Land of the White Nights – Finnland im Sommer

Tag 5: Sams­tag, 10. Juli 2021
Die Nacht zum Tage machen – Tam­pe­re nach Jyvä­s­ky­lä – Teil 1

„Do not be angry with the rain; it sim­ply does not know how to fall upwards.” – Vla­di­mir Nabokov

Es schüt­tet, na super. So habe ich mir das aber nicht vor­ge­stellt als ich nach Finn­land geflo­gen bin. Na gut, ich will nicht unge­recht sein, ich habe schon sehr viel Glück mit dem Wet­ter. Es ist nicht nur schön, son­dern auch sehr warm in die­sem Jahr. Aber heu­te schüt­tet ist halt und Regen auf Rei­sen geht nun mal so gar nicht. Aber was will ich machen? Also Augen zu und durch. Natür­lich nur meta­pho­risch, denn zum Fah­ren müs­sen sie Augen natür­lich offen bleiben.

Ich bin aber extrem froh, dass ich gestern noch mei­ne Besich­ti­gun­gen in Tam­pe­re machen konn­te, denn heu­te hät­te das weit weni­ger Spaß gemacht. So packe ich recht bald zusam­men und ver­las­se die Stadt in der Hoff­nung, dem Regen davon fah­ren zu können.

Zunächst gelingt mir das aller­dings nicht so gut, im Gegen­teil, die Wol­ken schei­nen mich gera­de­zu zu ver­fol­gen. Zumin­dest ist es rela­tiv trocken, als ich Iso­nie­mi errei­che. Wäh­rend die Fahrt hier­her recht ein­sam war, steppt hier plötz­lich der Bär. Als ich zum Ser­lachi­us Muse­um abbie­ge, gibt es sogar Park­platz­ein­wei­ser, um dem Ansturm an Autos Herr zu wer­den. Wo kom­men die nur alle her?

Ich habe aber Glück und bekom­me schnell eine Lücke. Dann geht es zu Fuß zum Muse­um. Zuerst gelan­ge ich zum Joen­nie­mi Man­or. Das Haus wur­de 1935 als neu­er Wohn­sitz von Gös­ta und Ruth Ser­lachi­us fer­tig­ge­stellt, die hier auch ihre 1933 gegrün­de­te Kunst­samm­lung unterbrachten.

Ser­lachi­us konn­te sein neu­es Haus jedoch nicht lan­ge genie­ßen, denn kur­ze Zeit spä­ter ver­starb der Indu­stri­el­le, der sein Ver­mö­gen in der Papier­in­du­strie gemacht hat. Sei­ne Frau wan­del­te das Haus dar­auf­hin in ein Muse­um um und stell­te hier die Kunst­samm­lung des Paa­res aus.

Über der Ein­gangs­tür zum Haus ent­decke ich das Wap­pen der Fami­lie Ser­lachi­us sowie das der Regi­on Häme.

Gleich neben­an steht heu­te ein moder­ner Bau, der 2014 eröff­net wur­de. In den neu­en Muse­ums­räu­men wird moder­ne Kunst gezeigt, denn die Samm­lung der Ser­lachi­us Stif­tung wird auch heu­te noch ste­tig erwei­tert. Hier befin­det sich auch die Kas­se zum Muse­um, das aller­dings auch mei­ne Muse­um Card akzep­tiert, sodass ich nicht extra bezah­len muss.

Zuerst schaue ich mich ein wenig im moder­nen Muse­ums­teil um. Hier sind auch eini­ge Wech­sel­aus­stel­lun­gen zu finden.

Und hier erklärt sich dann auch der gan­ze Andrang, denn momen­tan wird hier eine Bank­sy Aus­stel­lung gezeigt. Die Wer­ke hier wur­den von ver­schie­de­nen Samm­lern zusam­men­ge­tra­gen und da der Andrang so groß ist, muss ich einen Moment war­ten, bis ich in den Saal mit der Aus­stel­lung darf.

Nach der Besich­ti­gung der Bank­sy Aus­stel­lung wech­se­le ich in das Her­ren­haus, in dem größ­ten­teils die Wer­ke zu sehen sind, die Ruth und Gös­ta Ser­lachi­us noch selbst zusam­men­ge­tra­gen haben.

Natür­lich hängt hier auch ein Por­trät von Gös­ta Ser­lachi­us, der die bedeu­ten­de fin­ni­sche Kunst­samm­lung erwor­ben hat.

Nach dem Aus­stel­lungs­be­such dre­he ich noch eine klei­ne Run­de durch den Gar­ten. Lei­der ist das Wet­ter immer noch sehr schlecht, sodass ich aber bald zum Auto zurückkehre.

Ich fah­re nun die weni­gen Kilo­me­ter wei­ter nach Mänt­tä. Zuerst führt mich der Weg nach Hon­k­aho­vi, dem 1938 erbau­ten Wohn­haus von R. Erik Ser­lachi­us, der damals Geschäfts­füh­rer der Fir­ma GAS­er­lachi­us Oy war. Heu­te ist das Haus ein klei­nes Hotel und kann des­halb nur von außen besich­tigt werden.

Lan­ge hal­te ich mich aller­dings nicht auf, denn inzwi­schen beginnt es ziem­lich zu schüt­ten. Es hört auch nicht auf, als ich das Ser­lachi­us Muse­um Gustaf errei­che, das seit 2001 eben­falls Teil der Ser­lachi­us Stif­tung und des Muse­ums ist.

Das wei­ße Haus im Her­zen von Mänt­tä wur­de 1934 fer­tig­ge­stellt und war einst das Haupt­quar­tier der GAS­er­lachi­us Oy. Beson­ders beein­druckend ist die Lob­by, die heu­te noch so erhal­ten ist, wie bei der Fer­tig­stel­lung des Gebäudes.

In eini­gen der ehe­ma­li­gen Büros wird dann die Fir­men­ge­schich­te erzählt und auch auf die Fir­men­grün­der eingegangen.

Die Fabrik, die hier als Modell zu sehen ist, gibt es übri­gens heu­te noch und sie stellt immer noch Papier­pro­duk­te her, vor allem Toi­let­ten­pa­pier und Küchentücher.

Ande­re Räu­me des Muse­ums wer­den als Semi­nar­räu­me oder auch für Son­der­aus­stel­lun­gen zeit­ge­nös­si­scher Künst­ler genutzt.

Als ich wie­der nach drau­ßen kom­me, hat der Regen zum Glück auf­ge­hört, sodass ich mich noch ein wenig umse­hen kann.

Und von hier kann ich dann auch die Fabrik sehen, die einst von Ser­lachi­us gegrün­det wur­de und heu­te noch Papier­pro­duk­te herstellt.

Für mich geht es nun wei­ter nach Nor­den. Zum Glück reg­net es nun nicht mehr und als ich mei­nem näch­sten Ziel näher kom­me, wagt sich sogar ganz zag­haft die Son­ne her­vor. Die Fahrt nach Petä­jä­ve­si ist recht unspek­ta­ku­lär und führt größ­ten­teils durch tie­fe Wäl­der. Der klei­ne Ort liegt auch irgend­wie mit­ten im Nir­gend­wo, ist aber bekannt für sei­ne unge­wöhn­li­che Kirche.

Die alte Kir­che von Petä­jä­ve­si wur­de zwi­schen 1763 und 1764 erbaut und gehört seit 1994 sogar zum UNESCO-​Weltkulturerbe. Das Got­tes­haus wur­de in typi­scher fin­ni­scher Holz­ar­chi­tek­tur erbaut und ent­hält Ele­men­te aus der Renais­sance und Spätgotik.

Der Zen­tral­bau hat die Form eines grie­chi­schen Kreu­zes von rund sieb­zehn Metern Län­ge und sie­ben Metern Brei­te. Bevor ich in das Gebäu­de hin­ein darf, muss ich aller­dings Ein­tritt zah­len und dann noch etwas war­ten, denn die Kir­che ist heu­te bei Hoch­zeits­paa­ren beliebt. Die Trau­ung ist aber schon vor­bei, sodass ich nur weni­ge Minu­ten spä­ter ein­tre­ten kann.

Bau­mei­ster der Kir­che war Jaak­ko Kle­me­tin­poi­ka Leppä­nen, der auch für die inter­es­san­te Innen­aus­stat­tung ver­ant­wort­lich war.

Der sepa­ra­te Glocken­turm wur­de übri­gens erst 1821 erbaut und Bau­mei­ster war Erkki Leppä­nen, der Enkel des Bau­mei­sters der Kirche.

Rings um die Kir­che befin­det sich ein alter Fried­hof, auf dem vie­le histo­ri­sche Grab­stei­ne zu fin­den sind.

Im Jahr 1867 wur­de in Petä­jä­ve­si übri­gens eine neue Kir­che gebaut und die alte begann zu ver­fal­len. Erst nach­dem der öster­rei­chi­sche Kunst­hi­sto­ri­ker Josef Strzy­gow­ski auf den beson­de­ren histo­ri­schen Wert der Kir­che hin­ge­wie­sen hat­te, began­nen 1929 erste Restaurierungsarbeiten.

Nach der Besich­ti­gung muss ich über die Stra­ßen­brücke zurück zum Park­platz lau­fen. Von hier habe ich auch noch einen schö­nen letz­ten Blick auf die Kirche.

Nun ist es nicht mehr weit bis zu mei­nem Ziel des heu­ti­gen Tages, das gleich­zei­tig der nörd­lich­ste Punkt mei­ner Rei­se durch Süd­finn­land ist, die Stadt mit dem unge­wöhn­li­chen Namen Jyvä­s­ky­lä, die auch Part­ner­stadt mei­ner Lan­des­haupt­stadt Pots­dam ist.

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