Tag 5: Montag, 10. Juli 2023
Vom Wasser aufs Wasser – Delfzijl – Teil 1
„Wer vor der Tür steht, hat den größten Teil der Reise schon hinter sich.“ – Sprichwort aus Holland
Über Nacht sind wir wieder ein ganzes Stück nach Osten gefahren und haben dabei alle westfriesischen Inseln passiert. Vor Borkum ging es dann weiter in südlicher Richtung und auf direktem Weg durch das Wattenmeer in die Emsmündung. Von hier geht es nun weiter über die Ems bis zur Hafeneinfahrt von Delfzijl. Um diese zu erreichen, müssen wir erst an der Stadt vorbeifahren und dann von Süden in den Seehafenkanal einbiegen. Vorbei an riesigen Windrädern und industriellen Anlagen fahren wir in Richtung Anlegeplatz.
Da das aber nicht so spannend ist und sich die Sonne auch immer noch ziert, gehe ich erst einmal frühstücken. Und außerdem kann man mit dem richtigen Platz im Palmgarten auch ganz bequem vom Tisch die weitere Fahrt verfolgen. Heute gibt es Eggs Benedict, die frisch in der Küche zubereitet werden.
Die weitere Hafeneinfahrt ist dann auch nicht viel spannender und ich habe auch sowieso keine Zeit zum Schauen, denn noch einmal habe ich einen Ausflug gebucht. C. hatte mir gestern empfohlen, mit nach Groningen zu kommen. Das würde sich mehr lohnen als in Delfzijl zu bleiben.
Ganz billig ist der Spaß allerdings nicht und ich nehme mal so viel vorneweg, es war schon sehr schön, aber sollte ich hier nochmal herkommen, würde ich mit der Bahn in die Stadt fahren und alles selbst organisieren. So fand ich den Ausflug schon recht teuer.
Aber zurück zur Tour, die ich heute zusammen mit C. starte. Mit dem Bus geht es zunächst nach Appingedam, doch viel sehen wir von dem Ort nicht, da wir aufgrund einer Baustelle zunächst im Verkehr feststecken und dann irgendwie schnell weiter müssen. Die weitere Fahrt gen Groningen führt über flaches Land. Oft meint man fast die Erdkrümmung zu erkennen. Die einzigen Ergebungen sind die Kirchtürme der Dörfer. Unterwegs kommen wir an diesem kleinen Herrenhaus vorbei, doch ein Foto kann ich auch nur durch die Scheibe machen.
Schließlich erreichen wir Groningen, wo wir in der Nähe des Forum Groningen abgesetzt werden. Im Forum gibt es anscheinend auch eine Aussichtsterrasse, doch das sagt uns keiner, sodass ich das erst später erfahre. Stattdessen stehen wir uns die Beine in den Bauch und warten, bis alle Passagiere auf der Toilette waren. Und das dauert, denn heute ist der Bus voll. Nicht nur ein Bus, es sind mehrere Busse, die den Ausflug nach Groningen machen. Und mit dem Guide haben wir heute auch weniger Glück, denn sonst hätte sie ja mal gesagt, dass es hier was zu sehen gibt.
Vom Forum geht es zu Fuß weiter zum Martinikerkhof, einem Stadtpark, der als grüne Lunge von Groningen bezeichnet wird. An einem Ende des Parks liegt die Martini-Kirche und rundherum sind verschiedene historische Bauten zu finden.
Die Martini-Kirche, nach der auch der Park benannt ist, ist das älteste Gotteshaus der Stadt. Eine hölzerne Kirche stand an dieser Stelle wahrscheinlich schon im 8. Jahrhundert und wurde um das Jahr 1000 von einem ersten Bau aus Tuffstein ersetzt. Der heutige Bau geht auf eine romanische Kirche aus dem 13. Jahrhundert zurück, wobei das Kircherschiff über die Jahrhunderte mehrmals verändert wurde. Der heutige Turm entstand zwischen 1469 und 1482, nachdem sein Vorgänger eingestürzt war und kann bestiegen werden.
Gegenüber der Kirche und am Randes des Parks steht dieser prächtige Bau, das Provinzhaus. Bereits seit 1602 befindet sich hier der Staatensaal, das Parlament der Provinz Groningen. Das Gebäude ist sogar noch älter und wurde schon um 1550 als Lateinschule erbaut.
Viel Zeit zum Umschauen bleibt nicht, denn die Gruppe zieht bereits weiter. Noch einmal kommen wir am Forum Groningen vorbei, einem modernen Kulturzentrum, auf dessen Vorplatz sich ein Brunnen befindet, in dem sich, an diesem heißen Sommertag, besonders Kinder und Hunde abkühlen.
In schnellen Tempo geht es nun weiter durch die Stadt. Auf dem großen Markt habe ich kaum Zeit mich umzusehen und dann stehen wir auch schon auf dem Fischmarkt. Hier findet auch heute noch an vielen Tagen Markt statt. Ansonsten ist der große Platz aber eher leer und man muss nur aufpassen, nicht von den Radfahrern umgenietet zu werden.
Am Kopfende des Marktes steht die Kornbörse. Hier wurde früher Getreide gehandelt. Heute befindet sich in dem Gebäude ein Supermarkt. Hinter der Kornbörse ist der Turm der Aa-Kirche zu sehen, dem wichtigsten mittelalterlichen Gotteshaus neben der Martini-Kirche. Erbaut wurde die Kirche 1425 bis 1429, wobei der heutige Turm aber erst im beginnenden 18. Jahrhundert angebaut wurde.
Wir biegen in die Folkingestraat ein und in der engen Fußgängerzone mit den Geschäften nerven die Radfahrer vollends. Selten habe ich sowas erlebt. Man muss bei jedem Schritt aufpassen, nicht umgefahren zu werden. Dabei fahren die Zweiradfahrer auch munter kreuz und quer, so als gehöre die Straße allein ihnen und die Fußgänger hätten gefälligst beiseite zu springen. In Ruhe umschauen kann man sich da nicht, denn das wäre einfach viel zu gefährlich.
Wir durchqueren nun die halbe Innenstadt, kommen an Geschäften, Cafés und modernen Kunst sowie dem Groninger Museum vorbei, um schließlich einer der Grachten zu erreichen, die die Innenstadt umschließen.
Hier besteigen wir eines der typischen Grachtenboote, um Groningen vom Wasser aus zu erkunden. Das ist leider reine Massenabfertigung und die Leute werden auch geradezu auf die Boote gequetscht. Spaß macht das nicht wirklich und jeder noch so winzige Platz wird besetzt. Zum Glück kann ich im offenen Teil des Bootes eine Bank mit ein wenig mehr Platz ergattern, denn teilweise sitzen sie Leute hier wirklich wie die Hühner auf der Stange.
Zunächst geht die Fahrt durch den Zuiderhaven. Unter der Werkmanbrug entlang, wo sich ein Blick nach oben lohnt, denn die Brücke ist an ihrer Unterseite verziert.
Hinter der Emmabrücke würde es geradeaus weiter in den Eendrachtskanal gehen, doch wir biegen rechts ab, um weiter der Gracht um die Innenstadt zu folgen.
Nur wenig später muss für uns die Museumsbrücke geöffnet werden, nicht die einzige Zugbrücke, die sich heute für uns über den Grachten erhebt.
Hinter der Brücke kann ich einen kurzen Blick auf das beeindruckende Gebäude der Akademie Minerva, einer Kunsthochschule, werfen. Anschließend passieren wir bereits die A‑Brücke, die ebenfalls für das Boot geöffnet werden muss. Hinter der Brücke folgen wir weiter der A, die hier auch an einige Wohnviertel grenzt.
Im weiteren Verlauf passieren wir auch so manches Hausboot, das hier in der Gracht vertäut ist. Einige sind wunderschön renoviert, andere eher heruntergekommen. Zum Fotografieren bleibt allerdings wenig Zeit, denn die Fahrt geht ohne Stopp weiter.
Am Oosterhaven biegen wir schließlich nochmals ab und folgen für eine Weile dem Kanal, der, würden wir ihn bis zum Ende fahren, uns wieder nach Delfzijl bringen würde. Das aber tun wir nicht, sondern wir drehen nach einem Blick auf die Tasmantoren-Wohnanlage. Das mit 75 Metern Höhe und 23 Etagen sechsthöchste Gebäude in Groningen ist nach dem Groninger Entdecker Abel Tasman (ja genau, von ihm hat auch Tasmanien seinen Namen bekommen) benannt, wurde 2010 eröffnet und ist in seiner Form einer kriechenden Raupe nachempfunden.
Von hier führt die Fahrt über den Verbindungskanal zurück zum Ausgangspunkt, nachdem zunächst noch die Ostbrücke für uns geöffnet werden musste.
Am Anleger sollen eigentlich alle Passagiere sofort wieder in die Busse steigen und die Fahrt zurück zum Schiff antreten. Das missfällt uns allerdings, denn bis auf den Marsch im Stechschritt haben wir von Groningen kaum etwas gesehen. Und so fassen wir einen Plan.