Tag 5: Dienstag, 23. April 2019
No Milk Today – Seattle nach Juneau, Teil 2
„There’s a land—oh, it beckons and beckons, and I want to go back—and I will.” – Robert W. Service
Nach der Landung in Juneau geht es für mich nun erst einmal zu Hertz, wo ich einen Mietwagen reserviert habe. Die Schalter der Autovermieter sind hier gleich in der Ankunftshalle neben den zwei Gepäckbändern. Mit Papieren und Schlüssel in der Hand gehe ich anschließend die wenigen Meter zum Parkplatz, wo schon ein Dodge Journey auf mich wartet. Ich hatte zwar nur einen Mittelklassewagen gebucht, aber wenn man mir ein großes SUV gibt, ist das natürlich auch in Ordnung.
Nachdem ich mein Gepäck verladen habe, geht es auch gleich los mit der Erkundung der Umgebung, denn schließlich habe ich nur 48 Stunden Zeit mich hier etwas umzusehen und der Tag ist ja noch jung. Nur wenige Meilen vom Flughafen entfernt befinden sich die Mendenhall Wetlands, die ich schon während des Landeanfluges gesehen habe.
Ich halte an einem Aussichtspunkt und schaue, ob ich ein paar Tiere entdecken kann, doch leider ist rein gar nichts zu sehen.
So mache ich wenigstens ein Foto von meinem Mietwagen, solange er noch sauber ist.
Spaß habe ich aber jetzt schon, denn es ist auf alle Fälle etwas anderes, wenn man hier mit dem Flugzeuge ankommt und auch über Nacht bleibt. Bei meinem ersten Besuch in Juneau war ich nur einen Tag hier, da ich die Stadt im Rahmen einer Kreuzfahrt besucht habe. Heute aber kann ich einfach drauf losfahren und das mache ich auch erst einmal für eine gute Stunde, um mich ein wenig zu orientieren.
Da ich aber nicht die ganze Zeit mit dem Gepäck unterwegs sein will, fahre ich anschließend erst einmal zu meinem gebuchten Hotel, dem Best Western Country Lane Inn, das sich etwas außerhalb des Stadtzentrums und in der Nähe des Flughafens befindet.
Das Hotel im typischen Motel Stil verfügt über eine gemütliche Lobby und ich werde freundlich begrüßt und sofort eingecheckt.
Wie gewünscht, erhalte ich ein Zimmer im Erdgeschoss, sodass ich direkt vor der Tür parken kann und mein Gepäck so nur wenige Meter tragen muss. Das Zimmer selbst ist sehr nett eingerichtet, sodass ich mich hier für die nächsten zwei Tage auf jeden Fall wohlfühlen werde.
Nachdem ich mich kurz frisch gemacht habe und wieder aus der Tür trete, staune ich nicht schlecht, denn draußen tobt gerade ein richtiges Schneegestöber. Dicke Flocken kommen vom Himmel und überziehen in Minuten alles mit einer weißen Schicht.
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Laut Wetterapp soll das Wetter aber nur regional so sein. Aus der Luft hatte ich ja auch schon kleine verschneite Ecken gesehen. Also setze ich mich trotzdem wieder ins Auto und fahre einfach los. Mein Ziel ist das Ende der Welt. Na ja, nicht ganz, aber so ein bisschen schon. Juneau ist ja einer jener Orte in Alaska, die nur per Luft oder Wasser zu erreichen sind. Alle Straßen hingegen enden irgendwann im Nirgendwo und genau zu einem dieser Punkte möchte ich nun fahren. Ist man mit dem Kreuzfahrtschiff in Juneau, werden einem Geschichten wie diese zwar erzählt, aber zu sehen bekommt man das nicht. Da ich aber nun mal von Natur aus neugierig bin, möchte ich das gerne mal mit eigenen Augen erkunden.
Heute entscheide ich mich für die Strecke gen Norden, denn dorthin geht die Straße am weitesten. Immerhin 30 Meilen, das sind fast 50 Kilometer, soll der Highway sich bis nach Echo Cove erstrecken. Also los, auf geht es. Zuerst einmal aber nur bis zum Point Louisa in der Auke Recreation Site, von wo ich einen Blick über die Auke Bay bis nach Douglas Island habe.
Das Wetter ist auch ganz schön verrückt gerade. Vor dem Hotel hat es noch geschneit, das hat dann zwar relativ schnell aufgehört, doch die Wolken rasen in einer irren Geschwindigkeit über den Himmel. Gerade noch ist es grau und im nächsten Augenblick gibt es strahlend blauen Himmel mit Sonne.
Die kleine Straße rund um den Aussichtspunkt ist wirklich sehr schön. Es gibt hier auch einen Zeltplatz sowie mehrere Picknickplätze. Dafür ist es aber momentan noch etwas frisch, sodass hier dementsprechend wenig Betrieb herrscht. An einigen Haltepunkten bin ich sogar ganz allein unterwegs.
Ich folge dem Highways 7 nun weiter nach Norden. Von der Straße gehen immer mal einsame Einfahrten zu Grundstücken ab, die hinter den Bäumen verborgen sind. Nach einigen Meilen erreiche ich Lena Beach und biege auf die Point Lena Loop Road ab.
Der kleine Ort befindet sich an einer Bucht, der Lena Cove. Alle Häuser haben hier einem malerischen Blick auf das Wasser.
In der Ferne kann ich sogar schon die hohen und tief verschneiten Berge sehen, die zwischen Lynn Canal und Glacier Bay eine der Außengrenzen des berühmten National Parks bilden.
Zurück auf dem Glacier Highway wird die Fahrt immer einsamer. Mitten unter der Woche ist hier kaum noch jemand unterwegs, denn inzwischen gehören große Teile des Gebiets hier wieder zum Tongass National Forest, der den Großteil von Südalaska bedeckt. Häuser hingegen gibt es nur noch ganz vereinzelt.
Am Straßenrand entdecke ich nun immer wieder kleine gelbe Blüten. Ich mache ein paar Bilder und fahre vorerst weiter, denn Handy Netz gibt es außerhalb der Stadt nicht mehr und so muss ich später nachforschen, um was es sich handelt. Die Pflanzen haben sich dann als Scheinkalla oder Amerikanischer Stinktierkohl herausgestellt. Was für ein blumiger Name, den die Pflanze wohl wegen ihres Geruchs während der Blüte bekommen hat. Den konnte ich aber so gar nicht feststellen. Ein anderer Name für die leuchtend gelben Gewächse ist übrigens auch Stinkender Willie. Die Pflanze ist eine der wenigen ihrer Art, die in den gemäßigten Breiten vorkommt und anscheinend auch schon nach Deutschland eingeschleppt wurde. Zumindest in der Region zwischen Frankfurt und Düsseldorf soll sie vorkommen und ist in der EU inzwischen auf der Liste der unerwünschten Spezies aufgenommen worden.
In der Nähe des Point Bridget State Park macht der Highway plötzlich einen Knick und gibt den Blick auf eine der Gipfel frei, die den Rand des Juneau Eisfeldes bilden. Das Juneau Icefield ist ein 3.800 Quadratkilometer großes Gletschergebiet, das sich von Juneau bis nach Skagway und in die kanadische Provinz British Columbia erstreckt. Es macht rund vier Prozent der vergletscherten Fläche Alaskas aus.
Zum Juneau Icefield gehören 140 Gletscher, darunter der berühmte Mendehall Gletscher, der Meade und der Taku Gletscher. Seine größte Ausdehnung hatte das Gletschergebiet um 1700, verliert heute aber an vielen Orten an Fläche. Nur der Taku Gletscher, der aus einer bis zu 1370 Meter dicken Eisschicht besteht, wächst auch heute noch stark weiter.
Nach einer weiteren Kurve hört dann plötzlich der Straßenbelag auf und der Glacier Highway setzt sich als einfacher Waldweg fort. Bis er dann urplötzlich an einem Schlagbaum endet. So sieht also das Ende der Welt von Juneau aus. Ich hätte ja gedacht, dass sich hier vielleicht ein Berg oder ein Fjord befindet, aber nein, die Straße endet einfach mitten im Wald. Von den Eisfeldern, die eine Verlängerung bis nach Skagway oder zu anderen Orten verhindern, ist hier rein gar nichts zu sehen.
Nun gut, drehe ich halt wieder um, denn zu sehen gibt es hier wirklich nichts mehr. Das einzige Zeichen von Zivilisation ist die Zufahrt zu einem Zeltplatz, wo ein paar ganz hartgesottene ausharren. Ansonsten könnte ich auch hundert Meilen von Juneau weg sein und nicht nur dreißig.
Auf dem Rückweg nach Juneau biege ich allerdings noch an einer kleinen Stichstraße ab, an der ein Schild auf den St. Therese Shrine hinweist. Das macht mich neugierig und ich will mir das anschauen. Mit dem Auto komme ich zunächst bis zu diesem Kreisel, an dem sich ein Parkplatz befindet. Zu sehen ist aber keine Menschenseele.
Nur ein Truck mit montierten Schneeschieber steht hier, der erahnen lässt, dass es hier auch ganz schön schneien kann im Winter.
Während ich aussteige, zieht plötzlich ein eiskalter, schneidender Wind auf und bläst dunkle Wolken zu mir herüber. So packe ich mich lieber warm ein und nehme die Handschuhe mit. Dann mache ich mich auf den Weg zu dem kleinen Damm, der den Kreisverkehr mit einer kleinen Insel verbindet.
Plötzlich höre ich ein fiepen neben mir und als ich genauer hinsehe, entdecke ich ein Murmeltier. Und dann noch eines und noch eines. Eine ganze Gruppe scheint in dem Geröll neben dem Damm zu leben.
Ich beobachte die Tierchen eine ganze Weile, die sich von mir nicht gestört fühlen. Da ich recht still stehen bleibe, nehmen sie mich wohl nicht als Gefahr wahr.
Nach ein paar Minuten wird es mir allerdings zu kalt, denn ich stehe auf dem Damm recht exponiert und der schneidende Wind ist wirklich unangenehm geworden. Auf der Insel ist es gleich besser, denn die hohen Bäume bieten einen guten Schutz.
The National Shrine of St. Thérèse wurde 1932 von Priester William LeVasseur gegründet, nachdem die heilige Thérèse von Lisieux 1925 Schutzpatronin von Alaska wurde. Marie Francoise Thérèse Martin war eine 1873 geborene spätere Nonne, die von ihrem 15. Lebensjahr an im Kloster lebte und bereits 24-jährig an Tuberkulose verstarb. Später wurde nicht nur sie, sondern auch ihre Eltern sowie einige ihrer Schwestern heiliggesprochen. Eine Kathedrale in ihrem Geburtsort in der Normandie ist nach Lourdes das wichtigste Pilgerziel in Frankreich.
Hier in Juneau gibt es dagegen zwar nur eine kleine Kapelle, doch das ganze Ensemble hat heute nationale Bedeutung. Die erste Messe wurde hier bereits 1941 gehalten und Bischof Crimont von der Diözese Anchorage-Juneau wurde 1945 als erster in der Krypta beigesetzt.
Die kleine Kirche ist sogar geöffnet, sodass ich sie auch von innen anschauen kann. Heute ist sie wieder in einem guten Zustand, nachdem der heilige Ort in den 1960er Jahren zunächst Zusehens verfiel und erst um 1969 wieder restauriert wurde. Schon 1985 musste die Tore ein weiteres Mal geschlossen werden, denn die Finanzierung fehlte, doch kurze Zeit später war diese dann gesichert und seitdem steht die kleine Insel mit der Kapelle wieder Gläubigen und Besuchern offen.
Um die Kapelle herum gibt es einen kleinen Kreuzweg, dem ich ein Stück folge.
Vom Weg habe ich auch immer wieder schöne Ausblicke auf den Lynn Canal. Doch von Norden ziehen bereits dicke Wolken auf, die wohl auch wieder Niederschlag im Gepäck haben, sodass ich mich entschließe, den Rückweg anzutreten.
Zurück geht es auch wieder über den kleinen Damm, der die Insel mit dem Festland verbindet. Und dort habe ich dann nicht nur interessante Ausblicke, sondern treffe ich auch nochmals auf ein paar putzige Murmeltiere.
Gerade als ich am Parkplatz ankomme, beginnt ein Gemisch aus Schnee, Regen und Eis vom Himmel zu fallen, sodass ich mich schnell ins Auto verziehe und die Heizung aufdrehe. Ein paar Meilen weiter ist der Spuk jedoch schon wieder vorbei und die Sonne kommt sogar heraus, als ich an einem Aussichtspunkt auf Tee Harbor schaue.
Nach rund drei Stunden bin ich schließlich zurück in Juneau und fahre von hier noch zum Mendenhall Glacier, der sich ganz in der Nähe meines Hotels befindet. Den Hausgletscher von Juneau habe ich bei meinem Besuch 2006 zum ersten Mal gesehen. Damals war ich allerdings auf einem Ausflug und hatte nur begrenzt Zeit. Dieses Mal werde ich mir etwas mehr Zeit gönnen, um dieses Naturwunder ausgiebig anzuschauen. Nur nicht heute, denn dafür ist es schon etwas spät.
Am Parkplatz gibt es eine Landkarte, die die Größe des Juneau Icefield eindrücklich zeigt. Kein Wunder, dass es bis heute keinen Landweg nach Juneau gibt, denn das ist noch immer undurchdringliche Wildnis.
Das imposante Besucherzentrum ist leider noch geschlossen. Es öffnet nur in der Saison und die startet erst in einer Woche, wenn die ersten Kreuzfahrtschiffe nach Juneau kommen.
Das alles tut dem Blick auf den imposanten Gletscher aber keinen Abbruch, im Gegenteil, momentan ist es hier fast Menschenleer. Nur einige Einheimische sind auf einem Abendspaziergang unterwegs.
In der Ferne kann ich sogar die Nugget Falls rauschen hören, so still ist es hier. Ein ziemlicher Kontrast zu den Besucherströmen, die sich hier im Sommer tummeln.
Zu dem großen Wasserfall führt auch ein Wanderweg, doch das ist mir heute Abend zu weit. Ich hebe mir das für morgen auf. Das ist ja das Schöne, wenn man über Nacht bleibt, einfach mal mehr Zeit haben.
Stattdessen laufe ich zu einem kleinen Aussichtspunkt, von dem der Blick auf den Gletscher besonders schön sein soll und genieße noch ein wenig den Blick auf das Eis, das beim genaueren Hinsehen auch in Blautönen schimmert.
Plötzlich höre ich ein Rascheln hinter mir. Zuerst denke ich, dass jemand kommt, doch ich kann keine Menschenseele entdecken. Dann sehe ich ein seltsames Wesen in einem kleinen Baum sitzen, das ich so noch nie gesehen habe. Es ist etwas schwer zu fotografieren, denn mich interessiert schon, was ich da entdeckt habe.
Später werde ich herausfinden, dass es sich hierbei um einen Baumstachler oder auch Neuweltstachelschwein handelt. Die Tiere aus der Gattung der Nager können zwischen dreißig und neunzig Zentimeter groß und bis zu achtzehn Kilogramm schwer werden.
Nach dieser interessanten Entdeckung werfe ich noch einen letzten Blick auf den Gletscher, bevor ich für heute zum Auto zurückkehre.
Vom Mendenhall Glacier sind es nur wenige Meilen bis zu meinem Hotel. Ich mache jedoch noch einen kleinen Umweg zum Safeway Supermarkt, um mir ein paar Lebensmittel und Getränke einzukaufen, bevor ich ins Hotel zurückkehre.
Meilen: 75
Wetter: bedeckt, 34 bis 37 Grad F
Hotel: Best Western Country Lane Inn