Ahoi Nordsee – auf Kreuzfahrt mit der MS Hamburg

Tag 5: Mon­tag, 10. Juli 2023
Vom Was­ser aufs Was­ser – Delf­zi­jl – Teil 2

„Hin­ter den Wol­ken scheint die Son­ne.“ – Sprich­wort aus Holland

C. und ich beschlie­ßen nach kur­zer Inter­net­re­cher­che noch in Gro­nin­gen und auf eige­ne Faust zum Schiff zurück­zu­fah­ren. Vor den Bus­sen tref­fen wir auf K., der sich uns eben­falls anschlie­ßen möch­te. So mel­den wir uns bei unse­rer Rei­se­lei­tung ab und gehen auf eige­ne Faust zurück in die Innenstadt.

Noch ein­mal lau­fen wir bis zum Gro­ßen Markt und zur Martini-​Kirche, denn wir wol­len schau­en, ob man das Got­tes­haus nicht auch von innen besich­ti­gen kann. Wir fin­den jedoch kei­nen offe­nen Zugang, selbst nach­dem wir die Kir­che kom­plett umrun­det haben.

Am Gro­ßen Markt steht neben der Kir­che auch das Rat­haus der Stadt. Bis zum Ende des 18. Jahr­hun­derts tag­te der Magi­strat in einem mit­tel­al­ter­li­chen Rats- und Wein­kel­ler, der im Lau­fe der Zeit aller­dings zu klein gewor­den war. Im Jahr 1774 wur­de des­halb ein Archi­tek­tur­wett­be­werb zum Bau eines neu­en Rat­hau­ses aus­ge­lobt, den der Amster­da­mer Archi­tekt Jacob Otten Hus­ly gewann. Der Bau ver­zö­ger­te sich jedoch durch den Ein­fall fran­zö­si­scher Trup­pen, aber auch Geld­man­gel, sodass das Rat­haus erst 1810 ein­ge­weiht wer­den konnte.

Auch heu­te noch wird das Gebäu­de als Rat­haus der Stadt genutzt, wenn­gleich man 1869 noch einen West­flü­gel anbau­te, um den neu­en Ansprü­chen gerecht zu wer­den. Zumin­dest der Ein­gangs­be­reich ist auch öffent­lich zugäng­lich und hier hängt ein inter­es­san­tes Gemäl­de, dass den Mark­platz zeigt, wie er vor zwei­hun­dert Jah­ren aus­ge­se­hen hat.

Gleich hin­ter dem Rat­haus befin­det sich ein wei­te­res impos­na­tes Gebäu­de, das 1635 im Auf­trag der Pro­vinz erbaut wur­de, die hier ein Finazamt ein­rich­ten woll­te. Die­ser ursprüng­li­che Zweck geht auch aus dem latei­ni­schen Mot­to auf der Fas­sa­de her­vor: „Date Cae­sa­ri quae sunt Cae­sa­ris“, was „Gebt dem Kai­ser, was des Kai­sers ist“ bedeu­tet. Sei­nen Namen ver­dankt das Gold­kon­tor aller­dings einer spä­te­ren Nut­zung. Zwi­schen 1814 und 1887 befand sich im Ober­ge­schoss das Amt zur Gewähr­lei­stung der Echt­heit von Gold- und Silberwaren.

Vom Gold­kon­tor gelan­gen wir noch ein­mal auf den Fisch­markt, wo ich jetzt ein viel schö­ne­res Foto machen kann, denn zum einen sind nun die gan­zen Lie­fer­fahr­zeu­ge ver­schwun­den, die am Vor­mit­tag auf dem Platz stan­den, zum ande­ren strahlt die Son­ne die Getrei­de­bör­se jetzt sehr schön an, da sich die­se am west­li­chen Ende des Plat­zes befindet.

Nach die­ser klei­nen Run­de machen wir noch eine kur­ze Pau­se in einem Pom­mes­la­den. Min­de­stens ein­mal muss man in Hol­land doch Pom­mes essen und so lang­sam mel­de­te sich auch der klei­ne Hun­ger. Schließ­lich war der Aus­flug ja viel kür­zer geplant und des­halb gab es heu­te auch kein Lunchpaket.

Nach­dem die lecke­ren Pom­mes ver­putzt sind, geht es aber wei­ter zum Bahn­hof. Der Bahn­hof wur­de 1866 gegrün­det, das heu­ti­ge, impo­san­te Bahn­hofs­ge­bäu­de aber erst 1896 eingeweiht.

Und impo­sant ist das Bahn­hofs­ge­bäu­de wirk­lich. Es wird sogar oft als der schön­ste Bahn­hof der Nie­der­lan­de beti­telt. Was für ein Glück, dass wir uns für die Rück­fahrt mit der Bahn ent­schie­den haben, denn sonst hät­ten wir die­ses tol­le Gebäu­de nie zu Gesicht bekommen.

Durch die Ein­gangs­tür gelan­gen wir in die Bahn­hofs­hal­le. Sie wird auch die „Kathe­dra­le des geflü­gel­ten Rades“ und ist wohl der Grund, war­um der Bahn­hof so bekannt ist. Die Flie­sen­wand­bil­der wur­den vom Gro­nin­ger Künst­lers F.H. Bach geschaffen.

Als soge­nann­ter „salle des pas per­dus“, wört­lich über­setzt also ein Saal der ver­lo­re­nen Schrit­te, wird die Bahn­hofs­hal­le auch bezeich­net. Das bezieht sich sowohl auf die Aku­stik als auch die Funk­ti­on des Bau­werks. Die Hal­le ist ein Raum, in dem Men­schen war­ten oder aber sinn­los her­um­lau­fen, um die Zeit tot­zu­schla­gen. Und dann hal­len ihre Schrit­te durch den Raum.

Der Bahn­steig dahin­ter sieht dann weni­ger ele­gant aus. Hier wur­de in den letz­ten Jah­ren alles neu gebaut, auch wenn die Strecke nach Delf­zi­jl bereits seit 1884 besteht. Wir kämp­fen noch kurz mit dem Fahr­kar­ten­au­to­ma­ten, bevor der Zug auch schon in den Bahn­hof rollt.

Eine hal­be Stun­de dau­ert die Fahrt, dann sind wir wie­der in Delf­zi­jl und dem Schiff schon ein gan­zes Stück näher.

Da sich der Bahn­hof aber am ande­ren Ende der Stadt befin­det, müs­sen wir ein­mal quer durch das Stadt­zen­trum lau­fen, um zum Hafen zu kom­men. Das passt uns jedoch ganz gut, denn so kön­nen wir auch noch Delf­zi­jl anschau­en. Inzwi­schen scheint auch hier die Son­ne, sodass der Spa­zier­gang auch Spaß macht. So kom­men wir zunächst an der Müh­le Adam vor­bei, die 1875 auf dem Molen­berg erbaut wur­de und 1954 an die Stadt ver­kauft wur­de. Heu­te befin­det sich in der Müh­le eine Kunstgalerie.

Gleich gegen­über befin­det sich die Centrum-​Kirche, die 1830 als Nach­fol­ger der zer­stör­ten Gar­ni­sons­kir­che erbaut wur­de. Das schlich­te Got­tes­haus wur­de mit einem Turm ver­se­hen, der eine exak­te Kopie des Tur­mes der Gar­ni­sons­kir­che ist.

Wir lau­fen wei­ter durch das Stadt­zen­trum, das jedoch nicht viel Sehens­wer­tes bie­tet. Eini­ge Stra­ßen sind von Geschäf­ten gesäumt, doch vie­le haben mon­tags geschlos­sen. Das ist uns schon in Gro­nin­gen auf­ge­fal­len. Man darf wohl in den Nie­der­lan­den wohl nur an Sonn­ta­gen öff­nen, wenn man den Mit­ar­bei­tern dafür am Mon­tag frei­gibt. Und anschei­nend öff­nen vie­le Geschäf­te lie­ber sonn­tags als unter der Woche.

So errei­chen wir viel schnel­ler als gedacht das Gro­ße Hafen­tor, das 1833 in den Deich gebaut wur­de, der die Stadt vor Sturm­flu­ten schützt. Das Tor kann bei Hoch­was­ser geschlos­sen wer­den und frü­her auch bei Belagerungen.

Hin­ter dem Deich befin­det sich bereits der Jacht­ha­fen der Stadt und von hier kön­nen wir einen schö­nen Blick auf die MS Ham­burg werfen.

Der Weg zum Schiff ist dann aller­dings noch etwas wei­ter, denn wir müs­sen um das hal­be Hafen­becken lau­fen. Dabei kom­men wir am soge­nann­ten „Video Clip Fol­ly” vor­bei. Das moder­ne Kunst­werk wur­de 1990 vom Wie­ner Archi­tek­tur­bü­ro Coop Himmelb(l)au geschaf­fen und in Gro­nin­gen anläss­lich der Aus­stel­lung „What a Won­derful World” zum 950. Stadt­ju­bi­lä­um auf­ge­stellt. Im Pavil­lon kön­nen bis zu vier­zig Per­so­nen Vide­os schau­en. Ursprüng­lich gab fünf sol­cher Pavil­lons von ver­schie­de­nen Künst­lern, von denen zwei noch heu­te in Gro­nin­gen ste­hen, einer nach län­ge­rer Ein­la­ge­rung 2007 in Appin­ge­dam auf­ge­stellt wur­de und die­ser bereits 2003 nach Delf­zi­jl kam. Der Ver­bleib des fünf­ten Pavil­lons ist hin­ge­gen unge­klärt. Er gilt als ver­schol­len oder zerstört.

Eben­falls am Fluss steht das unge­wöhn­li­che Eems­ho­tel, das die wohl inter­es­san­te­ste Unter­kunft in Delf­zi­jl ist. Direkt auf der Deich­be­fe­sti­gung steht noch das Lot­sen­mo­nu­ment, das an die Lot­sen erin­nert, die hier ihren Dienst getan haben.

Zurück auf dem Schiff gibt es für uns nur eine kur­ze Ver­schnauf­pau­se, bevor wir uns am Bug über der Brücke wie­der­tref­fen. Das Able­gen wol­len wir von hier ver­fol­gen, denn inzwi­schen ist das Wet­ter super und so macht das auch mehr Spaß als heu­te früh.

Wie schon beim Ein­lau­fen fol­gen wir auch jetzt wie­der dem See­ha­fen­ka­nal. Am Ufer ste­hen ver­ein­zelt Leu­te, denn so oft kommt wohl auch nach Delf­zi­jl kein Kreuz­fahrt­schiff. Da kann man schon mal ein Foto machen.

Bei der Ein­fahrt in die Ems kreuzt die Fäh­re Ost­fries­land unse­ren Weg, die Emden mit der Insel Bor­kum verbindet.

Dann heißt es vol­le Fahrt vor­aus und auch wir fah­ren nun das letz­te Stück die Ems hin­ab bis wir wie­der die Nord­see errei­chen. Die­sen Weg neh­men übri­gens auch alle Kreuz­fahrt­schif­fe, die auf der Mey­er Werft in Papen­burg gebaut werden.

Schon auf deut­scher Sei­te kann ich den Leucht­turm Cam­pen aus­ma­chen, der mit sei­nen 65,3 Metern Höhe der höch­ste Leucht­turm auf dem deut­schen Fest­land und der zweit­höch­ste Leucht­turm Deutsch­lands ist. Errich­tet wur­de er von 1889 bis 1890 und ein Jahr spä­ter in Betrieb genom­men. Der frei ste­hen­de Stahl­fach­werk­turm hat einen drei­ecki­gen Grund­riss und ein Trep­pen­rohr in der Mit­te führt in die Later­nen­kam­mer. Dar­in befin­det sich ein Leucht­feu­er, das bis zu 55 Kilo­me­ter weit sicht­bar ist und zu den stärk­sten Leucht­feu­ern in ganz Deutsch­land gehört.

An Bord ist der­weil der Gala­abend gestar­tet. In der Lounge ler­nen wir heu­te nicht nur den Kapi­tän, son­dern auch die Chefs der ein­zel­nen Abtei­lun­gen an Bord näher kennen.

Heu­te neh­me ich mir auch wie­der Zeit für das Abend­essen und gehe anstatt zum Buf­fet ins Restau­rant. Das Gala-​Abendessen will ich nicht ver­pas­sen, auch wenn ich mit mei­nen Tisch­nach­barn die­ses Mal nicht so das gro­ße Los gezo­gen habe. Lei­der kann nicht mit C. und K. dinie­ren, denn es gibt fest zuge­wie­se­ne Plät­ze und da die Rei­se aus­ge­bucht ist, ist Umset­zen auch nicht so ein­fach möglich.

Der Abend endet wie­der ein­mal an Deck, wo der Son­nen­un­ter­gang heu­te aller­dings nicht ganz so spek­ta­ku­lär ist. Hof­fent­lich kün­digt sich hier nicht schon die Sturm­front an, die die Wet­ter­frö­sche vor­aus­ge­sagt haben. Wir wer­den es erle­ben, doch erst ein­mal geht es zurück in die Kabi­ne, denn mor­gen steht ein neu­er Hafen auf dem Plan.

Wet­ter: hei­ter, 15–24 Grad
See­mei­len: 130

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