Into the unknown

Tag 23: Frei­tag, 21. Okto­ber 2016
Until we see each other again – Somer­set nach Berlin

„I rea­li­zed that If I had to choo­se, I would rather have birds than air­planes.” – Charles Lindbergh

Nun ist er also da, mein letz­ter Mor­gen. Doch noch habe ich Zeit, denn mein Flug star­tet erst heu­te Abend. So bela­de ich zum letz­ten Mal mein Auto und fah­re nach Süden, denn ich habe noch etwas vor. Ich fah­re nach Prin­ce­ton, aber ich will nicht die Uni­ver­si­tät dort besu­chen, son­dern ein histo­ri­sches Haus, das der­zeit eine beson­de­re Aus­stel­lung beherbergt.

Richard Stock­ton kauf­te das Land im Jahr 1701 von Wil­liam Penn, dem Grün­der von Penn­syl­va­nia. Sein Enkel, eben­falls Richard Stock­ton genannt, bau­te hier 1750 ein Haus für sich und sei­ne Frau Annis Bou­di­not Stock­ton. Sie nann­ten das Anwe­sen „Mor­ven”, nach dem mysti­schen iri­schen König­reich. Vie­le Gene­ra­tio­nen der Fami­lie leb­ten hier und im Erd­ge­schoss gibt es ein klei­nes Muse­um, das ihr Leben zeigt. Lei­der darf man hier nicht fotografieren.

Das Muse­um umfasst aber auch die Jah­re, in denen Robert Wood John­son von Johnson&Johnson das Haus mie­te­te und reno­vier­te sowie den Ver­kauf an New Jer­seys Gou­ver­neur Wal­ter E. Edge im Jahr 1944. Die­ser über­gab das Anwe­sen 1954 an den Staat New Jer­sey, was eine Bedin­gung des Ver­kaufs war. Bis zum Jahr 1981 wur­de es dann als Gou­ver­neurs Man­si­on genutzt, bevor es zum Muse­um wurde.

Schon im Vor­gar­ten ist dann aber wäh­rend mei­nes Besuchs ein Hin­weis zu sehen, wel­che Son­der­aus­stel­lung der­zeit im Haus gezeigt wird. Hier steht ein Nach­bau der Spi­rit of St. Lou­is, mit der Charles Lind­bergh am 1927 mit einem Nonstop-​Flug von New York nach Paris erst­ma­lig allein den Atlan­tik überquerte.

Im Ober­ge­schoss des Hau­ses befin­den sich Mehr­zweck­räu­me, die immer wie­der für Aus­stel­lun­gen genutzt wer­den und im Herbst 2016 eben Charles Lind­bergh gewid­met sind. Es macht schon Sinn, das aus­ge­rech­net hier zu tun, denn die Lind­berghs wohn­ten einst in New Jer­sey und auch die bekann­te­ste Tra­gö­die der Fami­lie spiel­te sich hier ab. In den ersten Räu­men dreht sich aber zuerst alles um die Atlan­tik­über­que­rung, die den damals 25-​jährigen Lind­bergh welt­be­rühmt machte.

Nach sei­nem Atlan­tik­flug wur­de Charles Lind­bergh eine Art Natio­nal­held. Bei sei­ner Rück­kehr nach New York wur­de er mit einer Kon­fet­ti­pa­ra­de emp­fan­gen und es wur­de ihm, auf Beschluss des US-​Kongresses, die Medal of Honor verliehen.

Im Jahr 1929 hei­ra­te­te Lind­bergh die Politiker-​Tochter Anne Mor­row, mit der er sechs Kin­der hatte.

Am 22. Juni 1930 wur­de Sohn Charles III. gebo­ren. Knapp zwei Jah­re spä­ter, am 1. März 1932, wur­de er aus dem elter­li­chen Wohn­haus ent­führt. Von den Lind­berghs wur­den 50.000 Dol­lar Löse­geld gefor­dert, doch 12 Tage spä­ter wur­de die Lei­che des Kin­des gefunden.

Als Täter wur­de schließ­lich der deutsch­stäm­mi­ge Bru­no Richard Haupt­mann ermit­telt und 1936 hin­ge­rich­tet. Vie­le der mit den Ermitt­lun­gen zusam­men­hän­gen­den Akten und Beweis­stücke waren so zum ersten Mal zu sehen. Sie stam­men aus dem Poli­zei­mu­se­um von New Jer­sey. Aller­dings gibt es bis heu­te Zwei­fel an der Schuld von Haupt­mann, denn er selbst bestritt bis zuletzt, für den Tod des Kin­des ver­ant­wort­lich zu sein.

Die Lind­berghs zogen nach die­ser Tra­gö­die für eini­ge Jah­re nach Groß­bri­tan­ni­en und von dort arbei­te­te Lind­bergh für das US-​Militär. Er unter­nahm auch Rei­sen nach Deutsch­land. Von Herr­mann Göring erhielt er gar im Jahr 1938 das Groß­kreuz des Deut­schen Adler­or­dens, das eben­falls in der Aus­stel­lung zu sehen ist.

Im Jahr 1939 kehr­ten die Lind­berghs schließ­lich in die USA zurück und Charles enga­gier­te sich mehr und mehr bei der AFC, dem Ame­ri­ca First Com­mit­tee. Die­ses setz­te sich dafür ein, dass sich die USA aus dem Zwei­ten Welt­krieg her­aus­hal­ten soll­ten und mit den Macht­ver­hält­nis­sen in Euro­pa abzu­fin­den haben. Nach dem Angriff auf Pearl Har­bor wur­de es auf­ge­löst. Lind­berghs Anse­hen schwand in die­ser Zeit rasant und er zog sich lan­ge aus der Öffent­lich­keit zurück.

Das änder­te sich erst 1954, als er für sei­ne Auto­bio­gra­fie den Pulit­zer­preis bekam. Was kaum beleuch­tet wur­de, waren die vier Fami­li­en, die Lind­bergh neben sei­ner Ehe mit Anne Mor­row hat­te. Ins­ge­samt sie­ben Kin­der hat­te er sogar mit vier ver­schie­de­nen Frau­en zwi­schen 1957 und 1967. Wei­ter­hin ver­leg­te er sei­nen Haupt­wohn­sitz nach Maui, wo er 1974 an Lymph­drü­sen­krebs ver­starb. Sein Grab habe ich übri­gens im März 2017 besucht.

Ich habe mehr Zeit in die­ser inter­es­san­ten Aus­stel­lung ver­bracht als gedacht, doch einen kur­zen Blick in den Gar­ten wer­fe ich noch. Hier sieht es noch so aus wie zu der Zeit, in der das Anwe­sen von den Gou­ver­neu­ren genutzt wur­de. Es gibt auch ein klei­nes Gar­ten­haus sowie einen klei­nen Brun­nen an der Stel­le, an der einst der Pool war.

Es ist schon nach 13 Uhr als ich das Muse­um ver­las­se. Ich habe Hun­ger und fah­re noch schnell zum Pan­da Express, um etwas zu essen.

Bevor es zum Flug­ha­fen geht, mache ich aber noch einen letz­ten Abste­cher. Eigent­lich fah­re ich jedes Mal zum Liber­ty Sta­te Park bevor es nach Newark geht und so mache ich das auch heu­te. Hier ist viel pas­siert, seit ich zum letz­ten Mal hier war. Vie­le Schä­den von Hur­ri­kan San­dy sind end­lich ent­fernt wor­den und auch das als Bahn­hofs­ge­bäu­de ist wie­der eröffnet.

Ich lie­be die­ses Gebäu­de und stel­le mir jedes Mal vor, wie es wohl auf jene gewirkt hat, die hier, nach ihrer Ankunft auf Ellis Island, zum ersten Mal ame­ri­ka­ni­schen Boden betra­ten und zu Zie­len im gan­zen Land auf­bra­chen. Heu­te funk­tio­niert die Rei­se eher anders­her­um, denn man bekommt hier Tickets und Aus­künf­te zu Aus­flü­gen nach Ellis Island und zur Freiheitsstatue.

Rich­tig von den Socken bin ich, als ich die Gleis­an­la­gen sehe, die nach San­dy vie­le Jah­re gesperrt waren. Als ich zum ersten Mal hier war, war hier alles grün und fast ein wenig zuge­wach­sen. Hier hat die Flut­wel­le anschei­nend hef­tig gewü­tet. Aller­dings kann man nun die histo­ri­schen Anla­gen wie­der bes­ser erkennen.

Am Zaun hän­gen dann auch ein paar Bil­der, die die Zer­stö­run­gen durch Hur­ri­kan San­dy zei­gen. Vier Jah­re ist das jetzt schon her, doch ver­schwun­den sind sie immer noch nicht komplett.

Zwar ist die Ufer­pro­me­na­de mit dem tol­len Blick auf Man­hat­tan wie­der neu gepfla­stert, doch an ande­rer Stel­le sieht man die Schä­den noch heute.

Ob die Anle­ger jemals wie­der restau­riert wer­den, weiß ich nicht. Die Boo­te nach Ellis Island und zur Frei­heits­sta­tue kön­nen hier jeden­falls nicht mehr able­gen. Das geschieht noch immer an einem Aus­weich­pier, der nach dem Sturm ein­ge­rich­tet wur­de. Es wäre toll, wenn man hier eines Tages wie­der able­gen könnte.

Ich lau­fe noch ein wenig her­um, auch wenn sich die Spit­zen der Wol­ken­krat­zer heu­te hin­ter Wol­ken ver­ber­gen. So oft war ich schon hier, dass mich das nicht beson­ders stört, son­dern eher fas­zi­niert. Ich fra­ge mich wie es da so ist, in den Büros in oder über den Wolken.

Jer­sey City hin­ge­gen ist ganz klar zu sehen.

Nun muss ich aber los. Die Zeit ist doch schnel­ler ver­stri­chen als gedacht. Doch was ist das? Der gan­ze Free­way zum Flug­ha­fen ist zu gestaut. Na toll, da heißt es krea­tiv wer­den, denn ich darf schließ­lich mei­nen Flug nicht ver­pas­sen. Über den Pula­ski Sky­way, der in süd­li­cher Rich­tung zum Glück wie­der geöff­net ist, umfah­re ich den Stau und schaf­fe es zum Flug­ha­fen, wo ich mein Auto abge­be. Dann geht es zum Ter­mi­nal, Gepäck abge­ben und durch die Sicher­heits­kon­trol­le. In einem der Restau­rants esse ich noch schnell ein klei­nes Abend­essen. Begei­stern tut mich das aber nicht. Ich kann mich mit dem neu­en Ter­mi­nal­an­ge­bot ein­fach nicht anfreunden.

Schließ­lich gehe ich zum Gate und war­te auf das Ein­stei­gen. Drau­ßen wird gera­de mei­ne Maschi­ne beladen.

Pünkt­lich beginnt auch das Boar­ding und so sit­ze ich kur­ze Zeit spä­ter auf mei­nem Fen­ster­platz, dies­mal lei­der nur in der regu­lä­ren Eco­no­my Class. Die 767–400 ist aber wenig­stens recht bequem, sodass es für einen Flug nach Ber­lin schon ok ist.

Wäh­rend wir zur Start­bahn rol­len, ver­ab­schie­det sich Man­hat­tan nun noch ein­mal ohne Wol­ken von mir.

Auch die Austri­an Air­lines und die Luft­han­sa machen sich gera­de auf den Weg nach Europa.

Und dies­mal sit­ze ich nicht nur rich­tig, son­dern habe auch noch eine gran­dio­se Aus­sicht auf das Lich­ter­meer unter mir. End­lich, hat ja nur meh­re­re Jah­re gedau­ert, bis bei­des mal zusammentrifft.


Nach einer 180 Grad Wen­de sehe ich sogar den Flug­ha­fen unter mir …

… und schließ­lich die Wol­ken­krat­zer von Jer­sey City und Man­hat­tan, die jetzt weni­ger an den Wol­ken zu krat­zen scheinen.

Danach schla­gen wir einen recht unge­wöhn­li­chen Haken, den man gut auf der Kar­te sehen kann. Es ist etwas wacke­lig, doch wir umflie­gen das schlech­te Wet­ter größ­ten­teils, sodass bald das Abend­essen ser­viert wird.

Wäh­rend wir über den Atlan­tik flie­gen, kann ich sogar etwas schla­fen und als ich wie­der auf­wa­che, ist es bereits hell draußen.

Kur­ze Zeit spä­ter errei­chen wir Ber­lin und lan­den auf dem Flug­ha­fen in Tegel.

Und damit ist eine wei­te­re schö­ne USA-​Reise zu Ende. Doch die näch­ste Tour ist ganz sicher schon in Planung.

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