Mittsommer Remise 2021 in Mecklenburg – Die Nacht der nordischen Guts- und Herrenhäuser
Jedes Jahr Mitte Juni laden Schlösser sowie Guts- und Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern dazu ein, die alten Gemäuer näher zu erkunden. Dabei ist ein Tag dem Landesteil Mecklenburg und der andere dem Landesteil Vorpommern gewidmet. Bereits zum 14. Mal fand das Event im Jahr 2021 statt und gab wieder Einblicke hinter die Kulissen der stattlichen Gebäude aus längst vergangenen Tagen.
Herrenhaus Viecheln
Der Tag startet für mich am Herrenhaus Viecheln. Es ist gar nicht einfach, aus den 54 Häusern zu wählen, die heute geöffnet sind, aber irgendwann ist die Auswahl gefallen. Viecheln ist zum ersten Mal bei der Mittsommer Remise dabei, denn das Herrenhaus hat erst kürzlich die Besitzer gewechselt.
Die Geschichte des heutigen Gutshauses beginnt mit dem Erwerb des Gutes durch die Kaufmannsfamilie Blohm aus Lübeck. Wilhelm Eduard Blohm ließ das Herrenhaus 1869 für sich und seine Familie errichten. Die Initialen WB sind noch heute an der Seite des Turms zu finden.
Architekt des Anwesens war Heinrich Gustav Thormann aus Wismar, der es verstand, Häuser im damals modernen neugotisch-englischen Tudorstil zu erschaffen, die seine Auftraggeber begeisterten. Bis 1945 lebte die Familie Blohm im Haus, bevor sie durch die Bodenreform enteignet wurde. Anschließend zogen zunächst Flüchtlinge in das Haus, später wurden hier ein Kindergarten sowie eine Gaststätte eingerichtet. Nach der Wende kam das Haus in den Besitz der Gemeinde Viecheln, die 1995 mit einer Sanierung begann. Im Jahr 2020 entschied man sich jedoch zum Verkauf, sodass es nun wieder private Eigentümer gibt, die im Herrenhaus leben und ihm nach und nach neues Leben einhauchen.
Die Renovierungen im Erdgeschoss sind schon abgeschlossen und die herrschaftlichen Räume erstrahlen heute wieder in altem Glanz. Von der vorherigen Nutzung als Kindergarten und Gaststätte ist nichts mehr zu erkennen. Inzwischen laden die repräsentativen Räume wieder zum Verweilen ein.
Im großen Saal, der lange Zeit der Schankraum der Gaststätte war, finden nun wieder Lesungen und Konzerte statt.
Besonders interessant ist hier übrigens die Farbgebung an der Decke. Auf den ersten Blick ist das recht grelle grün etwas überraschend, doch zeugt es vom Reichtum der Familie. Leuchtende Farben zu schaffen, war damals sehr teuer und wer sie sich leisten konnte sehr vermögend.
Im Herrenhaus Viecheln werden nun auch Ferienwohnungen angeboten, die mit eigens zusammengestellten antiken Möbeln eingerichtet sind. Das Schlafzimmer der Wohnung Wilhelm befindet sich im ehemaligen Büro des Hausherrn und ist auch mit einem Badezimmer sowie kompletter Küche ausgestattet. Die zweite Wohnung, nach Ruth Blohm benannt, befindet sich im Turm des Hauses.
Während der Mittsommer Remise können auch die weiteren repräsentativen Räume im Erdgeschoss angesehen werden, die sich rund um die Eingangshalle befinden.
Besonders schön ist der Wintergarten, der zu DDR Zeiten komplett zugemauert war. Jedoch blieben viele der historischen Elemente erhalten, sodass er zu neuem Leben erweckt werden konnte. Angebaut wurde dieser Raum erst später, denn zuerst befand sich hier nur eine Terrasse. Da diese aber in der kalten Jahreszeit nicht nutzbar war, wurde der Wintergarten geschaffen.
Auf eine offene Terrasse wollten die Hausherren aber trotzdem nicht verzichten, sodass diese dann kurzerhand vor den Wintergarten angebaut wurde.
Umgeben ist das Herrenhaus Viecheln von einem kleinen englischen Landschaftspark umgeben, den Wilhelm Blohm während dem Bau des Herrenhauses anlegen ließ. Hier sind noch heute einige interessante Gehölze zu finden und inzwischen lädt der Park auch wieder zum Flanieren ein.
Nach diesem interessanten Start geht es für mich nun weiter, denn es warten noch einige Schlösser und Gutshäuser darauf von mir erkundet zu werden. Mein nächstes Ziel ist Schloss Lühburg, das nur einige Kilometer von Viecheln entfernt liegt.
Schloss Lühburg
Die Geschichte des Gutes Lühburg beginnt bereits im 14. Jahrhundert als die Familie von Bassewitz in den Besitz des Anwesens kommt. Im Dreißigjährigen Krieg wird das Gut jedoch vollständig zerstört. Die Familie kehrt jedoch zurück und zwischen 1725 und 1730 ließ Ludolph Friedrich von Bassewitz das heutige Schloss erbauen. Lüburg besteht aus einem zweigeschossigen Mittelbau sowie zwei Kavalierhäusern zu beiden Seiten.
Um 1782 verkauft Joachim Ludolph von Bassewitz jedoch den gesamten Besitz, der daraufhin durch verschiedene Hände geht. Erst 1858 kauft Heinrich Ludwig Graf von Bassewitz Schloss Lühburg für die Familie zurück. Nach 1945 wird auch die Familie von Bassewitz enteignet und zunächst ziehen Flüchtlinge ein, später eine Schule, ein Konsum, eine Gaststätte sowie die Bibliothek des Ortes.
Nach der Wende kauft zunächst die Familie Steffen das Anwesen und beginnt mit einer umfassenden Sanierung. Im Jahr 2010 gelangt Schloss Lühburg schließlich wieder zurück in die Familie von Bassewitz. Derzeitige Besitzer sind Dorothee Calsow, geborene Gräfin von Bassewitz sowie ihr Ehemann, die hier Ferienwohnungen und Veranstaltungsräume anbieten.
Während der Mittsommer Remise 2021 sind im Haus aufgrund der Coronamaßnahmen leider nur wenige Räume zu sehen. Der erste Stock ist wegen der recht engen Flure nicht zur Besichtigung freigegeben. Nur die Tafel aus dem 18. Jahrhundert im Treppenhaus kann ich noch kurz anschauen, bevor es wieder hinaus in den Garten geht.
Schloss Lühburg befindet sich auf einer kleinen Insel und ist auch heute noch vollständig von Wasser umgeben. Zwischen Schloss und Graben befindet sich eine kleine Gartenanlage.
Besonders interessant sich die Wälle östlich und westlich des Gebäudes, die als Windschutz errichtet wurden. Zusätzlich pflanzte man Lindenbäume, sodass der Wind über das Schloss geleitet werden konnte. Auf jeder Seite gibt es genau zwölf Bäume, wie die zwölf Apostel, und jeweils einen Baum am Kopfende.
Ziemlich einzigartig ist auch der Backsteinturm an der Seite des Gebäudes. Während der umfassenden Renovierung 1885 wurde er angebaut. Im Turm wurden die Badezimmer eingebaut, die zu jener Zeit in Mode kamen. Und noch heute befinden sich im Turm zwei Badezimmer.
Außerhalb des Wassergrabens befindet sich eine weitere Parkanlage, die heute im Besitz der Gemeinde ist, aber von der Familie Calsow gepflegt wird. Einst gehörte das gesamte Land zum Anwesen und so bietet ein Pfad um die Schlossinsel immer wieder schöne Ausblicke.
Von Lühburg geht es nun weiter Richtung Süden nach Prebberede, genauer gesagt in den kleinen Ortsteil Belitz, wo sich ein weiteres interessantes Gutshaus befindet, das zur Mittsommer Remise seine Pforten öffnet.
Gutshaus Belitz
Das heutige Gutshaus Belitz entstand 1906 durch den Umbau des Vorgängerbaus aus dem Jahr 1788 nach den Plänen des Architekten Paul Korff. Das Gut selbst existiert schon seit dem 14. Jahrhundert und hatte wechselnde Besitzer. Heute ist die Familie Bongardt Eigentümer, deren Großeltern bis zur Enteignung 1945 Gut Belitz bewirtschafteten.
Deutschlandweit bekannt wurde Gut Belitz durch die ARD-Serie „Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus” für die ein großer Teil des Gutshauses wieder in den Zustand um 1900 zurückgebaut wurde, nachdem die Räume zu DDR-Zeiten in mehrere Wohnungen aufgeteilt wurden. Nur eine Wohnung existiert heute noch und in der lebt die Familie Bongardt.
Aber zurück zum Gutshaus, das durch die ARD-Serie eine einzigartige Wandlung durchlief. Es ist wieder so zu erleben wie damals, als hier der Gutsbesitzer mit seiner Familie lebte. Dazu wurden die Räume komplett mit alten Möbeln ausgestattet und jegliche Spuren späterer Modernisierungen entfernt.
Und so kann das Gutshaus auch heute erlebt werden, denn die Familie Bongardt öffnet regelmäßig die Türen zu diesem historischen Kleinod. Zwar sind die Möbel nicht mehr original zum Haus gehörig, da nach der Enteignung alles zerstört wurde, aber doch der Zeit entsprechend.
Bei der Einrichtung des Hauses wurde viel Aufwand betrieben. So wurden auch Tapeten nachgedruckt und Teppiche beschafft. Sogar die zwei Kachelöfen wurden extra nach Belitz gebracht. Sie stammen aus dem Ofen- und Keramikmuseum in Velten bei Berlin.
Doch nicht nur das Erdgeschoss wurde wieder vollständig eingerichtet wie im Jahr 1900. Auch im Untergeschoss wurden die Räume nach historischen Vorbild zurückgebaut. So gibt es eine alte Küche, die sogar voll funktionsfähig ist.
Durch einen recht düsteren Kellergang sind die weiteren Räume verbunden. Hier wurde gewaschen, gekocht und gelagert, aber es gab auch Zimmer für die Dienstboten, die im Haus arbeiteten.
Auf der Rückseite des Gutshauses gibt es einen großen Wintergarten, der über eine Freitreppe die Verbindung zur Gartenanlage schafft.
Die Familie Bongardt bewirtschaftet heute übrigens auch das Gut wieder. Rund um das Gut existiert ein Landwirtschaftsbetrieb, der allerdings mit modernen Gerätschaften betrieben wird.
Zu meinem vierten Gutshaus des heutigen Tages muss ich etwas länger fahren. Rund dreißig Minuten führt mich der Weg nun nach Norden bevor ich nach Schloss Kölzow gelange.
Schloss Kölzow
Der Ursprung von Schloss Kölzow liegt bereits im Jahr 1180, als die Familie von der Lühe im Gefolge von „Heinrich dem Löwen” nach Mecklenburg kam, um hier Bauern anzusiedeln. Das Anwesen ist mit Unterbrechungen seit dieser Zeit im Besitz der Familie von der Lühe. Der Ursprung von Schloss Kölzow jedoch ist eine ganz besondere Geschichte, die sich so vor über achthundert Jahren zugetragen haben soll.
Damals befreiten zwei Ritter von der Lu (heute von der Lühe), die sich im Gefolge von Heinrich dem Löwen befanden, eine wendische Prinzessin aus einer brennenden Burg. Beide Brüder waren von der schönen Prinzessin verzaubert und wollten sie zur Frau. Die Prinzessin traf ihre Wahl, indem sie einem Bruder einen Strauß, dem anderen einen goldenen Reif gab. Letzterer war der auserwählte Gatte. Seit dieser Zeit ziert eine gekrönte Prinzessin das Wappen der Familie von der Lühe. Die Wappen der Nachfahren beider Brüder sind identisch – mit einer Ausnahme: Bei den Nachkommen des Bruders, der die Prinzessin heiratete, hält sie einen Ring in ihren Händen, bei den Nachfahren des anderen einen Blumenstrauß. Beide Familienzweige existierten bis in das 18. Jahrhundert. Die Familie mit dem Strauß starb dann aus. Die heute lebenden Namensträger haben den Ring im Wappen.
Das heutige Herrenhaus wurde um 1850 allerdings von Mitgliedern der Familie von Prollius errichtet, die zu jener Zeit Eigentümer von Kölzow war. Im Jahr 1925 kaufte Prinz Sigismund von Preußen das Anwesen als Sommersitz und behielt es bis er im Zuge der Bodenreform enteignet wurde.
Anschließend wurden in Kölzow der Dorfkonsum sowie ein Kindergarten untergebracht. Erst im Jahr 2000 kam das Gut wieder in den Besitz der Gründerfamilie von der Lühe, als deren Nachfahren das Anwesen zurückkauften. Von 2001 bis 2004 fand eine aufwendige Sanierung statt, denn Teile des Gebäudes waren sogar vom Hausschwamm befallen. Anschließend wurde Schloss Kölzow als Hotel wiedereröffnet.
Umgeben ist das Schloss von einem acht Hektar großen Landschaftspark, in dem noch heute einige seltene Pflanzen und Bäume zu finden sind.
Mein letztes Schloss des heutigen Tages befindet sich in westlicher Richtung. Auf dem Weg kreuze ich die A19 bevor ich das Schlossgut Gorow erreiche.
Schlossgut Gorow
Das Gutshaus Gorow ist eine repräsentative Villa, die 1882 für Oberleutnant Dethlov Hermann von Bülow erbaut wurde. Er ließ zuvor einen älteren Bau abreißen. Die Villa, die von außen recht kompakt wirkt, besticht durch ihre symmetrische Anlage und das großzügige Raumgefühl im Inneren.
Ein besonderes Detail gibt es gleich in der Eingangshalle zu entdecken, die sich über zwei Stockwerke erstreckte. Sie verfügt über ein Oberlicht, das durch seine besondere Bauart mit schrägen Wänden sehr viel Tageslicht in das Gebäude lässt.
Nach der Enteignung durch die Bodenreform wurde das Haus vielseitig genutzt. So lebten bis zu zwölf Familien in dem Gebäude und für eine Weile war hier auch eine Schule untergebracht. Bis 2018 wurde Gorow nach der Wende als Privathaus genutzt, bevor es von der jetzigen Eigentümerin erworben wurde, die das Haus zu einem Restaurant und Hotel umgebaut hat.
Zur Mittsommer Remise haben die Eigentümer die Besucher persönlich durch das Haus geführt und viel über die vergangenen und aktuellen Bauarbeiten berichtet, denn abgeschlossen ist die Renovierung noch nicht, auch wenn im Hauptteil des Hauses bereits Gäste wohnen.
Zum Abschluss des Tages nutze ich noch das kulinarische Angebot des Schlossgutes Gorow. Auf der Wiese vor dem Haus wird gegrillt und der Grillteller ist richtig lecker.
Die Mittsommer Remise in Mecklenburg ist für mich damit beendet. Immerhin fünf der 54 offenen Gebäude konnte ich besichtigen, im nächsten Jahr plane ich weitere anzuschauen. Doch das Event geht noch weiter, denn ein weiterer Tag ist den Schlössern und Herrenhäusern in Vorpommern gewidmet, doch davon erzähle ich in einem separaten Artikel.
Herrenhaus Viecheln, Schlossstr. 7, Ortsteil Viecheln, 17179 Behren-Lübchin
Schloss Lühburg, Lühburg 38, 17179 Walkendorf
Gutshaus Belitz, Zum Gutshaus 2, 17168 Prebberede
Schloss Kölzow, Am Park 5, 18334 Dettmannsdorf
Schlossgut Gorow, Zu den Linden 1, 18239 Satow
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