Tag 7: Donnerstag, 12. Oktober 2017
Steam Engine – Cheltenham nach Lingfield
„If you understand physics of how a locomotive works, that knowledge is irreplaceable.” – Jamie S. Miller
Heute sieht das Wetter endlich wieder besser aus. Schon der morgendliche Blick aus dem Fenster ist toll anzusehen. Noch ist die Sonne nicht aufgegangen, doch wenn die Wolkenfärbung hält, was sie verspricht, dann dauert es nicht mehr lange.
Ich gehe inzwischen zum Frühstück, das mich auch nicht sonderlich begeistert. Es macht satt, mehr aber auch nicht. So packe ich recht bald meine Sachen und mache mich wieder auf den Weg. Unterwegs holen mich leider die Wolken wieder ein. Jedenfalls zieht sich der Himmel komplett zu. Und dann sehe ich plötzlich große Flugzeuge bekannter Airlines auf einem Flugfeld gleich neben der Straße. Ich suche nach einer Möglichkeit zum Halten, denn das will ich mir genauer ansehen.
Was ich hier vor mir habe, ist der Kemble-Cotswold Airport. Viele Jahre wurde er von der Royal Air Force sowie der US Air Force genutzt und war sogar Heimat der Kunstflugstaffel Red Arrows. Bereits 1993 zogen die Militärs aus und das Flugfeld fristete viele Jahre ein Schattendasein. Doch seit rund 15 Jahren ist Air Salvage International hier ansässig. Die Firma zerlegt alte Flugzeuge und führt die Bestandteile der Wiederverwertung zu.
Seit 2010 hat der Betrieb richtig Fahrt aufgenommen und rund 130 Flugzeuge traten ihre letzte Reise zu diesem Flughafen an. Teile von ihnen sind es, die ich nun hier vor mir sehe.
Besonders Fluggesellschaften aus Südostasien scheinen das Angebot von ASI derzeit zu nutzen. So haben auch diese zwei Maschinen von Thai Airways ihre Reise hier beendet.
Das wertvollste eines alten Flugzeuges sind die Triebwerke. Sie werden meistens als erste demontiert und weiterverkauft. So auch bei dieser Boeing 747, die ansonsten noch recht intakt scheint.
Ohne Triebwerke steht auch diese Air France Maschine da. Oft werden auch die Sitze weiterverkauft, wenn sie noch in einem guten Zustand sind. Am wenigstens gebraucht werden die Rümpfe, obwohl einige auch als Trainingsflugzeug genutzt werden.
Nachdem ich so gut wie es geht alles fotografiert habe, fahre ich weiter. Mein eigentliches Ziel heute Morgen ist das kleine Dörfchen Lacock. Und hier kommt dann tatsächlich auch die Sonne heraus. So sieht alles gleich viel schöner aus.
Lacock gehört heute fast vollständig dem National Trust und wird als typisch englisches Dorf erhalten. Trotzdem ist der Ort aber kein Museum, denn die Häuser sind vermietet und es gibt auch kleine Geschäfte, einen Pub und sogar ein Hotel.
Der Name Lacock leitet sich vom angelsächsischen Lacuc ab, was soviel wie kleiner Strom heißt. Damit ist der kleine Bach Bide gemeint, der sich durch das Dorf schlängelt, dessen Wurzeln bereits im 10. Jahrhundert liegen.
Die Häuser in Lacock wurden über viele Jahrhunderte errichtet. Alle Gebäude stammen aus dem 13. bis 18. Jahrhundert. Darunter auch diese Scheune aus dem 14. Jahrhundert, die früher einmal zum Kloster gehörte. Sie wurde über die Jahrhunderte nur wenig verändert und kann heute besichtigt werden.
Herzstück der Besichtigung von Lacock ist Lacock Abbey, ein ehemaliges Kloster, das 1232 von der Countess Ela of Salisbury zum Gedenken an ihren Mann William Longespee, 3rd Earl of Salisbury, einem unehelichen Sohn von Heinrich II., gegründet wurde.
Berühmtheit erlangte das Anwesen aber erst viel Jahrhunderte später, als William Henry Fox Talbot hier die Negativfotografie erfand. Und darum dreht sich auch ein kleines Museum am Eingang zur Lacock Abbey. Bereits 1835 machte Talbot die erste erhaltene Fotografie und damit begann eine unaufhaltsame Geschichte.
Hinter dem Museum beginnt der Park von Lacock Abbey. Unter Heinrich dem VIII. wurde auch dieses Kloster aufgelöst und das Anwesen an Sir William Sharrington verkauft. Er ließ die Kirche abreißen und die Abtei zu einem Wohnhaus mit umgebendem Park umbauen.
Zuerst erreiche ich die Stallungen. Wo einst Pferde und Kutschen untergebracht wurden, gibt es heute ein paar kleine Ausstellungen zu sehen.
Um 1750 gelangte Lacock Abbey schließlich in den Besitz von John Ivory Talbot. Die Familie nahm weitreichende Umbauten am Gebäude vor und gab ihm sein heutiges Aussehen. Zwar ist das Anwesen seit 1944 im Besitz des National Trust, doch wohnen noch heute Mitglieder der Familie Talbot in Teilen des Gebäudes.
Im Innenhof des Gebäudes ist aber noch deutlich zu sehen, dass Lacock einst ein Kloster war. So ist der Kreuzgang noch fast vollständig erhalten.
Ein Teil des Herrenhauses steht dann auch zur Besichtigung offen und zeigt die Räume, wie sie zu Lebzeiten von William Henry Fox Talbot eingerichtet waren. Ausgestellt ist hier übrigens auch sein berühmtes erstes Foto, das er von einem Fenster des Herrenhauses machte.
Gegen Mittag wird es für mich Zeit weiterzufahren. Ich habe heute noch ein ganzes Stück Weg vor mir und im Herbst sind die Tage ja bekanntlich kürzer, sodass es doch recht zeitig dunkel wird. Mein nächster Stopp ist aber noch nicht so weit entfernt, denn ich halte in Swindon. Hier war ich schön öfter und habe verschiedene Orte besichtigt. Dieses Mal steht das Steam Museum auf meinem Plan.
Das Museum ist am historischen Ort untergebracht, denn von 1843 bis 1986 befand sich auf diesem Gelände das Swindon Works of the Great Western Railway, einem Lokomotiven- und Eisenbahnwerk, das zu den größten der Welt gehörte. Bis zu drei Lokomotiven in der Woche konnten hier produziert werden.
Der erste Teil der Ausstellung erzählt die Geschichte des Eisenbahnwerkes. Dazu gehörte nicht nur der Bau der Lokomotiven selbst, das Werk war eine kleine Stadt, die sich auch um ihre Arbeiter kümmerte.
Nachgestellte Szenen erzählen von der Arbeit im Eisenbahnwerk. Alles ist sehr liebevoll und informativ gemacht. Es macht Spaß, durch die Ausstellung zu gehen.
Schließlich erreiche ich die ersten von fünf Lokomotiven, die im Museum ausgestellt sind. Die Dampflokomotiven der Castle Class wurden in Swindon zwischen 1923 und 1950 gebaut und hauptsächlich an Passagierzügen eingesetzt. Insgesamt wurden 171 dieser Lokomotiven in diesem Werk gebaut.
Die hier ausgestellte Lokomotive trägt den Namen Caerphilly Castle nach der gleichnamigen Burg in Wales. Sie wurde nur sehr kurz im Liniendienst eingesetzt und recht schnell als Modell-Lokomotive auf Ausstellungen genutzt. Schon seit 1960 ist sie in Museen zu sehen und kam zur Eröffnung des neuen Museums zurück in das Werk, in dem sie einst gebaut wurde.
Richtig toll ist, dass ich die rund 80 Tonnen schwere Lok auch von unten anschauen kann. Das ist sehr interessant und nur selten in einem Museum möglich.
Auf dem weiteren Weg durch das Museum sehr ich viele kleinere Loks und Wagons sowie unzählige Ausstellungsstücke der Bahn, wie Signale oder Schilder.
Auch der Schienenbau wird thematisiert, der lange Zeit ein sehr arbeitsintensives und schweißtreibendes Unterfangen war.
Interessant ist auch der Nachbau eines Stellwerkes, das von außen und innen angeschaut werden kann. Mit langen Hebeln, die von Hand bewegt wurden, wurden die Züge auf das richtige Gleis geleitet.
Neben dem Personentransport werden Züge vor allem zum Transportieren von Waren genutzt. Das war auch schon vor 100 Jahren so. Das Museum zeigt sehr anschaulich, wie sich dieser Zweig des Zugverkehrs entwickelt hat.
Schließlich komme ich zum Highlight der Ausstellung, einem nachgebauten Bahnsteig, an dem eine Lok mit Wagen steht. Der Bristolian verband vor dem Zweiten Weltkrieg sowie für eine kurze Zeit in den 50er Jahren London mit Bristol. Die Lokomotive ist eine George V. und diese Lok hat eine ganz besondere Geschichte. Sie reiste nämlich sogar in die USA und wurde dort 1927 anlässlich des 100. Geburtstages der Baltimore und Ohio Railroad ausgestellt. Es ist kaum vorstellbar, wie man es schaffte, diese riesige Lok nach Übersee und auch wieder zurückzubringen.
Doch nicht nur der Zug, auch der Bahnhof an sich ist sehenswert. Das Bahnhofsgebäude zeigt, wie es früher auf dem Bahnsteig zuging. Alles ist liebevoll und bis ins kleinste Detail ausgestattet.
Im Bahnhof gibt es dann noch eine Ausstellung zu langen Reise der George V. Lok in die USA.
Nicht nur von außen anzuschauen sind die Wagons, die am Bahnsteig stehen. Kleine Ausstellungen erzählen mehr aus einer Zeit, in der Bahnfahren durchaus luxuriös sein konnte.
Ich verbringe viel länger als gedacht im Museum, denn die Ausstellung ist einfach toll und auch riesig groß. Man kann hier locker den ganzen Tag drin verbringen, vor allem wenn es mal wieder regnet. Gegenüber des Museums befindet sich übrigens auch noch eine Outlet Mall. Ich aber muss mich dann doch verabschieden, denn ich habe noch ein Stück Weg vor mir.
Unaufhaltsam bringt mich die M4 nach diesem Besuch London näher. Doch in die Stadt will ich heute gar nicht, nur auf den Ring, die M25. Der bringt mich dann nach Chenies, einem kleinen Dorf am River Chess. Hier befindet sich das Chenies Manor, ein Herrenhaus, das noch heute in Privatbesitz ist und deshalb nur an wenigen Tagen für Besucher öffnet. Heute jedoch ist solch ein Tag, an dem dieses uralte Haus besichtigt werden kann.
Das heutige Herrenhaus stammt aus der Tudorzeit und ist von einem wunderschönen Garten umgeben. Ein erstes Gebäude wurde hier allerdings bereits 1180 von der Cheyne Familie errichtet. Durch Heirat gelangte Chenies 1526 in den Besitz der Familie Russell. Sir John Russell wurde schließlich zum 1st Earl of Bedford ernannt und machte Chenies zu seinem Stammsitz.
Für vier Generationen bewohnten die Russels dieses Haus, das damals noch viel größer war. Berühmte Besucher waren Heinrich VIII. und Königin Elizabteh I. Der 4. Earl of Bedford entschied jedoch, den Familiensitz nach Woburn Abbey zu verlegen und somit verlor dieses Haus immer mehr an Bedeutung. Teile wurden abgerissen und es zogen verschiedene Mieter ein und wieder aus. Das ging bis 1956 so, als Teile des Besitzes nach dem Tod des 12. Duke of Bedford verkauft werden mussten. Dazu zählte auch Chenies Manor, das von Colonel und Mrs Macleod Matthews erworben wurde, deren Nachfahren noch heute hier leben.
Auf einer Führung werden mir viele tolle Räume des Hauses gezeigt, doch da es ein Privathaus ist, ist Fotografieren leider mal wieder nicht erlaubt. Eine kleine Geschichte möchte ich aber doch noch erzählen. Während das Haus auf drei Seiten zahlreiche Fenster besitzt, ist die vierte Seite komplett fensterlos. Diese Seite des Hauses zeigt Richtung London. Der Grund, als das Haus gebaut wurde, wütete in Englands Hauptstadt die Pest. Und da man damals glaubte, dass die Krankheit über die Luft übertragen wird, verzichtete man hier auf Fenster, um zu verhindern, dass Pesterreger so in das Haus kommen.
Neben dem Herrenhaus steht die St. Michaels Church, deren Grundmauern bereits aus dem 12. Jahrhundert stammen. Die heutige Kirche wurde aber größtenteils im 15. und 16. Jahrhundert erbaut.
Die Kirche beherbergt auch heute noch Grabstellen sowie eine private Kapelle der Dukes of Bedford. Dieser Teil der Kirche wird deshalb von Woburn Abbey verwaltet und gepflegt.
Am frühen Abend fahre ich über die M25 wieder nach Süden. Fast einen Halbkreis fahre ich um London, bevor ich die Autobahn verlasse und die wenigen Meilen nach Lingfield weiterfahre. Hier befindet sich eine berühmte Pferderennbahn, der ein Marriott Hotel angeschlossen ist, in dem ich heute übernachten will.
Den Abend verbringe ich im Hotel, nachdem ich mir aus einem nahen Tesco Express noch einige Lebensmittel geholt habe. Da ich dieses Mal ein Upgrade auf ein Zimmer mit Balkon bekommen habe, kann ich sogar schön die Rennbahn sehen. Nur zum Draußen sitzen ist es etwas zu kalt, denn inzwischen hat es sich leider auch wieder zugezogen.
Meilen: 205
Wetter: heiter 8–18 Grad
Hotel: Lingfield Marriott Hotel & Country Club