Tag 10: Sonntag, 28. April 2019
Ain’t no Mountain close enough – Seattle nach San Francisco
„Flying a good airplane doesn’t require near as much attention as a motor car.” – Charles Lindbergh
Mein Seattle Besuch endet heute bereits wieder. Klar, es gibt noch viel mehr zu sehen, doch ich habe Seattle schon ein halbes Dutzend Mal besucht, sodass ich mir inzwischen immer nur einige Orte heraussuche, die ich besuchen will. Auch heute scheint wieder die Sonne. Bei diesem Wetter hätte ich es aber direkt noch ein wenig hier ausgehalten, aber mein Flug ist gebucht und so mache ich mich auf den Weg zurück zum Flughafen. Die Fahrt erfolgt auch diesmal wieder mit der Bahn und als ich am Flughafen aussteige, traue ich meinen Augen kaum, denn heute ist der Mount Rainier doch tatsächlich in voller Pracht zu sehen. Nun bin ich doch etwas traurig, dass ich schon abreisen muss.
Über einen Verbindungsweg laufe ich hinüber zum Terminal, wo ich heute bei United Airlines einchecke. Ich habe explizit diesen Flug gebucht, denn es ist der einzige, der mit einer Boeing 757 mit Langstreckenbestuhlung in der Business Class durchgeführt wird und da die Flugzeiten auch noch gepasst haben, ist es dieses Ticket geworden.
Diese Maschine ist mit der alten Business Class ausgestattet, die hier aus sechzehn Sitzen besteht. Mit diesen Maschinen werden oftmals auch kurze Transatlantikflüge durchgeführt, der heutige Flug allerdings führt von Seattle über San Francisco nach Chicago, wobei ich nur den ersten Teil der Strecke gebucht habe.
Ich habe mir den Platz 1A in der ersten Reihe links reserviert und hoffe bei dem schönen Wetter auch auf schöne Ausblicke.
Schon am Boden bekomme ich dieses Mal ein Getränk nach Wahl serviert, während die Economy Class noch immer einsteigt. Da das Boarding durch die zweite Tür erfolgt, müssen die Passagiere nicht durch die Business Class laufen.
Während der Fahrt zur Startbahn kann ich dann noch einmal einen Blick auf den Mount Rainier erhaschen. Heute ist der Berg wirklich überall zu sehen.
Die Ausblicke nach dem Start sind dann auch sehr schön und ich kann in der Ferne wieder die Olympic Mountains entdecken. Davor liegen der Puget Sound und die südlichen Vororte von Seattle.
Schön zu erkennen ist auch Alki Point, eine Halbinsel, von der man einen schönen Blick auf die Stadt haben kann.
Gleich nach dem Start traue ich meinen Augen kaum, denn ich kann wieder den Mount Rainier in voller Pracht sehen. So klebe ich im wahrsten Sinne des Wortes an der Scheibe, um diesen tollen Ausblick in voller Länge zu genießen.
Der Mount Rainier ist mit seinen 4392 Metern der höchste Vulkankegel der Kaskadenkette. Zum letzten Mal ist er 1894 ausgebrochen und heute Herzstück des gleichnamigen Nationalparks, den ich auf einer früheren Reise bereits besucht habe.
Die Aussicht bleibt jedoch auch super, nachdem ich weiter nach Süden fliege. Und so heftet sich mein Blick weiter an die Scheibe und die Landschaft dahinter.
So traue ich dann meinen Augen kaum, als ich den Mount St. Helens in voller Pracht erkennen kann. Der 2539 Meter hohe Vulkan ist 2008 zum letzten Mal ausgebrochen. Der schwerste Ausbruch fand jedoch 1980 statt, als ein Großteil der Spitze weggesprengt wurde.
Ein weiterer Berg, den ich entdecke, ist der Mount Hood. Der 3425 Meter hohe Vulkan ist der höchste Berg in Oregon und der vierthöchste der Kaskadenkette. Davor erstreckt sich die größte Stadt von Oregon, Portland.
An Bord beginnt derweil der Service mit weiteren Getränken nach Wahl, gefolgt von einem doch recht dürftigen Mahl, das lediglich aus einem Muffin besteht.
Etwas weiter südlich ist dann der Mount Jefferson zu sehen, der mit 3199 Metern der zweithöchste Berg in Oregon ist. Der Berg erhielt seinen Namen bereits 1806 durch Teilnehmer der Lewis und Clark Expedition und seine letzte Eruption liegt bereits rund 15.000 Jahre zurück.
Völlig unerwartet ist für mich dann der Ausblick auf den Crater Lake, der heute auch ein Nationalpark ist. Der Kratersee des Mount Mazamas liegt 1882 Meter hoch und ist für seine tiefblaue Farbe bekannt, die aus der Luft heute allerdings nicht zu sehen ist. Ganze 3700 Meter war der Vulkan einst hoch, doch er verlor seine gesamte Spitze durch eine Eruption vor 7.700 Jahren und die Caldera füllte sich anschließend mit Regenwasser.
Der allerletzte Vulkan, den ich entdecke, befindet sich schon in Kalifornien, der Mount Shasta. Während er auf meinem Hinflug noch ein Wolkenhütchen besaß, ist er heute tatsächlich in voller Pracht zu sehen. Zum letzten Mal ausgebrochen ist der 4322 Meter hohe Vulkan im Jahr 1786 und nach dem Lassen Peak der zweitsüdlichste Vulkan der Kaskadenkette.
Schließlich drehen wir in Richtung Küste ein und kurz vor der Landung kann ich doch tatsächlich San Francisco unter mir erkennen. Zwar ist die Golden Gate Bridge leider von Wolken verhüllt, doch die Innenstadt sowie die Oakland Bay Bridge kann ich ganz deutlich erkennen.
Wie in San Francisco bei Flügen aus dem Norden üblich, fliegen wir anschließend zuerst am Flughafen vorbei, um dann zu drehen und eine der zwei Landebahnen aus Richtung Süden anzufliegen. So findet der tiefe Anflug nicht über Wohngebieten, sondern über der Bucht statt und ich habe derweil schöne Ausblicke auf die Küste.
Nach knapp zwei Stunden landen wir schon wieder auf dem internationalen Flughafen von San Francisco und mein heutiger Flug ist damit beendet.
Nachdem ich mein Gepäck entgegengenommen habe, geht es für mich mit dem Terminal-Zug zum Mietwagen Zentrum. Hier hole ich ein Auto für die nächsten Tage ab. Da ich One-way miete, wird mir ein Wagen zugewiesen. Zunächst eine ziemlich alte Karre, die ich nicht nehmen will. Ich frage nach etwas anderem. Zuerst wird rumgedruckst, dann gefragt, ob ich in die Berge will. Will ich nicht, also haben sie plötzlich ein anderes Auto mit der Begründung, dass dieses keine Winterreifen hätte. Brauche ich aber sowieso nicht, denn ich habe nicht vor, irgendwo in den Schnee zu fahren. Das kann man sich in Kalifornien ja zum Glück ziemlich gut aussuchen.
Vom Flughafen geht es nun in Richtung San Francisco, doch die Stadt lasse ich im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und biege gleich auf de Oakland Bay Bridge ab. Stadtauswärts führt die Fahrt zunächst auf dem unteren Deck der Doppelstock-Hängebrücke entlang.
Hinter Treasure Island, einer kleinen Insel in der Bucht, über die die Brücke führt, fahre ich nun zum ersten Mal über die neue Brücke nach Oakland. Dieser Teil wurde erst kurz zuvor eröffnet und die alte Brücke dafür abgerissen.
Richtung Nordosten führt mich der Weg nun in das verschlafene Städtchen Benicia, dessen Gründung auf General Guadalupe Vallejo zurückgeht. Doch dazu später mehr. Etwas anderes hat die Stadt bekannt gemacht, denn für fast dreizehn Monate war Benicia vor knapp 170 Jahren die Hauptstadt Kaliforniens. Sogar ein Capitol wurde gebaut und das will ich heute besuchen.
Eigentlich, ja eigentlich sollte in dieses schöne Gebäude aber nur die Stadtverwaltung einziehen, die sich um den 1847 gegründeten Ort kümmerte. Eigentlich sollte die junge Stadt ja Francisca heißen, nach dem Rufnamen der Gattin des Generals, Francisca Benicia Carillo de Vallejo. Da jedoch eine Stadt in der Nähe ihren Namen „Yerba Buena” ablegte und sich fortan „San Francisco” nannte, entschied man sich stattdessen für den zweiten Vornamen der Dame.
Nur wenige Jahre nach seiner Gründung, wurde 1853 entscheiden, die Hauptstadt Kaliforniens hierherzuverlegen. Nach San Jose und Vallejo wurde Benicia nun also der dritte Regierungssitz des erst 1850 gegründeten US-Staates. Am 11. Februar 1853 zogen die Politiker in das State Capitol, das als einziges außer dem aktuellen erhalten geblieben ist. Doch bereits am 25. Februar 1854 zog die Regierung weiter, diesmal nach Sacramento und dort in das Gerichtsgebäude. Und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte, denn dort befindet sich noch heute der kalifornische Regierungssitz. Aber zurück nach Benicia, das immerhin für fast dreizehn Monate die Ehre besaß, Hauptstadt des heute immer noch drittgrößten Staates der USA zu sein. Das ehemalige Kapitol ist heute ein Museum und wird vom Staate Kalifornien als State Historical Park betrieben.
Vor dem Eingang sind auf Kacheln die Bilder von General Vallejo und seiner Gattin zu sehen, abgebildet vor dem State Capitol von Benicia.
General Vallejo ist in der kalifornischen Geschichte übrigens kein Unbekannter und so wird dem ehemaligen Kommandanten von Kalifornien und den von ihm erkannten Stadtgründern mit einer Tafel gedacht. Das Wohnhaus des Generals gehört heute zu einem weiteren State Park und ich habe es auf einer vergangenen Reise bereits besucht.
Nachdem ich meinen Eintritt entrichtet habe, kann ich auf eigene Faust durch das Gebäude streifen. Die beiden Kammern des Parlaments wurden auf verschiedenen Etagen untergebracht. Zuerst besuche ich den Senat.
Die Einrichtung ist zwar heute nur noch teilweise original, doch trotzdem sieht das Parlament imposant aus. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier gleich die Senatoren Platz nehmen können. Im Jahr 1935 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und nach einer umfassenden Renovierung wieder so eingerichtet wie 1853/54.
Neben dem Senatssaal sind auch einige Büros des Parlaments zu besichtigen, wo unter anderem die Dokumente verwaltet wurden. Mehrere bedeutende Gesetze wurden während der kurzen Zeit in Benicia erlassen, darunter die Erlaubnis, dass Frauen auch unabhängig von ihren Ehemännern Besitz haben dürfen und die Gründung des Bildungsministeriums von Kalifornien.
Auf der nächsten Etage befindet sich das Repräsentantenhaus von Kalifornien. Hier haben die Abgeordneten getagt.
Vier der Arbeitsplätze der Abgeordneten sind noch original, alle anderen wurden später originalgetreu nachgebaut. Alle Plätze sind mit Feder und Tintenfass ausgestattet, sodass die Abgeordneten sich Notizen machen konnten.
Schließlich gibt es auch auf dieser Etage einige Nebenräume zu besichtigen, in denen sich die Politiker auch in kleineren Gruppen treffen konnten.
Zum Gelände des State Historic Parks gehört auch ein kleiner Park mit Nebengebäuden, in dem ich dieses interessante Vogelhaus entdecke.
Gleich neben dem Kapitol steht das Fischer-Hanlon House, das heute ebenfalls zum Park gehört. Einst war das Gebäude Teil eines Hotels, das einem Feuer zum Opfer fiel. Der Schweizer Immigrant Joseph Fischer, der 1849 als Fleischer nach Benicia kam, kaufte den unzerstörten Teil des Hotels und ließ ihn an diese Stelle versetzen. Dann baute er das Gebäude zu seinem Wohnhaus um, in das er mit seiner Familie um 1858 einzog.
Das Haus bliebt bis 1968 in der Familie und wurde von drei Generationen der Fischer-Hanlons bewohnt, bevor es dem Staat Kalifornien vermacht wurde. Die letzten Bewohner veränderten nur wenig am Gebäude, sodass es auch heute noch sehr schön widerspiegelt, wie eine Familie der oberen Mittelklasse damals lebte.
Eine der Veränderungen, die es über die Jahre gab, war der Einbau eines Badezimmers, die andere das Verschließen eines Teils der Balkone, um mehr Zimmer zu schaffen.
Bei der Ranger Führung durch das Haus erfahre ich auch, warum im Hauptschlafzimmer mitten im Raum eine Stange zu finden ist. Die ehemalige Dame des Hauses machte daran ihre Übungen.
Nach diesem interessanten Besuch, den ich schon sehr lange auf der Agenda hatte, fahre ich wieder ein Stück nach Süden, um zur John Muir National Histroic Site zu kommen. Eigentlich wäre es sinnvoller gewesen, hier zuerst herzufahren, doch der State Park hat wesentlich kürzere Öffnungszeiten und diesen Ort habe ich vor über zehn Jahren schon einmal besucht.
Das viktorianische Haus in Martinez war das letzte Wohnhaus von John Muir, doch gebaut wurde es 1883 für den Arzt John Strentzel, der der Schwiegervater von Muir war. Das Haus steht auf einer Obstplantage, die John Muir 1880 bis 1891 für seinen Schwiegervater leitete. Nach dem Tod von John Strentzel zogen Muir und seine Frau selbst in das Haus und der berühmte Naturforscher lebte hier bis zu seinem Tod im Jahr 1914.
Viel ist von der rund tausend Hektar großen Plantage, die Muir einst bewirtschaftete, nicht mehr erhalten, doch immerhin drei Hektar haben die letzten hundert Jahre überlebt und vermitteln noch heute einen kleinen Eindruck davon, wie es hier um 1900 ausgesehen hat.
Bekannt ist Muir aber natürlich nicht als Plantagenverwalter geworden, sondern als Naturschützer. Geboren wurde John Muir 1838 noch in der alten Welt, genauer gesagt in Dunbar in Schottland. Erst als er elf Jahre alt war, kam er in die USA, da seine Eltern dorthin auswanderten. Die Familie besiedelte eine Farm nahe Portage in Wisconsin.
Mit 26 Jahren ging Muir zum ersten Mal auf Wanderschaft. Weitere Reisen folgten, darunter ein tausend Meilen langen Marsch von Kentucky zum Golf von Mexiko im Jahr 1867. Im März 1868 erreichte er schließlich San Francisco, da er unbedingt das Yosemite Valley sehen wollte. Insgesamt zehn Jahre verbrachte er schließlich in der Gegend.
Seine zukünftige Frau Louie Strenzel, die Alleinerbin des Anwesens in Martinez, lernte Muir 1874 kennen, doch geheiratet hat das Paar erst 1879, ein Jahr bevor er die Plantage übernommen hatte. Mit dieser Arbeit war er so erfolgreich, dass er die Leitung nach elf Jahren an seinen Schwager übergab und sich fortan wieder der Natur und der Wissenschaft zuwandte. Seine letzte Wirkungsstätte in genau in diesem Haus erhalten geblieben.
Von der Einrichtung sind allerdings nur einzelne Stücke erhalten, denn nach Muirs Tod zogen hier zunächst seine Tochter und ihre Familie. Ihr zweiter Sohn, der das Anwesen erbte, zog 1950 nach Napa und damit endete die Geschichte der Familie auf diesem Grundstück.
Einige Jahre stand das Haus danach leer, bevor es verkauft und schließlich 1964 in eine National Historic Site umgewandelt wurde. Seitdem sind verschiedene Stücke wieder in das Haus zurückgekehrt und der National Park Service hat zumindest einige Räume wieder möbliert.
Besonders interessant ist das Arbeitszimmer, in dem Muir seine späteren Bücher und Texte verfasste. Außerdem war er Mitbegründer des Sierra Clubs, der ältesten und größten Naturschutzorganisation der USA. Durch seine Arbeit kam es schließlich auch zur Gründung der ersten Nationalparks in den USA. Und als Gründervater des National Park Service wird der gebürtige Schotte heute noch verehrt.
Neben dem Wohnhaus sind noch einige weitere Gebäude auf der Plantage zu finden, darunter die Garage mit den Kutschen, die zu Muirs Zeiten noch immer Haupttransportmittel waren.
Im hinteren Teil steht noch ein weiteres Gebäude, das Martinez Adobe. Es wurde 1849 für Vincente J. Martinez, den Gründer der gleichnamigen Stadt gebaut. Es war das erste Wohnhaus, das in dieser Gegend erbaut wurde und steht deshalb ebenfalls unter Schutz und wurde dem Park hinzugefügt.
Noch einmal muss ich nun eine Brücke überqueren, dieses Mal die weniger bekannte Carquinez Bridge. Die 2390 Meter lange Zwillingsbrücke ist heute Teil des Interstate 80 zwischen Vallejo und Crockett. Die Brücke, über die ich fahre, ist heute die ältere der beiden und wurde 1958 gebaut. Eigentlich war sie aber der Neubau und eine Kopie einer Brücke von 1927, die dem wachsenden Verkehr nicht mehr allein standhielt. So existierten beide Brücken nebeneinander, bis 2003 die Hängebrücke eröffnet und die ältere der Zwillingsbrücken abgerissen wurde.
Nun ist es nicht mehr weit bis nach American Canyon, das sich südlich des Napa Valley befindet. Hier liegt das Doubletree Hotel, das ich für die heutige Nacht reserviert habe.
Ich bekomme ein schönes Zimmer mit einer kleinen Terrasse, die auf den Innenhof des Hotels schaut, in dem sich eine kleine Gartenanlage mit künstlichem See befindet.
Meilen: 80
Wetter: heiter, 64 bis 71 Grad F
Hotel: DoubleTree by Hilton Hotel & Spa Napa Valley – American Canyon