Tag 13: Sonntag, 10. September 2017
Into the wild – Houghton nach Wausau
„Water is the driving force of all nature.” – Leonardo da Vinci
Heute heißt es Abschied nehmen von Michigan. Nach rund einer Woche, die ich kreuz und quer durch den Staat unterwegs war, werde ich später die Grenze nach Wisconsin überqueren. Noch ist es aber nicht soweit, denn einiges will ich mir vorher noch anschauen.
So fahre ich erst einmal wieder nach Süden, ganz ans Ende der Keweenaw Halbinsel, wo sich die Ghosttown Old Victoria befindet. Leider kann ich nur von außen über den Zaun schauen, denn das kleine Museumsdorf hat nur im Sommer geöffnet.
Old Victoria war eine Bergbau Siedlung, die vor über 100 Jahren für die Arbeiter der Victoria Kupfermine gebaut wurde. Die Siedlung wurde zeitweise auch Finn Town genannt, da sich hier vor allem finnische Einwanderer ansiedelten.
Old Victoria war einer der ersten Orte, wo Kupfer gefördert wurde und hier wurde auch der berühmte Ontonagon Boulder entdeckt, der heute im Smithonian Museum in Washington DC ausgestellt ist.
Ein paar Meilen weiter erreiche ich das verschlafene Städtchen Ontonagon, das am Ufer des Lake Superior liegt. Hier soll es einen schönen, kleinen Leuchtturm geben, der aber nur mit einem Guide besucht werden kann. Melden soll man sich dazu im Ontonagon Historical Museum, das so mein nächster Stopp ist.
Das kleine Museum am Ende der US 45, einem weiteren Highway, der von hier bis an den Golf von Mexiko führt, beherbergt ein Sammelsurium von Artefakten aus den letzten 150 Jahren. Dicht gedrängt stehen die Ausstellungsstücke in den Räumen und es ist fast unmöglich, alles zu erfassen.
Im Museum starten auch die Touren zum Ontonagon Lighthouse, dem westlichsten von Michigans 124 Leuchttürmen. Drei Touren gibt es im Sommer täglich und man kann den Leuchtturm nur so besuchen. Selbst fahren geht nicht, denn rund um den Turm befindet sich Privatgelände und die Besitzer erlauben dort keine weiteren Fahrzeuge. So steige ich in den Van des Museums und fahre zusammen mit dem Guide und einem weiteren Ehepaar los.
Der heutige Leuchtturm wurde 1866 erbaut, davor gab es bereits einen Holzturm, der im Jahr 1851 errichtet wurde und einer der ältesten am Lake Superior war. Das kleine Leuchtturmwärterhaus ist mit historischen Möbeln eingerichtet und unser Guide weiß die ein oder andere Geschichte dazu zu erzählen.
Eine Eisentreppe führt dann in die Spitze des Turms, von wo ich einen schönen Blick auf die Hafeneinfahrt von Ontonagon habe.
Auf dem Gelände des Leuchtturms sind außerdem noch einige historische Boote zu besichtigen.
Auch wenn die Tour recht viel Zeit gekostet hat, so hat es sich doch für mich gelohnt, diesen schönen Leuchtturm zu besuchen.
Nun aber geht die Fahrt weiter. Die Küste des Lake Superior zwischen Michigan und Wisconsin ist auch heute noch zu großen Teilen Wildnis. Fast 100 Meilen trifft man hier nun auf kaum eine Siedlung, Straßen am Seeufer gibt es auch nicht, dafür aber den riesigen Porcupine Mountains Wilderness State Park, ein Paradies für Wanderer und Outdoorfans. Da es jedoch auch eine Parkstraße mit einem Aussichtspunkt gibt, möchte ich mit zumindest diesen einmal anschauen.
Zuerst führt die Straße noch am Seeufer entlang, kurze Zeit später dann durch dichte Wälder. Auf Bildern habe ich gesehen, dass es hier besonders zur Herbstlaubfärbung umwerfend aussehen soll, doch dafür bin ich leider ein paar Wochen zu früh dran.
Der Porcupine Mountains Wilderness State Park ist mit seinen 242 Quadratkilometern einfach riesig und der größte State Park in Michigan. Der Park ist heute eines der größten, zusammenhängenden Waldgebiete der USA, das unter Schutz steht und nicht abgeholzt werden darf. Er erstreckt sich rund um den 441 Meter hohen Porcupine Mountain, der von den Indianer so benannt wurde, da seine Silhouette sie an ein Stachelschwein erinnerte.
Straßen gibt es kaum durch dieses riesige Gebiet, dafür viele Wanderwege, die meisten von ihnen sind aber eher längerer Natur. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, wie den Lake of the Clouds View Trail, den ich nun unter die Füße nehmen will. Dieser Trail startet an einem Parkplatz und ist sehr gut angelegt, sodass er recht einfach zu laufen ist.
Da der Weg zum Lookout ein Rundweg ist, starte ich einfach mal gegen der Uhrzeigersinn. Hier geht es größtenteils über einen Boardwalk, der sicher über das unebene Gestein und den Waldboden führt.
Nach kurzer Wanderung erreiche ich den ersten Aussichtspunkt auf den Lake of the Clouds. Der See ist beliebt bei Wanderern, Campern und Anglern. Es führen mehrere Wanderwege zum und rund um den See herum.
Hier entdecke ich dann auch ganz zart die erste Laubfärbung. In ein paar Wochen muss es hier einfach umwerfend aussehen. Seitdem ich den Peak im Herbst 2016 in Quebec erleben durfte, kann ich erst richtig nachvollziehen, welche Farbenpracht man hier zu sehen bekommen muss.
Über den wirklich leicht zu gehenden Weg laufe ich weiter und habe dabei immer wieder schöne Ausblicke auf die Wildnis, die sich vor mir erstreckt und undurchdringlich erscheint.
Beim genaueren Hinsehen kann ich aber Zeichen von Zivilisation erkennen, denn dort, wo die Wanderwege verlaufen, gibt es manchmal auch kleine Brücken, um Wasserläufe zu überwinden.
Nach dem letzten Aussichtspunkt führt der Weg zurück in den Wald. Diesmal gibt es keinen Boardwalk, sondern einen asphaltierten Weg, damit auch Rollstuhlfahrer zumindest einen Teil des Weges erreichen können.
Mehr schaue ich mir im Park nicht an, denn allein um das riesige Gebiet zu durchqueren, würde ich mehrere Stunden benötigen. So fahre ich auf derselben Straße hinaus und halte noch einmal am Parkeingang. Hier fragt mich ein Biker, ob ich ihn fotografiere und revanchiert sich dann bei mir.
Nur ein kleines Stück weiter gibt es noch einen Abstieg die Böschung hinunter bis an den Strand. Ein letztes Mal laufe ich so bis ans Ufer des Lake Superior. Es ist ein Abschied auf unbestimmte Zeit, denn wann ich hier einmal wieder herkommen werde, das weiß ich noch nicht.
Jetzt muss ich aber etwas Strecke machen, denn es ist schon Nachmittag und ich bin noch nicht mal in der Nähe der Staatsgrenze nach Wisconsin. All zu weit komme ich aber noch nicht, denn nach einer guten Stunde erreiche ich schon mein nächstes Ziel, das sich immer noch in Michigan befindet.
Bei meinen Recherchen zu diesem Tag habe ich entdeckt, dass es in diesem Gebiet viele Wasserfälle gibt. Zwei liegen relativ dicht an meiner Route, sodass ich sie mir ohne großen Zeitverlust anschauen kann, denke ich zumindest. So sind mein erstes Ziel die Agate Falls, deren Parkplatz sich in einer Rest Area gleich neben dieser historischen Straßenbrücke befindet.
Auf einem gut ausgebauten Weg geht es nun durch den Wald. Links von mir liegt eine Schlucht, in der ich das Wasser rauschen höre. Außer mir ist kaum jemand unterwegs, sodass ich die meiste Zeit nur die Geräusche des Wassers und des Waldes vernehme.
Nach einer Weile unterquere ich eine hohe Brücke. Hier verliefen einst die Gleise der Duluth, South Shore & Atlantic Railway, die zwischen 1855 und 1960 in Betrieb war. Heute ist die Brücke ein Trail für Snowmobile und ATVs. Wo genau sich allerdings der Zugang befindet, kann ich nicht ausmachen.
Nach rund fünfzehn Minuten gelange ich zum offiziellen Aussichtspunkt. Dieser ist allerdings sehr enttäuschend, denn man hat nur einen seitlichen Blick auf den zwölf Meter hohen Wasserfall. Auf Bildern sah das viel imposanter aus. Für einen schönen Blick müsste man aber wohl die Böschung hinunterklettern und davon wird dringend abgeraten, weil es sehr steil hinunter geht.
So laufe ich zum Auto zurück und fahre weiter. Jetzt führt die Strecke über einsame Nebenstraßen, auf denen nicht ein einziges Auto unterwegs ist.
Nach kurzer Fahrt erreiche ich den Parkplatz der Bond Falls. Gleich nebenan ist ein kleines Geschäft, wo ich mich mit kalten Getränken und einem Eis eindecke.
Auf der anderen Straßenseite beginnt dann der Wanderweg zu den Wasserfällen. Ich bin gespannt, ob mir diese besser gefallen.
Ich folge dem Weg, der hier zwar angelegt, aber nicht so gut ausgebaut ist, wie bei den Agate Falls. Schwer zu laufen ist er allerdings nicht und auch die Beschilderung ist gut, sodass man sich nicht verlaufen kann.
Später stelle ich allerdings fest, dass ich einen viel kürzeren Weg hätte haben können, denn ich bin am alten Parkplatz gelandet. Seit 2003 gibt es einen neueren Parkplatz, der Flussabwärts liegt. Allerdings ist der Weg von dort lange nicht so schön, denn es geht nur kurz durch den Wald und direkt zum Fuß der Wasserfälle. Aber ich greife vor, denn noch habe ich keine Ahnung, dass es einen viel einfacheren Weg gibt und folge dem Pfad bis ich den Ontonagon River erreiche.
Der Weg schlängelt sich nun, ständig leicht bergab, immer am Fluss entlang. Das Wasser fließt hier aber nicht ruhig vor sich hin, sondern es gibt immer wieder kleine Wasserfälle und Stromschnellen. So macht es Spaß hier unterwegs zu sein.
Ab und zu führt der Weg dann ein wenig weg vom Fluss oder überquert kleine Seitenarme. Es ist wieder kaum ein Mensch zu sehen, ich habe ja keine Ahnung, dass die meisten Leute nur den bequemen Weg wählen. Ist aber schade, denn hier ist es richtig schön und ich würde das Parken am alten Parkplatz geradezu empfehlen.
Dann geht es tiefer hinab und ich muss eine Reihe von Treppen überwinden. Die sind teilweise etwas rutschig und uneben, aber es gibt ein Geländer und so ist es gar kein Problem.
Am Ende der Treppen bekomme ich einen ersten Eindruck von den Bond Falls. Das sieht doch vielversprechend aus. Ich sehe auch einen Teil des Boardwalks, der dort angelegt wurde, um bessere Ausblicke zu haben, ohne nasse Füße.
Schließlich erreiche ich den Boardwalk und sehe gleich ein Hinweisschild zum Parkplatz. Ich bin verwundert. Plötzlich laufen hier auch mehr Menschen herum, sogar eine Mutter mit Kinderwagen. Wo kommen die denn alle her? Und so entdecke ich den neuen Parkplatz, der sich nur wenige Meter weiter im Wald versteckt. Das war aber nicht festzustellen, weil ich über die Nebenstraßen von den Agate Falls gekommen bin, statt den Umweg über den Highway zu nehmen. Aber es ist auch egal, denn meinen Weg fand ich viel schöner.
Von hier habe ich dann aber auch den ersten schönen Blick auf die fünfzehn Meter hohen Bond Falls und werde dieses Mal nicht enttäuscht. So habe ich mir das vorgestellt.
Der Boardwalk führt nun praktisch im Halbkreis um den Wasserfall herum, sodass ich immer wieder schöne Ausblicke habe.
Es gefällt mir richtig gut hier und ich schaue ein ganze Weile auf das Wasser. Die Bond Falls sind nach den Tahquamenon Falls übrigens der zweitschönste Wasserfall in Michigan und das kann ich auf jden Fall bestätigen. Der Stopp hat sich gelohnt.
Der Weg zurück zum Auto ist dann natürlich noch einmal etwas länger, denn ich muss ja nun alles wieder bergauf laufen. So ist es schon ziemlich spät, als ich das Auto erreiche. Aber wen störts? Mich treibt ja keiner. Auf der Fahrt zum Highway komme ich dann auch am neuen Parkplatz vorbei. Der liegt rund eine Meile weiter die Straße hinunter.
Als ich die Grenze nach Wisconsin überfahre, „gewinne” ich die Stunde zurück, die mir am Anfang der Reise verloren ging, denn nun bin ich wieder in der Central Standard Time angekommen, in der sich auch Chicago befindet.
Kurz hinter der Staatsgrenze verlasse ich den Highway 45 und fahre durch ein Gebiet mit vielen Seen, in dessen Mitte sich der Urlaubsort Star Lake befindet. Hier finde ich einen Culver’s (die Kette hatte ich 2013 entdeckt und lieben gelernt), wo ich endlich mal meinen verspäteten Lunch nachholen kann. Es ist zwar schon nach 16 Uhr, aber schmecken tut es trotzdem.
Auf der Fahrt durch Star Lake und den Nachbarort Sayner entdecke ich einige weitere Paul Bunyan Statuen und ich lerne etwas mehr über Snowmobile, die hier ein wichtiges Fortbewegungsmittel im Winter sind.
Am Abend lande ich schließlich in Wausau. Durch den Ort bin ich auf meiner Reise 2013 schon einmal gekommen, damals aber nur durchgefahren. Heute habe ich hier das Hampton Inn reserviert, wo ich freundlich begrüßt werde. Mit den Hampton Hotels kann man eigentlich nicht viel falsch machen, sie sind fast immer sehr schön und bieten dazu auch Frühstück kostenlos an.
Da es heute einen recht späten Lunch gab, gehe ich am Abend nur noch zu Panda Express, wo es leckeres Orange Chicken gibt.
Meilen: 297
Wetter: sonnig, 55–77 Grad
Hotel: Hampton Inn