Tag 3: Donnerstag, 03. September 2020
Berg und Tal – Rorschacherberg nach Innsbruck
„Umwege erweitern die Ortskenntnis.” – Kurt Tucholsky
Der Morgen startet endlich mit besserem Wetter. So haben wir uns das vorgestellt. Die Sonne scheint bereits, als ich mich mit C. zum Frühstück treffe. Anschließend verabschieden wir uns vom Hotel Rebstock und fahren nach Rorschach, wo wir einen kleinen Parkplatz direkt am Ufer des Bodensees finden.
Nur wenige Kilometer weiter gelangen wir nach Staad, wo sich die Markthalle Altenrhein befindet, die vom berühmten Künstler Friedensreich Hundertwasser gestaltet wurde. Ursprünglich wurde das Gebäude als Verkaufsort für Produkte aus der Region erbaut, seit seiner Umgestaltung von 1998 bis 2001 wird es aber hauptsächlich als Veranstaltungsort genutzt.
Hundertwasser sagte einst: „Jede moderne Architektur, bei der das Lineal oder der Zirkel … eine Rolle gespielt hat, ist zu verwerfen.” und daran wurde sich auch beim Bau der Markthalle gehalten. Es gibt goldene Zwiebeltürme, leuchtende Farben, geschwungene Linien und ungleiche Fenster, ganz so wie man es von Hundertwasserbauwerken gewohnt ist.
Bunte Keramiksäulen und schattige Wandelgänge runden das Ensemble ab. Die Dachfläche hingegen ist begrünt und keiner der Böden auch nur annähernd gerade.
Auf der Rückseite wurden in eine Wand Flaschen eingelassen, die eine Hommage an das Bottlehaus von Hundertwasser in Neuseeland sind.
Selbst am Parkplatz gibt es noch einige kleine architektonische Kunstwerke zu entdecken.
Als wir dorthin zurückkehren, parken übrigens diese zwei neben uns. Anscheinend hat auch die Schweizer Armee Lust auf eine Kaffeepause in der Markthalle Altenrhein.
Für uns geht es nun zurück über die Grenze nach Österreich und hier zunächst auf die Autobahn, der wir nun ein Stück durch Vorarlberg folgen. Bei Brunnenfeld verlassen wir die Schnellstraße jedoch, denn unser Hauptziel für heute ist die berühmte Silvretta Hochalpenstraße.
Die Silvretta führt vom Vorarlberger Montafon über die Bielerhöhe bis ins Tiroler Paznaun. Der schönste Teil der Strecke ist dabei das nur im Sommer geöffnete rund 22 Kilometer lange Stück über die Bielerhöhe, das mautpflichtig ist. Die Straße ist in Privatbesitz und gehört einem Bregenzer Energieunternehmen, das 2020 pro Auto mit bis zu neun Personen 16,50 Euro verlangt. Dafür dürfen wir dann die berühmten 32 Kehren fahren, die uns auf die Bielerhöhe bringen werden.
Die Fahrt über die Kehren ist trotz Traumwetter erstaunlich angenehm, denn so richtig viel Betrieb ist heute nicht. Ob das an Corona liegt oder an der Jahreszeit vermag ich nicht zu sagen, aber zumindest halten sich die Kurvenschleicher doch sehr in Grenzen und hier scheinen auch die Motorradfahrer heute nicht allzu wild unterwegs zu sein. So erreichen wir recht zügig den Vermuntsee und damit auch einen schönen Aussichtspunkt auf die Berge.
Zu sehen ist hier die vergletscherte Litzner-Seehorn-Gruppe, ein bis zu 3100 Meter hohes Doppelbergmassiv, das an der österreichisch-schweizerischen Grenze liegt.
Die Staumauer am Vermuntsee wurde zwischen 1928 und 1931 erbaut. Zu Fuß kann sie erkundet werden, nachdem wir unser Auto auf dem nahen Parkplatz abgestellt haben. Von hier haben wir einen tollen Rundumblick auf die Berge, den See und die Silvretta.
Nachdem wir uns kurz die Beine vertreten haben, geht die Fahrt nun weiter. Unterwegs halten wir immer wieder an und bestaunen die schöne Berglandschaft der Silvretta, die ab 1925 zunächst als Zufahrtsstraße zu den Baustellen der Staudämme entstand. Später wurde die Straße verlängert und verband schließlich Partenen in Vorarlberg mit Galtür in Tirol. Der uralte Weg über das Zeinisjoch verlor so seine Bedeutung. Die alte Strecke ist allerdings weiter bei Radtouren beliebt, mit dem Auto ist sie nur mit Sondererlaubnis befahrbar.
Aber zurück zur Silvretta, deren endgültige Fertigstellung eher ein Zufall war. Der Wunsch, diese Verbindung zwischen Tirol und Vorarlberg zu vollenden, bestand schon lange, doch Realität wurde er erst in den 1950er Jahren. Zunächst lehnten es nämlich alle angefragten Baufirmen ab, eine Straße durch das schwierige Gelände zu bauen. Dazu stand an der Bielerhöhe noch immer ein Bagger vom Staudammbau, der irgendwie ins Tal musste. Hinauf kam er über eine Seilbahn in Einzelteilen, doch niemand wollte ihn nochmals zerlegen. So bahnte sich das schwere Gerät seinen Weg ins Tal schließlich allein und schuf zwischen 1951 und 1954 die Grundlage für die heutige Trasse, die bereits kurze Zeit später freigegeben und bis 1961 zweispurig ausgebaut wurde.
Auch wir folgen nun, wie die rund 400.000 jährlichen Besucher, dem letzten Stück hinauf auf die 2037 Meter hohe Bielerhöhe, den höchsten Pass der Silvretta. Dieser befindet sich direkt am Silvretta Stausee, der wiederum malerisch von Bergen und Gletschern eingerahmt ist.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die kleine Barbarakapelle. Sie wurde zwischen 1965 und 1967 nach Plänen des Architekten Hubert Fragner errichte. Verantwortlich dafür waren die Vorarlberger Illwerke, die auch die Staudämme erbauen ließen. Sie war als Erinnerung an die während des Baus verstorbenen Arbeiter gedacht.
Der Weg zur Kapelle führt über eine Wiese, auf der friedlich einige Pferde grasen und sich sogar von den Besuchern streicheln lassen.
Das Altarrelief der Kapelle wurde vom Bildhauer Herbert Albrecht geschaffen und darauf sind die Worte „Gedenket der Opfer, die ein großes Werk gefordert hat.” zu lesen. Die anfangs einfachen Fenster wurden erst später durch Buntglasfenster ersetzt.
Der Ausblick von der kleinen Kapelle ist einfach wunderschön und so halten wir uns hier eine ganze Weile auf, auch wenn es auf über zweitausend Meter Höhe schon etwas frischer ist.
Nach diesem ausgiebigen Stopp setzen wir unsere Fahrt fort und überqueren nun die Grenze nach Tirol – für mich eine Première, denn in diesem österreichischen Bundesland war ich bisher noch nie.
Die Silvretta führt nun durch etwas sanfteres Gelände und an den Straßenrändern weiden des Öfteren Rinder. An einem Haltepunkt schauen wir uns die braunen Milchkühe etwas genauer an, denn einige von ihnen tragen sogar die berühmten alpenländischen Glocken.
Am frühen Nachmittag haben wir es geschafft und lassen die Silvretta hinter uns. Nun kommen wir durch das kleine Örtchen Galtür, das 1999 traurige Berühmtheit durch ein furchtbares Lawinenunglück erlangte, bei dem 31 Menschen ihr Leben verloren.
Ein kleines Stück weiter erreichen wir Mathon, wo wir am Straßenrand die kleine Dreifaltigkeitskapelle entdecken. Praktischerweise gibt es hier auch einen Parkplatz, sodass wir die kleine Kirche schön im Bild festhalten können.
Nur wenige Kilometer weiter gelangen wir nach Ischgl, das am Beginn der Coronapandemie zu trauriger Berühmtheit gelangte. Von hier soll sich durch Après-Ski Parties das Virus in ganz Europa verteilt haben. An diesem Herbsttag aber liegt der Ort ganz ruhig, ja fast gespenstig dar und es sind kaum Touristen zu sehen.
Für die Menschen hier ist es bestimmt nicht einfach mit dem Stigma und den ausbleibenden Touristen durch die Pandemie. Wir aber fahren bald weiter, denn es liegt noch ein Stückchen Weg vor uns. Kurz bevor wir das Inntal erreichen, sehen wir diese majestätische Brücke sowie eine Burg daneben.
Schloss Wiesberg erhebt sich auf einem Felsen hoch über dem Fluss Trisanna und am Übergang vom Paznaun in das Stanzertal. Die Burg wurde vermutlich bereits im 13. Jahrhundert durch das Hochstift Chur erbaut und ging in den folgenden Jahrhunderten durch viele Hände. Im Jahr 1889 ersteigerte Hermann Landfried aus Heidelberg das Schloss und es befindet sich noch heute im Besitz der Familie Landfried.
Die direkt daneben liegende Trisannabrücke wird im Volksmund auch Wiesbergbrücke genannt und gilt als technisches Meisterwerk des 19. Jahrhunderts. Die Bahnbrücke ist 230 Meter lang und erhebt sich 87 Meter über dem Talboden. An den Seiten gibt es jeweils drei beziehungsweise vier Steinbögen und dazwischen eine 120 Meter lange Stabbogenbrücke. Im Jahr 1883 wurde das Bauwerk fertiggestellt und sogar mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet, die zu dieser Zeit in dieser Gegend eine Sensation war. Doch schon bald reichte die Traglast der Brücke nicht mehr aus und 1964 wurde schließlich das gesamte Stahltragwerk durch einen Neubau ersetzt.
Wir erreichen nun wieder die Autobahn, die hier den Namen Inntalautobahn trägt und in rund 153 Kilometern bis nach Kufstein an der deutsch-österreichischen Grenze führt. Lange folgen wir der A12, wie die Autobahn ganz schnöde betitelt wird, jedoch nicht, denn schon bald entdecken wir hoch auf einem Berg eine Burg, die wir uns näher anschauen wollen.
Die Ruine der Burg Kronburg befindet sich auf rund eintausend Meter Höhe auf einer Felskuppe und wurde um 1380 erbaut.
Zunächst suchen wir nur nach einem schönen Fotopunkt und landen dabei an einer Station der Bergrettung. Das erinnert doch gleich an bisschen an die bekannte ZDF Serie.
Da wir jedoch mit dem Ausblick auf die Burg nicht so ganz zufrieden sind, kundschaften wir den Weg zum Fuß der Bergkuppe aus. Der führt über eine enge, aber gut ausgebaute Straße bis zu einer kleinen Kirche mit angeschlossener Gastwirtschaft. Früher mal ging es nur mit dem Pferd hierher, heute ist die Zufahrt mit dem Auto aber kein Problem.
Nachdem die Burg Kronburg verschiedene Besitzer hatte, gelangte sie ab 1502 in die Hände eines gewissen Hans Fieger dem Mittleren. Seine Nachkommen errichteten am Fuße der Bergkuppe, auf der sich die Burg befindet im Jahr 1673 zuerst eine Kapelle, die 1715 zu einer Kirche ausgebaut wurde. Die Familie Fieger starb jedoch im Jahr 1802 aus und so fiel das Anwesen zuerst an den Staat, bevor es von einem Kaplan und 1860 von den Schulschwestern gekauft wurde, die hier in einem angeschlossenen Kloster lebten. Heute gehören Burg und Kirche den barmherzigen Schwestern von Zams.
Vom Vorplatz der Kirche haben wir nun einen schönen Blick über das Inntal in Richtung Zams.
Der Blick auf die Burg ist von hier allerdings nur mäßig zufriedenstellend, denn ein Großteil wird von Bäumen verdeckt. Der Weg hinauf aber ist für uns heute auch nicht machbar, denn der ist nur zu Fuß begehbar und steil sowie sehr anstrengend.
Nach diesem letzten Stopp geht es für uns nun weiter nach Innsbruck, wo wir am späten Nachmittag eintreffen. Ich habe im Vorfeld das AC Hotel reserviert, das sich am Rande des Stadtzentrums befindet und auch über ein Parkhaus verfügt, denn Parken, so stellen wir recht schnell fest, kann in Innsbruck schwierig und teuer sein. So ist das Auto wenigstens auch gut untergebracht.
Von außen macht das Hotel nicht wirklich viel her. Der schnöde Bau wurde für die olympischen Winterspiele 1976 errichtet und beherbergte ursprünglich Athleten. Zum AC Hotel wurde das Hochhaus erst kürzlich umgebaut.
Wir bekommen zwei nette Zimmer im 13. Stock mit schönem Ausblick, sodass wir die nächsten zwei Nächte auf jeden Fall gut aufgehoben sind.
Nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Zimmer raffen wir uns noch zu einem kurzen Erkundungsspaziergang durch Innsbruck auf. Das Wetter ist einfach zu schön und es ist noch angenehm warm draußen. So schlagen wir den Weg zur Maria-Theresien-Straße ein, die eine der Haupteinkaufsstraßen der Stadt ist, aber gleichzeitig von toller barocker Architektur gesäumt wird.
Durch die engen Gassen der Altstadt laufen wir bis zum Goldenen Dachl, einer der Hauptattraktionen von Innsbruck, das momentan wunderschön in der Abendsonne glänzt.
Durch eine der anderen Gassen können wir hingegen einen ersten Blick auf die Innsbrucker Hofburg erhaschen und unterwegs entdecken wir auch immer wieder kleine, hübsche Motive.
Schließlich landen wir noch im Innenhof der Hofburg, dem kaiserlichen Schloss von Innsbruck. In der Abendsonne lassen wir uns hier für einen Moment auf den Stühlen eines längst geschlossenen Cafés nieder und machen eine kurze Pause.
Nachdem wir unseren müden Knochen ein wenig Erholung gegönnt haben, laufen wir noch die letzten Meter bis ans Ufer des Inns, wo eines der berühmtesten Postkartenmotive von Innsbruck auf uns wartet. Der Fluss, dahinter die bunten Häuser und die Nordkette, das ist einfach richtig schön anzusehen.
Auf einem Platz am Flussufer gleich gegenüber der Markthalle sticht uns noch diese Kunst ins Auge. Hier wurden drei alte Autos zu Pflanzenkübeln umfunktioniert, was sehr interessant aussieht.
Die drei Fahrzeuge waren übrigens eine Kunstaktion des Innsbrucker Kostnix Ladens, in dem jeder Gegenstände mitnehmen kann, die ihm gefallen. So auch die Pflanzen, die im Oktober 2020 einfach verschenkt wurden.
Von hier machen wir uns auf den Rückweg zum Hotel, denn so langsam wollen uns unsere müden Füße nicht mehr tragen. Es war ein langer, aber schöner Tag, und morgen werden wir mehr Zeit haben, um Innsbruck zu entdecken.
Kilometer: 255
Wetter: sonnig, 12–22 Grad
Hotel: AC Hotel by Marriott