Tag 4: Freitag, 01. September 2017
Where the light was born – Akron nach Detroit
„I have not failed. I’ve just found 10,000 ways that won’t work.” – Thomas A. Edison
Leider ist Harvey nun wirklich da, zumindest seine Wolken. Windig ist es bisher nicht, aber die Sonne macht sich rar. Schade, denn gerade heute will ich einen der neuesten National Parks der USA besuchen – den Cuyahoga Valley National Park. Der 133 Quadratkilometer große Park wurde am 11. Oktober 2000 zum ersten National Park in Ohio erklärt.
Mein erster Weg führt mich zum historischen Boston Store, der heute das Visitor Center beherbergt. 1836 am Ufer des Ohio & Erie Kanals erbaut, versorgte das Geschäft vor allem Siedler, die auf dem Kanal unterwegs waren. Ein kleines Museum erzählt dazu spannende Geschichten.
Gleich nebenan entdecke ich die M.D. Garage, eine Werkstatt und Tankstelle aus den 1940ger Jahren, die heute als Ausstellungs- und Eventfläche genutzt wird.
Nun will ich noch ein wenig mehr von diesem mir bisher unbekannten National Park anschauen. Alle Sehenswürdigkeiten werde ich heute nicht schaffen, aber ein paar Ziele habe ich mir zuvor schon herausgesucht. Dazu gehört die Everett Covered Bridge. Die kleine Brücke ist die einzige ihrer Art im Summit County und wurde ursprünglich im 19. Jahrhundert erbaut, bei einer Flut im Jahr 1913 jedoch beschädigt und anschließend repariert.
1975 traf jedoch eine weitere Flutwelle die Brücke, die durch die Wucht des Wassers von ihrem Fundament gerissen wurde und in den Fluss fiel. Bald darauf begannen Bürger Geld zu sammeln, um die Brücke wieder aufzubauen, was schließlich 1986 geschah. Und so kann ich die hübsche Brücke heute überqueren.
Ein schönes Foto von der Seite zu bekommen, ist dann aber doch ein schwierigeres Unterfangen, denn dazu muss ich in das Flussbett hinunterklettern, von oben versperren Bäume und Geäst den Blick.
Viel Wasser gibt es hier momentan nicht. Kaum vorstellbar, dass sich dieses Gewässer im Frühjahr in einen reißenden Strom verwandeln kann. Ich hoffe mal, dass die Wasserfälle nicht auch nur noch ein Rinnsal sind, die ich noch besichtigen will.
Über kleine, ländliche Nebenstraßen fahre ich weiter. Während die Hauptstrecke durch den Park ein zweispuriger Highway ist, geht es sehr viel ruhiger zu, sobald man nach rechts oder links abbiegt.
Unterwegs passiere ich einen Bahnübergang und habe Glück, dass ich an der Schranke warten muss, denn so kann ich einen Blick auf den Zug der Cuyahoga Valley Scenic Railroad werfen, der zu Rundfahrten durch den Park einlädt.
Als nächstes lande ich beim Jonathan Hale Homestead, einer Farm, die 1810 gegründet wurde. Das Haus entstand im Jahr 1825. Ich schaue aber nur von außen und fahre dann weiter.
Meine erste kleine Wanderung im Park soll mich zum Lock 29 bringen. Dazu parke ich das Auto und folge dem ausgeschilderten Weg. Dieser führt am Cuyahoga River entlang zu den Resten eines Aquädukts, das den Ohio & Erie Kanal über den Fluss führte. Was muss das für die Menschen damals für ein Anblick gewesen sein, in ihrem Boot fuhren sie über eine Brücke, die einen Fluss überquerte? Ich finde das heute noch spannend.
Ich folge dem Weg über die alten Mauerreste…
… und erreiche schließlich Lock 29, eine alte Schleusenkammer. Hierher gelangte, wer das Aquädukt überquerte.
Ich laufe zurück zum Auto und fahre dann zum Trailhead der Brandywine Falls, einem der beliebtesten Wanderwege im Park. Der Weg ist rund 1,5 Meilen lang und führt in großen Teilen über einen Boardwalk durch den Wald.
Schon bald kann ich erste Blicke auf den 65 Meter hohen Wasserfall erhaschen. Leider bestätigt sich die Befürchtung, dass der Flusslauf hier momentan auch sehr wenig Wasser führt und der Wasserfall nicht so imposant aussieht wie auf den Bildern, die ich gesehen habe. Nur an den Verfärbungen der Steine kann ich erahnen, dass hier auch viel mehr Wasser hinunterfließen kann.
Um noch näher an den Wasserfall zu kommen, folge ich dem Trail weiter. Ab und zu geht es ein paar Treppen hinauf, dann wieder führt der Weg an hohen Felswänden vorbei.
Schließlich stehe ich am Aussichtspunkt und schaue auf den Brandywine Wasserfall.
Gleich daneben gibt es noch einige Ruinen von Gebäuden, denn einst wurde hier ein Wasserkraftwerk betrieben.
Bevor ich den Rückweg antrete, gehe ich noch die letzte Treppe hinauf, um einen Blick von oben auf den Wasserfall zu werfen. Hier sieht man, wie wenig Wasser der Fluss momentan führt.
Über mehrere Treppen und den Boardwalk geht es dann zurück zum Auto.
Damit beende ich meinen kleinen Erstbesuch im Cuyahoga Valley National Park. Eigentlich hatte ich geplant nun weiter nach Osten um den Lake Erie zu fahren, doch sehr hohe Hotelpreise am Labor Day Wochenende haben mich zu einer Planänderung bewegt. Einen Stopp wollte ich jedoch nicht streichen und so fahre ich ein kleinen Umweg bis nach Mentor. Hier war ein weiterer US-Präsident zu Hause, James A. Garfield.
James A. Garfield war der 20. Präsident der USA und zog 1881 in das Weiße Haus ein. Garfield war übrigens der nächste Präsident nach Rutherford B. Hayes, dessen Haus Spiegel Grove ich erst gestern besucht habe und ist einer von vier US- Präsidenten, die im Amt ermordet wurden.
Das Haus in Mentor erwarb Garfield bereits 1876, um seine wachsende Familie unterzubringen. Er hatte mit seiner Frau Lucretia sieben Kinder. Auch nach seinem Tod wurde das Haus weiter von der Familie bewohnt. Lucretia Garfield lebte zumindest einen Teil des Jahres hier, bis sie 1918 verstarb und ihr Bruder, Joseph Rudolph, wohnte bis 1934 im Haus. Bereits zwei Jahre später spendeten die Kinder des Präsidenten das Anwesen, das heute vom National Park Service verwaltet wird.
Das Innere des Hauses kann ich nur auf einer Führung besichtigen, die aber interessant und kurzweilig ist. Von 1990–1998 wurde das Haus für 12,5 Millionen Dollar renoviert und in den Zustand von 1880 versetzt. Über 80 Prozent der Möbel sind aus dem Besitz der Präsidentenfamilie und der Rest wurde sorgfältig ausgewählt und dazugekauft.
Der spannendste Raum ist für mich die Bibliothek, die aber erst nach dem Tod von Garfield angebaut wurde. Lucretia Garfield ließ den Raum als Erinnerung an ihrem Mann und seine Tätigkeit als Abgeordneter und Präsident ausstatten. Es ist einer der ersten Vorläufer der heutigen Presidential Libraries.
Die wertvollsten Dokumente sind übrigens in einem begehbaren Safe gelagert, in dem sogar ein Leseplatz vorhanden ist.
Spannend finde ich neben den Dokumenten und Büchern auch die Bilder an der Wand. So entdecke ich ein Foto mit Signatur von Otto von Bismarck …
… und eines von Queen Victoria, beide zur Zeit von Garfield im Amt.
In einem Nebengebäude auf dem Grundstück gibt es noch eine kleine Ausstellung zur kurzen Präsidentschaft von James A. Garfield. Vereidigt wurde er am 4. März 1881.
Bereits am 2. Juli 1881 wurde Garfield in der Baltimore and Potomac Railroad Station in Washington von Charles J. Guiteau angeschossen. Guiteau glaubte, dass ihm der Präsident ein Amt schuldete, weil er maßgeblich daran beteiligt gewesen sei, dass er Präsident wurde. Elf Wochen versuchten die Ärzte danach das Leben des Präsidenten zu retten, doch leider vertrauten die Ärzte nicht der neuen Methode steril zu arbeiten, sondern behandelten die Wunde mit unsterilen Händen und Instrumenten. Zuerst schien es, als ginge es dem Präsidenten besser, doch schließlich entzündete sich die Wunde und Garfield verstarb am 19. September 1881. Der Präsident war nur 200 Tage im Amt. Nachfolger wurde sein Vize-Präsident Chester A. Arthur.
Im Museum zu sehen ist auch dieser Brief von Königin Victoria, die Lucretia Garfield ihr Mitgefühl ausspricht. Das Grab des Präsidenten befindet sich im nahen Cleveland, doch diesmal schaffe ich es, auf Grund der Planänderung nicht, es zu besuchen.
Auf dem Anwesen sind noch weitere Nebengebäude zu sehen. Einige von ihnen stehen zur Besichtigung offen.
Von der Küste des Lake Erie schlage ich noch einmal fast denselben Weg ein, den ich gestern gefahren bin, nur das ich heute den Turnpike nutze, die mautpflichtige Autobahn. Hier in Ohio muss man dazu noch immer ein Ticket ziehen. Bei der Abfahrt wird dieses wieder abgegeben und dann die Maut berechnet.
Cleveland lasse ich heute links liegen, ich war vor vielen Jahren schon mal hier, und fahre weiter bis nach Milan. Gestern konnte ich diesen Stopp nicht machen, denn der Ort, den ich besuchen will, hat nur an einigen Tagen geöffnet. Dieser Ort ist das Geburtshaus von Thomas A. Edison. Während ich seine Laboratorien und sein Wohnhaus in New Jersey sowie sein Winterdomizil in Ft. Myers schon besucht habe, war ich hier zuvor noch nie.
Bevor ich jedoch das Haus selbst besuche, starte ich im Visitor Center, das im Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück untergebracht ist. Hier kaufe ich nicht nur meine Eintrittskarte, sondern kann mir auch gleich ein paar der fantastischen Erfindungen von Edison ansehen, denn neben der Glühbirne waren das noch viele andere.
So gibt es Grammophone, von denen eines auch in Betrieb ist, Filmkameras, Musikboxen und vieles mehr.
Gleich nebenan steht es dann, das Geburtshaus des berühmten Erfinders. Am 11. Februar 1847 erblickte Thomas Alva Edison hier das Licht der Welt. Das Haus wurde sechs Jahre zuvor von seinem Vater erbaut und die Familie bewohnte es bis 1854, als sie nach Port Huron zog.
Rund 40 Jahre war das Haus danach von anderen Menschen bewohnt, bevor es 1894 von Edisons Schwester zurückgekauft wurde. Nach dem Tod des großen Erfinders, richteten seine Frau und Tochter das Haus wieder ein und öffneten es im Jahr 1947, genau 100 Jahre nach seinem Tod, zum ersten Mal für die Öffentlichkeit.
An den Wänden und in Vitrinen sind die zahlreichen Erfindungen und Patente zu sehen, die Edison Zeit seines Lebens anmeldete. Und es gibt Bilder mit befreundeten Weggefährten wie Henry Ford oder Harvey Firestone.
Besonders im Obergeschoss ist dann zu erkennen, dass Edison aus recht einfachen Verhältnissen stammt. Eng ist es hier, in den winzigen Schlafzimmern unter dem Dach.
Zum Haus gehört auch ein kleiner Garten, der liebevoll bepflanzt wurde, ganz so, als wäre das Haus noch bewohnt.
Ich laufe noch ein wenig durch die Nachbarschaft. Schön ist es hier, eine richtig nette Wohngegend.
Es ist schon später Nachmittag, als ich weiter in Richtung Detroit fahre. Mir ist jetzt schon klar, dass ich dort erst im Dunkeln ankommen werde und so beschließe ich, nicht den Interstate zu nehmen, sondern am Ufer des Lake Erie entlangzufahren. Draußen ist inzwischen ein sehr seltsames Wetter aufgezogen. Es ist nicht wirklich bewölkt, aber auch nicht klar und die Windböen werden immer heftiger, umso näher ich dem Seeufer komme.
Am Marblehead Lighthouse State Park lege ich noch einen kurzen Stopp ein. Es ist schon nach 17 Uhr und das kleine Museum längst geschlossen, doch den Park kann ich bis zum Einbruch der Dunkelheit besuchen.
Kaum erreiche ich den Parkplatz, trifft mich die Naturgewalt von Harvey mit voller Wucht. Das ein Hurrikan Tausende Kilometer über Land reisen kann und dann immer noch so heftig zu spüren ist, hätte ich nicht gedacht. Hier ist der Sturm so stark, dass ich kaum die Autotür auf bekomme. Als ich aussteige, sehe ich binnen Sekunden wie Struwelpeter aus. Doch das ist noch nicht alles, das Beeindruckendste kommt noch.
Ich mache mich auf den kurzen Weg zum Marblehead Lighthouse. Bereits seit 1821 steht der 15 Meter hohe Turm am Ufer des Lake Erie. Schon auf meiner Tour in 2015 habe ich einen weiteren Leuchtturm an der Südküste des Sees besucht.
Hinter dem Turm steht das Leuchtturmwärterhäuschen, das jedoch bereits geschlossen ist.
Ich treffe eine Mutter mit ihrer Tochter und wir kommen ins Gespräch als sie mich fragt, ob ich von ihnen beiden ein Bild machen könne. Dafür bekomme ich dann auch eines.
Dann aber schweift mein Blick immer mehr zum See oder was man so See nennen kann, denn wüsste ich es nicht besser, gerade heute würde ich denken, dass ich am Meer bin. Das Wasser ist vom Sturm total aufgepeitscht und rollt in großen Wellen an Land. Die Gischt ist überall zu spüren und der Sturm ohne den Schutz der Bäume enorm.
Mich erinnert die Szenerie hier an ein Gedicht vom märkischen Dichter Theodor Fontane, das ich einst in der Schule lernte, sein Titel John Maynard. Die Zeilen kommen mir in den Sinn:
Die „Schwalbe” fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken vom Schnee,
von Detroit fliegt sie nach Buffalo;…
Sie könnten nicht treffender sein, diese Zeilen, heute, hier am Ufer des Eriesees. Der See ist zwar nur der viertgrößte der Großen Seen, doch trotzdem noch 25.667 Quadratkilometer groß. Er ist 388 Kilometer lang und bis zu 92 Kilometer breit, die Küstenlinie beträgt 1369 Kilometer. Lake Erie ist extrem flach, mit einer durchschnittlichen Tiefe von nur 19 Metern und einer Maximaltiefe von 64 Metern. Der See ist berüchtigt für seine Unwetter, die das flache Wasser aufpeitschen, so wie heute. Nach See sieht das hier ganz und gar nicht aus. Nur am fehlenden Salz in der Luft kann man erahnen, dass das hier Süßwasser ist.
Nachdem ich den State Park verlasse, fahre ich noch ein Stück die Küstenstraße entlang. Ich habe teilweise Mühe, den Wagen in den Spur zu halten, so rüttelt der Wind an der Karosse. Das schwere SUV aber kämpft gehen die Naturgewalten erfolgreich an. Am Rand entdecke ich ein paar Kanadagänse, die dem Sturm trotzen und halte am Straßenrand an. Doch noch bevor ich die Kamera in die Hand nehmen kann, peitsch das Wasser des Sees dahinter gegen das Ufer. Ein faszinierendes Schauspiel.
Immer wieder, immer höher, spritzt die Gischt. Wenn eine Böe kommt, sind es leicht mehrere Meter. Ich versuche das Naturschauspiel einzufangen, was gar nicht so einfach ist, denn sobald ich das Autofenster öffne, reißt mir der Sturm fast die Kamera aus der Hand.
Irgendwann muss ich mich dann aber doch losreißen. Es beginnt schon zu dämmern und ein Stück muss ich noch fahren. Einen letzten Blick werfe ich noch zurück auf den Leuchtturm, dann geht es auf den Interstate, denn nun will ich nur noch schnell ans Ziel kommen.
Im letzten Tageslicht passierte ich den Veterans’ Glass Skyway, eine 2007 eröffnete Autobahnbrücke in Toledo. Auf 2700 Metern und in 40 Metern Höhe überspannt sie den Maumee River.
Es ist schon dunkel, als ich den Großraum Detroit erreiche. Hier habe ich für heute Nacht das Marriott Livonia reserviert. Als ich ankomme, habe ich Glück noch einen Parkplatz zu finden, heute ist hier irgendeine Party im Gange und es ist brechend voll. Egal, ich bekomme ein ruhiges Zimmer, ein Upgrade kann ich aber vergessen, das Hotel ist ausgebucht.
Zum Abendessen gehe ich heute in die an das Hotel grenzende Mall. Hier gibt es auch einige Restaurants und das Essen ist sehr lecker.
Meilen: 298
Wetter: meist bewölkt, 52–69 Grad
Hotel: Detroit Marriott Livonia