Tag 3 – Sonntag, 27. Mai 2018
Successful Escape – Liverpool nach Glasgow
„You may leave the Lake District, but once you’ve been, it’ll never leave you…” – anonym
Schon früh fahre ich heute wieder aus Liverpool ab. Die Stadt selbst habe ich schon auf einer anderen Reise angesehen, sodass sie dieses Mal nur ein Übernachtungsort war. Ich will weiter nach Norden und das Wetter zeigt sich schon mal von seiner schönsten Seite, der Himmel ist strahlend blau und die Sonne gibt ihr Bestes.
Nach rund zwei Stunden Fahrt erreiche ich schließlich den Lake District. Zwar zeigen sich hier wieder ein paar Wolken, doch es ist ein enormer Unterschied zu meinem letzten Besuch, als ich hier fast nur strömenden Regen hatte. Solch ein Wetter ist ein Geschenk in einer der regenreichsten Regionen Englands. So entschließe ich mich, noch einmal nach Levens Hall zu fahren.
Am Eingang habe ich dann ein lustiges Erlebnis. Ich zeige meine HHA-Karte vor, denn auch dieses Haus kann ich damit besichtigen, und diese wird hier nicht handschriftlich notiert, sondern der Barcode eingescannt. Und anscheinend weiß man dadurch, dass ich vor zwei Jahren schon mal hier war, denn ich werde mit einem freundlichen „Welcome back.” begrüßt.
Während bereits im 13. Jahrhundert ein erstes Gebäude auf diesem Land errichtet wurde, stammt das heutige Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert, als das Anwesen in den Besitz der Bellinghams kam. Danach wechselte es noch mehrmals den Eigentümer, bis es in die Hände der Familie Bagot kam, die Levens Hall noch heute bewohnt. Da ich nun schon mal hier bin, gehe ich auch nochmal durch das Haus. Fotografieren darf ich leider immer noch nicht, aber zumindest die Fassade erstrahlt jetzt wieder ganz ohne Gerüst, was vor zwei Jahren noch ganz anders war.
Anschließend gehe ich noch einmal in den traumhaften Garten, der mir schon bei meinem letzten Besuch so gut gefallen hat. Ich liebe Topiary einfach und dieser Garten ist ein Meisterwerk dieser Gartenkunst.
Der Garten wurde zwischen 1689 und 1720 von Monsieur Beaumont, dem Gärtner von Jakob II. angelegt. Er war z.B. auch an der Gestaltung der Gärten von Hampton Court beteiligt. Beaumont verwendete vor allem Eiben, von denen 25 bis heute überlebt haben. Er gilt auch als einer der am besten erhaltenen Topiary-Gärten weltweit.
Bei Sonne und zumindest teilweise blauem Himmel macht es dann gleich doppelt Spaß, den Garten zu erkunden. Ich bin froh, den Abstecher noch einmal gemacht zu haben.
So drehe ich dieses Mal eine große Runde und komme dabei auch am Tierfriedhof des Anwesens vorbei.
Am ältesten Haha von England komme ich ebenfalls noch einmal vorbei und genieße den Ausblick auf die dahinter liegende Allee.
Der Weg führt mich dann nicht nur um die Hecken herum, sondern immer wieder auch hindurch, wobei ich interessante Einblicke in das Innenleben einer solchen Hecke erhalte.
Ich liebe diesen Garten einfach und so setze ich mich dann einfach für eine Weile auf eine Bank und genieße den Anblick, bevor ich wieder weiterlaufe und noch weitere schöne Ecken entdecke.
Irgendwann wird es dann aber doch Zeit weiterzufahren und ganz spontan entscheide ich mich, noch das Nachbaranwesen zu besuchen, das ich ebenfalls schon einmal besichtigt habe. Sizergh ist heute allerdings nicht mehr in Privathand, auch wenn es in Teilen noch von der Familie bewohnt wird, so wird es doch vom National Trust verwaltet. Leider schieben sich hier gerade dicke Wolken vor die Sonne, sodass ich wieder kein schönes Licht habe, aber zumindest ist es heute trocken.
Heinrich II. schenkte das Land in den 1170er Jahren der Deincourt. Durch die Heirat von Elizabeth Deincourt und Sir William de Stirkeland kam das Anwesen 1239 in die Hände der Familie Strickland, wo es bis 1950 blieb, bevor sie das Haus dem National Trust stifteten. Es ist fast unvorstellbar, dass diese Burg seit über 800 Jahren von derselben Familie bewohnt wird.
Die Prunkräume stehen dann auch zur Besichtigung offen und hier darf ich wieder fotografieren. So drehe ich noch einmal eine Runde durch das Haus. Man entdeckt sowieso meistens noch etwas Neues und ich finde die Besichtigung beim zweiten Mal noch ebenso interessant.
So entdecke ich in einem Schrank diese Porzellansammlung. Alle Stücke erzählen die Geschichte eines Ereignisses der königlichen Familie.
Faszinierend sind auch diese Fenster, die mit deutschen Inschriften versehen sind.
Anschließend drehe ich noch eine Runde durch den Garten. Dieses Mal kann ich mir etwas mehr Zeit lassen, denn auch wenn es nicht komplett sonnig ist, so ist es trocken. Regen erwarten wir heute auf keinen Fall.
Einen Moment überlege ich, ob ich weiteren Häusern in der Gegend noch einmal einen Besuch abstatte, die ich auf früheren Touren auch nur im Regen gesehen habe. Ich entscheide mich jedoch dagegen und fahre stattdessen weiter nach Norden. Diese Entscheidung stellt sich als goldrichtig heraus, denn sobald ich die Region um Kendal verlasse, strahlt die Sonne wieder vom blauen Himmel. So fahre ich dann mein nächstes Ziel an – Lowther Castle.
Lowther Castle ist heute nur noch eine Ruine. Der Grund dafür ist jedoch besonders traurig, doch seit kurzem wird dem ehemaligen Herrenhaus wieder etwas Leben eingehaucht und das Anwesen ist für Besucher geöffnet.
Seit dem Mittelalter gehörte das Anwesen der Familie Lowther, den Earls of Lonsdale. Der letzte Earl lebte bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges in diesem traumhaften Anwesen, dessen Geschichte heute in einer kleinen Ausstellung gezeigt wird.
Nachdem der 5. Graf verstorben war und große Schulden hinterlassen hatte, war die Familie gezwungen, einen Großteil des Inventars zu verkaufen.
Ein paar Stücke sind jedoch zurückgekehrt und in der Ausstellung zu sehen. Dazu gehört das Tafelsilber.
Eine Ruine ist Lowther Castle heute, weil es vom 7. Earl abgerissen wurde. Da die Finanzen immer schwieriger wurden, gab es nur zwei Möglichkeiten, das Haus für Besucher zu öffnen oder es abzureißen. Ein Käufer oder Abnehmer, wie der National Trust, war nach dem Krieg nicht zu finden. Da für die Öffnung kein Geld da war, wurde das Dach entfernt und der Rest sich selbst überlassen, um wenigstens keine Steuern für das Herrenhaus zahlen zu müssen.
An einigen Stellen sehe ich aber auch heute noch Zeugnisse der prunkvollen Ausstattung des Herrenhauses.
Erst im Jahre 2000 beauftragte die Familie ein Team von Wissenschaftlern und Architekten, den Zustand der Ruine zu überprüfen. In Zusammenarbeit mit English Heritage wurde schließlich ein Plan entwickelt, um das Anwesen für die Öffentlichkeit zu erschließen. Einige Zeit später wurde der Lowther Castle and Garden Trust gegründet und 2011 konnten zum ersten Mal Besucher das Gelände anschauen. Die Arbeiten werden aber wohl noch weitere zwanzig Jahre in Anspruch nehmen, um den Gärten ihren alten Glanz zurückzugeben.
Während meines Besuchs fand auf dem Gelände eine Falkner Show statt. Mit den Tieren bin ich schon bei meinem letzten Besuch im Lake District in Berührung gekommen. Damals während meines Besuchs in einem anderen Herrenhaus.
Bevor ich weiter fahre, gönne ich mir noch ein leckeres Eis.
Mein Weg führt mich jetzt nach Kirklinton, wo ich kurz an der St. Cuthbert Church halte. Die heutige Kirche wurde 1845 an der Stelle eines früheren Gotteshauses gebaut. Die erste Kirche stand bereits 1374 an dieser Stelle.
Der eigentliche Grund meines Besuchs ist aber Kirklinton Hall. Das Herrenhaus wurde 1660 für die Familie Appleby gebaut und 1875 erweitert. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus von der Airforce genutzt, danach in ein Hotel mit Nachtclub verwandelt. Schließlich fiel es einem Feuer zum Opfer und wurde 2002 zum Verkauf angeboten.
Im Jahr 2012 kaufte die Familie Boyle das Anwesen und plant seitdem, es zu restaurieren. Bisher hat zumindest ein Teil der Ruine ein provisorisches Dach erhalten und es gibt ein Café.
Nach dieser kurzen Besichtigung führt mich der Weg weiter über kleine Landstraßen im nördlichen England.
Unterwegs treffe ich auf einen kleinen Teil von Hadrians Wall, einem römischen Grenzbefestigungssystem, dessen Reste sich an der Nordgrenze Englands befinden. Erbaut wurde das Bollwerk zwischen 122 und 128 n. Chr. auf Anordnung von Kaiser Hadrian und war rund 117 Kilometer lang.
Hadrians Wall war weniger als Verteidigungsanlage denn als Grenzzaun gedacht, um die Handelswege über bestimmte Routen zu leiten und dort Zölle erheben zu können. Auch sollte unkontrollierte Migration der irischen und schottischen Stämme auf das britische Gebiet unterbunden werden.
Ich fahre weiter, immer Richtung Norden, über kleine, verschlungene Landstraßen. Und dann erreiche ich sie, die Grenze zu Schottland. Ich halte kurz an, außer mir ist hier sowieso kaum jemand unterwegs. Nun habe ich es also geschafft – ich habe Schottland auf dem Landweg erreicht.
Am Abend komme ich schließlich in die Region Glasgow, wo ich für heute Nacht das DoubleTree Hotel Strathclyde reserviert habe. Das Hotel überzeugt mich jedoch nicht gleich, denn im ersten Zimmer, das man mir zuteilt, hat anscheinend die Putzfrau vergessen, den Staubsauger anzuschalten, denn überall finde ich Krümel vom letzten Gast. So erbitte ich einen Zimmerwechsel und erhalte schließlich dieses nette Zimmer mit den bodentiefen Fenstern und französischem Balkon.
Abendessen gibt es heute bei einer meiner Lieblingsketten, Bella Italia, bevor ich ins Hotel zurückkehre und mich wieder noch ein bisschen der Planung widme. Morgen wird mein erster voller Tag in Schottland und das Wetter verspricht grandios zu werden.
Meilen: 283
Wetter: heiter, 19–26 Grad
Hotel: Doubletree by Hilton Strathclyde