Tag 17: Dienstag, 14. Januar 2020
Last Round – Charlotte nach London
„Nothing lasts forever, except the day before you start your vacation.” – Gayland Anderson
Die Sturmfront ist zwar heute Nacht abgezogen, aber die Sonne lässt sich leider nicht blicken. Der Himmel ist bedeckt. Schade, wie schön war das Wetter doch, als ich vor gut zwei Wochen hier in Charlotte ankam. Also lasse mich mir ein bisschen Zeit beim Frühstück und halte noch einen kurzen Plausch mit der Hotelmanagerin, einer Deutsch-Amerikanerin, die sich freut, auch mal wieder Deutsch sprechen zu können. Für ihre Mitarbeiter ist das auch total interessant, sie sind total fasziniert welche fremden Laute da aus dem Mund ihrer Chefin kommen. Irgendwann ist es aber dann doch Zeit aufzubrechen und da ich erst am späten Abend zurück nach Europa fliegen werde, will ich noch einen kleinen Ausflug machen.
In Charlotte war ich schon vor ein paar Jahren, sodass ich mich entschließe, etwas mehr von der nordwestlichen Ecke von South Carolina anzuschauen. North und South Carolina treffen hier südlich von Charlotte aufeinander, sodass ich nur wenige Meilen bis in den Nachbarstaat zurücklegen muss. Mein erstes Ziel ist Rock Hill und in der Stadt das White Home.
Das White Home in Rock Hill war von 1837 bis 2005 das Wohnhaus der Familie White. Fünf Generationen lebten in dem Gebäude und bauten es von einer Einraumhütte zu diesem prachtvollen Haus mit achtzehn Zimmern aus.
Erste Eigentümer waren George und Ann White, die hier 1837 siedelten und drei Kinder bekamen. George White verstarb jedoch schon 1849, sodass Ann White die Finanzen übernahm. Da die damaligen Gesetze verfügten, dass sie nur Verwalterin für ihren Sohn sein konnte und nicht selbst erben, gibt es für alle, was sie tat, Belege. Diese musste sie sammeln, um zu beweisen, wofür sie Geld ausgegeben hatte. Sie war es, die die meisten Umbauten am Haus vornehmen ließ. Dazu gehört auch der Anbau dieses schönen Vorbaus, den das Haus erst 1871 bekam.
Als die Familie White das Haus 2005 an die Stadt verkaufte, war es natürlich nicht mehr original eingerichtet. So ist es heute mehr ein Museum denn Hausmuseum und erzählt ein bisschen mehr über die Familie und die Stadt Rock Hill.
Einzelne Stücke, die von der Familie kommen, gibt es aber noch im Haus. Die meisten Dinge wurden auf dem Dachboden gefunden, wo vieles abgestellt und irgendwann vergessen wurde. Dazu gehören nicht nur Haushaltsgegenstände, sondern auch besagte Belege von den Umbauten sowie viele Fotografien.
Ein richtiges Prachtstück ist auch der maßstabgetreue Nachbau von Rock Hill, der in einem der Zimmer zu sehen ist. In wunderbarer Detailarbeit wurde hier das Stadtzentrum nachgebaut.
Ich verlasse Rock Hill wieder und steuere den kleinen Ort Brattonsville an, der etwas außerhalb der Stadt liegt. Das Örtchen wurde 1776 von der Familie Bratton gegründet, die auch die meisten der Gebäude erbaute. Seit 1971 steht es unter Denkmalschutz und ist heute ein Open-Air-Museum, sodass ich zuerst am Besucherzentrum halte.
An diesem trüben und kühlen Januartag ist es recht leer hier und neben mir steht nur ein weiteres Fahrzeug auf dem Parkplatz. Das Besucherzentrum strahlt aber eine herrliche Wärme aus und ich werde in typischer Südstaatenmanier herzlich empfangen. Ich zahle meinen Eintritt und bekomme eine Karte vom Museum, das sich über ein mehr als dreihundert Hektar großes Gebiet erstreckt. Dann ziehe ich auf eigene Faust los.
Gleich gegenüber des Besucherzentrums steht sozusagen der Neubau des Ortes, das 1855 erbaute Herrenhaus, das während meines Besuchs gerade umfassend restauriert wird und somit nur mit Bauzaun anzuschauen ist.
Das Herzstück des Anwesens aber ist dieses Gebäude, das um 1830 für Dr. John S. Bratton erbaute Herrenhaus, das noch heute im Besitz der Familie Bratton ist und nur vom Museum mit verwaltet wird. Und genau dieses Haus will ich mir nun etwas genauer anschauen.
Das Haus im Plantagenstil ist komplett möbliert und vermittelt so einen Eindruck, wie das Leben hier damals ausgesehen hat. Sowohl Erdgeschoss als auch Obergeschoss können dabei von mir auf eigene Faust erkundet werden.
Interessant ist der Ziegelanbau, der über einen offenen Gang mit dem Haupthaus verbunden ist. Wer jetzt denkt, das sei die Küche, der irrt, denn die befindet sich nicht im Haus. Vielmehr wollte man irgendwann ein großes Esszimmer haben, das im Haus keinen Platz fand und so wurde es eben angebaut.
Die Küche hingegen war in diesem Haus unterbracht, das sich etwas vom Haupthaus entfernt befindet. Das war seinerzeit so üblich, denn Feuer war immer eine große Gefahr und da man über offenem Feuer kochte, wollte man sein Wohnhaus dieser Gefahr nicht unbedingt aussetzen.
Über das Gelände verteilt sind auch noch einige Häuser der Sklaven erhalten, die die Farm von dem Bürgerkrieg zu großen Teilen bewirtschafteten.
Zu Historic Brattonsville gehört auch eine Farm, die Geschichte und Gegenwart verbindet. Einerseits ist hier zu sehen, wie einst solch ein Betrieb geführt wurde, anderseits gibt es noch heute Tier auf der Farm. Die sind aber gewissermaßen auch historisch, denn man züchtet hier alte Rassen, die sonst kaum noch existieren.
Ein weiteres Gebäude auf dem Areal ist das Wohnhaus von Col. William Bratton House, das wohl das älteste aller Häuser in Brattonsville ist. Erbaut wurde es irgendwann zwischen 1760 und 1770 und begründete die Besiedlung des Ortes durch die Familie Bratton.
Nachdem sein Sohn, John Simpson Bratton, das Anwesen erbte, baute er das Haus zu einer Schule um und so ist einer der Räume heute wieder eingerichtet. In späteren Jahren nutze man das Haus allerdings wieder zu Wohnzwecken.
Das wohl beeindruckendste Südstaatenhaus auf dem Anwesen ist Hightower Hall, das zwischen 1853 und 1854 für John Simpson Bratton Jr. erbaut wurde. Und wem das Haus jetzt bekannt vorkommen sollte, der irrt sich nicht. Im Jahr 1999 fanden genau hier Dreharbeiten für den Kinofilm „The Patriot” mit Mel Gibson und Heath Ledger. Heute wird das Haus oft für Veranstaltungen vermietet und ist deshalb leider nicht regulär geöffnet.
So langsam muss ich zurück nach Charlotte. Ich will ja meinen Flug nicht verpassen. Das Wetter ist den ganzen Tag über auch nicht besser geworden, sodass sich weitere Abstecher auch nicht lohnen. Da ich etwas zeitig am Flughafen bin, halte ich noch an einem der Aussichtspunkte, der einen guten Blick über das Flugfeld bietet.
Hier verfolge ich eine Weile die Flugzeuge und man sieht ganz deutlich, wer hier Platzhirsch ist – American Airlines.
Leider sind momentan nur eher kleine Maschinen unterwegs, aber es ist schon interessant zu sehen, wie sie vorbeirollen. Im Hintergrund ist immer wieder die Skyline von Charlotte zu sehen.
Dann heißt es aber endgültig Abschied nehmen. Ich gebe meinen Mietwagen bei Alamo ab, checke mein Gepäck ein und passiere die Sicherheitskontrolle. Anschließend lande ich wieder im mir schon vertrauten Hauptterminal des Flughafens von Charlotte.
Ich gehe noch ein wenig in die Lounge, die hier leider nur ein Admirals Club ist, bei dem die Kulinarik doch etwas kurz kommt. Schließlich ist es Zeit, zum Gate zu gehen, wo der Einstieg pünktlich beginnt. Da es an Bord keine First Class gibt, bin ich eine der Ersten an Bord. Und in Reihe 1 muss hier auch niemand an mir vorbei, denn der Einstieg erfolgt durch die zweite Tür. Den alten US Air Sitz im A330, den American Airlines bei der Übernahme der Airline übernommen hat, kenne ich bereits. Er ist in Ordnung, aber nicht gerade weltbewegend. Immerhin habe ich direkten Zugang zum Gang und in ein flaches Bett lässt er sich auch verwandeln.
Der Start ist dann etwas eigenwillig, denn aufgrund eines Schlechtwettergebietes fliegen wir zunächst nach Nordwesten, bevor wir später in Richtung Nordosten drehen und über Kanada auf den Atlantik hinausfliegen.
An Bord gibt es nach dem Start zunächst Getränke und Nüsse, bevor das Abendessen serviert wird.
Nach dem Essen stelle ich meinen Sitz recht bald in die flache Position und verschlafe fast den ganzen Flug über den Atlantik.
Meilen: 112
Wetter: 60 Grad