Tag 21: Mittwoch, 19. Oktober 2016
Inside view – auf See
„Beware of little expenses. A small leak will sink a great ship.” – Benjamin Franklin
Es ist ein wahrer Bilderbuch-Sonnenaufgang heute. Und da ich eine Balkonkabine habe, die nun nach Osten zeigt, muss ich nur kurz aus dem Bett krabbeln und die Balkontür öffnen. Einfach perfekt ist das.
Da ich jetzt aber schon mal wach bin, stehe ich auch auf, denn auch wenn heute ein Seetag ist, habe ich noch viel vor. Erstes Ziel ist aber das Windjammer Café, wo ich frühstücke.
Draußen schiebt sich derweil die Sonne immer höher am Himmel empor. Es verspricht ein schöner Tag zu werden, sehr gut, denn später will ich ja noch hoch hinaus.
Zuerst einmal treffe ich mich aber um Punkt 9 Uhr mit einer kleinen Gruppe, um eine Schiffsbesichtigung der besonderen Art zu machen. Royal Caribbean bietet auf seinen Schiffen seit einiger Zeit einen umfassenden Blick hinter die Kulissen an. Ich habe zwar schon mal in eine Küche geschaut, bin hinter der Bühne gewesen und auch auf einer Brücke, aber das waren immer nur kurze Einblicke, das hier soll eine dreistündige Tür sein. Erstmals wollte ich sie bereits vor zweieinhalb Jahren machen, doch damals hatten wir stürmische See und deshalb wurde die Besichtigung aus Sicherheitsgründen abgesagt. Heute aber läuft alles nach Plan und das heißt zuerst einmal wieder Formulare ausfüllen. Das muss man eigentlich bei jeder Aktivität machen, damit man später nicht die Cruise Line verklagen kann, falls mal etwas ist. So weit ist es leider in Zeiten von Millionenklagen wegen eines verschütteten Kaffees.
Dann aber kann die „Back of the House Tour” beginnen. Wir starten in einer der großen Küchen. Es gibt mehrere dieser Art auf der Anthem, denn knapp 6000 Menschen wollen schließlich jeden Tag versorgt werden. Und wie groß so eine Küche ist, das glaubt man erst, wenn man es gesehen hat. Diese hier liegt hinter einem der Hauptrestaurants.
Herumgeführt werden wir von Executive Sous Chef Gordon Babarano, der erklärt, wie es möglich ist, jeden Tag Tausende Essen zuzubereiten. Das ist Schwerstarbeit und bedarf guter Vorbereitung. Jeder hat seine Aufgaben und erledigt diese wie ein Zahnrad in einem Uhrwerk.
Ein weiterer Trick ist, dass jedes Gericht an einer bestimmten Station zubereitet und bereitgestellt wird, damit es die Kellner schneller mitnehmen können. Auch früh am Morgen herrscht hier schon Betriebsamkeit. Gerade werden verschiedene Torten sowie Brot und Brötchen gebacken und Desserts zubereitet.
Zu guter Letzt gibt es für jeden Teilnehmer eine kleine süße Spezialität sowie einen Sekt oder Orangensaft zu kosten.
Bevor wir dann noch an dem Ort vorbeikommen, wo ich freiwillig bestimmt nie arbeiten wollte. Hier wird das ganze Geschirr, das in den Restaurants anfällt, wieder gewaschen.
Aus der Küche geht es schließlich weiter ins Innere des Schiffs. Jetzt betreten wir so richtig die Crewdecks. Hier gibt es keine Teppiche oder Verzierungen. Alles ist funktional eingerichtet – ein Arbeitsbereich und kein Urlaubsparadies.
Zuerst betreten wir die riesigen Kühlräume. Hier lagern unzählige Lebensmittel in riesigen Mengen. Da realisiert man erst einmal, was so alles auf einer Kreuzfahrt verspeist wird.
Danach wird es noch kälter und wir schauen uns die Gefrierkammern an. Viele Lebensmittel werden in gefrorenem Zustand angeliefert und erst nach Bedarf aufgetaut.
Sehr interessant finde ich, dass man auf dem Schiff alles dem Recycling zuführt. Es soll kein Abfall auf Deponien landen. Jedes Crewmitglied ist für die Mülltrennung zuständig und hier in dieser Anlage wird der gesamte Abfall schließlich nochmals getrennt und in Einzelteile zerlegt.
So sieht es am Ende aus, wenn Weiß‑, Grün- und Buntglas zerkleinert wurden. Sie können so Platzsparend gelagert und später wiederverwertet werden.
Der nächste Ort, zu dem wir gebracht werden, ist der Engine Control Room. Hier werden der Antrieb und alle wichtigen Schiffsfunktionen überwacht. Bevor wir den Raum betreten dürfen, wird jeder Einzelne nochmals mit einem Metalldetektor abgetastet und alle Namen mit den Schiffskarten abgeglichen. Außerdem ist die ganze Zeit jemand vom Sicherheitsdienst dabei.
Ein Ingenieur erklärt uns mehr über den Antrieb und wie sich das Schiff fortbewegt. Das ist sehr interessant und macht erst deutlich, wie viel Technik hinter solch einem Koloss steckt.
Was wir nicht besuchen dürfen, ist der Maschinenraum selbst. Aus Sicherheitsgründen darf den nur autorisiertes Personal aufsuchen. Auch den Antrieb können wir nur auf einem Bild anschauen, denn die riesigen Schiffsschrauben sind momentan natürlich unter Wasser. Erklärt wird schließlich auch die Funktion der Stabilisatoren, die wie Flügel ausgefahren werden können und das Schiff in rauer See ruhiger halten.
Es geht immer tiefer hinein in den Bauch der Anthem of the Seas. Inzwischen befinden wir uns auf Deck 00, die Passagierdecks enden auf Deck 03.
Hier unten befindet sich die Wäscherei. In riesigen Waschmaschinen werden, nach Farben sortiert, zwischen 20 und 80 Kilogramm Wäsche gewaschen und anschließend getrocknet.
Zum Bügeln gibt es spezielle Maschinen, die ein Hemd in Sekunden glätten. Mit regulären Bügeleisen wäre das nicht zu schaffen.
Am beeindruckendsten aber ist diese Bügelmaschine für große Stücke, wie Bettlaken oder Tischdecken. Der Mitarbeiter hängt das jeweilige Wäschestück ein …
… dann wird es automatisch eingezogen …
… und kommt schließlich, trocken, gebügelt und fertig zusammengelegt aus der Maschine.
Als Nächstes gehen wir durch verschiedene Aufenthaltsbereiche der Crew. Dieses Crew Café kann ich fotografieren, weil es leer war. Ansonsten wird darum gebeten, nicht zu fotografieren und die Freizeit der Crew zu respektieren.
Nun geht es wieder einige Decks nach oben und wir erreichen den Backstage-Bereich des Theaters. Hier sehen wir die riesigen Kulissen der aktuellen Shows und die Garderoben der Künstler.
Der letzte Stopp der Tour liegt dann nochmals viele Decks höher und ist die Brücke. Während man diese früher auf fast jeder Cruise besuchen konnte, ist auch das aus Sicherheitsgründen nur noch selten möglich. Das hier ist erst die zweite Brücke, die ich besuchen darf. Bevor wir eintreten, werden wir nochmals einer Sicherheitskontrolle unterzogen. Schließlich werden wir von Captain Srecko Ban auf der Brücke begrüßt. Der Kroate aus Dubrovnik schloss 1990 die Marineakademie ab und hat seit 1996 sein Kapitänspatent. Seit 1998 ist er auf den Schiffen von Royal Caribbean unterwegs.
Zuerst werden wir dann zur Backbordseite des Schiffs geführt. Diese Apparaturen gibt es auch auf der Steuerbordseite. Von hier kann das gesamte Schiff gesteuert werden. Genutzt werden diese Apparaturen aber hauptsächlich bei An- und Ablegemanövern.
Dazu gibt es auch eine gläserne Bodenplatte und wer sich traut, kann hier einmal direkt über dem Ozean stehen.
Auch der Blick entlang des Schiffs ist nicht zu verachten. Solch eine Aussicht hat man sonst nirgends auf der Anthem of the Seas.
Nicht so nah herantreten dürfen wir an die Mittelkonsole, von wo das Schiff während der Fahrt gesteuert wird. Momentan sitzt hier aber niemand, denn auch so ein Cruise Liner fährt bei ruhiger See mit Auto Pilot und wird lediglich von einem Offizier überwacht.
Und der eigentliche Steuermann ist sowieso er hier. 😉
Hinter der Brücke befindet sich der Navigationsraum, in dem alle wichtigen Informationen über das Schiff und die Route überwacht werden.
So kann man hier auch sehen, dass wir bereits die Hälfte der Strecke zwischen Bermuda und New York wieder zurückgelegt haben. Doch ganz ist die Reise noch nicht vorbei.
Nach 3 Stunden ist die Tour hinter die Kulissen beendet. Das Erlebnis war nicht billig, für mich aber jeden Cent wert. So einen Einblick in die Abläufe eines Kreuzfahrtschiffs bekommt man nicht jeden Tag. Ich kenne keine andere Gesellschaft, die solch ausführliche Touren in den Crewbereich anbietet. Ja, ich habe schon mal einzelne Bereiche besucht, aber diesen umfassenden Einblick fand ich viel spannender. Und da so viel zu entdecken und Umherlaufen hungrig macht, gehe ich gleich mal zurück ins Restaurant zum Lunch. Heute nehme ich nicht das Buffet, sondern lasse mich à la carte bedienen.
Danach mache ich einen kleinen Verdauungsspaziergang rund um das obere Außendeck.
Schließlich ist es dann auch soweit und es wird Zeit sich am North Star einzufinden. Eigentlich hätte ich die Reservierung gar nicht unbedingt gebraucht, denn auch so ist die Wartezeit max. 15–20 Minuten. Aber nun habe ich sie und dann wird sie auch genutzt. Unsere kleine Gruppe darf also an den anderen Wartenden vorbei treten und wird an den Anfang der Reihe gestellt. Etwa zehn Minuten dauert es dann aber doch noch, bis wir an Bord dürfen.
Etwa zehn bis zwölf Leute werden auf einmal in die Glaskugel gelassen. Hinein würden auch doppelt so viele passen, aber da man jedem Passagier Gelegenheit zum Fotografieren und Schauen geben will, wird die Anzahl begrenzt. Eine kleine Warnung vorweg, es ist trotzdem extrem schwer durch die gebogenen Scheiben zu fotografieren und ein kleines schwarzes Tuch um das Objektiv gewickelt hätte hier sicher geholfen. Da ich aber weder das noch, aufgrund der Wärme, eine Jacke dabei habe, muss ich nun so zurechtkommen.
Kaum sind wir an Bord, schließen sich die Türen und es geht ab nach oben. Der Ausblick auf das Schiff von hier ist schon einmalig. An ihrem höchsten Punkt schwebt die 3,6x4,5 Meter große Kugel atemberaubende 90 Meter über dem Ozean.
Ganz oben angekommen, ist der Ausblick fantastisch. Ansonsten müsste man schon in einen Helikopter steigen, um dieses Panorama zu haben. Das ist ein ganz einzigartiges Erlebnis, das Royal Caribbean hier geschaffen hat. Das sucht wirklich seinesgleichen.
Nach rund zehn Minuten geht es dann wieder nach unten und damit ist der Ausflug in den North Star auch schon wieder vorbei. Wer will, kann dieses Erlebnis aber auch mehrmals haben, sogar im Hafen, wo der Ausblick sicher auch interessant ist.
Viel Zeit habe ich jetzt nicht mehr. Ich muss mich sogar etwas sputen, denn ich will jetzt noch ins Musical. Auf der Anthem of the Seas wird das Broadway Musical „We will rock you” aufgeführt, in Originallänge und mit Originalkulissen. So etwas habe ich auch noch nie erlebt. Normalerweise gibt es abends richtig gute Shows, die aber nur um die 60 Minuten lang sind, ein ganzes Musical habe ich auf See noch nie gesehen. Und ich kann nur sagen, es war fantastisch. Das hätte am Broadway nicht besser sein können und war hier doch im Preis inkludiert. Ich bin absolut begeistert. Nach der Show gehe ich zurück in meine Kabine, um mich ein wenig auf meinem Balkon auszuruhen.
Punkt 18 Uhr bin ich aber bereits wieder zum Windjammer Café unterwegs, wo es heute das große Tortenbuffet gibt. Und ich probiere nicht nur diese Leckereien, sondern kann auch einem Happen vom Dinnerbuffet nicht widerstehen.
Danach gehe ich nochmals ins Theater, denn ich will die Farewell Show nicht verpassen.
Zum richtigen Dinner gehe ich heute erst um 21 Uhr. Für mein Abschiedsessen habe ich das American Icon Restaurant gewählt, sodass ich nun in jedem der inkludierten Restaurants einmal gegessen habe.
Das Essen hier war neben dem im The Grande am besten. Besonders das Lamm war wirklich köstlich und versöhnt mich so mit den nicht ganz so gelungenen Restauranterlebnissen dieser Reise.
Bevor es heute ins Bett geht, heißt es noch Koffer vor die Tür stellen, da ich diese nicht selbst von Bord tragen möchte. Dann genieße ich noch ein wenig die Abendluft auf dem Balkon, die allerdings nicht mehr so schön warm ist. Man merkt, dass wir uns dem herbstlichen New York nähern. Die sommerlichen Temperaturen der letzten Wochen sind dort bereits Geschichte und der Herbst hat im Nordosten Einzug gehalten.
Wetter: 25 Grad, sonnig