Tag 15: Donnerstag, 13. Oktober 2016
Green Mountains with a twist – Portsmouth nach Pittsfield
„Calvin Coolidge was the greatest man who ever came out of Plymouth Corner, Vermont.” – Clarence Darrow
Auch in Portsmouth gibt es vieles zu besichtigen, doch war ich in der schönen Altstadt schon mehrmals unterwegs, sodass ich mich gegen einen längeren Aufenthalt entscheide. Nur eine kurze Runde drehe ich durch die Stadt, einfach so aus Nostalgie, und mache noch schnell ein aktuelles Bild vom Moffatt-Ladd House.
Mir kam gestern Abend die Idee, doch nicht an der Küste entlang zurück nach New York zu fahren, sondern über Vermont. Dadurch kann ich wenigstens noch einige Orte besuchen, die ich am Anfang der Reise streichen musste. So bin ich ganz schnell wieder auf dem Interstate und durchquere New Hampshire.
Das dauert nicht so lange, denn die Staaten in New England sind fast alle nicht sehr groß. Nach guten 2 Stunden fahre ich bereits über die Grenze in den Green Mountain State.
Mein erster Stopp ist der Quechee Gorge State Park. Die Quechee Gorge ist die tiefste Schlucht in Vermont und entstand vor etwa 13000 Jahren durch Gletscheraktivität.
Der Park ist sehr einfach zu erreichen, denn die US 4 überquert die Schlucht auf einer 50 Meter hohen Brücke. Von deren Gehwegen hat man einen schönen Blick hinunter zum Fluss.
Neben der Brücke beginnt auch ein Wanderweg, dem ich aber nur ein kleines Stück folge. Mir fehlt die Zeit, denn ich habe heute noch einiges vor.
Ich fahre noch ein wenig in der Gegend herum, denn ich bin auf der Suche nach einer Covered Bridge, die es hier geben soll. Unterwegs sehe ich auch einige nette Häuser.
Schließlich finde ich die Quechee Covered Bridge. Sie ist eine der wenigen Covered Bridges, die nicht historisch ist. Die 70 Fuß lange Brücke wurde erst 1970 erbaut.
An einer Seite der Brücke gibt es einen überdachten Fußweg, auf dem ich die Brücke überquere.
Und dann steht natürlich noch eine Fahrt über die Brücke mit dem Auto an. Das mache ich eigentlich bei jeder dieser Brücken, bei der das möglich ist.
Nur kurze Zeit später entdecke ich auf meiner Fahrt durch Vermont auch schon die nächste Covered Bridge. Diese Brücke wurde bereits 1836 erbaut und ist eine der ältesten in Vermont, ja sogar den ganzen USA. Die 57 Meter lange und sechs Meter breite Brücke überspannt den Ottauquechee River und ersetzte drei frühere Brücken, die bei Fluten zerstört wurden. Bis 2011 konnte die Brücke so kontinuierlich genutzt werden. Dann kamen die Ausläufer von Hurrikan Irene und beschädigten sie schwer, sodass sie zwei Jahre lang restauriert werden musste.
Natürlich fahre ich auch über diese historische Brücke. Ich finde es jedes Mal wieder interessant, diese Brücken mit Dach zu überqueren.
Dann geht es wieder weiter durch das Herz von Vermont. Schöne Herbstfarben gibt es hier, doch leider holt mich auch das schlechte Wetter ein. Von Westen ziehen dunkle Wolken heran, die Regen mit sich bringen. Hatte der Wettermann im Fernsehen also doch recht.
Im strömenden Regen erreiche ich schließlich die President Calvin Coolidge State Historic Site. Also geht’s vom Parkplatz erstmal im Laufschritt ins Besucherzentrum, in dem auch ein kleines Museum untergebracht ist.
Im Museum wird dem Besucher dann erst einmal Calvin Coolidge näher gebracht. Auf Tafeln oder durch Ausstellungsstücke wird ein Einblick in sein Leben gewährt.
Hoch interessant finde ich die Wahlergebnisse. Heute kann man sich eine solche Verteilung zwischen den Parteien gar nicht vorstellen. Auch die Anzahl der Wahlmänner zeigt, wie sehr sich die Besiedlung des Landes verändert hat.
In der Ausstellung zu sehen ist auch technisches Gerät aus den 20er Jahren sowie Staatsgeschenke, die Präsident Coolidge entgegennahm.
Der Großteil des Parks liegt jedoch im Freien, sodass ich froh bin, dass der Regen wenigstens etwas nachgelassen hat. Mit Schirm begebe ich mich auf Entdeckungstour. Das Interessante am Park ist, dass er eigentlich kein abgeschlossenes Gebiet ist, sondern vielmehr das Zentrum des kleinen Ortes Plymouth Notch. Die Straße ist also öffentlich und kann befahren werden. Nur einige Gebäude selbst sind Museen und gehören zum Park. Andere werden auch heute noch als Restaurant, Geschäfte oder sogar Käsefabrik genutzt.
Mein erstes Ziel ist die ehemalige Post. Heute befindet sich im Erdgeschoss ein Geschäft, doch den ersten Stock kann man besuchen. Hier gibt es noch historische Bilder und auch einige alte Postutensilien. Berühmt wurde der Raum über der ehemaligen Post aber als Summer White House von Calvin Coolidge, denn der Präsident regierte von hier, wenn er in Plymouth Notch weilte.
Ich laufe weiter die Hauptstraße hinunter. Inzwischen hat der Regen aufgehört, sodass ich mich etwas besser umschauen kann. Ich erreiche das Geburtshaus von Calvin Coolidge. Das Haus war an den Laden seines Vaters angebaut und am 4. Juli 1872 erblickte der spätere Präsident hier das Licht der Welt.
Nur wenige Meter weiter komme ich zur Kirche. The Union Christian Church wurde 1840 erbaut und war der Dreh- und Angelpunkt der Gemeinde als Coolidge hier lebte.
Schräg gegenüber steht dann das Haus mit der wohl größten historischen Bedeutung.
Nachdem das zweite Kind der Coolidges geboren war, wurde das alte Haus zu klein und John Calvin Coolidge kaufte das Haus schräg gegenüber seines Geschäfts. Auch als Erwachsener kam Calvin Coolidge hierher oft zurück, um seine Eltern zu besuchen. Er selbst wohnte aber in Northampton, Massachusetts, wo er Jura studierte und später der republikanischen Partei beitrat. Er wurde schließlich Bürgermeister der Stadt, zog in das Repräsentantenhaus sowie den Senat des Staates ein und wurde schließlich Gouverneur von Massachusetts.
Zur Präsidentschaftswahl 1920 wurde er als Vizepräsident nominiert und als Warren G. Harding die Wahl gewann, bekleidete er dieses Amt. Im Sommer 1923 verbrachte Coolidge, wie so oft, einige Zeit bei seinen Eltern, als er hier vom Tod Warren G. Hardings erfuhr. Am 3. August wurde er im Wohnzimmer von seinem Vater zum 30. Präsidenten der USA vereidigt.
Da es weiterhin trocken ist, laufe ich die Main Street bis zum Ende.
Dort steht die Plymouth Cheese Factory, die 1890 von John Coolidge und seinen Geschäftspartnern eröffnet wurde. Bis 1934 wurde hier Käse produziert, bevor sie geschlossen wurde. 1960 wurde die Fabrik jedoch von John Coolidge, dem Sohn des Präsidenten, wiedereröffnet, bis er sie 1998 an die Vermont Division for Historic Preservation verkaufte. Danach wurde die Fabrik modernisiert und produziert so noch heute Käse.
Im Obergeschoss befindet sich ein Museum, das die Geschichte der Käsefabrik erzählt und alte Gerätschaften zeigt.
Auf dem Rückweg zum Parkplatz stoppe ich am Coolidge Farm Shop. 1870 erbaut, diente er als Reparaturladen für die Gerätschaften der umliegenden Farmen.
Das letzte Gebäude, das ich besuche, ist der Wilder Barn. Früher war im Obergeschoss Heu gelagert, im Erdgeschoss wurden Tiere gehalten. Heute sind hier historische Kutschen, Autos und Gerätschaften untergebracht.
Durch schön gefärbte Wälder fahre ich die letzten Meilen gen Woodstock in Vermont.
Unterwegs halte ich noch an der Lincoln Covered Bridge. Im Jahr 1877 erbaut, ist sie die einzige Holzbrücke dieser Bauart, die es heute noch in den USA gibt. Die Brücke wurde aus großen Holzbalken errichtet und mit Stahlstreben verstärkt. Dieses Design war der Vorläufer unzähliger Eisenbrücken, die später gebaut wurden.
Schließlich komme ich nach Woodstock. Leider regnet es inzwischen wieder, sodann ich nicht anhalte. Schade, der kleine Ort gefällt mir und man hätte hier sicher etwas Zeit verbringen können. So aber fahre ich geradewegs zum Marsh-Billings-Rockefeller National Historic Park.
Der Grundstein für das Haus wurde bereits 1805 gelegt, als die wachsende Marsh Familie mehr Platz benötigte. Sie waren die ersten Besitzer des Anwesens, bevor sie es 1869 an Frederick Billings verkauften. 1885 ließ Billings das Haus schließlich zu einem Anwesen im Queen Anne Style umbauen, wie es damals modern war. Danach blieb das Haus unverändert, bis es Laurance Spelman Rockefeller und Mary French Rockefeller im Jahr 1954 erbten. Die Rockefellers ließen das Haus zwar modernisieren, behielten aber das ursprüngliche Design bei. Seit 1998 ist das Anwesen schließlich ein National Historic Park.
Da es gerade wieder nicht regnet, sehe ich mich zuerst im Garten um. Der wurde zuletzt 1954 von den Rockefellers umgebaut und wird seitdem in dieser Art erhalten.
Ich gehe zurück zum Haus, denn das Gebäude selbst kann man nur auf einer Ranger Tour besichtigen.
Die Gruppe betritt das Haus durch die Vordertür und versammelt sich zuerst im Foyer. Hier erzählt Rangerin Catherine etwas mehr von den Familien, die hier einst gelebt haben.
Die Möbel im Haus sind modern, denn die Rockefellers richteten sich in 1954 neu ein. Das Haus selbst aber ist noch im Stil von 1885 erhalten. Tapeten und Holzarbeiten sind liebevoll restauriert und erstrahlen wie am ersten Tag.
Da die Rockefellers hier bis in die 90er Jahre lebten, sind auch damals moderne Gerätschaften, wie Kassettenradio oder Röhrenfernseher zu sehen.
Nun steht mir noch eine längere Fahrt durch Vermont bevor. Das ist der Preis, den ich dafür zahlen muss, dass ich noch einige der zuvor gestrichenen Ziele besuchen konnte. Unterwegs zu sehen sind immer wieder schöne Herbstfarben.
Langsam wird es dunkel und noch bevor ich die Staatsgrenze nach Massachusetts überquere, ist die Sonne untergegangen. Nun hört auch der Regen endgültig auf und die dunklen Wolken ziehen langsam ab.
Es ist schon eine Weile dunkel als ich das Städtchen Pittsfield erreiche, wo ich heute im Best Western Plus Berkshire Hill Inn übernachte.
Essen gehe ich heute aber trotzdem noch. Irgendwie ist mir nicht nach auf dem Zimmer sitzen, zumal das Best Western Plus meiner Meinung nach das Prädikat nicht so ganz verdient hat. Die Homewood Suites der letzten Tage waren sehr viel schöner. Irgendwie werde ich mit Best Western in den USA oft nicht so ganz warm.
Eigentlich war das ja ganz anders geplant und ich wollte hier noch einiges besichtigen, dass ich im letzten Jahr nicht geschafft habe. Aber durch die Wetterkapriolen am Beginn der Reise werden diese Orte nun auf meiner Liste bleiben, denn ich muss weiter Richtung New York. So gehe ich nach dem Essen auch recht bald zu Bett, denn es steht nochmal einiges auf dem Programm am morgigen Tag.
Meilen: 308
Wetter: 9–18 Grad, bewölkt mit Schauern
Hotel: Best Western Plus Berkshire Hills Inn