Stadtrundgang durch Tallinn, Estland, Teil 1

Die alte Han­se­stadt Tal­linn ist wohl eine der beein­druckend­sten Städ­te des Bal­ti­kums. Am fin­ni­schen Meer­bu­sen gele­gen, ver­zau­bert Est­lands Haupt­stadt beson­ders durch sei­ne fan­ta­sti­sche Alt­stadt und ein nor­di­sches Lebens­ge­fühl. Am besten lässt sich das Stadt­zen­trum zu Fuß erkun­den und auf einem Stadt­rund­gang las­sen sich die mei­sten der histo­ri­schen Sehens­wür­dig­kei­ten sehr gut entdecken.

Mein Stadt­rund­gang star­tet an der Lehm­pfor­te, einem Stadt­tor der Reva­ler Stadt­be­fe­sti­gung. Erst­ma­lig erwähnt wur­de die Lehm­pfor­te bereits 1362 und ihr Name geht auf die Lehm­kuh­len zurück, die sich damals vor dem Stadt­tor befan­den. Im Jahr 1454 erhielt die Lehm­pfor­te ein Vor­tor und das ist der Teil, der heu­te noch erhal­ten geblie­ben ist. Nach­dem das Stadt­tor sei­ne mili­tä­ri­sche Funk­ti­on ver­lo­ren hat­te, wur­den 1843 der fünf­ge­schos­si­ge Haupt­turm und 1888 das Haupt­tor abge­ris­sen. Nur die Rund­tür­me des Vor­to­res blie­ben ver­schont und sind so noch heu­te zu bewundern.

Direkt vor der Lehm­pfor­te ent­decke ich den Tall­in­ner Blu­men­markt. Auf rund hun­dert Metern bie­ten vier­zehn ver­schie­de­ne Ver­kaufs­stän­de traum­haf­te Gebin­de und Schnitt­blu­men an.

Ich fol­ge der Lehm­stra­ße ins Zen­trum der Alt­stadt. Schon nach weni­gen Metern kann ich rech­ter Hand das erste gut erhal­te­ne Stück der Reva­ler Stadt­be­fe­sti­gung sehen. Der Bau der mäch­ti­gen Befe­sti­gungs­an­la­gen begann um 1265 auf Geheiß der däni­schen Köni­gin Mar­ga­re­the und zog sich über drei­hun­dert Jah­re hin. Reval, wie Tal­linn damals genannt wur­de, gehör­te zu den am besten befe­stig­ten Städ­ten im Ostseeraum.

Bei ihrer Fer­tig­stel­lung war die Stadt­mau­er fast zwei­ein­halb Kilo­me­ter lang und die Mau­ern zwi­schen drei­zehn und sech­zehn Metern hoch sowie zwei bis drei Meter dick. Die gesam­te Mau­er ver­füg­te über einen Wehr­gang und vier­zig Wach­tür­me. Sechs­und­zwan­zig Tür­me sowie fast zwei Kilo­me­ter Stadt­mau­er sind heu­te noch erhalten.

Ich fol­ge nun der Mau­er­stra­ße bevor ich in den Katha­ri­nen­gang ein­bie­ge. Berühmt ist die male­ri­sche Gas­se für ihre Quer­stre­ben, die ursprüng­lich zur Sta­bi­li­sie­rung der angren­zen­den Gebäu­de errich­tet wur­den. Die Gebäu­de, die die Gas­se rah­men, stam­men aus dem 15. bis 17. Jahrhundert.

Etwas wei­ter befin­den sich eine Rei­he mäch­ti­ger Grab­plat­ten an einer der Wän­de. Sie wur­den einst für wich­ti­ge Bür­ger Revals geschaf­fen und stam­men aus dem 14. und 15. Jahrhundert.

An die Gas­se grenzt das Katha­ri­nen­klo­ster, wes­we­gen für den schma­len Durch­gang auch der Name Mönchs­pas­sa­ge gebräuch­lich ist.

Der Katha­ri­nen­gang mün­det in die Ruß­stra­ße (est­nisch Vene). Hier befin­det sich nicht nur mei­ne Unter­kunft, das Hotel Tele­graaf, son­dern auch die St. Peter und Paul Kathe­dra­le. Das katho­li­sche Got­tes­haus ist etwas Beson­de­res, denn seit der Refor­ma­ti­on gab es in Est­land kei­ne katho­li­schen Gemein­den mehr. Den über­wie­gend römisch-​katholischen Polen in Tal­linn wur­de nur ein Raum im alten Domi­ni­ka­ner­klo­ster über­las­sen. Die Gemein­de wuchs jedoch stän­dig an und so wur­de ab 1841 die heu­ti­ge Kir­che erbaut und vier Jah­re spä­ter geweiht. Die heu­ti­ge Fas­sa­de wur­de sogar erst 1920 fertiggestellt.

Im Inne­ren zeigt sich die Kathe­dra­le als schlich­te drei­schif­fi­ge Basi­li­ka, deren neu­go­ti­sche Holz­aus­stat­tung 1938 besei­tigt wur­de. Erhal­ten geblie­ben sind ver­schie­de­ne Ver­zie­run­gen und Bil­der. Der Altar wur­de aller­dings erst 2002 nach einer Reno­vie­rung neu gestaltet.

Die Ruß­stra­ße bringt mich nun immer wei­ter hin­ein in das histo­ri­sche Herz der alten Han­se­stadt, die von den Dänen einst Reval getauft wur­de und erst seit gut ein­hun­dert Jah­ren den est­ni­schen Namen Tal­linn trägt. Alte Häu­ser der Han­se mit den typi­schen Spitz­gie­beln und den Fla­schen­zü­gen für das Ver­la­den von Waren säu­men die Stra­ßen. Alle sind wun­der­schön restau­riert und erstrah­len fast wie neu gebaut.

Ande­re Gebäu­de sind ein­deu­tig spä­te­ren Datums, jedoch des­halb nicht weni­ger auf­wen­dig ver­ziert. Ein beson­ders schö­nes Bei­spiel ist die heu­ti­ge pol­ni­sche Bot­schaft, die vor allem durch ihre wun­der­schön geschnitz­ten Holz­tü­ren hervorsticht.

Schließ­lich errei­che ich den wohl bedeu­tend­sten Platz der Alt­stadt, den Rat­haus­platz. Erst­ma­lig wur­de er 1313 erwähnt und war bereits im 14. Jahr­hun­dert gepfla­stert. Lan­ge Zeit dien­te der Platz als zen­tra­ler Markt und von 1337 bis 1816 befand sich in der Mit­te ein Pranger.

Eines der weni­gen Gebäu­de, das heu­te kein Geschäft oder Restau­rant beher­bergt ist die Tall­in­ner Rats­apo­the­ke, die als eine der älte­sten Apo­the­ken Euro­pas gilt und noch heu­te in Betrieb ist. Erst­mals urkund­lich erwähnt wur­de sie 1422, hat­te damals jedoch bereits ihren drit­ten Besit­zer, sodass das genaue Grün­dungs­da­tum unbe­kannt ist. Die Apo­the­ke ist beson­ders mit der Fami­lie Bur­chard aus der Regens­bur­ger Apo­the­ken­dy­na­stie ver­bun­den, die sie 1582 bis 1911 betrie­ben hat. Wäh­rend der sowje­ti­schen Besat­zung wur­de die Apo­the­ke ver­staat­licht, nach der est­ni­schen Unab­hän­gig­keit auf­wen­dig reno­viert und ist seit 2003 sowohl Apo­the­ke als auch Museum.

Auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te steht das histo­ri­sche Tall­in­ner Rat­haus, eines der mar­kan­te­sten Gebäu­de der Stadt. Das heu­ti­ge Rat­haus wur­de zwi­schen 1402 und 1404 erbaut und bis 1970 als sol­ches genutzt, bevor der Stadt­rat in ein moder­nes Gebäu­de umzog. Noch heu­te wird das Rat­haus aller­dings für vie­le städ­ti­sche Ver­an­stal­tun­gen genutzt und ist zwei Mona­te im Jahr auch zu besich­ti­gen. Von mei­nem Besuch im Rat­haus erzäh­le ich in einem sepa­ra­ten Arti­kel.

Der Rat­haus­platz war übri­gens lan­ge Zeit auch die Mit­te der Stadt und von hier wur­den alle Ent­fer­nun­gen in ganz Est­land gemessen.

Ich fol­ge nun eini­gen der engen Gas­sen in der Alt­stadt. Am besten lässt sich die­se erkun­den, wenn man sich ein­fach trei­ben lässt. Ver­lau­fen kann man sich in Tal­linn kaum und wei­te Ent­fer­nun­gen sind auch nicht zurückzulegen.

So errei­che ich die Niko­lai­kir­che am Fuße des Dom­ber­ges, die zwi­schen 1230 und 1275 von west­fä­li­schen Kauf­leu­ten gegrün­det wur­de, die von Got­land nach Est­land gezo­gen waren. Geweiht wur­de sie dem hei­li­gen Niko­laus, dem Schutz­pa­tron der Kauf­leu­te, See­leu­te und Fischer. Ihr goti­sches Aus­se­hen erhielt das Got­tes­haus wäh­rend eines Umbaus zwi­schen 1405 und 1420 als Reval als Han­se­stadt zu Wohl­stand gekom­men war. Heu­te wird die Kir­che übri­gens nicht mehr als Got­tes­haus genutzt, son­dern ist Teil des est­ni­schen Kunst­mu­se­ums. Hier wer­den vie­le sakra­le Kunst­schät­ze gezeigt und es fin­den regel­mä­ßig Kon­zer­te statt.

Vom etwas erhöh­ten Vor­platz der Niko­lai­kir­che habe ich einen schö­nen Blick zurück in Rich­tung Rat­haus­platz, wo sich der Rat­haus­turm mit sei­ner schlan­ken Gestalt über die Gebäu­de erhebt. Der Turm kann für eini­ge Mona­te im Jahr auch bestie­gen wer­den und bie­tet eine schö­ne Aussicht.

Nun sind es nur noch weni­ge Schrit­te bis ich den Frei­heits­platz errei­che. Der gro­ße Platz wird im Osten von der Johan­nis­kir­che begrenzt, die in den 1860er Jah­ren im Stil der Neu­go­tik erbaut wurde.

Der Kir­che gegen­über steht seit 2009 das Denk­mal für den Unab­hän­gig­keits­krieg. Erst­ma­lig wur­de Est­land bereits 1918 unab­hän­gig, 1940 aber von der Sowjet­uni­on annek­tiert und erlang­te schließ­lich 1991 sei­ne voll­stän­di­ge Unab­hän­gig­keit als Staat in Euro­pa, ist seit 2004 Mit­glied der Euro­päi­schen Uni­on und seit 2011 Euroland.

Neben dem Frei­heits­platz ent­decke ich die Bür­ger­mei­ster­trep­pe, die wäh­rend der Reno­vie­rung des Plat­zes in den 2000er Jah­ren eben­falls saniert wur­de. Sie führt ein Stück hin­auf auf den Dom­berg, einer der inter­es­san­te­sten Ecken der Alt­stadt von Tallinn.

Am obe­ren Ende der Trep­pe führt eine Stra­ße wei­ter auf den Dom­berg von Tal­linn und weni­ge Meter wei­ter habe ich schon einen ersten Blick auf die Spit­ze des Tall­in­ner Doms sowie die Tür­me der Alex­an­der New­s­ki Kathedrale.

Damit endet der erste Teil mei­nes Stadt­rund­gangs durch Tal­linn. Im zwei­ten Teil wer­de ich wei­te­re Tei­le der Stadt­be­fe­sti­gung erkun­den und noch die ein oder ande­re Ent­deckung machen. Zuerst aber schaue ich mir den Dom­berg genau­er an, der sich außer­halb der Alt­stadt befin­det und im Gegen­satz zu Reval unter feu­da­lem Recht stand. Doch nicht nur histo­risch ist der Dom­berg inter­es­sant, denn von hier oben habe ich auch eine fan­ta­sti­sche Aus­sicht auf Tal­linn. Doch davon und natür­lich noch viel mehr erzäh­le ich ein ande­res Mal.

Stadt­rund­gang durch Tal­linn, Teil 2

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Stadt­rund­gang durch Tal­linn, Est­land, Teil 1

Stadt­rund­gang durch Tal­linn, Est­land, Teil 2

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Betty

Es gibt nichts, was ich mehr liebe als die Welt zu bereisen. Immer mit dabei ist meine Kamera, wenn ich spannende Abenteuer erlebe und neue Reiseziele erkunde. Das Reisen bereitet mir so viel Freude, dass ich nun auch meine Leser an meinen Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen möchte.

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