Tag 3: Donnerstag, 31. August 2017
Birthplace of Presidents – Bowling Green nach Akron
„To vote is like the payment of a debt, a duty never to be neglected, if its performance is possible.” – Rutherford B. Hayes
Heute Morgen sieht das Wetter super aus – noch, denn der Wetterbericht verkündet momentan immer noch viele Katastrophenmeldungen durch Hurrikan Harvey, der wenige Tage zuvor mit voller Wucht auf die Texanische Golfküste getroffen ist. Und die Reste von Harvey, die sind nun genau in meine Richtung unterwegs. Zwar hat der Sturm nicht mehr die Wucht eines Hurrikans, wenn er über so viel Landmasse gereist ist, aber zu merken soll er schon sein, wie sehr, das werde ich bald am eigenen Leib erfahren.
Doch erst einmal ist alles ruhig und die Sonne scheint. Heute bin ich auch wieder im Plan und mache mich auf zu meinem ersten Ziel, der Mull Covered Bridge. Zwischen 1805 und dem beginnenden 20. Jahrhundert wurden in den USA über 10.000 überdachte Brücken gebaut, von denen noch etwa 900 existieren. Die meisten davon finden sich in Vermont, Iowa, Indiana, Pennsylvania und eben hier in Ohio.
Die Mull Covered Bridge wurde 1851 erbaut und durfte frühe auch von Fahrzeuge genutzt werden. Heute kann ich die kleine Brücke aber nur noch zu Fuß überqueren und dann umkehren, denn dahinter befindet sich privates Land.
Trotzdem freue ich mich, die kleine Brücke gefunden zu haben. Ich mag sie einfach, die überdachten Brücken und schaue mir immer wieder gerne neue Exemplare an.
Die heutige Straßenbrücke über den kleinen Wasserlauf ist dagegen absolut unspektakulär, um nicht zu sagen, geradezu hässlich.
Das erste große Ziel des Tages ist das kleine Örtchen Fremont in Ohio. Hier hatte einer der acht US-Präsidenten, die enge Verbindungen nach Ohio hatten (sieben von ihnen wurden im Staat geboren), seinen Familiensitz und der trägt sogar einen deutschen Namen: Spiegel Grove.
Spiegel Grove wurde von Rutherford Hayes so genannt, als er mit seiner Frau Lucy 1873 auf das Anwesen zog, nachdem seine Amtszeit als Gouverneur von Ohio endete. Er nannte das Anwesen so, weil sich nach starken Regenfällen im Park unter den Bäumen kleine Wasserflächen bildeten, die wie Spiegel aussahen. Lange blieb das Ehepaar zuerst allerdings nicht hier, denn 1875 wurde Rutherford Hayes nochmals zum Gouverneur von Ohio gewählt und nur ein Jahr später zum Präsidenten der USA. Erst 1881 kehrten die zwei zurück nach Spiegel Grove.
Ich fahre auf das Anwesen, das so früh am Morgen noch recht leer ist. Allerdings entdecke ich dieses tolle Gefährt in einer Parkbucht. Ob der Wagen einem Besucher gehört, kann ich nicht feststellen.
Spiegel Grove, das ist aber nicht nur das Haus von Rutherford und Lucy Hayes, hier steht auch die erste Presidential Library der USA. Das Anwesen wurde bereits 1909 von den Kindern der Hayes an den Staat Ohio übergeben, damit das Anwesen für alle Menschen geöffnet wird.
Da ich das Haus nur mit einer Führung besichtigen kann, schaue ich mir zuerst das Museum an. Die Geschichte der Präsidentschaft von Rutherford Hayes ist recht turbulent und zeigt auch, dass es nicht nur heute zu interessanten Wahlentscheidungen kommt.
Hayes war schon früh im Gespräch als Präsidentschaftskandidat, denn er galt, im Gegensatz zu vielen anderen Kandidaten, als unbelastet. Vor allem Korruption machte der US-Politik seinerzeit schwer zu schaffen. Im siebten Anlauf wurde er im Juni 1876 schließlich, zusammen mit dem Kongressabgeordneten William A Wheeler, der als Vizepräsident antrat, als Präsidentschaftskandidat nominiert.
Ihre Gegenspieler im Wahlkampf waren der Demokrat Samuel Tilden und Thomas Hendricks.
Die Wahl löst schließlich eine große Kontroverse aus, denn die Wahlen konnten nicht sofort entschieden werden. Tilden hatte zwar einen deutlichen Vorsprung bei den Wählerstimmen, doch gab es Diskrepanzen in vier Bundesstaaten. Der Kongress setze zur Klärung eine Kommission ein, die 15 Männer umfasste, sieben Demokraten und acht Republikaner. Diese sprachen den Sieg schließlich Rutherford Hayes zu.
Das jedoch wollten die Demokraten nicht hinnehmen und die Proteste wurden immer lauter. Tilden or Blood! war der Slogan, der überall zu hören war. Doch Tilden gab schließlich auf, aber nicht bevor er den wohl bis dato wichtigsten Kompress des gut 100 Jahre alten Landes aushandelte. Es wurde versprochen, die Besetzung der Südstaaten durch Unionstruppen zu beenden. Damit waren 12 Jahre Reconstruction beendet.
Rutherford und Lucy Hayes zogen im März 1877 in das Weiße Haus und der Präsident war der Erste, der während seiner Amtszeit die Westküste besuchte und ein Telefon benutzte. 1881 trat er aber nicht wieder an. Er hatte von Beginn an gesagt, dass er für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung steht.
Im Museum sind neben Stücken aus der Präsidentschaft auch persönliche Sachen aus dem Leben des Präsidentenpaares zu sehen.
Um 10 Uhr beginnt schließlich die erste Tour durch das Wohnhaus von Rutherford Hayes. Die Führung ist sehr interessant, doch leider darf ich im Haus nicht fotografieren, was ich sehr schade finde.
Nach der Besichtigung des Wohnhauses mache ich noch einen kleinen Spaziergang durch den Park. Dabei werde ich neugierig beäugt.
Rutherford Hayes verstarb am 17. Januar 1893 in Spiegel Grove, seine Frau Lucy bereits vier Jahre zuvor. Beide sind im Park beerdigt worden.
Nach rund zwei Stunden fahre ich weiter, einmal quer durch das ländliche Ohio. Dieses Mal werde ich nur im Norden des Staates unterwegs sein, andere Gebiete habe ich schon auf vorherigen Reisen besucht. Am frühen Nachmittag erreiche ich schließlich Akron im Osten des Bundesstaates. Zuerst fahre ich zum Hower House. Das Haus im Second Empire Stil wurde 1871 erbaut und kann auch besichtigt werden. Leider ist die Tour gerade weg und eine Stunde mag ich nicht warten, sodass ich weiter fahre.
Nicht weit entfernt gibt es noch das Perkins Stone Mansion. Das Haus wurde zwischen 1835 und 1837 für Col. Simon Perkins erbaut, der der Sohn des Gründervaters von Akron war. Es ist eines der am besten erhaltenen Greek Revival Häuser in Ohio.
Das Grundstück hat zwar heute nur noch einen Bruchteil seiner 121 Hektar Größe, doch auf diesen grasen noch immer Schafe und es wird die Illusion einer Farm erhalten.
Das Haus kann ich wieder nur mit einer Führung besuchen, doch warten muss ich darauf hier nicht. Es wird extra eine für mich gestartet und so komme ich mal wieder zu einer tollen Privatbesichtigung.
Das Haus ist noch im historischen Stil eingerichtet, als wenn die Perkins Familie gerade nur unterwegs wäre und gleich wiederkommen würde. Es gibt keine Absperrungen und ich kann mich in den Zimmern frei bewegen. Bewohnt war das Perkins Stone Mansion von Nachkommen der Perkins Familie übrigens bis 1945 und wurde danach an die historische Gesellschaft verkauft.
Interessant anzusehen ist übrigens auch das ehemalige Gartenhaus, das ich hinter dem Wohnhaus entdecke. Heute ist hier die Verwaltung des Anwesens untergebracht.
Hauptgrund für meine Fahrt nach Akron ist aber der Besuch von Stan Hywet. Schon viele Jahre will ich dieses Anwesen besuchen und heute soll es endlich soweit sein. Nach dem Parken lande ich zuerst im Besucherzentrum. Hier kaufe ich meine Eintrittkarte, dann kann es auch schon losgehen, denn Stan Hywet kann ich auf eigne Faust erkunden.
Stan Hywet Hall gehörte einem gewissen Frank A. Seiberling, seines Zeichen Sohn deutscher Einwanderer. Der Name selbst wird vielen nichts sagen, aber wenn ich sage, welche Firma er gegründet hat, wird auch klar, woher sein Vermögen stammt. Goodyear Tire & Rubber Company dürfte wohl jedem etwas sagen und genau von diesem noch heute weltweit operierenden Konzern war Seiberling einer der Mitbegründer. Benannt wurde die Firma übrigens nach Charles Goodyear, der das Verfahren zum Härten von Naturgummi erfand, aber 40 Jahre zuvor völlig verarmt starb. Aber zurück zum Haus, das aus eben diesen Vermögen entstand, das Seiberling erst sehr spät in seinem Leben verdiente. Mit fast 40 Jahren war er nämlich arbeitslos und gründete die Firma mit seinem letzten Geld. Rund 20 Jahre später stieg er als reicher Mann aus.
Der Landsitz im englischen Stil wurde zwischen 1912 und 1915 erbaut. Frank Seiberling und seine Frau Gertrude nannten ihr Anwesen Stan Hywet, was übersetzt in etwa „Steinbruch” bedeutet. Damit wollten sie auf die Bedeutung des Gebiets vor dem Bau ihres Hauses hinweisen. Bevor die Seiberlings mit dem Hausbau begannen, reisten sie 1912 sogar nach England und sahen sich dort rund 20 Herrenhäuser an, um sich inspirieren zu lassen. Das Motto über dem Eingang „Non nobis solum”, was so viel wie „Nicht für uns allein” heißt, ist schon fast sowas wie eine Vorahnung, dass das Haus einst ein Museum werden würde. Schon 1957, nach dem Tod der Eltern, übertrugen die sechs überlebenden Kinder das Haus in eine Stiftung und öffneten es für die Öffentlichkeit.
Auch bei der Innenausstattung überließ Gertrude Seiberling nichts dem Zufall. Zusammen mit dem Innenraumarchitekten Hugo Huber stattete sie das Haus aus. Dazu fuhren die Seiberlings nicht nur nach New York, sondern im Jahr 1915 sogar nochmals nach England, um Möbel einzukaufen. Gertrude Seiberling wollte zuerst das ganze Haus komplett im Tudor Stil einrichten, doch ihr Mann erhob Einspruch, denn er fand, dass eine Familie (die Seiberlings hatten sieben Kinder) es auch bequem haben müsse. So versuchte Hugo Huber beide Wünsche zu verbinden, was ihm unglaublich gut gelang.
Hinter den Kulissen ist Stan Hywet Hall natürlich mit den modersten Annehmlichkeiten der damaligen Zeit ausgestattet worden. So gab es eine riesige Küche mit Kühlschrank, Eisschrank und anderen modernen Gerätschaften.
In einem Seitenteil des Hauses richtete Frank Seiberling sich ein Büro ein, das einen extra Eingang von draußen hatte, sodass Geschäftskontakte das Haus nicht betreten mussten.
Der absolute Hammer aber ist der Innenpool. Sowas hatte bestimmt kein Herrenhaus im England der Tudor Zeit, doch darauf wollten die Seiberlings nicht verzichten.
Im Haus finde ich auch viele Wandbilder englischer Herrenhäuser, die ich teilweise sogar selbst schon besucht habe. So finde ich u.a. dieses Bild der großen Halle von Knowle, das sich südlich von London befindet.
Im Obergeschoss ist Stan Hywet Hall dann etwas schlichter ausgestattet. Hier befinden sich vor allem die Schlafzimmer der Familie.
Stan Hywet Hall ist von einem sehr schönen Garten umgeben. Das gesamte Anwesen ist 610 Hektar groß und umfasst mehrere verschiedene Gärten.
Zum Anwesen gehört auch ein Gewächshaus. Das heutige ist aber nicht mehr das Original, denn das wurde während eines Sturms im Jahr 1947 schwer beschädigt und später abgerissen. Der Neubau entstand erst im Jahr 2000 und wurde nach den originalen Plänen errichtet.
Ich fand den Besuch von Stan Hywet einfach fantastisch und bin froh, es endlich hierher geschafft zu haben. Für mich gehört das Anwesen zu meinen Top 10 der tollsten Häuser in den USA. Leider hat sich der Himmel aber im Laufe des Nachmittags immer mehr zugezogen, nicht so ganz, aber irgendwie ist das Licht milchig. Und windig wird es langsam. Sollten die Reste von Harvey nun doch noch kommen? Egal, ich fahre erst einmal zu meinem Hotel, einem nagelneuen Fairfield Inn, das ich reserviert habe.
Zum Abendessen fahre ich heute zum Olive Garden, wo es mal wieder leckeren Salat, Breadsticks und meine Lieblingsnudeln gibt.
Zum Dessert fahre ich noch zu Menchies, wo es leckeren Frozen Yogurt gibt.
Dann geht es zurück zum Hotel. Ich schalte nochmal den Fernseher an und checke das Wetter. So ganz ist man sich nicht einig, wie stark Harvey die Region erwischen wird, doch das der Sturm kommt ist sicher. Ich bin gespannt, ob ich mein Programm morgen durchführen kann.
Meilen: 158
Wetter: heiter, 62–71 Grad
Hotel: Fairfield Inn & Suites