Tag 2: Samstag, 20. April 2019
Small Treasures – Los Angeles nach Palmdale
„We only have two kinds of weather in California, magnificent and unusual.” – James M. Cain
Ich habe gut geschlafen, aber als ich aus dem Fenster schaue, folgt Ernüchterung, denn der Hochnebel von gestern ist immer noch da. Na super. Laut Wetterbericht soll sich der Nebel sogar halten, sodass ich dem wohl nur entkomme, wenn ich den Kessel, den Los Angeles bildet, verlasse. Zuerst einmal gehe ich aber auf die schöne Terrasse des Hotels und genieße mein Frühstück.
So richtig eilig habe ich es heute früh nicht, das Wetter ist durch den Nebel mäßig und ich will erst einmal die Rush Hour durchlassen bevor ich aufbreche. Mein Weg ist auch nicht so weit, doch trotzdem habe ich natürlich ein paar Zwischenstopps herausgesucht. Wer meine letzten Reiseberichte über Kalifornien gelesen hat, der erinnert sich vielleicht, dass ich schon öfter Orte besucht habe, die im Passport2History zu finden sind. Das ist ein kleines Büchlein mit allerlei interessanten Orten in Südkalifornien. Heute will ich zu dem Ort, an dem alles begann, dem Leonis Adobe. Hier wurde die Idee geboren und das kleine Ranch Haus ist auch das erste Ziel im Pass gewesen.
Bevor ich mir das Haupthaus näher ansehen kann, geht es vom Parkplatz aber erst einmal in das Plummer. House. Das kleine Gebäude wurde 1983 hierher versetzt. Ursprünglich wurde es 1874 in Plummer Park in West Hollywood erbaut und war einst als das älteste Haus von Hollywood bekannt. In späteren Jahren war es jedoch verlassen und wurde von Vandalen beschädigt. Um es vor dem Abriss zu bewahren, wurde das Plummer House schließlich auf das Gelände des Leonis Adobe versetzt und dient heute als Visitor Center und kleiner Shop.
Über einen kleinen Pfad, der durch einen Garten führt, gelange ich zum Haupthaus. Dort stehen heute einige Tische und Stühle auf der Terrasse, denn es soll später eine englische Tea Time geben, die Geld für den Erhalt des Anwesens sammelt. Deshalb gehe ich auch direkt zum Haus, damit ich mich noch ungestört umsehen kann.
Das Leonis Adobe wurde ursprünglich im Jahr 1844 erbaut. Zwischen 1850 und 1860 wurde es vom Rancher Miguel Leonis gekauft, der einst aus den spanischen Pyrenäen nach Amerika gekommen war. Hier stieg er zum größten Landbesitzer im San Fernando Valley und einem wohlhabenden Mann auf. Er ließ das Haus massiv umbauen, dazu gehörten auch die Balkone sowie diverse Anbauten.
Zum Großgrundbesitzer stieg er durch zwei Landkäufe auf. Zuerst erwarb er eine halbe Ranch von seinem schwer erkrankten Chef. Die andere Hälfte besagter Ranch gehörte einer verwitweten Indianerin, die er kurzerhand heiratete. Später jedoch stritt er die Hochzeit ab, was nach seinem Tod zu einem fast fünfzehn Jahre andauernden Prozess um sein Erbe führen sollte, den die Klatschspalten der Zeitungen verfolgten, sodass die Angelegenheit auch heute noch sehr gut dokumentiert ist.
Letztendlich gewann Espiritu den Prozess allerdings und nach ihrem Tod zog ihr Sohn aus ihrer ersten Ehe in das Haus. Juan Menendez lebte hier viele Jahre und veränderte einiges auf dem Grundstück, das ich später noch sehen werde. Im Jahr 1922 verkaufte er das Haus jedoch. Seitdem hatte es verschiedene Besitzer und sollte 1962 sogar abgerissen werden, um hier einen Supermarkt zu bauen. Das wurde in letzter Minute verhindert und das Museum gegründet.
Im Obergeschoss des Hauses befanden sich die Privaträume der Familie. Um mehr Platz zu schaffen, wurde ein Teil des Balkons verschlossen und so neue Räume geschaffen.
Zur Vorderfront aber gibt es immer noch einen breiten Balkon, der auch einen schönen Blick auf den Garten bietet. Früher konnte man von hier wahrscheinlich Meilenweit über die Ranch schauen.
Neben dem Haus steht in einem offenen Gebäude ein großer Ofen, in dem vor allem Brot gebacken wurde.
Außerdem gibt es einige Stallungen, in denen auch einige Tiere leben, die damals für eine Ranch in dieser Gegend typisch waren.
Die große Scheune wurde erst nach 1906 errichtet, als Juan Menendez Eigentümer der Ranch war. Er war von Beruf Schmied und so ist auch seine Werkstatt hier zu sehen.
Daneben kelterte Juan Menendez auch Wein und baute dazu diesen Turm mit einem riesigen Fass, in dem er seinen Wein lagerte. Im Erdgeschoss des Turms hatte er sich ein kleines Büro eingerichtet.
Als die ersten Gäste für die Tea Time kommen, bin ich mit meinem Rundgang fertig und mache mich auf den Rückweg zu meinem Auto.
Nur wenige Meilen weiter, versteckt in den Bergen der Santa Monica Mountains befindet sich die Paramount Ranch, ein Filmset, das ich schon öfter besucht habe. Korrekterweise sollte es wohl heißen befand, denn fast die gesamte Ranch ist einem der Feuer im Jahr zuvor zum Opfer gefallen, so steht es zumindest auf der Homepage des National Park Service, der diesen Ort verwaltet. Schon unterwegs sehe ich die ersten verkohlten Bäume, auch wenn der Boden schon wieder grün ist. Die Natur erholt sich erstaunlich schnell und im vergangenen Winter hat es viel geregnet, sodass Südkalifornien dieses Jahr einen sehr grünen Frühling hat.
Die verkohlten Bäume und Sträucher aber zeugen davon, wie schlimm es hier vor noch nicht allzu langer Zeit gebrannt hat. Ganze Hügelketten standen in Flammen, die alles zerstörten, was sich ihnen in den Weg stellte.
Am 9. November 2018 erreichte das sogenannte Woolsey Fire die Paramount Ranch, in der so viele Filmklassiker und Werbefilme zum Leben erweckt wurden und die ich schon mehrmals zuvor besucht habe. Die wohl bekannteste Serie der jüngeren Zeit, die hier gedreht wurde, ist Dr. Quinn, Medicine Woman (in Deutsch: Ärztin aus Leidenschaft).
Es tut schon weh, die verkohlten und geschmolzenen Trümmer zu sehen, die alles sind, was von der Westernstadt übriggeblieben ist. Noch vor ein paar Jahren konnte ich hier durch die Straßen ziehen und mich ein wenig wie im Wilden Westen fühlen. Doch das Feuer hat fast nichts davon verschont.
Sogar die alte Eiche, die seit über einhundert Jahren an diesem Platz steht und in unzähligen Filmen zu sehen war, überlebte das Feuer nicht. Ein Jahr ließ der National Park Service die verkohlten Reste noch stehen um zu sehen, ob sie noch einmal ausgrünen würde, doch das Feuer war wohl zu heftig und so musste sie im Februar 2020 gefällt werden.
Wie durch ein Wunder hat jedoch dieser kleine Haltepunkt das Inferno unbeschadet überstanden. Genauso wie die Gruppe Bäume dahinter. Es ist schon seltsam zu sehen, wie sich das Feuer durch die Gegend gefressen hat und doch einige wenige Ecken verschont wurden.
Ebenfalls überlebt haben diese Brücke und die kleine Kirche. Ihr Glück war wohl, dass sie etwas abseits stand und die Flammen so nicht übergegriffen haben.
Ansonsten ist die Ranch aber traurig anzusehen. Inzwischen wurden die Trümmer wohl beräumt und die Fläche ist nun völlig leer. Der National Park Service hat sich aber vorgenommen, die Westernstadt wieder aufzubauen, die nicht nur in Hollywood als Drehort beliebt war, sondern auch bei den jährlich rund 400.000 Besuchern.
Wann jedoch Wiedereröffnung gefeiert werden kann, das ist noch nicht bekannt. Derzeit erzählt nur ein Schild die Geschichte des Feuers und der Stadt, die dadurch zerstört wurde.
In etwas gedrückter Stimmung fahre ich schließlich weiter. Noch einen weiteren Stopp habe ich für heute auf meiner Liste. Der stammt wieder aus dem Pass2History, nennt sich Stagecoach Inn Museum und befindet sich in Newbury Park.
Das Stagecoach Inn wurde 1876 erbaut und war ursprünglich unter dem Namen Grand Union Hotel bekannt. An dieser Stelle befand sich eine Postkutschen-Station und die Reisenden, die zwischen Los Angeles und Santa Barbara unterwegs waren, sollten hier auch die Nacht verbringen können. Doch kurz bevor das Hotel fertig war, wurde die Linienführung verändert und so eröffnete Besitzer James Hammell eine Art frühes Urlaubshotel. Das ging jedoch nicht lange gut, denn schon in der großen Trockenheit von 1877 und 1878 verlor er seinen Besitz. Danach wechselte es mehrmals den Besitzer bevor es 1885 von Cecil Haigh gekauft wurde, dessen Enkel später für den Erhalt des historischen Gebäudes verantwortlich sein sollte.
Heute ist das Haus wieder wie ein Postkutschen-Stopp im 19. Jahrhundert eingerichtet. Und das ist ziemlich bemerkenswert, denn um 1960 sollte es zuerst abgerissen werden, weil der Ventura Freeway verbreitert wurde. Das jedoch wurde verhindert und das Gebäude etwas nach Westen versetzt. Dann jedoch schlug das Schicksal abermals zu. Nur fünf Jahre später brannte das Gebäude bis auf die Grundmauern nieder. Jedoch wurde beschlossen, es wieder neu aufzubauen und auch einzurichten. Die Wiedereröffnung fand 1980 statt.
So kann ich heute in Begleitung einer der Damen, die hier die Führungen machen, durch das Haus streifen. Sie muss mich zwar begleiten, lässt mich aber frei herumlaufen und auch nach Herzenslust fotografieren. Nebenbei erzählt sie mir Geschichten aus der Zeit, als die Strecke zwischen Los Angeles und Santa Barbara noch zwei Tage dauerte, anstelle von knapp zwei Stunden mit dem Auto, wie es heute der Fall ist.
In der Küche wurde einst die Mahlzeiten für die Gäste zubereitet. Die Verpflegung variierte, je nachdem, wie zahlungskräftig die Kundschaft war.
Dasselbe galt für die Schlafzimmer, wo vom erste Klasse Zimmer mit bequemem Bett über eine luxuriöse Suite bis hin zur einfachen Schlafkammer alles vorhanden war.
Ein weiterer Raum wird als Ausstellungsfläche für alte Musikgeräte genutzt, die das Museum über die Jahre zusammengetragen hat. Besonders interessant finde ich die original Edison Grammophone, die sogar über die Rollen mit den Musikstücken verfügen und heute noch abgespielt werden können.
Der letzte Raum, den ich mir anschaue, ist dann noch die kleine Bibliothek des Hauses.
Danach ist die Besichtigung aber noch nicht zu Ende, denn wir gehen quer über den Hof zum alten Schulhaus. Die sogenannte Timber School war das erste Schulhaus in Newbury Park und wurde 1889 erbaut. Das hier ausgestellte Gebäude ist jedoch nur eine Replik, denn das Original wurde bereits 1925 abgerissen.
Die Schule ist allerdings komplett ausgestattet, sodass es sich schon ein wenig wie vor über hundert Jahren anfühlt.
Zum Museumskomplex gehören heute noch einige andere Gebäude, wie diese Garage, in der historische Kutschen zu sehen sind, die einst auf dieser Postkutschen-Strecke unterwegs waren.
Weiterhin gibt es verschiedene Gebäude aus der Besiedlungsgeschichte des Conejo Valleys zu sehen, in dem sich Newbury Park befindet. Dazu gehört eine Replik des 1874 von Egbert Starr Newbury erbauten Hauses. Newbury war Gründer und Namensgeber von Newbury Park.
Ein weiteres Gebäude ist ein altes Adobe Haus, das die Zeit der Vaqueros repräsentiert, wie hier in Südkalifornien die Cowboys genannt wurden, die auf den Ranches für die Herden verantwortlich waren. Der einfache Bau verfügt lediglich über einige Pritschen sowie einen Tisch für die Mahlzeiten.
Weitere Ausstellungen sind den Chumash gewidmet, die schon Jahrhunderte vor den ersten Siedlern hier lebten sowie den Menschen, die vor rund einhundertfünfzig Jahren in diese Gegend kamen und hier sesshaft wurden.
Nach diesem interessanten Stopp machen ich mich nun weiter nach Nordosten auf und umso mehr ich aus dem Großraum Los Angeles herauskomme, desto weniger werden die Wolken. Als ich das Antelope Valley erreiche, scheint die Sonne. Es weht jedoch ein ziemlich starker Wind, doch noch denke ich mir nichts dabei, freue ich mich doch viel zu sehr auf das, was jetzt kommen soll.
Schon im März 2017 war ich in dieser Gegend und hatte ziemlich viel Glück, dachte ich bis dato zumindest. der Winter 2016/17 war in Kalifornien recht regenreich, sodass das Land im Frühjahr regelrecht aufblühte. Es gab grüne Hügel so weit das Auge reichte und Poppies, den berühmten kalifornischen Mohn. Schon damals war ich begeistert.
Der Winter 2018/19 war nun wiederum recht feucht, jedoch regnete es erst im Februar, sodass die Blütezeit in jenem Jahr später begann. Mein Glück, denn vor zwei Jahren wäre Ende April schon alles verblüht gewesen. Doch in diesem Jahr sollte sogar noch mehr blühen, wenn man den Bildern im Internet Glauben schenken durfte.
Als ich den berühmten Poppy Gebieten näher komme, sehe ich es auch schon orange schimmern. Doch so richtig knallig ist die Farbe irgendwie nicht. Sollten die Bilder im Internet denn nicht der Wahrheit entsprechen? War ich zu spät? Kann eigentlich beides nicht sein, denn ich habe mich direkt auf der Homepage des State Parks informiert und der Staat Kalifornien wird mich doch nicht belügen?
Als ich am Straßenrand anhalte, sehe ich den Grund dafür, die Poppies haben alle ihren Blüten geschlossen. Zuerst denke ich, dass das vielleicht nur hier ist und sie erst noch aufblühen werden, doch je weiter ich komme, desto mehr geschlossene Blüten sehe ich.
Meine Enttäuschung wächst, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Was ist denn hier bloß los? Wie kann das sein? Das steht doch im krassen Gegensatz zu dem, was ich auf den Bildern gesehen habe. Alles ist zwar voll mit Blüten, aber die sehen so total langweilig aus.
Eine Weile später, als ich vollends enttäuscht weiterziehen will, komme ich durch Zufall mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch. Den Beiden klage ich mein Leid, denn ich hatte hier wirklich mehr erwartet. Mindestens wie 2017 sollte es doch aussehen, wenn nicht noch besser. Die Zwei lachen und meinen nur, das läge am Wind. Poppies schließen nicht nur jede Nacht ihre Blüten, sondern eben auch bei starkem Wind wie heute, der sonst die zarten Blütenblätter zu schnell abreißen und so das Innere der Blüte freilegen würde.
Na super, nun wird mir einiges klar. Und ich muss natürlich am windigsten Tag der Woche hier sein. Klasse, die Enttäuschung ist perfekt. Recht geknickt fahre ich weiter nach Palmdale. Anhalten tue ich gar nicht mehr, denn es lohnt sich bei dem starken Wind einfach nicht, der bei meiner Fahrt über die Landstraßen sogar das Auto immer wieder durchschüttelt.
In Palmdale stoße ich auf einen Frozen Yogurt Shop und hole mir zum Trost erst einmal ein leckeres Eis.
Anschließend fahre ich zum Embassy Suites Hotel, wo ich eine nette kleine Suite bekomme, die wenigstens ein kleines Trostpflaster ist, auch wenn sich meine Stimmung heute nicht mehr so recht heben mag.
Als ich aus dem Fenster schaue, kann ich sehen, dass über Los Angeles anscheinend immer noch der Hochnebel hängt. Hier gibt es zwar den blauen Himmel, aber dafür pfeift weiterhin der Wind um alle Ecken.
Am Abend fahre ich in die Mall in der Nähe, ziehe noch ein wenig durch die Geschäfte und kaufe mir im Food Court etwas zu essen, bevor ich ins Hotel zurückkehre und ziemlich bald ins Reich der Träume entschwinde.
Meilen: 170
Wetter: bedeckt, später sonnig, 60 bis 74 Grad F
Hotel: Embassy Suites by Hilton Palmdale