Stadtrundgang durch die Rechtstadt von Danzig, Polen – Teil 1
Die Rechtstadt ist der historisch bedeutsamste Stadtteil von Danzig und liegt im Zentrum der alten Hansestadt. Ein Spaziergang durch die Gassen mit den historischen Gebäuden ist wohl das Highlight eines Besuchs in der Stadt an der Ostseeküste. Die Stadt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufwendig restauriert und erstrahlt inzwischen wieder in altem Glanz.
Ich starte meinen Rundgang am Hilton Hotel und laufe von dort aus am westlichen Ufer der Mottlau entlang. Zuerst erreiche ich das Häkertor, das zwischen 1481 und 1482 erbaut wurde und das Ende der Häkergasse an der Mottlau bildet. Über dem Tor sind noch heute die Wappen von Polen, Danzig und Preußen zu sehen. Inzwischen wird das Stadttor als Wohnhaus genutzt.
Der Fluss, der durch die Altstadt fließt, ist die Mottlau. In der Stadt teilt er sich auf und bildet die Speicherinsel. Die Mottlau ist nur rund 65 Kilometer lang und mündet in die tote Weichsel.
Am Flussufer entlang stehen weitere Häuser, die allerdings jüngeren Datums sind. Erbaut wurden sie meist um 1900 als bürgerliche Wohnungen und an den Fassaden sind noch heute deutsche Inschriften zu lesen.
Eine weitere Insel in der Mottlau ist der sogenannte Bleihof. Auf der Insel befinden sich unter anderem die Philharmonie und das nationale maritime Museum der Stadt Danzig.
Zum Museum gehört die SS Soldek, ein ehemaliger polnischer Kohle- und Erzfrachter, der das erste von 29 Schiffen war, die zwischen 1949 und 1954 auf der Danziger Werft gebaut wurden. Im regulären Dienst war sie bis 1980 und kann seit 1985 besichtigt werden.
Das wohl bekannteste Wahrzeichen von Danzig befindet sich ebenfalls am Ufer der Mottlau, das Kranentor. In das backsteinerne Stadttor wurde hier eine hölzerne Kranvorrichtung gebaut, um gleichzeitig Waren von Schiffen zu löschen.
Das Modell direkt vor dem Stadttor zeigt sehr schön, welche Dimensionen das Gebäude hat und macht es so gleichzeitig auch für Blinde erlebbar.
Ursprünglich wurde das Kranentor bereits 1363 erbaut, jedoch 1442 durch einen Brand fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau in seiner heutigen Form erfolgte zwischen 1442 und 1444 als Doppelhalbrundturmtor mit ziegelgedeckten Dächern. Der 31 Meter hohe Mittelbau mit dem Kran überragt die 24 Meter hohen Seitentürme dabei beträchtlich und dominiert so das Ensemble.
Angelegt ist der hölzerne Vorbau ist als Doppelhebewerk über sechs Stockwerke und gehört zu den ältesten im (ehemaligen) deutschsprachigen Raum erhaltenen Hebevorrichtungen dieser Art.
Das Kranentor gehört heute zum maritimen Zentrum, das alte Stadttor selbst ist jedoch rund um die Uhr geöffnet. Und von hier lohnt sich ein Blick nach oben.
Zu sehen sind zwei der vier Treträder mit einem Durchmesser von sechseinhalb Metern. In der Mitte zu sehen ist die rund zehn Zentimeter starke Trosse (Hanfleine), die über eine Seilwinde im dritten Stock läuft und die Räder so antreibt. Ein weiteres Paar hängt in zwanzig Metern Höhe im fünften Stock des Kranen.
Neben dem Kranentor schließen sich wieder alte Bürgerhäuser an und an einem Haus prangt der Name Goldwasser. Heute ist das an dieser Stelle ein exklusives Restaurant, doch eigentlich bezieht er sich auf das berühmte Danziger Goldwasser, einen Gewürzlikör, der ab dem 16. Jahrhundert in der Hansestadt hergestellt wurde und in dessen klarer Flüssigkeit Goldflocken schwimmen.
So erreiche ich die „neue Fußgängerbrücke über die Mottlau”, die die Rechtstadt mit der Speicherinsel verbindet. Die Brücke kann zur Seite geschwenkt werden, um Schiffe passieren zu lassen. Jetzt aber laufe ich hinüber, um so einen besseren Blick auf die Gebäude am Flussufer zu haben.
Die Speicherinsel entstand 1567, nachdem die neue Mottlau ausgehoben wurde. Auf der Insel war über Jahrhunderte eine ganze Speicherstadt zu finden, doch nach starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind nur wenige Bauwerke erhalten geblieben. Inzwischen wurde die Insel aber revitalisiert und es sind Hotels, Wohnungen, Restaurants und Geschäfte entstanden.
So folge ich nun dem östlichen Ufer der Mottlau und habe dadurch einen schönen Blick auf die historischen Gebäude der Rechtstadt. Dazu zählt auch ein weiteres Stadttor, das Frauentor. Die dahinter beginnende Frauengasse führt direkt zur Marienkirche, doch diesen Weg werde ich erst später nehmen. Der Stil des Frauentors ist spätgotisch und erstmals erwähnt wurde es 1484, sodass man die Bauzeit auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts schätzt.
Passend zum historischen Stadtbild sind auf der Mottlau auch mehrere alte Schiffe zu finden, die regelmäßig Ausflugsfahrten anbieten.
Von der Speicherinsel laufe ich über die grüne Brücke zurück in die Rechtstadt. Auf der Brücke habe ich einen schönen Blick über die Mottlau.
Die Brücke führt direkt zum grünen Tor, einem Stadttor, das zwischen 1564 und 1568 im prunkvollen flämischen Manierismus errichtet wurde und ein älteres Stadttor ersetzte. Der Torbau ähnelt mehr einem Schloss denn einem Stadttor und war eigentlich auch als Residenz der polnischen Könige vorgesehen. Inzwischen werden die Räumlichkeiten als Museum genutzt.
Der Name grünes Tor stammt übrigens von der ursprünglichen Farbe der Wände, auch wenn davon heute nichts mehr zu sehen ist.
Hinter dem grünen Tor schließt sich der lange Markt an, ein seit dem 17. Jahrhundert bestehender langgezogener Platz, an dem wunderschöne Häuser entstanden, in denen die wohlhabenden Danziger Bürger lebten. Der lange Markt ist auch die Verlängerung der Langgasse, durch die die polnischen Könige in die Stadt einzogen, doch dorthin komme ich erst etwas später.
Zunächst einmal bewundere ich die prächtigen Fassaden der Häuser, die den langen Markt säumen. Kaum zu glauben, dass sie alle im Krieg stark beschädigt und erst in den letzten Jahrzehnten wieder aufgebaut wurden.
Am westlichen Ende des langen Marktes sind der Artushof und der Neptunbrunnen zu finden. Der Artushof entstand im Jahr 1342 infolge der Umgestaltung der Stadt nach Verleihung des Kulmer anstelle des Lübecker Rechts. Ein erster steinerner Bau wurde 1380 errichtet, das heutige Gebäude stammt von 1478 und die Fassade wurde letztmalig 1616 umgestaltet. Ursprünglich trafen sich hier reiche Bürger und Adlige, doch seit 1742 war hier die Danziger Börse ansässig.
Der davor stehende Neptunbrunnen wurde 1633 aufgestellt und geht auf den Vorschlag des Danziger Bürgermeisters Bartholomäus Schachmann zurück, der nach dem Meeresgott Neptun nach einer Italienreise ein Denkmal setzen wollte.
Am Übergang zwischen dem langen Markt und der Langgasse steht das Rechtstädtische Rathaus. Mit dem Bau des Gebäudes wurde bereits im 14. Jahrhundert begonnen, der Turm zwischen 1486 und 1488 angefügt. Ursprünglich war das Gebäude im Stil der Spätgotik erbaute worden, erhielt sein heutiges Aussehen jedoch nach einem Brand im Jahr 1556 sowie 1561 auch einen neuen Turmhelm.
Am Rathaus beginnt die Langgasse, die bedeutende Hauptstraße von Danzig, die von hier vom Langgasser Tor führt. Schon im 9. Jahrhundert entstand hier eine erste Siedlung, die später zu einer der bedeutendsten im ganzen Ostseeraum werden sollte. Bereits 1331 wurde die Straße als Langgasse erwähnt und damit auch als erste Straße in Danzig überhaupt. Wegen der Paradenfeiern zum Einzug der Könige wurde sie oft auch als Königsgasse bezeichnet.
In den prächtigen Häusern, die die Gasse säumen, wohnte reiche Bürger, Kaufleute, Bürgermeister und auch Ratsherren. Erst im 19. Jahrhundert wandelte sich das Bild und in die unteren Etagen der Gebäude zogen Geschäfte ein. Um 1900 gab es hier sogar eine Straßenbahn. Eine lebende Innenstadt war entstanden.
Das Ende der Langgasse bildet das Langgasser Tor. In den Jahren 1612 bis 1614 erbaut, ersetzte es ein früheres gotisches Tor und wurde aufgrund seiner Verzierungen auch goldenes Tor genannt. Auch dieses Tor wurde im Stil des flämischen Manierismus erbaut. Den Giebel zieren auf jeder Seit vier Figuren. Von der Langgasse her sind es Concordia (Eintracht), Justitia (Gerechtigkeit), Pietas (Frömmigkeit) und Prudentia (Weisheit).
Auf der Außenseite sind Pax (Frieden), Libertas (Freiheit), Fortuna (Reichtum) und Fama (Ruhm) zu finden, dazu ein Zitat aus Psalm 122: „Es müsse wohl gehen denen, die dich lieben. Es müsse Friede sein inwendig in deinen Mauren und Glück in deinen Palästen!“
Direkt vor dem Stadttor steht der zwischen 1379 und 1382 errichtete und 1416 bis 1418 aufgestockte Stockturm, der zur Verteidigungsanlage der Danziger Rechtstadt gehörte. Nachdem er um 1600 seine Bedeutung als Festungsanlage verloren hatte, wurde der Turm lange Zeit als Gefängnis genutzt. Heute beherbergt er einen Teil des Bernsteinmuseums.
Gleich hinter dem Stockturm steht das zu selben Zeit entstandene Peinkammertor, das ebenfalls zur Befestigungsanlage gehörte. Seine heutige Höhe sowie die Verzierungen erhielt es aber erst um 1500 während eines Umbaus. Im ehemaligen Stadttor befanden sich viele Jahre Gerichtssäle sowie weitere Teile des Gefängnisses. An der Ostseite stand der Pranger, an dem Hinrichtungen vollzogen wurden.
Das dritte Stadttor, das hier zu finden ist, ist das Hohe Tor, das einst eine der Hauptzufahrten nach Danzig war. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebäuden überstand es den Krieg fast völlig ohne Schäden.
Nach der relativen Ruhe, die in der verkehrsberuhigten Rechtstadt herrscht, werde ich beim Gang um das Hohe Tor vom Verkehrslärm fast erschlagen. Eine mehrspurige Straße führt hier direkt an der Rechtstadt vorbei. An ihr zu finden sind noch einige historische Bauten …
… doch gleichzeitig ist der Übergang zur kommunistischen Nachkriegsbauweise nicht zu übersehen. Es ist teilweise fast ein Kulturschock, wenn man die sorgsam restaurierte Rechtstadt verlässt und auf den Rest von Danzig trifft.
Damit endet der erste Teil meines Stadtrundgangs durch die Rechtstadt von Danzig. Im zweiten Teil setzte ich meine Erkundungen fort und besuche das wohl bedeutendste Gotteshaus der Stadt, die Marienkirche.
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