Tag 9 – Freitag, 02. Oktober 2015
Buckets of Rain – Pittsburgh nach Washington D.C.
„The best way to not feel hopeless is to get up and do something. Don’t wait for good things to happen to you. If you go out and make some good things happen, you will fill the world with hope, you will fill yourself with hope.” – Barack Obama
Kann das Wetter noch schlechter werden, als in den letzten Tagen? Oh ja, es kann, denn heute ist es nicht nur bedeckt und regnerisch, sondern auch noch richtig kalt. Und es wird immer kälter, umso mehr wir uns von Pittsburgh entfernen und in die Berge von West Pennsyslvania kommen. Hier gibt es ein Memorial, dass ich unbedingt besuchen möchte. In dieser malerischen Umgebung, mit kleinen Dörfern und sanften Hügel, stürzte am 11. September 2001 ein Flugzeug ab, das eigentlich dafür bestimmt war, den vierten Anschlag auf das Capitol in Washington zu verüben. Doch dank der Passagiere, die ihren Mut mit dem Leben bezahlten, geschah das nicht. Für mich ist dieser Besuch ein sehr emotionales Erlebnis, wie sehr, begreife ich aber erst später.
Für viele Menschen ist der 11. September 2001 untrennbar mit den Anschlägen auf das World Trade Center verbunden. Für mich auch, aber da ich an diesem Tag in Washington DC war, hat mich persönlich der Anschlag auf das Pentagon immer noch ein wenig mehr berührt. War ich hier doch im wahrsten Sinne um die Ecke. Aber auch an Shanksville, Pennsylvania kann ich mich gut erinnern, an die Bilder, die fast in Vergessenheit geraten sind, wenn man sich New York vor Augen hält. Und doch ist es genau dieser Ort, an dem die Ermittler die meisten Informationen über die Terroristen erhielten.
Das Museum des Memorial kann nur mit einem Ticket zu einer bestimmt Zeit betreten werden, damit keine Staus entstehen und so holen wir uns als Erstes unsere Eintrittskarten. Dann gehen wir einen Weg entlang, der uns zu einer Steinmauer führt – leider komplett im Regen. Die geschwungene Mauer stellt den Weg dar, den Flug 93 kurz vor dem Crash nahm.
Hinter der Mauer befindet sich der Eingang zum Museum, das praktisch direkt in die Flugbahn gebaut wurde. Hier werden die Ereignisse des Tages und danach genauesten aufgezeigt. Die Ausstellung beginnt mit diesem Morgen, an dem die Welt noch in Ordnung schien. Auch mir hat sich dieser Tag unlöschbar ins Gedächtnis gebrannt. Ich weiß noch genau, wie es damals war in Washington.
Auch hier in Shanksville, war es ein schöner, ganz normaler Herbsttag.
Zur selben Zeit waren bereits über 4500 Flugzeuge im Luftraum über den USA unterwegs. All diese Flüge werden bereits kurz nach den Anschlägen auf dem nächstgelegenen Flughafen landen, denn in den ganzen USA wurde damals der Luftraum gesperrt. Zig Tausende Menschen strandeten irgendwo im Land.
Auch die Boeing 757 der United war unterwegs an die Westküste. Damals waren nicht sehr viele Menschen an Bord, was zu der Zeit normal war. Flugzeuge waren oft nicht einmal halb voll. Die Terroristen wählten übrigens nur Flüge aus, die von der Ost- an die Westküste flogen, denn diese hatten besonders viel Kerosin an Bord. Auf den grauen Plätzen saßen übrigens die Terroristen, die es sich alle in der First Class bequem gemacht hatten.
In der Ausstellung gibt es auch Fernsehmaterial des Tages. Ich kann mir einiges kaum ansehen, weil die Erlebnisse dieses Tages wieder hochkommen, als ob es gestern gewesen ist. Und dann lese ich jenen Reporteraussage, die das Erste war, dass ich an diesem Tag im Radio hörte, während ich in Washington unterwegs war. Es war der Moment, an dem ich realisierte, dass etwas nicht stimmte, dass etwas Katastrophales passiert sein musste – ein Satz, der bis heute in mein Gehirn eingebrannt ist.
Viele Menschen hier betrachten bedächtig die Ausstellung, doch für mich ist es teilweise einfach zu viel. Selbst beim Schreiben dieser Zeilen, kommen Erinnerungen wieder hoch, die mich wohl für immer begleiten werden.
Ein weiterer Teil der Ausstellung beschäftigt sich dann mit den Ermittlungen rund um den Absturz. Unmengen an Flugzeugteilen und persönlichen Sachen wurde auf dem Feld nahe Shanksville eingesammelt. Unter ihnen auch die intakte Blackbox und der Flugrekorder, übrigens die Einzigen. Im World Trade Center wurde die Geräte komplett zerstört, die von der Maschine, die ins Pentagon flog, teilweise. Hier aber konnten die Ermittler die kompletten Daten auswerten und so genau erfahren, was an Bord vor sich ging.
Sehr berührend ist auch die Tafel mit Bildern der Insassen des Fluges 93, jener Menschen, die mit ihrem Opfer wohl Schlimmeres verhinderten. Sie entschlossen sich nämlich nach der Übernahme des Fluges durch die Terroristen, mit aller Macht zurück ins Cockpit zu kommen. Geschafft haben sie es zwar nicht mehr, aber die Terroristen so von ihrem Plan abgebracht, weiter nach Washington zu fliegen. Stattdessen brachten sie die Maschine hier zum Absturz.
Wieder draußen regnet es noch immer. Inzwischen weht auch ein eisiger Wind, der den Regen regelrecht durch die Gegend peitscht. Trotzdem laufen wir zum Aussichtspunkt auf die Absturzstelle.
Mit dem Auto fahren wir zum unteren Parkplatz. Den könnte man zwar auch zu Fuß erreichen, doch in diesem Wetter wollen wir nicht laufen. Das letzte Stück müssen wir dann aber doch laufen, bis wir das Memorial für die Opfer erreichen. Die Absturzstelle selbst kann man nicht besuchen. Das ist nur den Angehörigen der Opfer gestattet, denn viele der Opfer haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Schließlich fahren wir weiter. Besonders ich muss dringend wieder auf andere Gedanken kommen. Und so halten wir kurz im Städtchen Berlin. Orte dieses Namens habe ich ja in den USA schon viele besucht, hier bleiben wir leider nicht länger, denn es regnet noch immer.
Auch den restlichen Weg durch Pennsylvania sowie die ganze Strecke durch Maryland fahren wir im strömenden Regen. Lediglich die Temperaturen steigen wieder etwas an, als wir die Berge verlassen. Ich bin schon sehr enttäuscht, wollte ich doch extra die malerische Strecke durch West Maryland fahren. Eigentlich hatte ich vor nach Harpers Corner zu fahren, doch das macht bei diesem Wetter keinen Sinn und so stoppen wir stattdessen am Antietam Battlefield. Im Visitor Center besichtigen wir zuerst das kleine Museum. Ich habe ja schon einige Schlachtfelder aus dem Civil War besichtigt, für meine Cousine ist es das erste Mal, dass sie mit diesem Teil der amerikanischen Geschichte Berührung hat.
Trotz Regens entschließen wir uns auch die Autotour über die Schlachtfelder zu fahren. Für mich ist es immer wieder fast unbegreiflich, wie es hier damals gewesen sein muss. Heute liegt alles so friedlich dar. Und doch war dieser Krieg der schlimmste, den die USA jemals durchgemacht haben. Zwölf Stunden dauerte die größte Schlacht, damals am 17. September 1862. Am Ende waren über 23.000 Opfer zu beklagen. Der Tag sollte als die blutigste Ein-Tages-Schlacht der amerikanischen Geschichte in die Geschichtsbücher eingehen.
Dem Wetter geschuldet, schauen wir uns eigentlich alles Weitere nur noch aus dem Auto an. Einen kurzen Fotostopp machen wir an der Dunker Church.
Auch die Hauptquartiere der Generäle sowie die historische Burnside Bridge passieren wir.
Wegen des Regens steigen wir aber auch hier kaum aus und sind so ziemlich schnell wieder am Ausgangspunkt der Tour. Dann fahren wir weiter bis nach Washington, ohne Stopp, denn bei diesem Wetter macht es sowieso keinen Sinn. Schon in der Dunkelheit erreichen wir Falls Church, wo wir für zwei Nächte im Marriott Fairview Park einchecken. Ich war hier schon letztes Jahr und fand das Hotel sehr schön und am Wochenende ist es, wie viele Hotels dieser Klasse, auch für Normalbürger bezahlbar.
Abendessen gibt es heute bei Panda Express, denn wir haben keine Lust noch groß im Regen unterwegs zu sein. So ziehen wir uns auf unser Zimmer zurück und hoffen auf Wetterbesserung, auch wenn der Wetterbericht uns da wenig Hoffnung macht.
Meilen: 302
Wetter: Regen, 5–10 Grad
Hotel: Fairview Park Marriott Falls Church