Tag 2: Mittwoch, 02. September 2020
Wissen ist Macht – Lindau nach Rorschacherberg
„Nichts entwickelt die Intelligenz wie das Reisen.” – Emile Zola
Der Tag startet heute auch noch recht bedeckt und laut Wetterbericht soll es eher durchwachsen werden. Wir hoffen das Beste und fahren nach dem Frühstück erst einmal los. Zwar gäbe es hier in Lindau noch einiges anzuschauen, doch wir haben heute noch eine Verabredung, sodass dafür keine Zeit bleibt.
Weit kommen wir aber nicht, denn schon kurz hinter der Hotelausfahrt halten wir wieder an einer Tankstelle an. Tanken wollen wir aber nicht, denn das können wir in Österreich viel günstiger, dafür aber eine Mautplakette kaufen, das sogenannte Pickerl. Für Österreich gibt es die für zehn Tage, was für unsere Tour absolut ausreichend ist.
Eine Plakette für die Schweiz sparen wir uns hingegen, denn die gibt es nur für ein Jahr und ist richtig teuer. Da wir nur einen kleinen Abstecher in das Land der Eidgenossen machen wollen, wird es hoffentlich auch so gehen, solange wir die Autobahnen meiden.
Zuerst einmal geht es aber über die Grenze nach Österreich. Hier kommen wir an Bregenz vorbei, für das aber heute keine Zeit mehr bleibt. Während wir hinter der Grenze zuerst auf der Autobahn fahren, müssen wir diese kurz vor Dornbirn wieder verlassen, um in die Schweiz zu kommen. Über eine recht schmale Landstraße geht es nun weiter in Richtung Grenze. Unterwegs trauen wir plötzlich unseren Augen kaum, als wir diese überdachte Brücke entdecken, wie wir sie sonst eher von unseren Reisen in die USA kennen.
Wir halten kurz am Straßenrand, um uns die Brücke etwas näher anzuschauen. Die sogenannte Senderbrücke befindet sich in der Gemeinde Lauterach in Vorarlberg und wurde zwischen 1915 und 1916 erbaut. Sie führt über die Dornbirner Ach, einem Abfluss des Bregenzerwaldgebirges.
Der Name der 75 Meter langen Brücke leitet sich vom ORF-Sender Lauterach ab, der 1933 rund hundertzwanzig Meter entfernt gebaut wurde. Die Brücke wird auch heute noch vom Straßenverkehr genutzt, wobei breitere Fahrzeuge sie nur einspurig befahren können. Durch die starke Nutzung und unaufmerksame Kraftfahrzeugfahrer kommt es übrigens immer wieder zu Beschädigungen am Bauwerk, sodass jährlich rund 10.000 Euro für Reparaturen ausgegeben werden müssen.
Nachdem wir die Senderbrücke hinter uns gelassen haben, fahren wir noch schnell eine Tankstelle an, denn Benzin ist im Dreiländereck in Österreich mit Abstand am günstigsten. Mit vollem Tank geht es dann für uns über die Grenze in die Schweiz. Hier würde der schnellste Weg natürlich über die Autobahn weiterführen, doch da wir keine Plakette haben, müssen wir eben die Landstraße nehmen. Aber auch so erreichen wir schließlich St. Gallen.
Hier haben wir uns im Vorfeld ein Parkhaus ausgekundschaftet, das wir auch recht gut finden. Die Einfahrt ist zwar etwas abenteuerlich und ziemlich eng, doch mit dem Crossland ist das schon zu bewältigen. Anderen Fahrern gelingt das bei weitem nicht ganz so elegant. Das Parkhaus selbst ist aber super modern, hell und sehr gut angelegt. So können wir das Auto ziemlich schnell zurücklassen und sind ab sofort zu Fuß unterwegs.
St. Gallen ist eine Stadt in der nordöstlichen Schweiz, in der rund 75.000 Menschen leben. Benannt ist sie nach dem heiligen St. Gallus. Besonders sehenswert sind das historische Zentrum mit seinen teils wunderschön verzierten Erkern sowie der Stiftsbezirk, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
Hier treffen wir uns mit Moni, die rund eine Autostunde entfernt wohnt. Das Treffen haben wir vor wenigen Tagen spontan vereinbart und uns dabei einen Ort gesucht, den wir alle gut erreichen konnten. So sind wir auf St. Gallen gekommen, das weder C. noch ich kennen. Doch das wird sich nach einer Erfrischung in einem Café nun auf einem kleinen Rundgang ändern.
Eine der Hauptattraktionen von St. Gallen ist der berühmte Stiftsbezirk. Im Jahr 1983 wurde das gesamte Ensemble, in dessen Mitte die Stiftskirche steht, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Besonders sehenswert ist die alte Stiftsbibliothek, deren Besuch momentan aber nur mit strengen Coronaauflagen möglich ist, sodass wir heute darauf verzichten.
Der Gang durch den Stiftsbezirk ist auch so interessant und wir entdecken immer wieder kleine interessante Details an den Gebäuden.
Herzstück ist die Stiftskirche, die heute auch Kathedrale des Bistums St. Gallen ist. Sie wurde hauptsächlich zwischen 1755 und 1766 errichtet, doch einige Arbeiten zogen sich bis ins Jahr 1805, als das beeindruckende Gotteshaus mit den Zwillingstürmen erst einmal fertiggestellt war. Die Bauarbeiten waren jedoch auch dann nicht beendet, denn es taten sich immer wieder Baumängel auf, die beseitigt werden mussten. Vor allem die Statik der Kuppeln im Langhaus machte immer wieder Probleme. Die letzten Renovierungen fanden erst zwischen 2000 und 2003 statt.
Die Stiftskirche ist einer der letzten großen Sakralbauten des späten Barocks und die Ausstattung ist bereits zwischen Rokoko und Klassizismus angesiedelt.
Die heutige Kathedrale ist aber nicht das erste Gotteshaus an dieser Stelle. Schon seit dem 9. Jahrhundert gab es eine Klosterkirche, deren Krypta noch heute erhalten ist. Da das Gebäude recht baufällig war, wurde es allerdings 1755 abgerissen und der Neubau beschlossen. Im Jahr 1805 wurde das Kloster jedoch bereits aufgelöst und die Stiftskirche ab 1824 zur Kathedrale des Bistums umfunktioniert.
Besonders prächtig und beeindruckend sind die vielen Kuppeln an der Decke des Längsschiffs, die mit Gemälden von Joseph Wannemachen versehen wurden. Sie zeigen die Geschichte der berühmtesten Personen des Klosters St. Gallen sowie die Ankunft Gottes in Gegenwart der Seligen in der Rotunde.
Die große Hauptorgel, die heute auf der Westempore zu sehen ist, ist eine von drei Orgeln in der Kathedrale. Sie wurde erst 1968 während er Gesamtrestaurierung der Kirche eingebaut und nur einzelne Teile wurden aus der alten Orgel von 1815 übernommen.
Unser kleiner Rundgang endet am Taufbecken, das erst im Zuge der Neugestaltung des Altarraumes im Jahr 2013 in die Kathedrale kam. Aus sieben Vorschlägen entscheid man sich für den Entwurf des Architekten Caruso St. John. In dem metallenen Becken spiegeln sich die Deckenfresken des historischen Kirchenschiffs und so soll eine Symbiose zwischen Alt und Neu entstehen.
Wir laufen weiter durch den Stiftsbezirk und landen so am Karlstor, das zwischen 1569 und 1570 erbaut wurde. Es ist das letzte erhaltene Stadttor der mittelalterlichen Stadtmauer von St. Gallen.
Hinter dem Tor befinden sich weitere Stadtviertel von St. Gallen mit größtenteils moderner Bebauung, die für Besucher weniger interessant sind. So drehen wir nun um und gehen zurück in die Altstadt.
Zuerst geht es noch einmal über den Hauptplatz des Stiftsbezirks, wo wir noch einen schönen Blick auf die 68 Meter hohen Türme der Kathedrale haben, bevor wir in eine der vielen Seitengassen abbiegen und unsere Stadtbesichtigung fortsetzen.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist St. Gallen neben dem Stiftsbezirk vor allem für seine vielen reich verzierten Erker bekannt. Sie zeugen von den Reisen der reichen Textilkaufleute in alle Welt. Und das Textilgewerbe war es auch, das St. Gallen einst seinen Wohlstand brachte. Besonders das Leinwand- und Stickereigewerbe war hier ansässig.
Dass die Reisen sogar ins ferne Asien geführt haben müssen, beweisen die Schnitzereien an einigen der Erker, die chinesische Löwen und andere exotische Figuren zeigen.
Ein besonders reich verzierter Erker ist der am Haus zum Pelikan. Die älteste Bausubstanz des heutigen Gebäudes stammt bereits aus dem Jahr 1452, da ein Vorgängerbau dem großen Stadtbrand 1418 zum Opfer fiel. Bauherr war der Pulvermacher und Ratsherr Lienhard Merz. Rund hundert Jahre später wurde das Gebäude mit dem der Familie Högger zusammengefasst und ist seitdem ein Wohnhaus, an dem nun dieser fantastische Erker angebracht wurde.
Wir laufen weiter und da uns das Wetter hold ist, werden die schönen Fassaden auch größtenteils von der Sonne angestrahlt, was die Farben extra schön leuchten lässt.
Zwischendurch gelangen wir zum Bärenplatz, wo natürlich auch ein Bär, das Wappentier von St. Gallen, zu finden ist. Dieser Bär war einst Teil eines Wettbewerbs der Steinmetze und ist noch heute auf der Platzmitte zu sehen.
Unser Blick schweift aber recht schnell wieder nach oben, denn in jeder Gasse, in die wir einbiegen, entdecken wir neue interessante Erker mit ganz unterschiedlichen Verzierungen.
Ein weiteres Denkmal, das kaum zu übersehen ist, ist das Standbild von Joachim von Watt, der 1484 bis 1551 lebte und Vadian genannt wurde. Er steht an der Stelle, wo 1877 das alte Rathaus abgebrochen wurde. Von Watt war als Reformator, Bürgermeister, Arzt und Geschichtsschreiber bekannt und ist die einige Person aus der Stadtgeschichte, die mit solch einem Denkmal geehrt wird.
Schließlich gelangen wir wieder zum Rand der historischen Altstadt und die Verzierungen an den Gebäuden werden weniger. Zwischendurch gibt es nun immer wieder modernere Gebäude ohne Schmuck und Geschichte. Nur ab und zu entdecken wir noch ein wunderschön verziertes Haus.
So drehen wir schließlich um und begeben uns wieder zurück in Richtung Zentrum und Fußgängerzone, wo es mehr interessante Gebäude zu entdecken gibt.
Nach unserem Stadtrundgang nehmen wir uns noch Zeit für ein paar kleine Köstlichkeiten, die wir in einer Chocolaterie direkt am Rande des berühmten Stiftsbezirks finden. Hier lassen wir uns gemütlich in der Sonne nieder und die leckeren Törtchen schmecken.
Zum Abschluss besuchen wir die Kirche St. Laurenzen, die ein neugotischer Bau ist, der auf den Grundmauern einer älteren Kirche erbaut wurde. Sie ist die evangelische Hauptkirche der Stadt, die im Zuge der Reformation gegründet wurde. Vorher befand sich hier ein katholisches Gotteshaus, doch 1527 wurde das evangelische Abendmahl in der Stadt eingeführt und 1528 alle Messen nach katholischem Glauben verboten. Aus der Kirche sollten alle „Götzen und Bilder” entfernt werden, was innerhalb von drei Tagen geschah. So entstand ein religiöser Graben, der sich tief in der Stadt verwurzelte. Erst im 20. Jahrhundert näherten sich die beiden Konfessionen wieder an.
Im Inneren ist die Kirche reich verziert, allerdings nicht mit Stuckarbeiten, sondern größtenteils mit Schnitzereien und Malerei. Das Design ist schlichter aber doch farbenfroh gehalten.
Nach der Besichtigung verabschieden wir uns von Moni, denn hier trennen sich unsere Wege wieder. Unser kleines Treffen in der Schweiz war toll und eine Wiederholung würde mich sehr freuen. Nun aber heißt es für uns erst einmal weiterfahren zu unserem Übernachtungsort für heute. Eigentlich hatten wir nicht vor, in der Schweiz zu nächtigen, denn das Land ist für uns Deutsche von jeher recht teuer und der ungünstige Wechselkurs trägt auch nicht zur Entlastung der Urlaubskasse bei. Dann jedoch bin ich auf das Best Western in Rorschacherberg gestoßen, das auch nicht teurer als das Best Western in Lindau war und so entschieden wir uns, doch hier zu buchen.
Das Hotel befindet sich in der Gemeinde Rorschacherberg, die sich oberhalb des Bodensees erstreckt und verfügt über einen Alt- und einen Neubau. Ich bekomme hier ein schönes Zimmer mit einem Balkon und Seeblick.
Den Abend verbringen wir im Hotel auf dem Balkon von C. Vorher erkunde ich die Umgebung noch auf einem kleinen Spaziergang. Das Best Western trägt den Namen Rebstock, der auf die Weinberge der Region zurückzuführen ist. Davon ist heute aber nur ein ganz kleiner Rest gleich neben dem Hotel erhalten. Ansonsten ist rund um das Hotel ein Wohngebiet gewachsen.
Kilometer: 65
Wetter: heiter bis wolkig, 12–20 Grad
Hotel: Best Western Hotel Rebstock