Tag 16: Mittwoch, 13. September 2017
Life in a small town – Freeport nach Chicago
„It was my fortune, or misfortune, to be called to the office of Chief Executive without any previous political training.” – Ulysses S. Grant
Ich hatte nun also beschlossen noch einen Umweg zu machen heute und noch einmal zurück an den Mississippi zu fahren. Und der Wetterbericht sollte mir recht geben, denn während für den Nordwesten von Illinois strahlender Sonnenschein vorausgesagt wurde, sollte es in Chicago bedeckt sein.
Bevor ich jedoch Freeport verlasse, halte ich noch an dem Ort, der der kleinen Stadt einen Platz in den Geschichtsbüchern bescherte, dem Debate Square.
Hier fand am 27.August 1858 die zweite einer Reihe von Debatten zwischen dem Demokraten Stephen A. Douglas und dem Republikaner Abraham Lincoln statt. Douglas veröffentlichte hier die Freeport Doctrine, ein Dokument über die Position von Illinois bezüglich der Sklaverei.
Während diese Debatte Douglas dazu verhalf Senator zu werden, büßte er dadurch Stimmen im Süden ein und spaltete die Demokratische Partei. Er bereitete damit den Weg zum Sieg von Lincoln bei der nächsten Präsidentschaftswahl.
Nun breche ich aber auf und fahre rund eine Stunde zurück nach Westen. Dann erreiche ich Galena und schon nachdem ich in die ersten Häuser sehe, weiß ich, meine Entscheidung war richtig, Galena wird mir gefallen. Wer jetzt auf die Karte schaut wird sehen, dass fast auf der anderen Seite Dubuque liegt und sich vielleicht fragen, warum ich nicht schon gestern hierher gefahren bin. Das lag daran, dass der Ort, den ich gerne besuchen wollte, montags und dienstags geschlossen hat und so bin ich nun heute nach Galena gekommen.
Ich fahre auch gleich zum berühmtesten Haus des Städtchens, dem Wohnhaus von Ulysses S. Grant, seines Zeichens 18. Präsident der USA. Auf einem kleinen Parkplatz stelle ich mein Auto ab, vom berühmten Gebäude ist aber erst einmal noch nichts zu sehen, nur dieses kleine Holzhaus finde ich hier.
Das kleine Holzhaus wurde 1851 von John Long rund zehn Meilen von hier entfernt gebaut. John und seine Frau Mary zogen hier vier Kinder groß. Wie dieses Haus sahen typische Wohnhäuser im 18. Jahrhundert auf dem Land aus. Im Erdgeschoss war der Wohnraum, unter dem Dach wurde geschlafen.
Henry und Rosina Binns lebten dann von 1921 bis 1970 in diesem Haus und zogen sogar sechs Kinder groß. Erst 1976 kam das Gebäude an diesen Ort, wurde restauriert und ist nun als Museum anzuschauen.
Zum Haus der Grants geht es diesen Weg hinauf. Galena liegt in der Nordwestlichsten Ecke von Illinois und die ist nicht so flach wie der Großteil des Staates. So stehen viele Häuser hier auf Hügeln und schauen auf das Stadtzentrum hinunter.
Am Ende stehe ich direkt vor dem Wohnhaus des Präsidenten und seiner Familie. Doch dieses Haus hatten die Grants noch nicht, als sie 1860 zum ersten Mal nach Galena kamen. Damals war das Geld knapp und Grant entschied sich, einen Posten in einer Filiale des Ledergeschäfts seines Vaters anzunehmen. Schon wenige Monate später trat er jedoch wieder in die Armee ein und kletterte schnell die Ränge nach oben, bis er zum Ende des Bürgerkrieges den höchsten militärischen Rang bekleidete und sogar die Niederlage von General Lee in Appomattox entgegennahm.
Nach dem Krieg kehrte Grant im Jahr 1865 nach Galena zurück und dankbare Bürger schenkten ihm und seiner Familie dieses Haus, das zudem auch vollständig eingerichtet war.
Heute kann das Haus, das seit 1904 ein Museum ist, besichtigt werden. Eine Führung dauert rund eine halbe Stunde und führt durch alle Räume des Gebäudes. Im Erdgeschoss befinden sich die Wohnräume, wie Salon und Esszimmer.
Im Obergeschoss sind die Schlafzimmer von Ulysses und Julia Grant sowie ihren vier Kindern untergebracht. Dieses Zimmer gehörte Frederick „Fred” Dent Grant (1850–1912), dem ältesten Sohn der Grants. Fred wurde in St. Louis, Missouri geboren und begleitete seinen Vater ab dem 12. Lebensjahr auf die Schlachtfelder. Später war er Absolvent der West Point Military Academy. Fred hatte neben seiner Militärkarriere mehrere politische Ämter inne.
Das nächste Zimmer gehörte Ellen „Nellie” Grant Sartoris Jones (1855–1922). ihr Geburtstag war der 4. Juli und ihr Vater erklärte ihr, dass das Feuerwerk jedes Jahr nur ihr zu Ehren stattfand. Nellie war zwei Mal verheiratet, ihre erste Hochzeit fand 1874 im Weißen Haus statt, und lebte mit ihrem ersten Ehemann viele Jahre in England, bevor sie nach ihrer Scheidung in die USA zurückkehrte.
Das Eckzimmer gehörte dem Ehepaar Grant. Der Präsident wurde eigentlich mit dem Namen Hiram Ulysses Grant geboren, doch nachdem er die West Point Military Academy besuchte, gab es dort einen falschen Eintrag im Anmeldeformular. Dort stand Ulysses Simpson Grant und diesen Namen behielt Grant dann auch. Nach seiner Wahl zum Präsidenten waren die Grants nur noch selten in Galena und nach acht Jahren Präsidentschaft reisten die Grants um die Welt und besuchten über 30 Länder. Nach Galena kamen sie nur noch selten zurück.
Neben dem Schlafzimmer hatte Mrs. Grant ihr Ankleide- und Nähzimmer.
Der jüngste Sohn der Grants, Jesse Root Grant (1858–1934), bewohnte dieses Zimmer. Auch Jesse war zwei Mal verheiratet und suchte sein Glück im Westen, nachdem er in Cornell und Harvard studiert hatte.
Ulysses S. „Buck” Grant (1852–1929) war der zweitälteste Sohn und arbeite als persönlicher Assistent seines Vaters während dessen Präsidentschaft. In Galena bewohnte er dieses Zimmer. Ende des 19. Jahrhunderts zog Buck mit seiner Familie nach Kalifornien und stieg ins Hotelgeschäft ein. Er war maßgeblich am Bau des US Grant Hotels in San Diego beteiligt, das noch heute eines der besten Hotels der Stadt ist.
Im hinteren Bereich des Erdgeschosses befindet sich die Küche, die für die damalige Zeit sehr modern eingerichtet ist.
Der letzte Raum des Hauses ist heute ein kleiner Ausstellungsraum mit einigen interessanten Vitrinen. Am spannendsten fand ich die Sammlung aller Präsidentenhaustiere. Akribisch wurde hier zusammengetragen, welche Tiere im jeweiligen Haushalt lebten und ich stelle fest, dass manche Präsidenten einen halben Zoo im Weißen Haus beherbergten.
Eine weitere Vitrine zeigt alle Präsidentenpaare auf Steine gemalt.
Das Haus ist von einem kleinen Garten umgeben, in dem einige weitere Gedenktafel zu finden sind.
Neben dem Haus von Ulysses Grant sind in der Nachbarschaft noch einige weitere historische Häuser erhalten worden. Geöffnet ist aber nur den General Store, den ich mir ebenfalls noch anschaue.
Vom Grant House fahre ich nun hinunter in die Innenstadt von Galena. Unterwegs entdecke ich immer wieder schöne, historische Häuser.
Dabei komme ich auch an der Elihu B. Washburne State Historic Site vorbei, die leider nur freitags und samstags geöffnet hat. Der prominente Anwalt war Berater von Präsident Lincoln und Grant und später auch Botschafter in Frankreich. In seiner Bibliothek erhielt Grant die Nachricht, dass er zum 18. US-Präsidenten gewählt wurde.
Insgesamt sind viele Häuser in Galena wunderschön restauriert, wie auch der alte Bahnhof und viele andere Gebäude, die ich auf meinem Weg in die Innenstadt sehe.
Die Innenstadt liegt direkt am Galena River, einem Nebenarm des Mississippi, der ebenso wie der Große Fluss zu Hochwasser neigt. Deshalb fährt man heute durch große Tore der Flutmauer, die im Notfall geschlossen werden können und die Stadt schützen.
Das Gebiet um Galena wurde zuerst von den Sauk und Fox Indianerstämmen besiedelt. Im späten 17. Jahrhundert kamen schließlich französische Siedler in die Region. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen Amerikaner und gründeten 1823 die Stadt Galena. Der Name führt auf das Mineral Gelanit zurück, das Bleiglanz ist und das wichtigste Erz zur Gewinnung von Blei, das hier abgebaut wurde.
Der Tourismus hielt in Galena erst in den 1980ziger Jahren Einzug. Der damalige Bürgermeister hatte diesen Pfad vorangetrieben und mit Erfolg. heute kommen jährlich rund eine Million Menschen nach Galena, viele von ihnen aus der Region Chicago.
Die Innenstadt von Galena, das nur rund 3.400 ständige Bewohner hat, wurde wunderschön renoviert und in die Häuser zogen Geschäfte und Restaurants ein, die die Besucher anlocken.
Im Besucherzentrum der Stadt, das im 1845 erbaten Old Market House untergebracht ist, bekomme ich nicht nur weitere Informationen, hier ist auch ein kleines Museum zu Präsident Grant untergrebracht, in dem ich noch mehr über den berühmtesten Einwohner von Galena erfahre.
Galena lässt sich wirklich toll zu Fuß entdecken. Die Hauptsrraße ist heute zwar asphaltiert, doch einige der Nebenstraßen haben noch immer das historische Kopfsteinpflaster.
Das Dowling House ist das älteste Gebäude der Stadt. Es wurde 1826 erbaut und ist heute ein Msueum.
Über eine Seitenstraße laufe ich schließlich zum Galena River. Der verbirgt sich heute hinter einem hohen Deich, sodass ich erst eine Treppe hinaufsteigen muss, um den Fluss überhaupt sehen zu können.
So still und friedlich wie der Fluss hier vor sich hinfließt, kann ich mir kaum vorstellen, dass solche Deiche und Flutmauern notwendig sind. Aber ich bin am Mississippi und auch anderen Flüssen im Mittleren Westen schon mehrmals eines besseren belehrt worden.
Auf dem Rückweg in die Stadt komme ich am 1855 eröffneten DeSoto House vorbei, das heute noch das beste Hotel der Stadt ist. In diesem Hotel hat schon Abraham Lincoln gesprochen und Präsident Grant hatte sein Hauptquartier für die Präsidentsschaftswahlen hier aufgeschlagen.
Mein letzter Stopp in Galena ist The Belvedere, ein wunderschönes Herrenhaus, das ebenfalls besichtigt werden kann. Doch auch hier bleibt es heute bei einem Blick von außen, denn ich habe einfach nicht genaug Zeit um auf die nächste Führung zu warten.
Am Nachmittag entscheide ich mich aufzubrechen, denn schließlich muss ich heute noch nach Chicago zurück, laut Navi noch rund drei Stunden Fahrt. Einen kleinen Stopp lege ich aber noch in Rochelle ein. Das Städtchen im Herzen des nördlichen Illinois ist bekannt für den Railroad Park.
In einer Diamantförmigen Kreuzung treffen sich hier die Züge der Union Pacific Railroad und der BNSF Railroad. Über 80 Züge passieren diese Bahnkreuzung jeden Tag. Die Stadt hat hier inzwischen einen kleinen Park mit Besucherzentrum angelegt, wo man die Züge sogar live auf einem digitalen Scanner verfolgen kann, bevor sie den Park erreichen.
Ich muss auch gar nicht lange warten, bis die ersten Züge angedonnert kommen. Ganz nah rauschen sie hier an mir vorbei, sodass sogar der Boden bebt. Mehrere Loks ziehen Dutzende Wagons hinter sich her.
Rochelle ist aber nicht nur ein Bahnknotenpunkt, durch die Stadt verläuft auch der berühmte Lincoln Highway, die erste Straße, die die USA von Ost nach West durchquerte. Vor rund Hundert Jahren machten sich die ersten Autos auf den Weg und damals war der Highways die bekannteste Straße des Landes.
Ein paar historische Orte, wie diese Tankstelle, finde ich dann noch in der Stadt. 1918 wurde diese erste Tankstelle in Rochelle eröffnet. Der Standort wurde gewählt, weil man die Tankstelle von hier außergewöhnlich gut sehen konnte.
Dann fahre ich weiter, wieder zurück auf den Interstate und dann immer weiter in Richtung Chicago. Unterwegs ziehen die ersten Wolken auf. Anscheinend hat der Wetterbericht wirklich recht gehabt.
Wie recht, das erlebe ich einige Zeit später, denn der Himmel zieht sich immer mehr zu. Zum Glück habe ich mich für den Umweg nach Galena entschieden, anstatt direkt zurück nach Chicago zu fahren. So hatte ich den ganzen Tag tolles Wetter und angenehme Temperaturen.
Auf dem Weg zum Hotel halte ich noch an den Premium Outlets in Aurora, um mich etwas in den Geschäften umzuschauen.
Am Abend bin ich schließlich wieder dort angekommen, wo meine Reise vor mehr als zwei Wochen begonnen hat, in Chicago. Mein Hotel für die letzte Nacht habe ich im schönen Vorort Bloomington reserviert. Das Hilton hier ist allerdings etwas eigenartig. Es liegt in einer schönen Wohngegend, sieht selbst aber etwas düster aus. Ach ja, das Wetter ist übrigens auch nicht so toll, der bedeckte Himmel hat sich bewahrheitet und ich bin froh, so einen tollen Tag in Galena verbracht zu haben.
Innen ist das Hotel dann recht imposant, könnte allerdings hier und da schon eine Renovierung vertragen. Die Lobby, inklusive Wasserfall und gläserner Fahrstühle, ist aber schon recht nett angelegt.
Mein Zimmer befindet sich in der obersten Etage und hat eine kuppelförmige Decke, wodurch es größer erscheint als es ist. Auch wenn die Möbel schon etwas älter sind, gefällt es mir gut und ich fühle mich wohl.
Der Ausblick aus meinem Zimmer ist allerdings etwas trostlos. Einst war hier ein schöner Golfplatz, doch der wurde vor einer Weile geschlossen und das Areal verkauft. Hier soll demnächst eine ganze Siedlung entstehen.
Doch nicht nur das, auch das Hotel gibt es inzwischen so, wie ich es kennengelernt habe, nicht mehr. Es wurde inzwischen umbenannt und die Außenanlagen deutlich verkleinert.
Am Abend fahre ich noch in die Woodfield Mall in Schaumburg, wo sich auch eine Cheesecake Factory befindet, die ich zum Abendessen besuche.
Dann ich dann leider meine Koffer packen, denn morgen steht der Rückflug an, auch wenn ich vorher noch einen ganzen Tag Zeit habe.
Meilen: 258
Wetter: sonnig, später bewölkt, 59–83 Grad
Hotel: Hilton Chicago Indian Lakes