Tag 6: Montag, 02. Januar 2017
A Dream comes true – Ein wirklich traumhafter Wintertag
„Wishes, likes castles in the air, are inexpensive and not taxable.” – Thomas Chandler Haliburton
Die Sonne strahlt schon früh vom stahlblauen Himmel. So halte ich mich nicht lange auf und fahre bald los. Mein Ziel ist ein Ort, den ich schon ganz lange besuchen will – Leeds Castle.
Das Schloss ist einer der Orte, die nicht zu einem Pass gehören. Man muss die fast 25 Pfund bezahlen, weshalb ich solche Orte nur bei grandiosem Wetter besuchen mag. So mache ich mich nun heute auf nach Maidstone und stehe schon kurz vor 10 Uhr vor dem Tor. Ich bin eines der ersten Autos, das dann auf den Parkplatz fahren darf und auch an der Kasse komme ich sofort dran.
So früh ist im Park noch kaum jemand unterwegs, zumindest Menschen nicht. Tierische Gesellen sehe ich jede Menge, das Federvieh scheint den Park hier zu lieben. Dazu gehören auch die berühmten schwarzen Schwäne.
Dann fällt mein erster Blick auf Leeds Castle. Seinen Namen hat die Burg von einem alten sächsischen Herrenhaus namens Esledes, das 1086 schon im Doomesday Book erwähnt wurde. Nach den Überfällen durch die Normannen wurden viele Herrenhäuser zu kleinen Festungen ausgebaut, um sich besser verteidigen zu können. Der Bau der ersten Burg begann bereits 1119. Trotz der Verteidigungsanlagen wurde die Burg nicht hauptsächlich für diesen Zweck gebaut und sie sah auch kaum militärische Auseinandersetzungen. Nur zweimal wurde sie belagert, 1139 und 1321, als die Bewohner den König beleidigten.
Im Jahr 1278 wurde die Burg von Königin Eleanor of Castile gekauft und der Grundriss geschaffen, der noch heute existiert. Leeds Castle gehörte insgesamt sechs verschiedenen Königinnen während des Mittelalters und bliebt bis in die Tudor Zeiten königlicher Besitz. Danach residierten hier Familien, die eng mit dem Königshaus verbunden waren. 1926 wurde es von der englisch-amerikanischen Erbin Olive Wilson Filmer (1899–1974), später Lady Baillie, gekauft. Sie renovierte die Burg und empfing auf ihrem Landsitz für mehr als 50 Jahre die High-Society. Nach ihrem Tod ging Leeds Castle in einen Trust Fond über, der die Burg seitdem verwaltet.
Als ich am Burgtor ankomme, scheint hier gerade eine Art Vogelfütterung zu sein. Jedenfalls sind hier noch mehr Vögel zu sehen, als im Rest des Parks.
Dann kommt ein Kleintransporter, ein Mann steigt aus und entlädt einen jungen Schwan. Warum und wieso kann ich nicht herausfinden, aber das Jungtier wird wenig später von den restlichen Tieren beäugt.
Die Burg wurde auf zwei kleinen Inseln erbaut, die von Edward I. im 13. Jahrhundert geschaffen wurden, in dem er den Fluss Len umleitete.
Ich gehe zum Eingang der Burg, die über diese Brücke betreten wird. Zuvor kam gerade ein Reisebus an, der eine Traube Menschen ausspuckte, die ich erst einmal durchlaufen lassen wollte. Nun ist kaum jemand zu sehen, wunderbar, denn so kann ich gut fotografieren.
Um die Burg zu betreten, geht man nicht durch den heutigen Haupteingang, sondern erst einmal auf einem schmalen Weg um die Burg.
Hier komme ich dann dem ältesten Teil der Anlage nahe. Der rechte Bau ist der originale Keep, der im 13. Jahrhundert gebaut wurde. Daneben steht ein Uhrenturm aus dem 15. Jahrhundert. Die Brücke wurde in ihrer heutigen Form erst im 19. Jahrhundert gebaut, die neue Burg im Jahr 1822 für die Wykeham Familie.
Ich betrete die Burg durch den normannischen Keller, dem ältesten Teil, der noch existiert. In den Fässern wurden früher Wein und Bier gelagert, noch heute befindet sich hier der Weinkeller.
Eine Etage höher erreiche ich die königlichen Räume. Hier hat schon Königin Eleanor ihre Wohnräume eingerichtet. Im Stile der Königinnen, die hier lebten, sind die Räume auch wieder zusehen. Lady Baillie hat sie so hergerichtet.
Als nächstes erreiche ich den Boardroom. Lady Baillie verfügte in ihrem Testament, dass Teile der Burg weiterhin genutzt werden. So werden hier Tagungen und Konferenzen abgehalten. Auch Staatschefs haben sich hier schon getroffen. So gab es bereits 1978 Friedensgespräche zwischen Ägypten und Israel und 2004 fanden hier die Friedensgespräche für Nordirland unter der Leitung von Tony Blair statt. Dieser Teil der Burg ist sehr modern eingerichtet, denn er brannte 1660 aus und wurde erst 1822 wieder aufgebaut.
Als nächstes komme ich in das Schlafzimmer von Lady Baillie. Alles im Zimmer wurde extra für sie hergestellt. Viele Stücke haben sogar die Initialen ihrer Besitzerin eingraviert. Der Raum daneben war das Schlafzimmer ihres Ehemanns, Sir Adrian Baillie.
Die große Steintreppe gehört wieder zur neuen Burg. Sie wurde von der Wykeham Familie erbaut. Sie lebten hier bis 1926, als sie durch hohe Erbschaftssteuern zum Verkauf gezwungen wurden.
Weiter geht der Rundgang durch die Wohnräume von Lady Baillie, die von ihr neu dekoriert wurden, vorher aber schon die Wohnräume der Wykeham Familie waren.
Wieder hinaus komme ich dann aus der Haustür im neuen Teil der Burg, der genau gegenüber des Torhauses und der Brücke liegt. Es gibt im Schloss noch viel mehr Räume, besonders Schlafzimmer. Diese können aber nur an einigen Tagen im Jahr besichtigt werden.
Durch das alte Tor laufe ich nun entlang am Burggraben, von wo man nochmals einen schönen Blick auf Leeds Castle hat. Auch hier sind wieder die schwarzen Schwäne und andere Vögel zu sehen.
Nur wenige Meilen weiter erreiche ich Sissinghurst, das zum National Trust gehört. Berühmt ist das Anwesen eigentlich für seine Gärten, doch die sind im Winter geschlossen. Offen ist aber, neben dem Tower, erstmalig das Cottage des Anwesens, das noch immer von der Familie genutzt wird. Nur eine Handvoll Touren mit begrenzter Teilnehmerzahl gibt es pro Tag, doch ich habe Glück, bei der nächsten Führung gibt es noch genau ein Ticket.
So gehe ich also gleich zum South Cottage. Die Gärten sind ja sowieso geschlossen, da sie sich im Winter von den Besuchern erholen sollen. Das South Cottage war der Rückzugsort der letzten Besitzer des Anwesens, Vita Sackville-West und Harold Nicolson. Im Winter 16/17 war das Haus zum ersten Mal geöffnet, vorher nutzte es ausschließlich die Familie. Auch heute noch ist es deshalb jeden Juni geschlossen. Aus diesem Grund darf im Inneren auch nicht fotografiert werden.
Der Name Sissinghurst stammt aus dem Altenglischen und bedeutet so viel wie „Lichtung in den Wäldern”. Seit 1480 ist an dieser Stelle ein Landgut gewesen. Es wurde von der Familie Baker errichtet, die durch Hochzeit mit den Sackvilles von Knole verwandt waren. 1756 wurde das Anwesen der Regierung überlassen und im Krieg als Gefängnis genutzt. Danach waren weite Teile zerstört. Das blieb so bis 1928, als das Gelände zum Verkauf stand. Vita Sackville-West und ihr Ehemann kauften es schließlich, denn Vita liebte die Gegend, doch ihr Elternhaus Knole konnte sie als Frau nicht erben. Die zwei renovierten die verbliebenen Gebäude und schufen die weltberühmten Gärten.
Der Doppelturm ist eines der ältesten Gebäude von Sissinghurst. Eine Wendeltreppe führt auf die oberen Etagen, in die sich Vita Sackville-West zum Lesen und Arbeiten zurückzuziehen pflegte. Von der Aussichtsplattform auf dem Turm habe ich einen Blick auf das gesamte Anwesen und darüber hinaus.
Ich fahre weiter nach Hever Castle. Hier war ich zwar schon einmal im Mai, doch die Weihnachtsdekorationen habe ich noch nicht gesehen. Mit dem HHA Pass habe ich wieder freien Eintritt.
Schon der Eingang und die schönen Figuren sind weihnachtlich geschmückt.
Hever Castle wurde bereits im 13. Jahrhundert als Landsitz errichtet und 1462 von Geoffrey Boleyn, der damals Lord Mayor of London war, zum Herrenhaus umgebaut. So verbrachte auch die berühmte Anne Boleyn, Ehefrau von Heinrich VIII. einen Teil ihrer Kindheit hier, bevor sie 1536 wegen Hochverrats hingerichtet wurde. Drei Jahre später verstarb auch ihr Vater Thomas und das Haus fiel in die Hände des Königs. Danach wechselte Hever immer wieder die Besitzer, bevor es 1903 der britisch-amerikanische Millionär William Waldorf Astor kaufte. Er restaurierte das Anwesen aufwendig und renovierte auch das kleine Dörfchen, das außerhalb des Burggrabens liegt.
Auf dem Vorplatz der Burg befindet sich derzeit ein nostalgischer Jahrmarkt. Heute sind hier einige Familien mit Kindern unterwegs. Ich finde es immer wieder schön, diese alten Attraktionen, wie das Karussell oder Spiegelkabinett, zu sehen.
Auch in Hever Castle hat die Dekoration mit Märchen zu tun. So entdecke ich während meines Rundgangs nicht nur Rapunzels Zopf, sondern auch den bösen Wolf, die Betten der sieben Zwerge oder Dornröschen in ihrem Bett. Und noch eine Überraschung hält dieser zweite Besuch bereit, ich darf diesmal im Gebäude fotografieren. Das war im Mai 2016 noch verboten.
Wieder draußen, drehe ich noch eine kurze Runde im Garten. Der blüht zwar jetzt nicht so schön wie im Mai, ist aber immer noch schön anzusehen.
Dann entdecke ich in einem der Nebengebäude noch ein Museum mit Miniaturhäusern. Irgendwie habe ich die beim letzten Besuch verpasst, denn der Eingang liegt im hinteren Teil des Shops. Die Häuser sind alle in einer Größe von 1/12 gebaut und zeigen jeweils eine Epoche der englischen Geschichte von der Tudor bis zur viktorianischen Zeit.
Das mittelalterliche Haus ist nach der großen Halle von Penhurst Place gebaut. Es hat handgefertigte Fliesen, Buntglasfenster und zeigt das Leben in einem herrschaftlichen Haus zu dieser Zeit.
Das Stuart House ist Burton Hall in Yorkshire nachempfunden. Zum Haus gehört nicht nur eine perfekte Inneneinrichtung, die das Leben zu jener Zeit wiederspiegelt, sondern sogar einen perfekt angelegten Garten.
Das georgianische Haus ist Sledgemore in Yorkshire nachgebaut. Die Türen sind aus Mahagoniholz und auch der Marmor ist echt und kommt aus Devon. Das Porzellan im Esszimmer ist so Detailgetreu hergestellt, dass es sogar das Monogramm des Besitzers aufgemalt hat.
Schließlich fahre ich zurück nach London. Hier bin ich zum Abendessen im Spaghetti House im Westfield Shopping Centre verabredet. So fahre ich nun schon zum zweiten Mal in die Londoner Innenstadt. Diesmal parke ich direkt im riesigen Parkhaus der Mall. Das Einkaufszentrum ist so riesig, dass hier zur Winterzeit sogar eine Eislaufbahn aufgebaut ist.
Lange kann ich mich aber nicht aufhalten, denn ich habe noch etwas vor. Jedes Jahr zu Weihnachten gibt es Christmas at Kew in den Kew Royal Botanic Gardens. Dafür muss man vorher Tickets erwerben, denn die Veranstaltung ist oft Wochen im Vorhinein ausgebucht. Man bekommt dann einen Slot, zu dem man ankommen muss, damit es nie zu voll wird. Da ich mit dem Auto unterwegs bin, habe ich das Ticket inklusive Parken gekauft.
Ich habe zwar eine Anfahrtsskizze, doch als ich die dunkle Gasse sehe, in die ich einbiegen soll, bin ich schon etwas unsicher. Doch der Weg ist richtig. Hinter einer Kurve erscheint ein Herr mit Taschenlampe und Warnweste, der mein Parkticket kontrolliert. Dann darf ich bis zum Parkplatz vorfahren.
Wer mit dem Auto anreist, betritt Kew Gardens nicht durch den mir bekannten Haupteingang, sondern läuft quasi von der Rückseite auf das Gelände.
Über eine Million Lichter werden jedes Jahr zwischen Ende November und Neujahr installiert, die den Botanischen Garten in ein Winterwunderland verzaubern. Unterwegs gibt es Buden, die allerhand Leckereien verkaufen. Richtig lecker sind die Marshmallows in verschiedenen Geschmackssorten, die man über dem offenen Feuer rösten kann.
Die absolute Hauptattraktion aber ist die Light und Sound Show am großen Palmenhaus. Sie ist einfach fantastisch gemacht und ich kann mich kaum losreißen und weitergehen.
Zwei kleine Videos von der Show habe ich gemacht, auch wenn das nicht einfach war. Auf der Haupttribüne konnte man kein Stativ aufstellen, weil das Konstrukt zu sehr gewackelt hat und auch sonst war es gar nicht so einfach, eine geeignete Position zu finden.
„Bettys Vacation nutzt WP YouTube Lyte um YouTube Video’s einzubetten. Die Thumbnails werden von YouTube Servern geladen aber nicht von YouTube getrackt (es werden keine Cookies gesetzt). Wenn Sie auf “Play” klicken, kann und wird YouTube Informationen über Sie sammeln.”
Es gab mehrere verschiedene Shows, die alle mit anderen Weihnachtsliedern untermalt waren. Jede dauerte 3–4 Minuten. Die Videos sind also nur ein ganz kleiner Ausschnitt.
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Irgendwann muss ich mich aber trennen, denn die Zeiger der Uhr wandern unaufhaltsam weiter und bis 22 Uhr muss ich zurück am Auto sein. Zuvor liegt aber noch ein Stück Weg vor mir. Die zwei Tannenbäume sind der eigentliche Beginn des Trails durch den Garten, denn hier in der Nähe liegt der Haupteingang. Ich bin ja durch den Nebeneingang hereingekommen und habe deshalb sozusagen in der Mitte begonnen.
Richtig toll fand ich auch diese Lichtinstallationen, die mit echten Flammen umgeben waren. Da sah nicht nur super aus, sondern spendete, in dieser kalten Nacht, auch noch Wärme.
Zum Schluss bin ich noch durch diesen Lichtertunnel gekommen, bevor ich wieder den Parkplatz erreiche. Das ist natürlich nur ein kleiner Auszug von alldem, das ich hier erlebt und gesehen habe.
Christmas at Kew hat mir unheimlich gut gefallen und ich könnte mir durchaus vorstellen, dieses Event nochmals zu besuchen. Dann aber mit ein bisschen mehr Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass die zwei Stunden so schnell vergehen können.
Wieder am Parkplatz angekommen, bin ich eines der letzten Autos, das abfährt. Noch einmal geht es durch die dunkle Gasse und dann bin ich zurück auf der Hauptstraße, die mich schließlich nach Croydon führt. Das war ein langer Tag und ich bin ziemlich geschafft, sodass ich recht bald das Licht ausschalte.
Meilen: 151
Wetter: sonnig, 0 – 5 Grad
Hotel: Hilton Croydon