Tag 11 – Samstag, 21. Mai 2016
Castles in the Sky – Birmingham nach London
„We fall to rise again.” – unknown
Ich hatte mir ja ein paar Orte herausgesucht, die ich heute Morgen eigentlich in Birmingham anschauen wollte, doch irgendwie spricht mich das hier gar nicht an. Schon lustig, nun war ich schon zum zweiten Mal hier, aber habe immer noch nichts von der Stadt gesehen. Irgendwie bin ich nur genervt und biege kurzentschlossen einfach auf die Autobahn Richtung Coventry ab. Hier gibt es eine ganz besondere Kathedrale, die ich besuchen möchte.
Die St. Michaels Church wurde im späten 14. bis frühen 15. Jahrhundert erbaut. Sie war die größte Pfarrkirche Englands, bis sie schließlich 1918, mit der Gründung der Diözese Coventry, zur Kathedrale erhoben wurde. Am 14. November 1940 wurde die Kathedrale jedoch durch einen deutschen Luftangriff, den Coventry Blitz, fast vollständig zerstört.
Der ehemalige Probst von Coventry ließ nach dem Luftangriff aus zerstörten Dachbalken ein Holzkreuz herstellen. Das Original steht heute in der neuen Kathedrale, die direkt daneben erbaut wurde. Eine Replik steht auf einem Altar in der Ruine. Eine weitere Kopie wurde 1988 der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin gestiftet, die das Schicksal der Kathedrale von Coventry teilte. Seitdem sind die beiden Kirchen „Schwesterkirchen”.
Da ich nun Birmingham früher hinter mir gelassen habe als gedacht, fahre ich kurz entschlossen nach Ragley Hall, das ich ebenfalls auf meiner Häuserliste zu stehen hatte, aber eigentlich nicht geplant war. Und was für ein Glücksgriff das ist, denn dieses Haus ist wieder einmal richtig Klasse – einfach auf ganz vielen Ebenen ein Erlebnis der besonderen Art.
Ragley Hall wurde 1680 für Edward Conway, 1. Earl of Conway erbaut, heute ist es der Familiensitz des Marquess of Hertford. Aufgrund dieser Tatsache darf ich im Haus leider nicht fotografieren. Ich kann aber so viel verraten, die Tour lohnt sich, denn das Haus ist komplett in Benutzung, sodass Altes oft mit Neuem verbunden ist. Richtig unglaublich ist aber das Gemälde, das sich über das gesamte Treppenhaus erstreckt. Im Jahr 1983 wurde es von Graham Rust fertiggestellt und im Gemälde finden sich auch sämtliche Familienmitglieder sowie Freunde der Familie wieder.
Besonders Klasse aber waren die Guides. Eine von ihnen sprach plötzlich Deutsch, aber sie erklärte mir, dass sie Britin sei. Sie war mit ihrem Mann viele Jahre in Deutschland stationiert und hat die Sprache ziemlich perfekt erlernt und war sehr erfreut, sich mit mir unterhalten zu können. So verquatschen wir uns eine ganze Weile, immer mal wieder in Englisch und dann wieder in Deutsch. Danach gehe ich in den Garten hinaus.
Als ich wieder zurück zur Front des Hauses komme, steht dieser super schöne Rolls-Royce vor der Tür. Ein tolles Motiv, zusammen mit dem Herrenhaus.
Nicht ganz so überzeugt hat mich dagegen Coughton Court, das ich als Nächstes besuche. Ich will dem Haus nicht unrecht tun, es ist schon interessant, aber irgendwas hat mich gestört. Vielleicht war es auch das Wissen um die, sagen wir es mal so, wieder etwas eigenwillige Art und Weise, wie der National Trust dazu gekommen ist. Ich muss schon sagen, dass es eine Zeit gab, wo dort recht streitbare Entscheidungen getroffen wurden. Das empfinde ich auch hier so. Zwar wohnt hier die Familie noch immer in einem Teil des Hauses, doch irgendwie scheint das Ganze nicht so ganz in gegenseitigem Einvernehmen passiert zu sein, wenn man genauer nachliest.
Das Coughton Estate gehörte der Familie Throckmorton schon seit 1409 und der älteste Teil des Wohnhauses, das Gatehaus in der Mitte, stammt aus dem Jahr 1530. Die Throckmortons und ihr Anwesen haben eine spektakuläre Geschichte hinter sich. Das Gatehouse wurde damals Heinrich VIII. gewidmet, den die Throckmortons favorisierten. Doch das dauerte nicht lange. Probleme entstanden, weil sie Catherine von Aragon unterstützen und gegen die Scheidung von König und Königin waren und gegen die Reformation. Die Throckmortons waren und sind praktizierende Katholiken.
Noch schlimmer für die Familie war dann aber, dass Sohn Robert Throckmorton zuerst am Throckmorton Plot teilnahm. Im Jahr 1583 wollte man Königin Elizabeth I. ermorden. Noch fataler aber war die Verstrickung in den Gunpowder Plot von 1605. Diesmal sollte James I. von englischen Katholiken ermordet werden. Beide Zwischenfälle führten dazu, dass die Familie große Teile ihres Vermögens verlor und so nie in der Lage war, das Haus großartig umzubauen.
Seit 1946 gehört das Haus dem National Trust, doch die Throckmorton haben momentan einen 300-jährigen Pachtvertrag mit dem Trust und ein Teil der Familie wohnt noch immer hier. Somit ist Coughton Court eines der am längsten durchgängig von einer Familie bewohnten Häuser in England.
Zum Anwesen gehören auch zwei Kirchen. Die linke Kirche ist noch immer die private Kapelle der Familie Throckmorton.
Der Weg zurück nach London führt mich wieder Richtung Süden. Nur unweit der Autobahn liegt Farnborough Hall, das nur an zwei Nachmittagen pro Woche geöffnet ist, weil es noch heute von einer Familie bewohnt wird, obwohl es zum National Trust gehört. Deshalb auch hier das Fotoverbot, denn die Einrichtung gehört der Familie und nicht dem National Trust.
Die Holbech Familie kaufte das Land rund um Farnborough Hall im Jahr 1684 und kurz danach wurde auch das Haus erbaut. Bis 1960 blieb das Anwesen in den Händen der Familie, bevor Geoffrey Holbech 1960 dem National Trust vermachte. Seine Tochter Caroline Baddell und ihre Familie bewohnen das Haus allerdings noch heute. Ein schöner Garten umrahmt das Haus, der seit 200 Jahren kaum verändert wurde.
Auf dem Weg nach London komme ich noch am Chastleton House vorbei. Eigentlich sollte es laut Website geöffnet sein, doch als ich ankomme, ist geschlossen. Schade, so kann ich nur ein Bild vom Tor aus machen und muss wieder umdrehen.
Meine letzte Nach in England verbringe ich im Hilton in Watford. Hier findet anscheinend heute auch eine Hochzeit statt, allerdings höre ich davon diesmal nicht und Parkplätze sind ebenfalls reichlich vorhanden.
Sozusagen als Abschiedsdessert gibt’s heute Abend noch einmal einen leckeren Trifle. Ich liebe diese Süßspeise einfach und kann da nie widerstehen, wenn ich sie im Kühlregal sehe.
Meilen: 208
Wetter: 12–17 Grad – überwiegend bedeckt, mit Schauern
Hotel: Hilton Watford; £51.35