Tag 6 – Mittwoch, 30. Mai 2018
The Sky is the Limit – Uig nach Edinburgh
„I won’t tell anyone where my favourite place in Scotland is… but it might be somewhere on Skye.” – Sam Heughan
Es ist einfach ein Traum, die Skye mit diesem Wetter zu erleben und am liebsten würde ich heute Morgen auf eine der Fähren fahren, die in der Bucht ablegen und zu den äußeren Hebriden unterwegs sind. Leider gibt das meine Reisezeit jedoch auch nicht her und so muss ich mich damit begnügen, meine Zeit auf der Skye zu verbringen, wahrlich auch keine Strafe.
Bevor ich weiterfahre, laufe ich noch einmal über die Straße vor dem Hotel. Ich will schauen, ob ich dem Uig Tower noch etwas näher kommen kann. Der ist übrigens nicht historisch, na ja heute schon, aber eben nicht aus dem Mittelalter oder so. Er wurde erst im 19. Jahrhundert erbaut und ist auch als Captain Fraser’s Folly bekannt.
Der Turm gehörte eine Zeitlang sogar zum Uig Hotel, steht aber inzwischen auf Privatland. Deshalb ist es mir nicht möglich, ganz bis zum Uig Tower zu laufen, der bis 1950 sogar ein Wohnhaus war, aber heute leer steht.
So fahre ich dann wieder bei Traumwetter los, ein zweites Mal die Runde von gestern Abend, denn was da im Gegenlicht lag, sollte nun fantastisch ausgeleuchtet sein. Zuerst halte ich noch einmal in Kilmuir am Friedhof, um zum Grab von Flora MacDonald zu gehen.
Der Friedhof hier in Kilmuir liegt wirklich malerisch und strahlt eine absolute Ruhe aus. Keine Menschenseele ist weit und breit zu sehen. Nur die alten Gräber erinnern an die Menschen, die dieses karge, aber wunderschöne Land geprägt haben.
Da ich jetzt noch einmal vor dem Grab der 1790 verstorbenen Flora MacDonald stehe, möchte ich noch ein wenig mehr zu ihr erzählen. Wo sie 1722 geboren wurde, ist nach heutigen Erkenntnissen umstritten. Vieles mag auf Sagen und Verklärungen durch ihre plötzliche Berühmtheit entstanden sein. Selbst ihre Heldentat soll gar nicht so heldenhaft gewesen sein. Sie soll zwar an der Flucht der Stuart Prinzen mitgewirkt, jedoch keine tragende Rolle gespielt haben. Ob so oder so, für die Schotten ist sie eine Nationalheldin, die hier auf der Skye ihre letzte Ruhe gefunden hat.
Vom Friedhof kann ich in der Ferne noch das Skye Museum of Island Life sehen, in dem gezeigt wird, wie die Menschen früher in diesem abgeschnittenen Gebiet lebten. Leider hat es heute zu, sonst hätte ich gern mal hineingeschaut.
Ich fahre so also wieder weiter nach Norden und noch einmal die Nordumrundung der Syke ab. Wieder bin ich fast allein unterwegs, nur ab und zu begegnet mir ein anderes Auto und ein paar Camper stehen am Straßenrand.
Nachdem ich die Nordspitze der Skye passiert habe, biege ich heute aber nicht in die kleine Straße ab, die zurück nach Uig führt, sondern fahre weiter geradeaus, immer der Küste folgend. Rechts erheben sich die Berge, links fällt das Ufer zum Meer ab.
Das ändert sich schlagartig als ich die Kilt Rock Coast erreiche. Die Besucher kommen hier fast alle von Süden, denn die meisten Hotels befinden sich in und um die Inselhauptstadt Portree. So wird es dann schon auf dem Parkplatz ein wenig voller.
Die Küste hier ist vulkanischen Ursprungs und das Basaltgestein die Reste eines Lavaflusses, der hier vor sechzig Millionen Jahren erkaltete. Wind und Wetter haben das Gestein dann so geformt, dass es wie die Falten eines Kilts aussieht, daher der Name Kilt Rock Küste.
Um einen guten Blick auf die Felswände zu haben, muss ich auf eine Plattform treten, die über der Abbruchkante und dem Meer zu schweben scheint. Schwindelfrei sollte man schon sein und die Kamera gut festhalten, wenn man hier schöne Aufnahmen machen will. Nervig sind nur einige Leute, die unbedingt für ihr Selfie nach vorn drängeln müssen.
Als sogar ein Bus auf den Parkplatz einbiegt und deutsche Rentner ausspuckt, mache ich, dass ich weiterkomme. An der Straße gibt es immer wieder Haltebuchten, von denen ich die Aussicht genießen kann und wo kaum jemand anhält. Vom Rigg Viewpoint kann ich in der Ferne sogar die Inseln Rona und Raasay erkennen.
Doch plötzlich ist komplett Schluss mit der Ruhe, dagegen war an der Kilt Rock Coast gar nichts los. Am Straßenrand reihen sich die parkenden Autos wie die Perlen auf einer Kette aneinander. Der kleine Haltepunkt am Old Man of Storr ist völlig überfüllt. Ich zwänge mich in eine Parklücke und laufe zum Beginn des Weges. Der soll in die Nähe einer Felsspitze führen, dem 48 Meter hohen Old Man of Storr.
Ich laufe los und habe nach ein paar Biegungen und etwas Steigung erst einmal einen schönen Blick auf den Loch Leathan. Noch ist der Weg recht anspruchslos, nur etwas staubig, da es seit Wochen recht trocken ist.
Etwas weiter habe ich dann eine schöne Sicht auf das Storr Gebirge, das sich hier bis zu 719 Meter über dem Meeresspiegel erhebt.
Ich folge dem Weg immer weiter und muss feststellen, dass das doch kein einfacher Spaziergang wird. In den Reiseführern war das etwas anderes beschrieben. Vielleicht ist das ja auch der Wärme geschuldet, die hier nicht alltäglich ist, aber ich bin nicht die einzige Wanderin, die hier zu schnaufen beginnt, denn es geht nun ständig bergauf und bergab.
Auf einer Anhöhe sehe ich dann, wie weit der Pfad noch führt und weiß auch, dass nicht mal das Ende ist, denn bis zum Felsen muss man wohl noch ein wenig querfeldein.
Ich breche ab, das dauert hier anscheinend doch viel länger als gedacht und ich habe keine Ahnung, wie weit es noch ist. Da ich noch ein ganzes Stück Fahrt vor mir habe und auch nicht die passende Verpflegung, kann und will ich hier nicht weiterlaufen. Am Auto werfe ich dann noch einen letzten Blick auf den Old Man of Storr und mache ein Bild mit dem Teleobjektiv.
Nach kurzer Fahrt erreiche ich die Inselhauptstadt Portree. Hier steppt der Bär, denn in der Bucht liegt auch noch das deutsche Kreuzfahrtschiff MS Hamburg auf Reede. Zwar ist das Schiff nicht besonders groß, doch der Ort ist es auch nicht, sodass es schnell recht voll wird und ich mich mit dem Blick aus der Ferne begnüge.
Ich fahre auf die andere Inselseite, wo sich das Dunvegan Castle befindet. Auch hier war ich 2012 schon einmal. Damals aber ebenfalls bei ziemlich miesem Wetter. Das sieht heute ganz anders aus und so freue ich mich, nicht nur die Innenräume, sondern endlich auch den schönen Garten zu erkunden.
Dunvegan Castle ist der Stammsitz des Clans MacLeod und das älteste durchgängig bewohnte Schloss in Schottland. Seit über 800 Jahren wird die Burganlage von der Familie bewohnt. Als ich eintrete, erlebe ich gleich eine Überraschung. Inzwischen ist es hier erlaubt, auch in den Räumen zu fotografieren, obwohl es sich um ein Privathaus handelt. Das ist ja nicht immer der Fall und freut mich umso mehr. So schreite ich die große Treppe hinauf und beginne mit der Erkundung.
Zuerst gelange ich in einen langen Korridor, in dem sich viele Ausstellungsstücke befinden, die über die Jahrhunderte zusammengetragen wurden. Besonders im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert waren die MacLeods zum Beispiel viel in Afrika unterwegs und haben unzählige Souvenirs mit nach Schottland gebracht.
Klassisch elegant ist hingegen der große Speisesaal, an dessen Wänden sich viele Familienbilder befinden und dessen Stühle endlich mal bequem aussehen. In den meisten Esszimmern der Schlösser und Burgen kann ich mir oft kaum vorstellen, stundenlang auf den harten Stühlen zu sitzen.
Traumhaft ist heute der Ausblick aus den Fenstern. Die Sonne lässt aber auch die Räume viel schöner und lebendiger wirken.
Während des Rundgangs komme ich nun durch zahlreiche Räume, die als Schlafzimmer, Wohnzimmer oder Arbeitszimmer genutzt wurden und werden.
In einem Raum stoße ich auf eine recht unscheinbare Vitrine, die jedoch zeigt, welch hohen Rang der Clan MacLeod im Vereinigten Königreich hat. So ist hier der Hosenbandorden zu sehen und in den Gästebüchern der Familie finden sich die Signaturen von Königen, Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen.
Im großen Salon zieren exklusiv die Damen MacLeod die Wände. Schön ist auch das tolle Oberlicht, das man in der Burg installiert hat. Überhaupt ist es immer wieder faszinierend, wie die von außen noch oft grimmig aussehenden Burgen über die Jahrhunderte in strahlende Paläste verwandelt wurden.
Ein letztes Zimmer ist dann als eine Art kleines Privatmuseum eingerichtet. Hier sind ganz besondere Stücke aus der Geschichte der Skye zu sehen, die die MacLeods natürlich miterlebten und auch prägten. So gehören das Korsett von Flora MacDonald, eine Haarlocke von Bonnie Prince Charlie oder auch Gläser aus der Zeit der Jakobitenaufstände zur Sammlung.
Ein weiterer Raum, den ich besichtige, befindet sich dann im Untergeschoss und zeigt eines der Dienstmädchenzimmer, wie sie hier über die Jahrhunderte zu finden waren.
Auch auf der tollen Terrasse schaue ich mich heute ausgiebig um. Im strahlenden Sonnenschein bietet sich von hier oben ein tolles Panorama.
Schließlich laufe ich noch einmal um die Burg herum. Überall sind schöne Wege angelegt, die einen tollen Blick auf das Gebäude erlauben.
Direkt am Ufer des Loch Dunvegan befindet sich ein schöner Picknickplatz. Gleich daneben starten Bootstouren zu den Robbenkolonien der Insel.
Ich aber wende mich bald den Gärten zu, die ich bei meinem letzten Besuch aufgrund des schlechten Wetters so sträflich vernachlässigen musste. Insgesamt drei Anlagen wurden vor allem in viktorianischer Zeit errichtet, der Walled Garden, der Round Garden und der Water Garden.
Mein Favorit ist ganz klar der Wassergarten, der fast ein wenig wie ein Urwald wirkt und mich eher an einen tropischen Park denn an schottische Highlands erinnert. Dem Golfstrom sei dank, können diese exotischen Pflanzen hier wachsen und gedeihen.
Nach einem ausführlichen Rundgang kehre ich schließlich zum Parkplatz zurück. Noch einen letzten Blick zurück kann ich mir aber nicht verkneifen, denn wer weiß, ob ich Dunvegan jemals wieder bei so fantastischen Wetter sehen werde.
Es ist schon Nachmittag, als ich weiterfahre. Noch einen Stopp lege ich nicht mehr ein, obwohl ich gerne noch einmal zum Neist Point Lighthouse gefahren wäre. Dafür aber reicht die Zeit nicht und so bin ich nach rund einer Stunde Fahrt wieder dort, wo mein kleiner Ausflug auf die Skye begonnen hat, am Loch Alsh.
Ich fahre ein zweites Mal zu dem Punkt, an dem man die Skye Bridge und das darunter liegende Eilean Ban Lighthouse schön sehen kann. Ein kleiner Wanderweg führt hier zum Ufer und dann am Ufer entlang bis zur Brücke.
Lange halte ich mich jedoch nicht mehr auf, denn ich will ja noch weiter. Und so führt mich die Straße dann wieder auf die Skye Bridge, die inzwischen Mautfrei zu passieren ist. Der Buckel lässt es zuerst so erscheinen, als wenn man gen Himmel fährt, um dann ab der Mitte den Blick auf ein zauberhaftes Panorama freizugeben.
Kurz hinter der Brücke komme ich an einem der meist fotografierten Motive in Schottland vorbei – dem Eilean Donan Castle. Die Burganlage ist bereits seit 1932 für Besucher geöffnet und heute scheint, nach der Anzahl der Autos auf dem Parkplatz zu urteilen, auch einiges los zu sein. Ich habe die Anlage bereits auf meiner letzten Reise besichtigt und so belasse ich es heute bei einem Foto.
Jetzt fahre ich gen Südosten in Richtung Fort William, dem Hauptort der ganzen Region. Doch bevor ich dort ankomme, führt die Straße durch eine traumhafte Landschaft. Jetzt merke ich erst, was ich 2012 alles verpasst habe, als hier die Wolken tief hingen und der Regen vom Himmel prasselte.
Heute macht die Fahrt durch die Highlands einfach nur Spaß und ich kann mich gar nicht satt sehen an der fantastischen Landschaft. Am liebsten würde ich alle paar Meter anhalten und mich umsehen. Ab und zu mache ich das aber auch, um ein besonders schönes Panorama mit der Kamera festzuhalten. Oder es zumindest zu versuchen, denn so ganz wird kein Bild der Schönheit dieser Landschaft gerecht.
Als ich in Fort William ankomme, ist es bereits früher Abend. Für große Besichtigungen ist es zu spät und auch wenn ich heute einen Blick auf den Ben Nevis, den höchsten Berg Großbritanniens werfen kann, so halte ich mich doch nicht mehr lange auf. Ich mache eine kure Rast und tanke, dann geht es weiter, denn ich will heute noch bis nach Edinburgh fahren. Das ist der Preis, den ich zahlen muss, denn leider habe ich nur ein paar wenige Tage Reisezeit übrig.
Hinter Fort William wird die Landschaft dann langsam flacher und ich verlasse die schottischen Highlights. Irgendwann erreiche ich die Autobahn, die mich bis nach Edinburgh bringt. Rechts und links liegen Orte, die ich gerne noch besucht hätte, die aber bis zum nächsten Mal warten müssen.
Es ist noch immer hell als ich die Vororte von Edinburgh erreiche. Die langen Tage Ende Mai machen sich wieder einmal bezahlt. Ich fahre direkt zu meinem Hotel, dem Best Western Kings Manor. Hier bekomme ich mal wieder ein typisches Einzelzimmer, wie es in älteren englischen Hotels noch immer üblich ist. Zumindest ist dieses keine winzige Kammer und auch das Bett hat etwas Überbreite.
Zu Abend esse ich gleich im Hotelrestaurant, denn ich habe einfach keine Lust mehr, noch irgendwo hinzufahren. Die Kombination aus Pizza und Pommes ist zwar etwas seltsam, aber es schmeckt und macht satt, sodass ich zufrieden bin.
Nach dem Essen ziehe ich mich auf meine Zimmer zurück und plane noch ein wenig für den morgigen Tag. Leider sagt der Wetterbericht nicht ganz so tolles Wetter vorher, doch ich kann mich bisher wirklich nicht beschweren, sodass ich einfach abwarte und beschließe, das Beste daraus zu machen.
Meilen: 324
Wetter: sonnig, 16–26 Grad
Hotel: Best Western Kings Manor