Tag 14: Donnerstag, 02. Mai 2019
Castle Time – San Simeon nach Oxnard
„Southern California, where the American Dream came too true.” – Lawrence Ferlinghetti
Der heutige Tag war als so eine Art Puffer gedacht, nur für den Fall, dass irgendwas schiefgehen würde und ich einen Flug verpasse oder nicht antreten kann. Den Flug nach Deutschland zu verpassen wäre ja doch etwas problematischer, als die Reise etwas umzuplanen. Eigentlich hatte ich auch vor, die Küste etwas weiter nach Süden zu fahren, doch spontan habe ich gestern entschieden, schon in San Simeon zu übernachten. Und was liegt da heute näher, als mal wieder beim Hearst Castle vorbeizuschauen.
Ich habe das extravagante Haus des Medienmoguls William Randolph Hearst schon mehrmals besucht und doch bin ich immer wieder aufs Neue fasziniert. Da das Haupthaus sowie einige Nebenhäuser und der Garten einfach riesig sind, gibt es mehrere Touren, die jeweils ganz bestimmten Bereich besuchen. Will man eine ganz bestimmte Tour machen, empfiehlt es sich zu reservieren, denn die Führungen sind schnell ausgebucht. Mir aber ist es ziemlich egal, denn ich habe alle Touren schon gemacht und komme aus reinem Interesse wieder. Und früh am Morgen gibt es auch noch genügend Auswahl.
Etwas hat sich aber doch verändert seit meinem letzten Besuch und das ist der Parkplatz. Der hat jetzt ein Dach bekommen, sodass die Autos nicht mehr komplett in der prallen Sonne stehen. Das ist allerdings nur ein Nebeneffekt, denn eigentlich handelt es sich hier um Solarzellen, die das Besucherzentrum mit Strom versorgen.
Aber zurück zum Hearst Castle, jener extravaganten Villa, die sich der steinreiche Zeitungsherausgeber William Randolph Hearst hier an der kalifornischen Küste erbauen ließ. Das Land gehörte schon zuvor seiner Familie und tut es übrigens heute noch. Nur der kleine Bereich um das Haus ist heute ein State Park und als solcher für die Öffentlichkeit zugänglich.
Und so kann ich dann auch nicht eigenständig zum Haus fahren. Stattdessen bleibt das Auto am Besucherzentrum und ich muss in einem Bus umsteigen, der mich auf den Berg hinaufbringt. Schade ist dabei, wie bei so ziemlich allen Shuttleangeboten, dass man nicht individuell halten kann, was besonders bei der Rückfahrt ärgerlich ist, aber dazu später mehr. Allerdings ist genau das ein Hauptgrund für mich, warum ich am liebsten im eigenen Auto unterwegs bin, ich bin unabhängig.
Auf dem „La Cuesta Encantada”, dem verzauberten Hügel, wie Hearst das Anwesen nannte, angekommen, wird die Gruppe begrüßt. Die Innenbesichtigung der einzelnen Gebäude ist nur mit einem Guide möglich, allerdings darf ich Herzenslust fotografieren, was immerhin schon mal sehr vorteilhaft ist.
Über diese Treppen geht es zur Plaza vor dem Casa Grande, das das Haupthaus der Anlage ist und Wohnsitz des Medienmoguls William Randolph Hearst war.
Einen ersten kurzen Blick kann ich schon auf den römischen Pool werfen. Die Gartenanlage kann nach jeder Tour auf eigene Faust besichtigt werden. Und zum Glück sind die umfassenden Renovierungsarbeiten abgeschlossen, denn bei meinem letzten Besuch war es schon ziemlich enttäuschend als die gesamte Anlage eine riesige Baustelle war.
Bevor ich ein wenig mehr über die Geschichte erzähle, möchte ich noch kurz erklären, welche Tour ich heute mache. Insgesamt gibt es derzeit vier reguläre Touren, die jeweils einzeln, aber auch in Kombination gebucht werden können. Die „Grand Rooms Tour” ist sozusagen die Einsteigertour. Wer noch nie hier war, sollte diese Tour unbedingt zuerst machen. Sie führt durch das Erdgeschoss des Casa Grande und zeigt die wohl prächtigsten Räume des Anwesens. Sie gibt einen Eindruck wie es war, hier als Gast geladen gewesen zu sein. Tour Nummer zwei ist die Tour, die ich heute machen werden, die Upstairs Tour. Dabei werden die Privaträume des Hausherrn besichtigt. Die dritte Führung zeigt die drei Gästehäuser sowie die riesige Küche des Hauses und Tour vier geht näher auf die Arbeit der Architektin Julia Morgan ein. Ich habe alle Touren schon gemacht, sodass ich sehr genau weiß, was mich erwartet. Und doch ist es nach einigen Jahren wieder interessant und man entdeckt kleine Details, die einem vorher entgangen sind.
So starten wir nun mit der Besichtigung der oberen Etagen des Casa Grande. Zuerst geht es durch diverse Suite für enge Freunde und Familienmitglieder, denn nicht nur in den Gästehäusern waren Besucher untergebracht. Hearst liebte es große Parties zu geben, die über mehrere Tage oder sogar Wochen gingen. Allerdings hatte man sich als Gast auch an ein paar Regeln zu halten. Man durfte tun und lassen, was man wollte, aber das Abendessen mit dem Hausherrn war Pflicht.
Das Land der Hearsts reicht von hier oben so weit das Auge reicht und noch darüber hinaus. Die riesigen Ländereien hatte bereits sein Vater George Hearst ab 1865 erworben. Der 1820 geborene Hearst heiratete 1863 die erst 19-jährigen Phoebe Apperson und zusammen hatten sie einen einzigen Sohn, William Randolph Hearst, der 1863 geboren wurde. Nach dem Tod seiner Mutter, die 1919 an der spanischen Grippe verstarb, erbte Hearst unter anderem diese Ranch in den Bergen Kaliforniens. Eigentlich machte die Familie hier nur in einem Häuschen Ferien, doch Hearst wollte hier bequemer leben können. Nun ja, aus dem anfänglichen Bungalow ist dann dieses Haus entstanden, das jedoch eigentlich sogar nie fertig geworden ist.
Eines hatte WR Hearst übrigens mit seinem Vater gemein, er heiratete eine sehr viel jüngere Frau. Im Jahr 1903 heiratete er die 21-jährige Millicent Willson mit der er fünf Kinder hatte. Die Ehe hielt bis zu seinem Tod, jedoch hatten sich die Eheleute schon lange Zeit vorher nichts mehr zu sagen. Hearst lebte stattdessen fast dreißig Jahre mit der Schauspielerin Marion Davis zusammen, die auch mit ihm hier auf Herast Castle wohnte.
Doch wie konnte sich Hearst dieses Haus eigentlich leisten? Den Grundstock legte das Vermögen seines Vaters, der im Bergbau reich geworden war. So schickte er seinen Sohn nach Harvard, der dort Journalismus studierte und seinen ersten Job an der Uni bei keinem geringeren als Joseph Pulitzer hatte. Nach dem Tod seines Vaters kaufte Hearst seine erste Zeitung und von da an baute er sein Medienimperium immer mehr aus. Er war aber auch selbst ein ausgezeichneter Journalist, sodass er die Ausrichtung seiner Zeitungen aktiv mitbestimmte. Auf dem Höhepunkt des Unternehmens las jeder dritte Amerikaner eine Zeitung von Hearst. Insgesamt besaß er vierzehn Tageszeitungen, diverse Wochenblätter, Radiosender, ein Filmstudio und kauft schließlich sogar einen der ersten Fernsehsender.
Als Herats also hier oben mit dem Bau begann, entstand zuerst eines der Gästehäuser, in das er auch einzog. Dann tat er etwas für seine Zeit extrem ungewöhnliches, er engagierte eine Architektin mit dem Namen Julian Morgan. Die zwei sollte bis zu seinem Tode zusammenarbeiten und waren ein außergewöhnliches Gespann, denn Morgan verstand es, die Ideen von Hearst umzusetzen. So baute der Verleger nicht einfach nur ein Haus, er kaufte Unmengen an Antiquitäten in Europa, sogar ganze Räume, Decken, einfach alles was seinerzeit in Europa auf den Markt kam, als viele verarmte Adlige sich besonders in England und Spanien von ihren Besitztümern trennen mussten. All das wurde dann in sein Haus eingebaut. Hier gibt es keine Kopien, alles, was zu sehen ist, ist ein Original.
Geht man mit diesem Wissen durch die Räume, ist es einfach fantastisch diese vielen Stücke zu sehen, die allesamt aus Europa zusammengetragen wurden. Jeder Kaminsims, jede Decke, Lampe, Möbel, einfach alles wurde bei diversen Verkäufen zusammengetragen. Oft kaufte Hearst halbe Anwesen auf, einfach alles, was er finden konnte. Julia Morgan würde schon einen Platz dafür finden.
Besonders beeindruckend sind die Privaträume von Hearst, wie die große Bibliothek, in der Tausende wertvoller Bücher und Schriften zu finden sind.
Die Schlafzimmer sind dagegen regelrecht simpel gehalten und gar nicht so reich ausgestattet wie einige der anderen Räume.
Mein Lieblingsraum aber ist das Arbeitszimmer von Hearst. Von diesem Schreibtisch leitete er sein Imperium und am Besprechungstisch empfing er die Leiter seiner verschiedenen Unternehmen zu Meetings.
Ein weiterer ganz besonderer Raum ist übrigens das Turmzimmer, das für ganz besondere Gäste vorbehalten war.
Das Haus war für die Zeit extrem modern ausgestattet. Es gab nicht nur Elektrizität und Heizung, sondern auch voll ausgestattete Badezimmer mit fließendem Wasser, das durch eine Zisterne gewährleistet war.
Die unzähligen Gästezimmer und Suiten nehmen gar kein Ende. Hier bettete einst das Who’s who von Hollywood sein Haupt und wer hierher eingeladen wurde, der hatte es wirklich zu etwas gebracht. Alle waren die hier, Berühmtheiten wie Cary Grant, Rudolpho Valentino, Charlie Chaplin, Joan Crawford und Clark Gable. Aber nicht nur Hollywood Größen besuchten den einflussreichen Medienunternehmer. So kamen auch Winston Churchill, Charles Lindbergh oder Calvin Coolidge auf den Enchanted Hill zu Besuch.
An der Rückseite, wo wir das Haus nach der Tour verlassen, sieht man allerdings, dass sich unter dem Schmuck einfaches Mauerwerk befindet und das Haus nicht komplett fertiggestellt wurde. Dafür gibt es zwei Gründe. In den 1930er Jahren hatte Hearst finanzielle Probleme, sodass er den Bau ruhen lassen musste. Später, im hohen Alter, ging es dann nicht mehr so zügig voran, sodass er 1947 mit dem Bauen aufhörte, obwohl nicht alles beendet wurde.
Und noch etwas ist interessant. Man würde ja davon ausgehen, dass Hearst sein Anwesen nach seinem Tod seinen Kindern vererbt, doch das tat er nicht. Ihn störte, dass seine Kinder zu sehr darauf aus waren, die von ihm gesammelten Schätze unter sich aufzuteilen. Da die Kinder auch anderweitig versorgt waren, verfügte er, dass das Haus stattdessen der Öffentlichkeit zugänglich sein sollte und die Menschen die Möglichkeit haben sollten, die Kunstschätze zu besichtigen. Für viele Amerikaner war es seinerzeit unmöglich, je nach Europa zu reisen und so sollte sie hier ein kleines Stück der alten Welt im Original sehen können, was noch heute so möglich ist.
Wer jetzt aber glaubt, dass die Familie hier nichts mehr zu sagen hat, der irrt auch. Die Nachkommen haben ein ewiges Nutzungsrecht, das heißt, wenn sie wollen, können sie jeden Raum nutzen, den Garten, die Pools und sie könnten hier auch übernachten. Allerdings nimmt das seit 1976 niemand mehr wahr, als im Zuge des Prozesses um Patty Hearst (sie wurde damals entführt und sympathisierte dann mit ihren Entführern) ein Anschlag auf eines der Gästehäuser verübt. Dabei kam zwar keiner zu Schaden, doch die Hearsts kehrten nicht mehr hierher zurück.
Ich aber mache mich nun erstmal auf, ein wenig mehr vom Garten zu erkunden. Heute passt das Wetter einfach. Bei meinem letzten Besuch gab es ja umfassende Restaurierungsarbeiten und der Besuch davor war extrem verregnet, sodass es schon fast fünfzehn Jahre her ist, dass ich hier nicht mehr herumgelaufen bin.
Übrigens sind nicht nur die Kunstwerke im Haus Original, auch vieles im Garten kommt aus Europa und einige Stücke sind sogar zwischen eintausend und zweitausend Jahre alt.
Auf meinem Rundgang komme ich auch an den Gästehäusern vorbei. Drei gibt es, das Casa del Sol, Casa del Mar und Casa del Monte. Alle drei Häuser sind ebenfalls mit extrem vielen Antiquitäten ausgestattet und auf einer Tour zu besichtigen.
Das absolute Highlight im Garten ist für mich aber der Neptune Pool. Das riesige Schwimmbecken ist mit antiken Gebäuden umgeben und es ist schon verlockend, hier einmal baden zu gehen. Leider müsste man dazu auch zur Familie gehören. Dann wäre es kein Problem. Für State Park Besucher ist es aber nicht möglich.
Was aber geht, sich in die Korbmöbel am Rand setzen und einfach entspannen. Das ist schon sehr angenehm mit dem plätschernden Wasser und geschützt vor der kalifornischen Sonne.
Eine Sache gibt es da noch zu erzählen. Im Jahr 1941 kam der berühmte Film „Citizen Kane” von Orson Welles in die Kinos und die Hauptrolle basierte auf William Randolph Hearst.
Für mich ist meine heutige Tour nun langsam zu Ende, doch bevor ich gehe, gibt es noch einen letzten Ort, der bei einer Besichtigung von Hearst Castle einfach nicht fehlen darf und der verbirgt sich hier. Nein, ich meine nicht die Tennisplätze, auch wenn die ebenfalls imposant sind. Die Glasquader in der Mitte, gleich neben den Netzen, lassen darauf schließen, dass sich hier noch etwas darunter befindet.
Und das ist der fantastische Innenpool des Anwesens. Der römische Pool ist komplett mit kleinen Mosaiksteinen und Blattgold verziert und die Glasquader sorgen für mehr Tageslicht in dem sonst etwas düsteren Raum.
Am Ausgang des Pools warten dann schon die Busse, die die Besucher wieder ins Tal bringen. Und hier ist es wirklich schade, dass die Fahrt so rasant vonstattengeht, denn unterwegs gibt es noch einiges zusehen. Doch Bilder sind so nur extrem schwer zu machen.
Die Fahrt geht nämlich am ehemals größten privaten Zoo Amerikas vorbei. Hearst hielt hier Löwen, Bären und viele andere exotische Tiere, die nach seinem Tod alle in andere Zoos gebracht wurden. Nur die Zebras, die wurden einfach auf der Ranch freigelassen und so kann man sie mit etwas Glück noch heute zwischen den Rinderherden entdecken.
Außerdem zusehen ist dieser Arkadengang, der die eigentliche Zufahrt zum Anwesen war. Die Gäste damals kamen nicht auf der Straße, die die Busse heute nutzen, sondern flanierten genau in der Mitte der zwei Straßen entlang.
Die Fahrt ins Tal bietet dann auch nochmal tolle Ausblicke bis zum Pazifik. Und alles Land, das von hier zu sehen ist, gehört noch immer der Familie Hearst. Einige Familienmitglieder leben sogar hier in der Nähe.
Die Ranch verfügt sogar über einen eigenen Flugplatz mit privater Landebahn, sodass die Gäste und Familienmitglieder bequem einfliegen konnten und noch immer können. Mit dem Auto sind es von hier ja immerhin vier Stunden Fahrt nach San Francisco oder Los Angeles.
Kurz vor dem Ende der Tour passiert der Bus noch das Verwalterhaus der Ranch, denn die wurde auch zu Lebzeiten von Hearst immer weiter bewirtschaftet.
Es ist schon Nachmittag, als ich meine Besichtigung für heute abschließe. Das Wetter war wirklich perfekt und mir hat es wieder einmal sehr gut gefallen. Nun wird es aber Zeit weiter nach Süden zu fahren. Die Fahrt ist hier nicht mehr ganz so spektakulär, auch wenn es schöne Abschnitte gibt. An anderen Stellen führt der Highway eins aber einfach durch Ortschaften und wird schließlich sogar zu einer mehrspurigen Autobahn. Am frühen Abend erreiche ich schließlich Oxnard, wo ich für heute Nacht das Hampton Inn reserviert habe.
Am Abend suche ich mir noch ein Restaurant und lasse den Tag anschließend auf meinem Zimmer ausklingen, wo ich natürlich wieder Bilder sichere und den morgigen Tag plane, denn auch wenn ich mich Los Angeles nur sehr schnell nähere, habe ich doch noch ein paar kleine Umwege geplant.
Meilen: 180
Wetter: sonnig, 58 bis 75 Grad F
Hotel: Hampton Inn & Suites