt. Los geht die Fahrt, die eine dreiviertel Stunde dauern soll und größtenteils über die Autobahn führt. Anscheinend nutzen ziemlich viele Leute den Bus, zumindest die Einheimischen, da der Preisunterschied wirklich enorm ist.
Endstation ist dann am zentralen Busbahnhof mitten in der Stadt. Als ich aussteige, wagen sich so langsam ein paar Sonnenstrahlen hervor, nachdem es auf der Fahrt sogar leicht geschneit hatte. Noch habe ich aber keinen Blick dafür, denn erst einmal muss ich ja mein Gepäck loswerden. Da ich Schließfächer, nachdem ich die Preise gesehen habe, gleich mal ausschließe, will ich nun ins Hotel. Vielleicht habe ich ja Glück und kann schon ins Zimmer. Dazu brauche ich aber erst einmal einen Fahrschein für den öffentlichen Nahverkehr. Und auch das geht wieder kaum umständlicher. Meine Güte, nach zehn Stunden in Schweden bin ich mehr genervt als in Ländern mit der „Komm ich heute nicht, komm ich morgen.” Mentalität. Wie die Schweden überhaupt Touristen anlocken, ist mir ein absolutes Rätsel. Ich habe jetzt schon die Nase gestrichen voll.
Aber gut, ich stürze mich also in das Abenteuer Fahrschein. Zuerst einmal sehe ich Fahrkartenautomaten. Die kann man auch auf Englisch umschalten, soweit so gut. Nur ist das, was der Automat anbietet für mich trotzdem völlig unverständlich. Ein einfaches Tagesticket kaufen – ein Ding der Unmöglichkeit. Ich breche also ab und gehe zum Schalter. Doch wer jetzt glaubt, dass mir da geholfen wird, der irrt. Was ich hier wolle, werde ich gefragt? Hier gäbe es keine Fahrkarten, nur Informationen. Na genau das will ich doch. Hilfe!!!! Irgendwann steigt die eine der zwei Damen dann doch von ihrem hohen Ross herunter und erklärt mir schnippisch, dass ich gefälligst in den kleinen Shop auf der anderen Seite der Halle gehen müsse. Da gäbe es das Touristenzeugs. Aha.
Also mit Sack und Pack wieder durch die ganze Bahnhofshalle und zu dem kleinen Shop auf der anderen Seite. Dort ist man dann überraschend freundlich. Man kenne das schon mit den unhöflichen Bahnmitarbeitern und der schlechten Ausschilderung und würde sich wünschen, dass besser darauf hingewiesen wird. Plötzlich geht es ganz schnell und binnen Minuten bin ich Besitzer einer 24 Stunden Karte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Aber warum denn einfach, wenn es auch kompliziert geht? So könnte man übrigens fast alles in Stockholm übertiteln. Unglaublich, dagegen sind ja afrikanische Länder geradezu effizient.
Mit der Bahn geht es nun zwei Stationen zum Hotel, das sich zum Glück fast direkt neben der Station befindet. Ich habe mich für das Hilton Stockholm Slussen entschieden, dessen Lage mir sehr gut erschien und wo ich zusätzlich von meinem Status profitieren kann.
Der Check-in ist dann schon wieder wirklich seltsam. Was ist das denn hier in Schweden? Wollen die keine Besucher? Ich habe eher das Gefühl, dass den Herrn an der Rezeption seine Gäste nerven, als dass ich mich irgendwie willkommen fühle. Aber mir ist das schon alles egal, denn zumindest ein Zimmer hat er für mich, auch wenn es gerade erst Mittag ist. Als Upgrade gibt es zumindest einen Stadtblick, mehr aber auch nicht. Das Zimmer ist dann auch recht enttäuschend, besonders wenn man gerade aus einer Suite des Clarion Hotels kommt. Es ist klein und schon recht alt. Eine Renovierung würde hier wirklich nicht schaden, vor allem im Bad, das so winzig ist, dass man sich schon beim Umdrehen die Ellbogen stößt. Besonders grausam sind aber die einfachen Fenster, die nicht einmal richtig gut schließen und wirklich jedes Geräusch hindurch lassen. Wer da empfindlich ist, sollte auf den Blick besser verzichten.
Der ist dann aber wirklich schön. Die ganze Altstadt, die sich auf einer kleinen Insel befindet, liegt mir zu Füßen. Das ist das einzige Highlight des Hotels. Und damit verdienen sie anscheinend ihr Geld, mit der schon sehr guten Lage.
Die Lage mache ich mir dann auch gleich zu Nutze und stelle nur mein Gepäck ab, bevor es schon wieder losgeht. Inzwischen ist der Himmel zwar blau, doch das trügt, denn es weht ein eisiger Wind. Trotzdem entschließe ich mich über die Brücke zur Altstadt zu laufen. Gut, dass ich Schal und Handschuhe dabei habe.
Von der Brücke habe ich einen schönen Blick, zumindest in eine Richtung. Auf der anderen Seite brettern die Autos auf der Schnellstraße vorbei und die Züge rattern über die Gleise.
Auch der Blick zurück ist sehr schön. Das Hilton liegt ja ebenfalls auf einer Insel, die sich südlich der Altstadt befindet und ist teilweise von einer hübschen Nachbarschaft umgeben.
Mein erstes Ziel ist die kleine Insel Riddarholmen, die zur Gamla Stan, der Altstadt gehört. Auf der Insel befinden sich eine Reihe von privaten Palästen aus dem 17. Jahrhundert sowie die bekannte Riddarholmskyrkan, eine Kirche, in der sich viele königliche Grabstätten befinden.
Direkt am Wasser treffe ich auf die 1966 von Christian Berg erschaffene Skulptur „Solbåten”. Das Werk aus Granit soll an Segel, Boote und Muscheln erinnern.
Mein Reiseführer verrät mir, dass sich hier auch einer der berühmtesten Fotoplätze von ganz Stockholm befindet und sich die Touristen an diesem Ort in Scharen treffen. An diesem kalten Märztag ist es jedoch gähnend leer. Mehr als zwei Personen sind mir nicht begegnet. Berühmt ist der Platz auf der Westseite der Insel für seine Aussicht auf das Stadshuset, das Rathaus von Stockholm. In dem 1923 fertiggestellten Bau tagt aber nicht nur das Stadtparlament, hier gibt es jedes Jahr am 10. Dezember ein Bankett zu Ehren aller Nobelpreisträger.
Ich schaue mich noch ein wenig auf der Evert Axel Taube Terrasse, wie dieser Platz genannt wird, um. Dem Wasser gegenüber stehen die alten, ehrwürdigen Adelspaläste, in denen heute keiner mehr wohnt. So wie auf ganz Riddarholmen, das größtenteils Regierungs- und Gerichtsgebäude beherbergt.
An der Spitze der kleinen Insel entdecke ich das Denkmal für Evert Axel Taube, einen schwedischen Dichter, Komponist, Sänger und Maler, der dem deutsch-baltischen Adelsgeschlecht Taube angehörte.
Ich biege in eine kleine Gasse ein und gelange schon nach wenigen Metern zum zentralen Platz der Insel, der von besonders schönen Gebäuden flankiert ist.
Ganz prominent steht in der Mitte des Platzes die Birger Jarl Statue, der um 1250 für die Gründung Stockholm verantwortlich gewesen sein soll.
Das mit Abstand älteste Gebäude ist die mittelalterliche Riddarholmskyrkan. Zwischen 1280 und 1300 als Teil eines Franziskanerklosters errichtet, löste sich die Gemeinde der Kirche bereits um 1800 auf. Danach wurde die Kirche lediglich als Begräbnisstätte genutzt. Über sechzig Mitglieder des schwedischen Königshauses sind hier zwischen 1300 und 1950 beigesetzt worden. König Gustav V. war der letzte Monarch, der in der Kirche seine letzte Ruhe fand. Seitdem werden die Mitglieder der königlichen Familie auf dem königlichen Friedhof Haga beigesetzt.
Noch einen letzten Blick werfe ich zurück auf die wunderschön restaurierten Gebäude von Riddarsholmen, die allerdings etwas einsam und verlassen wirken. Vielleicht war es keine so gute Idee, hier nur Büros und Verwaltungen anzusiedeln, denn so erscheint das ganze Viertel etwas leblos.
Über eine Brücke, die die große Schnellstraße überquert, die Riddarholmen vom Rest der Gamla Stan trennt, gelange ich nun ins Zentrum des historischen Stockholm.
Das Riddarhuset ist das erste Gebäude, das mir hier ins Auge sticht. Zwischen 1641 und 1674 wurde es als Versammlungshaus des schwedischen Adels erbaut. Auch heute noch hat es diese Funktion inne und ist Hauptsitz des Ritterhauses, zu dem etwa zweitausend Mitglieder des schwedischen Adels gehören.
Ich lasse mich nun einfach ein wenig durch die Straßen treiben. Die Altstadt ist recht kompakt und verwinkelt. Im Sommer soll es hier von Touristen wimmeln, doch an diesem Freitag Morgen im März ist es nicht sonderlich voll.
Auch am Högsta domstolen, dem Obersten Gerichtshof, herrscht eher gespenstige Ruhe. An einem Freitagvormittag scheint hier keiner zu arbeiten.
Schließlich erreiche ich das zwischen 1897 und 1905 erbaute Reichstagsgebäude, den Sitz des schwedischen Parlaments. Der moderne Teil, der links im Bild zu sehen ist, wurde in den 1980er Jahren angebaut, da man einen größeren Plenarsaal benötigte, nachdem der schwedische Zweikammerreichstag 1971 vom Einkammerreichstag abgelöst wurde.
Vom Reichstag schwenke ich nach rechts und gelange in den Palastbezirk. Dieser wird durch die steinernen Löwen markiert, die mir noch mehrmals begegnen werden.
In den kleinen Gassen rund um das königliche Schloss schaue ich mir ein wenig die interessanten Auslagen der Schaufenster an.
Schließlich stehe ich vor dem Stockholmer Schloss. Errichtet wurde es zwischen 1690 und 1750 und gehört zu den imposantesten Bauten des Barocks in Schweden. Auf der Westseite öffnet sich das vierflügelige Gebäude, das um einen quadratischen Innenhof gebaut wurde, auf einen äußeren Schlosshof, der von den halbkreisförmigen Unterkünften der Schlosswache umgeben ist.
Die Schlosswoche kann ich dann auch gleich bei einer kleinen Wachablösung beobachten.
In ganzer Pracht ist die Westfassade des Gebäudes allerdings nicht bestaunen, denn Teile sind derzeit mit Gerüsten verstellt. Ein groß angelegtes Restaurierungsprogramm startete bereits 2011 und soll planmäßig erst 2036 beendet sein. Die Grafik zeigt, in welchen Jahren welche Fassadenteile betroffen sind.
Das Westportal ist dann auch der Eingang zum Schlossmuseum, das neben den Repräsentationsräumen des Königs hier untergebracht ist. Bewohnt wird das Stadtschloss nicht mehr, seitdem die königliche Familie 1982 ganzjährig auf ihren Sommersitz Drottningholm gezogen ist.
In der Vorhalle bezahle ich das Eintrittsgeld und darf dann die wenigen Räume anschauen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Sie sind im Stile unterschiedlicher Epochen ausgestattet, denn es wurde immer wieder renoviert und umgebaut.
Der mit Abstand imposanteste Raum ist der Thronsaal, der im Empire Stil eingerichtet ist.
Die Ausstellung im Schloss wird nach der Belle Etage im Untergeschoss fortgesetzt. Hier wird die Geschichte der Vorgängerbauten erzählt, deren Fundamente zu großen Teilen noch erhalten sind, da das neue Gebäude einfach darauf errichtet wurde. Ein Bild am Eingang zeigt die brennende Burg „Tre Kronor”, die einst an dieser Stelle stand und 1697 fast vollständig zerstört wurde.
Nach der Schlossbesichtigung umrunde ich das Gebäude weiter. Gegenüber der südwestlichen Ecke befindet sich der Dom von Stockholm, die Nikolaikirche. Bis 1873 wurden in dem Gotteshaus die schwedischen Könige gekrönt und auch die Hochzeit des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf mit der Deutschen Silvia Sommerlath fand hier am 19. Juni 1976 statt. Die letzte große Hochzeit in der Kirche feierte Kronprinzessin Victoria, als sie am 19. Juni 2010 Daniel Westling heiratete.
Vor der Südfassade des Schlosses eröffnet sich eine breite Straße hinunter zum Wasser, der auch ich nun folge.
Schließlich lande ich so vor der prunkvollen Ostfassade des Palastes, die auf das Wasser blickt, das die Altstadt von Stockholm umgibt. Hier befindet sich der kleine Schlossgarten, der aber nur vom Gehweg aus besichtigt werden kann.
Meine Umrundung des Schlosses endet an der Nordseite, wo sich der Eingang zu weiteren Museen befindet, die im Gebäude untergebracht sind.
Gegenüber befindet sich dann wieder der Reichstag, dessen Ostfassade die wohl schönste Seite des Gebäudes ist.
Über die Norrbro Brücke verlasse ich kurzzeitig die Altstadt und stehe vor dem Erbfürstenpalais, das heute das schwedische Außenministerium beherbergt. Der Bau wurde zwischen 1783 und 1794 für die schwedische Prinzessin Sofia Albertina errichtet.
Ich folge dem Strömgatan, einer Straße, die direkt am Wasser entlangführt, weiter nach Osten.
Als die Straße in einem kleinen Bogen verläuft, habe ich einen schönen Blick über die Brücken, die von Norden in die Altstadt führen.
Besonders die Norrbro Brücke mit ihren Löwen, über die ich zuvor gelaufen bin, ist schön anzusehen.
Und dann kann ich durch Zufall noch einem tierischen Spektakel beiwohnen. Die fünf Möwen warten auch schon ganz gespannt, denn hinter ihnen kommt gerade ein kleiner LKW der Stadtverwaltung an.
Der bringt Futter für die Seevögel, die hier anscheinend überwintern und regelmäßig durch die Stadt versorgt werden. Der lange Trog ist schon nach Minuten nicht mehr zu sehen, dafür aber Enten, die sich regelrecht darüber stapeln.
Eine ganze Weile schaue ich dem Spektakel zu bevor ich weitergehe. Über die Strömbron Brücke geht es zurück in die Altstadt. Am gegenüberliegenden Ufer steht das Grand Hotel, das 1874 erbaut wurde und noch heute zu den besten Hotels der Stadt zählt.
Über den Dächern entdecke ich schließlich noch den Turm der Jakobskirche, bevor ich wieder an der Ostfassade des Palastes vorbeikomme.
Ich folge nun dem Weg, der direkt am Wasser entlangführt. Auf der anderen Seite liegt die Insel Skeppsholmen, auf der sich das Nationalmuseum von Schweden befindet.
Noch ein Stück weiter folge ich der Promenade am Wasser, doch so langsam mögen mich meine Füße nicht mehr tragen. Außerdem hat es sich inzwischen komplett zugezogen und ein ungemütlicher, eiskalter Wind frischt immer mehr auf. Sogar einzelne Schneeflocken fallen vom Himmel, sodass ich nur noch lustlos ein paar letzte Fotos mache.
Zurück zum Hotel nehme ich dann den Bus, dessen Haltestelle sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet. Ich habe ja das Ticket sowieso und da ist das kein Problem. So bin ich dann am frühen Abend wieder am Hilton, ruhe mich erst einmal ein bisschen auf dem Zimmer aus und genieße meine Aussicht.
Zum Abendessen gehe ich dann nicht mehr weg. Ich habe keine Lust, erst noch nach einem Restaurant zu suchen. So nutze ich das Angebot der Lounge, das zwar nicht riesig, aber doch in Ordnung ist. Satt werde ich auf jeden Fall.
Die Lounge ist auch wirklich nett, viel schöner als die Zimmer. Irgendwie habe ich das Gefühl, als wenn man hier renoviert hat, in den Zimmern aber nicht. So bleibe ich dann gerne ein wenig länger, denn auch hier kann ich schön am Fenster sitzen und den Blick auf das nächtliche Stockholm genießen.
Wetter: heiter bis wolkig, ‑3 bis 2 Grad
Hotel: Hilton Stockholm Slussen