Tag 2 – Samstag, 26. Mai 2018
The Great Escape – Cambridge nach Liverpool
“I don’t desire to change anything in England except the weather.” – Oscar Wilde
Das Wetter würde ich in England gern auch so manches Mal ändern. Es ist einfach zu schade, dass die Freude der Reise zu oft etwas getrübt wird. Ein oder zwei Schlechtwettertage sind ja in Ordnung, aber die ganze Tour im Regen zu machen, das ist nun wirklich kein Spaß mehr, zumindest für mich. So bin ich jetzt also auf dem Weg nach Norden, immer in der Hoffnung, die Sonne zu finden. Am Vormittag macht sie sich dann noch etwas rar. So eine Art Dunstschleier überzieht den Himmel mit einer dünnen Wolkenschicht, durch die nur etwas Sonne hindurch kommt.
Ich habe mir vorgenommen, heute zumindest zwei Häuser zu besuchen, die ich ursprünglich geplant hatte, denn ich werde nicht in einem Rutsch nach Norden fahren, sondern die Fahrt unterbrechen. Doch zurück zur ersten Besichtigung des Tages. Endlich schaffe ich es nach Belton House, das ich schon einige Jahre besuchen möchte, aber irgendwie hat es nie geklappt. Das Anwesen gehört heute zum National Trust und ist als reines Museum geöffnet.
Ich parke mein Auto und gehe zum Kassenhäuschen. Hier zeige ich meinen National Trust Besucher-Pass vor, den ich schon vor der Reise online erworben habe. So erhalte ich Eintritt zum Anwesen. Das Haus selbst ist in bestimmten Zeitfenstern zugänglich, die Dienstbotenräume nur auf einer geführten Tour. Ich nehme beide Ticket, denn wenn ich schon hier bin, will ich auch alles sehen.
Durch den Torbogen geht es in den Innenhof. Dort steht ein toller Oldtimer, den ich mir erst einmal anschaue.
Hier ist aber auch der Treffpunkt für die „Below Stairs Tour” durch die Räumlichkeiten der Dienstboten. Ich habe mich gleich für die erste Tour angemeldet, damit ich später nicht ständig auf die Uhr schauen muss, um den Beginn nicht zu verpassen. Nach und nach treffen noch mehr Besucher ein, bis wir zwölf Personen sind. Dann geht es los, in das Kellergeschoss von Belton House.
Leider darf ich auf der hochinteressanten Tour nicht fotografieren und das hat nur einen Grund, den ich aber erst zum Ende erfahren werde. Zuvor besichtigen wir die Wohn- und Arbeitsräume der Dienerschaft, die das Anwesen am Laufen hielt. Dann kommen wir zu dem Raum, der der Grund für das Fotoverbot ist. Nur ein Raum ist es auch nicht wirklich, eher ein Tresor, in dem die Schätze des Hauses lagern – das Tafelsilber. Und da diese Sammlung dem National Trust nicht gehört, sondern nur eine Leihgabe ist, die nicht abgebildet werden darf, sind auf dieser tollen Tour keine Fotos gestattet.
Nach rund einer Stunde stehe ich wieder im Hof. Die Below Stairs Tour kann ich nur empfehlen, doch nun will ich endlich auch die herrschaftlichen Räume sehen. Dazu muss ich einmal um das gesamte Gebäude laufen, denn der Zugang erfolgt von der Gartenseite.
Belton House ist eines der am besten erhaltenen Landhäuser Englands und wurde 1685–1688 im karolinischen Stil erbaut, der wirklich nur in der Tudor Zeit in England entstanden ist und nicht aus anderen Ländern beeinflusst wurde. Bauherr des Anwesens war die Familie Brownlow und Cust, die das Landhaus auch bis 1984 bewohnte. Lange hatten sie versucht, Belton House zu halten, doch dann wurden die Ausgaben einfach zu groß, sodass sie es an den National Trust verkauften.
Jetzt brauche ich mein zweites Ticket, das dieses Mal aus einem Schlüssel mit Anhänger besteht. Den hätte ich am liebsten mitgenommen, doch er wird am Eingang leider wieder eingesammelt.
Den Rundgang durch diesen Teil des Hauses kann ich nun auf eigene Faust unternehmen. In jedem Raum gibt es Informationen und auch Mitarbeiter des National Trusts, die Fragen beantworten.
Die Inneneinrichtung wurde zwar in den letzten 300 Jahren immer wieder verändert, doch sind die Räume fast vollständig erhalten, denn mit dem Haus wurden auch große Teile des Inventars verkauft.
Fantastisch sind vor allem die Schlafzimmer mit ihren riesigen Baldachinen. Selten sind sie so hoch wie in Belton House.
Das Schlafzimmer der Königin wurde extra für Königin Adelheid, sie war Gattin von William IV., eingerichtet, die als Witwe im Haus übernachtete.
Vom oberen Stockwerk habe ich auch einen schönen Blick auf den Garten.
Einige der Zimmer sind auch moderner eingerichtet, denn die Familie bewohnte das Haus bis 1984. So wurden zum Beispiel Badezimmer eingebaut, von denen einige zu sehen sind.
Nach der Hausbesichtigung sehe ich mir noch den tollen Garten etwas genauer an, der größtenteils 1742 und 1751 anlegt wurde.
Unterwegs treffe ich auch tierische Besucher mit ihrem Nachwuchs.
Der italienische Garten ist der wohl schönte Teil der formalen Anlage. Er wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Jeffry Wyatville geplant und für die Familie angelegt.
Am hinteren Ende wird der Garten durch die Orangerie begrenzt, dahinter ist die Kirche von Belton zu sehen, in der auch fast alle Mitglieder der Familie Brownlow und Cust ihre letzte Ruhe fanden.
Am Nachmittag fahre ich weiter, denn ich habe ja noch ein Stück Weg vor mir. Doch die Tage sind lang und so lege ich noch einen weiteren Stopp ein. Im Gegensatz zu Belton House ist Boughton House auch heute noch in privater Hand und in was für einer. Es ist eines der Anwesen des Duke of Buccleuch, einem der wohlhabendsten Adligen Englands, wenn nicht sogar ganz Europas. Die schönsten Anwesen der Familie liegen in Schottland. Dazu zählt auch Drumlanrig Castle, das ich auf meiner ersten Schottland Reise besucht habe.
Zutritt zum Anwesen, das nur wenige Wochen im Jahr geöffnet hat, bekomme ich über meine HHA-Mitgliedschaft. Vom sehr gut angelegten Parkplatz laufe ich zuerst zu den Stallungen und schaue mir die kleine Ausstellung an, die Alltagsgegenstände aus verschiedenen Jahrhunderten zeigt.
Eine einzige Kutsche gibt es schließlich auch noch zu sehen …
… und diesen Querschnitt eines Baumes, der sein Alter anhand wichtiger Ereignisse der englischen Geschichte zeigt.
Nach den Stallungen erreiche ich schließlich die Vorfahrt zum Haus, wo sich das Haupttor zum Anwesen befindet.
Doch dann die große Enttäuschung beim ersten Blick auf das Herrenhaus. Mit schönen Aufnahmen wird es heute wohl eher nichts, denn die ganze Fassade des Mittelteils ist momentan eingerüstet.
Zumindest die Innenbesichtigung fällt aber nicht ins Wasser. Und da es ein Feiertagswochenende ist, muss ich nicht mal an einer Führung teilnehmen, sondern darf auf eigene Faust losziehen. Nur die Kamera muss leider wieder in der Tasche bleiben.
Nach der sehr interessanten Innenbesichtigung drehe ich noch eine kurze Runde durch den Garten, der hier allerdings nicht sonderlich interessant ist. So halte ich diesen Ausflug eher kurz, was mir auch ganz recht ist, denn ich habe schließlich noch ein Stück Strecke vor mir.
An diesen Besuch schließt sich nun eine längere Fahrt an, die ich größtenteils auf der Autobahn zurücklege. Zuerst fahre ich nach Westen und dann nach Norden. Dabei passiere ich viele Orte, die ich schon auf früheren Reisen besucht habe. Und noch etwas stelle ich fest, das Wetter wird immer besser. Das ist ja vielversprechend und ich hoffe, dass das auch die nächsten Tage so bleibt.
Schließlich erreiche ich den Flughafen von Liverpool, wo ich das angeschlossene Hampton by Hilton über Punkte gebucht habe. In der gesamten Umgebung waren die Hotels einfach unglaublich teuer, auch dieses sollte sonst weit über 300 Pfund kosten. Ich hatte ja keine Ahnung, dass hier ein wichtiges Fußballspiel stattfand. Aber über Punkte war es für mich in Ordnung und so bin ich hier gelandet.
Der Flughafen von Liverpool trägt übrigens den Namen von John Lennon und ist erst im Jahr 2002 eröffnet worden. Heute werden von hier vor allem Billigflieger abgefertigt, denn so wirklich hätte man diesen Flughafen gar nicht gebraucht, weil es ja im nahen Manchester schon einen gibt, wo ich bereits die Concorde besichtigt habe.
Wie es aber nun mal so ist, wollte man hier in Liverpool einen eigenen Flughafen und den hat man, auch dank großer Fördersummer der EU, schließlich bekommen. An diesem Abend ist hier allerdings nicht viel los oder um es genauer zu sagen, gar nichts. Ich kann mich kaum erinnern, einen so leeren Flughafen gesehen zu haben, der weder geschlossen hat, noch bestreikt wurde oder unter schlechtem Wetter zu leiden hatte.
Mit der Rolltreppe fahre ich noch auf die Empore im ersten Stock, wo dem Namensgeber John Lennon mit einem kleinen Denkmal gedacht wird.
Danach schaue ich vom Hotel aus noch ein wenig dem Flugbetrieb zum, der wirklich ausschließlich aus Billigfliegern wie Ryan Air, Wizz Air oder auch der rumänischen Blue Air besteht. Alle Liniengesellschaften fliegen Manchester an.
Mein Zimmer im Hampton by Hilton unterscheidet sich wenig von denen anderer Hotels dieser Kette. Ich habe eine geruhsame Nacht und konnte dank Punkten viel Geld sparen, das war für mich bei dieser Übernachtung die Hauptsache.
Abendessen hole ich mir heute von Subway im Terminal und esse auf meinem Zimmer, während ich noch am Feinschliff für den morgigen Tag arbeite. Schließlich habe ich die ganze Reise ja erst gestern komplett umgeworfen.
Meilen: 247
Wetter: heiter, 15–24 Grad
Hotel: Hampton by Hilton Liverpool Airport