Tag 4: Samstag, 31. Dezember 2016
What are you doing New Years Eve? – Ohne Plan
„Tomorrow is the frist blank page of a 365 page book. Write a good one.” – Brad Paisley
Es ist wieder diesig als ich heute aus dem Hotel trete, aber zumindest hat sich der Bodennebel verzogen. Ich fahre auf die M25 und so fast eine halbe Runde um London, bis ich die M40 erreiche. Von hier fahre ich weiter nach Norden bis in das kleine Örtchen Waddesdon, das jedes Jahr von wahren Heerscharen besucht wird, denn hier steht eines der bekanntesten Häuser des National Trust, Waddesdon Manor. Im Jahr 2009 war ich schon einmal hier, doch als ich auf den Parkplatz abbiege, traue ich meinen Augen kaum. Hier hat sich aber gewaltig war verändert. Massen an Parkplätzen sind entstanden, ein Kassenhaus sowie eine Shuttlehaltestelle.
Punkt 11 Uhr bin ich hier und das hat einen guten Grund. In Waddesdon gibt es während der Weihnachtszeit eine tolle Lightshow. Die Tickets im Vorverkauf waren aber bereits alle weg und pro Tag gibt es nur 300 Tickets für die ersten Besucher, die kommen. Ich habe Glück, ganz so pünktlich sind die meisten Leute anscheinend nicht, sodass ich nicht sehr lange warten muss. Allerdings gibt es Haustickets nur noch für den Nachmittag. Nehme ich natürlich trotzdem. Ich plane eigentlich mich etwas länger aufzuhalten. Doch als ich gerade meine Sachen aus dem Auto holen will, fängt es an zu regnen. So habe ich keine Lust mich hier mehrere Stunden aufzuhalten. Kurzentschlossen steige ich wieder ins Auto und fahre nach Hughenden – einem anderen National Trust Anwesen, das ich 2009 schon einmal besucht habe.
Auch Hughenden ist alt, sehr alt. Natürlich nicht das heutige Herrenhaus, aber das Land. Schon 1086 wird ein erstes Haus hier erwähnt. Bekanntheit erlangte es aber erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als hier der damalige Premierminister Benjamin Disraeli, 1. Earl of Beaconsfield lebte. Nach seinem Tod wurde das Anwesen noch mehrmals verkauft, bis es 1947 in den Besitz des National Trust gelangte.
Schon am Eingang sieht man heute das Thema der hiesigen Weihnachtsausstellung. Märchen der Gebrüder Grimm werden überall im Haus gezeigt und auch dieses Buchseiten entstammen aus einem Grimmschen Märchen.
Zur erraten sind die Märchen eigentlich alle ganz leicht, sofern man damit aufgewachsen ist. Da gibt es den Zopf von Rapunzel, das Stroh des Rumpelstilzchens oder den Schuh von Aschenputtel. Ach ja, der böse Wolf lag auch im Bett der Großmutter.
Dann besuche ich noch die Ausstellung im Keller, die gab es vor 8 Jahren noch nicht. Hughenden hat eine ganz bewegende Geschichte im Zweiten Weltkrieg gehabt. Das Haus wurde, wie viele andere, von der Armee genutzt. Doch auf Grund seiner geschützten Tallage und der Nähe zu einem Luftwaffenstützpunkt wurde hier ein richtiges Kommandozentrum eingerichtet. Die Familie musste derweil in das Obergeschoss unter dem Dach ziehen. Wie es dort aussah, zeigt der erste Raum.
In den Gängen hängen historische Bildern, wie die Armee die Räume in Büros umfunktionierte. Auch einen Luftschutzkeller gibt es zu sehen.
Hoch interessant finde ich die Ausstellung zu den Kartenzeichnern und den Aufklärungspiloten. Da gibt es doch tatsächlich Luftaufnahmen vom Berlin der 40ziger Jahre und detailgetreue Karten, die nach diesen Bildern angefertigt wurden.
Ich drehe auch noch eine kurze Runde durch den Garten, doch bei diesem trüben Wetter macht das nicht viel Spaß, sodass ich bald zum Auto zurückkehre.
Noch einmal fahre ich nun nach Waddesdon, in der Hoffnung, dass der Regen aufgehört hat. Dem ist auch so, doch der Himmel ist weiterhin tief grau. Ich parke also wieder mein Auto, schnappe meine Sache und gehe zur Shuttlehaltestelle. Einen anderen Weg zum Haus gibt es nicht. Der Bus fährt auch mehrere Minuten, bevor er seinen Haltepunkt erreicht. Von hier aus laufe ich dann zum Haupthaus, das bei diesem Wetter doch recht düster erscheint.
Waddesdon Manor wurde 1874–1889 für Ferdinand von Rothschild erbaut. Eigentlich gehört das Land den Dukes of Marlborough von Blenheim, doch die Agrarkrise zwang sie, Ländereien zu veräußern, um ihr eigenes Anwesen zu erhalten. Ebenso mussten sich viele Adlige zu jener Zeit von Teilen ihrer Kunstsammlungen trennen, die Rothschild aufkaufte und in sein neues Haus brachte. Seit 1957 gehört das Anwesen zwar dem National Trust, doch die Familie hat immer noch Zugang zum Haus, so auch zum Weinkeller, dessen Weine Familieneigentum sind. Und was hier zu sehen ist, das übertrifft so manche Vorstellung.
Den Weinkeller gibt es allerdings erst seit 1994, um die über 100 jährige Tradition der Rothschildweine zu begehen. Die Rothschild sammeln aber auch Weine, ebenso wie Kunst. Hier lagern Flaschen, die Millionen wert sind. Manch Flasche wird für 250.000 Pfund verkauft, aber auch getrunken. Denn die Rothschilds holen sich auch immer mal wieder eine dieser Köstlichkeiten.
Um die 15.000 Flaschen lagern im Keller, die ältesten aus dem Jahr 1868. Es ist die größte private Sammlung von Rothschild Weinen auf der Welt.
Es wurden aber nicht nur Weine gesammelt, sondern auch Kunst, die mit Wein zu tun hat. So auch diese zwei Stühle, die im Weinkeller zu sehen sind.
Die wertvollsten Flaschen lagern in drei Tresoren, in die man nur durch eine Scheibe hineinsehen kann.
Wieder draußen gehe ich um das Haus, das einem französischen Château nachempfunden ist, herum. Hier liegen die schönsten Gärten, die im Winter aber nicht ganz so prachtvoll aussehen ohne die vielen Blüten, die während der Saison die Beete zieren.
Dann ist es Zeit zum Hauseingang zu gehen. Mein Zeitfenster für die Innenbesichtigung ist endlich gekommen. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich eine spätere Zeit gewählt habe, denn ich will noch bis zur Dunkelheit bleiben und das wäre sonst eine längere Warterei geworden.
Auch hier ist wieder alles weihnachtlich geschmückt, wobei die Dekoration nicht immer meinen Geschmack trifft. Die Weihnachtsbäume finde ich ja sehr schön, aber einige Exponate sind dann doch wieder etwas eigenwillig.
So voll wie hier war es übrigens noch in keinem der Häuser. Waddesdon ist irgendwie zur jeder Jahreszeit ein Publikumsmagnet. Doch durch die Zeitfenster, die die Besucher zugeteilt bekommen, kann man sich trotzdem alles in Ruhe ansehen. Ich gehe dann erst einmal zu den Stallungen, die etwa 10 Minuten Fußmarsch vom Haus entfernt liegen. Hier gibt es ein Café, wo ich einen Muffin und heiße Schokolade kaufe. Trotz winterlichen Temperaturen lässt es sich im Innenhof dank warmer Felle und Heizpilzen gut aushalten.
Und dann gibt es in einem Teil der Stallungen noch eine ganz besondere Ausstellung. Konditoren haben ein riesiges Lebkuchenhaus im Stil eines Herrenhauses geschaffen. Einfach unglaublich mit wieviel Liebe zu Detail sogar die Inneneinrichtung aus Zuckerguss und Marzipan gestaltet wurde.
Ganze zwei Meter lang ist das Lebkuchenhaus, mehr als 30kg Butter, 240 Eier und 216 kg Zuckerguss wurden verwendet. Mehr als 500 Stunden arbeiteten die Konditoren an diesem Kunstwerk.
Dann gehe ich zurück zum Haupthaus. inzwischen ist es draußen fast dunkel, obwohl es erst halb fünf ist, aber so ist das im Winter und hier hat es auch sein Gutes, denn nun verwandelt sich der Park in ein magisches Lichterspiel.
Die Hauptattraktion ist die Lichtershow, die alle 15 Minuten mit musikalischer Untermalung am Haus zu sehen ist.
Ich habe auch ein kleines Video gemacht, doch leider hatte ich hier kein Stativ dabei, da ich nicht wusste, was mich erwartet. Ich hoffe, es gibt trotzdem einen Eindruck von der Show.
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In einem anderen Teil des Parks ist die Lichtinstallation „Field of Lights” des Künstlers Bruno Munro zu sehen. Über Wegen kann man die vielen delikaten Kunstwerke erwandern, die Bilder kaum wiedergeben können. Live war das ein unglaublich faszinierendes Erlebnis.
Gegen 18 Uhr verlasse ich Waddesdon. Ich bin doch etwas durchgefroren und auch geschafft. Es war ein anstrengender, aber schöner letzter Tag im Jahr 2016. Auf dem Rückweg zum Hotel halte ich noch bei einem Harry Ramsden’s. So gibt es also auch dieses Jahr an Silvester Fisch, wenn auch etwas anders als sonst.
Auf dem Parkplatz entdecke ich dann noch diesen lustigen Waschsalon. Habe ich so auch noch nie gesehen.
Erst gegen 21 Uhr bin ich wieder am Hotel. Eigentlich hatte ich vor, mir noch einen Weg in die Londoner Innenstadt zu suchen, um beim Feuerwerk dabei zu sein. Doch ich bin viel zu geschafft und habe auch keine Lust auf das Gedränge von Zehntausenden Menschen, sodass ich es mir stattdessen in meinem Zimmer gemütlich mache. Gegen Mitternacht schalte ich dann den Fernseher ein und verfolge das Feuerwerk so.
Dann gehen recht schnell die Lichter aus, denn ich habe morgen einige vor. Besonders die New Years Parade will ich mir nicht entgehen lassen. Ich kenne Paraden ja aus den USA, aber in England habe ich noch keine besucht. So bin ich neugierig, wie das hier so von Statten geht.
Meilen: 228
Wetter: 2 – 8 Grad
Hotel: Hilton Croydon