Tag 2: Donnerstag, 29. Dezember 2016
Down South – Große Rundfahrt
„The cars we drive, say a lot about us.” – Alexandra Paul
Als ich heute Morgen die Vorhänge zur Seite schiebe, lacht mich die Sonne einmal mehr vom knallblauen Himmel an. Wow, wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet zu dieser Jahreszeit so tolles Wetter haben würde? Da komme ich Jahr für Jahr im Frühling und Sommer, doch so ein Wetter und das gleich zwei Tage hintereinander hatte ich doch eher selten. So mache ich mich dann auch ganz schnell fertig, packen muss ich ja nicht, und gehe zum Frühstück. Das bekomme ich als Hilton Honors Diamond kostenlos im Restaurant. Danach hält mich nichts mehr und ich sitze im Auto. Bei diesem Wetter will ich nach Süden zur Küste – mein erstes Ziel Highcliffe Castle.
Das heutige Herrenhaus wurde 1831 für Charles Stuart, 1. Baron Stuart de Rothesay erbaut, nachdem zwei frühere Häuser an gleicher Stelle abgerissen wurden. Es gilt als das bedeutendste erhaltene Bauwerk der Neugotik in Großbritannien. Als spätere Erben in finanzielle Nöte gerieten, vermieteten sie das Haus. So verbrachte der deutsche Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1907 einen dreiwöchigen Urlaub in Highcliffe. Berühmtester Mieter aber war wohl Kaufhausbesitzer Harry Gordon Selfridge, der hier 1916–1920 logierte.
In den Jahren 1967 und 1968 beschädigten zwei Feuer das Haus so schwer, dass sogar über seinen Abriss nachgedacht wurde. Lange verfiel Highcliffe als Dachlose Ruine bis es ab 1990 wieder instand gesetzt wurde. Heute wird es für Veranstaltungen oder auch Hochzeiten genutzt.
Das Haus steht auf einer Klippe, die den Ärmelkanal überblickt. Über eine Treppe gelangt man auch an den Strand. Von dort kann man bis zur Isle of Wight blicken.
Als nächstes fahre ich durch den New Forest. Der Nationalpark ist das größte zusammenhängende Weide- und Waldgebiet im dicht besiedelten Süden Englands und berühmt für seine wilden Ponys. Doch anstatt Pferden laufen mir erst einmal nur Kühe vor die Motorhaube.
Das Gebiet des New Forest ist alt, sehr alt. Schon in der Stein- und Bronzezeit wurden hier Wälder gerodet, damit man Ackerbau betreiben konnte. Erstmals schriftlich erwähnt wurde der Nova Foresta bereits im Domesday Book von 1086. Schon 1079 wurde das Gebiet zum königlichen Jagdgebiet erklärt und gehört noch heute zu 90 Prozent der britischen Krone.
Ich halte weiter nach Ponys Ausschau, die es hier zu Hunderten gibt. Und tatsächlich entdecke ich bald einige rechts und links der Straße. An vielen Orten gibt es auch Parkplätze und man kann das Gebiet von dort aus erwandern.
Auf dem weiteren Weg läuft mir dann auch noch anderes Getier vor die Linse. Die Fasane sieht man in Englands übrigens oft am Straßenrand. Besonders die Männchen sind durch ihr buntes Gefieder gut zu sehen.
Dann erreiche ich mein nächstes Ziel. Beaulieu gehört auch zu den Treasure Houses, von denen ich einige schon auf vorherigen Reisen besucht habe. Und ich habe hier durch meine HHA Mitgliedschaft einmal mehr freien Eintritt.
Beaulieu ist heute besonders für das National Motor Museum bekannt, doch auch das historische Anwesen kann besichtigt werden. Zuerst lande ich auf einem großen Parkplatz. Es ist kein Problem, das Auto abzustellen. Von hier führt der Weg zum Besucherzentrum, wo sich ein Shop und die Kassen befinden. Mit dem HHA Pass bekomme ich sofort Einlass für das gesamte Anwesen, inklusive des Museum. Das hat einen besonderen Grund, denn Beaulieu ist sozusagen der Geburtsort der Historic Houses Association.
Betritt man das Grundstück, kommt man zuerst zum Motor Museum. Dieses lasse ich jedoch erst einmal links liegen und laufe weiter zum historischen Haupthaus. Bereits 1204 wurde Beaulieu erstmalig erwähnt. Damals stand hier ein Torhaus als Zugang zur Beaulieu Abbey. Nach der Auflösung der Klöster durch Henry VIII. erwarb der damalige Baron Montagu das Anwesen und ließ hier ein Wohnhaus errichten, das im 19. Jahrhundert im gotischen Stil ausgebaut wurde.
Natürlich wird auch in Beaulieu derzeit Weihnachten gefeiert und so werde ich schon in der großen Halle mit weihnachtlichen Klängen begrüßt. Festlich geschmückt sind auch das Esszimmer sowie die Küche, wo sogar für die Besucher Glühwein, heiße Schokolade und frische Kekse bereitstehen.
Ansonsten darf ich mich frei im öffentlichen Teil des Hauses bewegen und mir den Stammsitz von Lord Montagu anschauen. Das gefällt mir sehr gut, denn so kann ich mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche.
Im Winter ist es im Park von Beaulieu etwas ruhiger. Während der Saison können sich die Besucher auch mit diesem historischen Bus herumfahren lassen. Außerdem gibt es verschiedene Aktivitäten besonders für Kinder.
Zum Grundstück gehören auch die Ruinen von Beaulieu Abbey. Sie wurde 1204 von König Johann Ohneland als Zisterzienserkloster gegründet und ist das einzige von ihm gegründete Kloster in England. Die Abtei wurde mit 30 Mönchen besiedelt und blieb bis 1538 bestehen.
Einige Gebäude, wie das Refektorium der Abtei, überlebten aber. Es wurde zur Gemeindekirche umgebaut und besteht noch heute.
Ebenfalls auf dem Gelände der Abbey befindet sich ein kleiner Friedhof, auch dem einige Familienmitglieder beigesetzt sind.
Dann gehe ich zurück zum National Motor Museum. Einen Blick hineinwerfen will ich auf jeden Fall, doch ich sehe schnell, dass das hier wohl etwas länger dauern wird, denn das Museum ist riesig und sehr interessant. Das Museum wurde 1952 von Edward Douglas-Scott-Montagu, 3. Baron Montagu of Beaulieu in Erinnerung an seinen Vater gegründet, der ein Pionier des englischen Motorsports war. John Douglas-Scott-Montagu war der erste Parlamentarier, der mit einem Auto zum Parlament fuhr und unterrichtete sogar den späteren König Edward im Autofahren.
Zuerst bestand die Sammlung aus nur 5 Fahrzeugen, die im Haupthaus ausgestellt wurden. Doch schon bald wurde der Platz zu eng, sodass 1972 das National Motor Museum in einem eigenen Gebäude eröffnete. Heute sind über 250 Fahrzeuge sowie unzählige andere Ausstellungsstücke zu sehen.
Schon die Eingangshalle lässt erahnen, was großes Spektrum an Fahrzeuge hier gezeigt wird. Da gibt es seltene Einzelstücke oder auch Massenprodukte und Rekordhalter. Sogar Fahrzeuge aus Kinofilmen gehören zur Sammlung.
In der großen Museumshalle angekommen, beginnt die Ausstellung mit den ältesten Modellen (v.l.n.r.). Dazu gehört dieser Benz Patent Motorwagen von 1886. Im zweiten Prototypen unternahm die Familie Benz 1888 ihre legendäre Fahrt von Mannheim nach Pforzheim, die erste Autofahrt überhaupt. Auch der De Dietrich aus dem Jahr 1903 ist ein richtiges Schmuckstück. Der Benz Velo war eines der ersten Serienmodelle und wurde 1894–1900 verkauft. Und von dem Renault mit den roten Sitzen aus dem Jahr 1899 wird angenommen, dass er das älteste erhaltene Fahrzeug des Herstellers ist.
Unzählige Oldtimer reihen sich in größeren und kleineren Gruppen aneinander. Alle sind wunderschön restauriert und auf Hochglanz poliert.
So auch dieser Mercedes 60hp, der als einziger weltweit noch existiert (v.l.n.r.). Alfred Harmsworth erwarb ihn 1903 direkt von Mercedes Benz und er blieb bis heute in der Familie. Das Fahrzeug steht nur als Leihgabe im Museum. Der Canstatt Daimler von 1898 war hingegen ein typisches Beispiel einer „Horseless Carriage” und zeigt, wie dicht die ersten Automobile noch an Kutschen angelehnt waren. Der grüne Daimler 12 hp verkörpert ein besonderes Stück britische Geschichte. Er wurde 1899 vom Abgeordneten John Montagu für 775 Pfund gekauft, der damit regelmäßig Ausflüge in den New Forest veranstaltete. Im selben Jahr war das Fahrzeug auch das erste Benzinbetriebene Fahrzeug, das den Innenhof des House auf Commons befuhr. Das Auto mit den markanten roten Felgen, war der erste Cadillac, der je nach Großbritannien gebracht wurde.
Doch nicht nur die ersten Automobile gibt es zu sehen. Zur Ausstellung gehören auch viele Raritäten aus dem Motorsport, die oft Rekorde gebrochen haben oder anderweitig berühmt geworden sind.
Natürlich gibt es auch jede Menge britischer Luxuskarossen zusehen, besonders von Rolls Royce und Bentley.
Die Sammlung von Lord Montagu umfasst heute alle Arten von Fahrzeuge. So kam auch dieser Lieferwagen von Harrods dazu, sowie zahlreiche Motorräder, denen ein eigener Bereich gewidmet ist.
Sehr schön fand ich auch die Sammlung historischer Tanksäulen.
Ein besonderes Highlight ist sicher die voll ausgestattete Werkstatt. Bis ins kleinste Detail hat man hier alles liebevoll aufgebaut. Sogar in Fahrzeug in der Reparatur, einen Abschleppwagen und ein originales Unfallfahrzeug gibt es.
Überhaupt ist auch das Drumherum sehr liebevoll gestaltet, sodass man eher selten auf kahle Museumswände schaut. Und alles hat irgendwie mit britischer Geschichte zu tun, wie auch dieser historische Sainsbury.
Es gibt auch sehr kuriose Fahrzeuge zu sehen, wie diese Mini Outspan Orange von 1972. Sechs dieser Fahrzeuge wurde gebaut, um in Großbritannien, Frankreich und Deutschland Werbung für Outspan Orangen zu machen. Eines wurde später sogar nach Südafrika gebracht. Das Fahrzeug basiert auf der Karosserie des Mini und ist extrem manövrierfähig.
Ein besonderes Fahrzeug ist auch diese hellblaue Isetta 300 von BMW aus dem Jahr 1962. Die Micro Autos waren damals sehr populär. Man brauchte nicht so viel Material zum Bau und sie waren auch sehr Spritarm, denn man hatte während der Suezkrise Angst vor einer Benzinknappheit. Während die Fahrzeuge in Kontinentaleuropa mit vier Rädern verkauft wurden, hatte die britische Version nur drei. Hintergrund waren niedrigere Steuern, sowie die Möglichkeit, das Fahrzeug dann mit einem Motorradführerschein zu fahren.
Zum Abschluss schaue ich mir noch die Filmfahrzeuge an, die in einer extra Halle untergebracht sind. Dazu zählen ein Mini von Mr. Bean, ein Cadillac von Elvis oder auch verschiedene James Bond Modelle.
Auf dem Rückweg nach London halte ich noch in Mottisfont, das zum National Trust gehört. Hier war ich vor vielen Jahren schon einmal, heute aber will ich schauen, welche Weihnachtsdekorationen man so aufgebaut hat. Von den schönen Gärten hat man jetzt im Winter ja eher wenig, sodass ich mich gleich dem Haus zuwende. Ich erfahre, dass nur einige wenige Räume im Winter geöffnet haben. Schade, habe ich das Haus doch als sehr schön in Erinnerung, trotz seines schlichten Äußeren. Mottisfont war eigentlich einst ein Kloster und wurde nach Auflösung der selbigen zum Herrenhaus umgebaut. Seit 1957 gehört es dem National Trust, der er von der letzten Besitzerin geschenkt bekam.
Ich gehe also durch die Räume, die geöffnet sind und muss sagen, dass mir viele der Dekorationen hier so gar nicht zusagen. Was für ein Kontrast zu Beaulieu. Keine Ahnung, was sich der National Trust dabei denkt, aber Weihnachten und moderne Kunst passen für mich irgendwie nicht so ganz zusammen. Und diese Ansicht wird sich für mich noch einige Male bewahrheiten.
Nun ja, es war nett, aber ich bin froh, dass ich den National Trust Pass sowieso hatte. Hätte ich fast 14 Pfund Eintritt bezahlt, wäre ich schon sehr enttäuscht gewesen. Irgendwie gefallen mir die traditionell geschmückten Häuser besser. Und den Rest des Hauses werde ich dann wohl auf einer anderen Reise noch einmal fotografisch festhalten.
Erst im Dunkeln bin ich schließlich zurück in London. Aber das macht nichts, es war ein fantastischer Tag und im Winter wird es ja auch recht früh dunkel. Ich mache mich auf den Weg in die Innenstadt. Zuvor habe ich mir online ein Parkhaus in der Nähe des Tower gesucht, mal schauen, ob das so klappt, wie ich mir das vorstelle. Noch ist recht viel Verkehr in der Innenstadt und so dauert die Fahrt länger als geplant. Doch schließlich erreiche ich den Tower und suche nach dem Parkhaus. Nach einmal ums Karree fahren ist das dann auch gefunden und ich kann zum Preis von 4 Pfund parken. Jetzt ist es nicht mehr weit zum Pub, wo ich verabredet bin und einen netten Abend verbringe.
Erst spät bin ich zurück im Hotel, wo ich bald zu Bett gehe, denn auch morgen warten neue Entdeckungen auf mich. Ich hoffe auf genauso so tolles Wetter, doch der Wettermann im Fernsehen widerspricht mir. Wir werden sehen, ob ich die Sonne morgen zu Gesicht bekommen soll.
Meilen: 244
Wetter: ‑1 – 9,5 Grad
Hotel: Hilton Croydon