Tag 10 – Freitag, 20. Mai 2016
Flying high – Blackburn nach Birmingham
„It was a special voyage. The Concorde was really an important part of my life.” – Francois Girbaud
Der Regen hat zum Glück aufgehört heute Morgen, doch bedeckt ist es immer noch. So drehe ich nur eine ganz kurze Runde rund um die Kathedrale von Blackburn, bevor ich weiterfahre. Ich habe ja heute auch einen festen Termin in Manchester und kann deshalb nicht endlos trödeln.
Als ich Manchester erreiche, habe ich allerdings noch etwas Zeit, sodass ich überlege, was ich noch tun kann. In die Stadt will ich nicht, da ich nicht im Verkehr festsitzen will und plötzlich sehe ich ein Schild vom National Trust mit der Aufschrift Quarry Bank Mill. Kurzentschlossen fahre ich ab und schaue, was sich dahinter verbirgt. Und das, was ich hier entdecke, es ein wahrer Fund. Besonders, weil ich erst im Herbst 2015 einen ähnlichen Fund mit gleicher Geschichte in Massachusetts gemacht habe. Quarry Bank Mill ist eine alte Textilfabrik, die heute ein Museum ist, das anschaulich verdeutlicht, wie die Arbeit hier damals war.
Ich mache mich auf den Weg zur Fabrik, der 1784 von Samuel Greg erbaut wurde. Als Greg im Jahr 1832 in den Ruhestand ging, war Quarry Bank die größte Baumwollfabrik im Vereinigten Königreich. Sein Sohn ließ hier schließlich auch Stoffe weben und nicht mehr nur Baumwolle verarbeiten. Der letzte Eigentümer, Alexander Carlton Greg, vermachte die Fabrik 1939 dem National Trust, doch bis 1959 wurde hier trotzdem noch weitergearbeitet.
Das Areal der alten Fabrik ist aber noch viel größer, als ich zu Anfang angenommen habe. Leider habe ich keine Zeit alles zu erkunden, aber einen kleinen Rundgang mache ich noch, bevor ich weiter muss. Der führt mich auch zu einem Haus, in dem die Auszubildenden gewohnt haben. Man kann das Haus zu festen Zeiten auch von innen besichtigen, nur ist das für mich bereits zu spät.
Auch eine kleine Siedlung für die Arbeiter gehörte einst zur Fabrik. Diese Häuser sind jedoch kein Museum, sondern auch heute noch bewohnt, sodass man sie nur von außen ansehen kann.
Jetzt muss ich mich aber sputen, denn um 11:30 Uhr soll ich am Flughafen sein. Hier habe ich etwas vor, was ich schon seit fast zwanzig Jahren einmal tun will, an Bord einer Concorde gehen. Bedauerlicherweise hat es ja mit einem Flug nicht mehr geklappt und in den USA stehen zwar auch einige im Museum, doch die kann man nur von außen ansehen. Eine gibt es ja auch in Deutschland, doch dorthin zu kommen ist irgendwie komplizierter als eben mal nach England zu fliegen. Und dann ist ja da auch noch das kleine, aber nicht unwichtige, Detail, dass diese Concorde eine ganz besondere ist. In dieser Halle am Rande des Flughafens von Manchester hat sie ein permanentes Heim gefunden.
Die Tour beginnt in einem Briefing Raum, wo uns die Geschichte der Concorde näher gebracht wird. Etwa zehn Minuten läuft der Film, der über das goldene Zeitalter der Maschinen berichtet. Dann geht es hinüber in den Hangar und zur Concorde. Gut, es ist nicht die erste Maschine, die ich jemals gesehen habe, nein das war damals im Jahr 2000 zur ILA in Berlin. Aber heute soll es an Bord gehen und das habe ich noch nie gemacht.
Hier geht es die Gangway hinauf, ganz stilecht, wie auch damals. Sogar Bäumchen wie diese standen immer vor der Maschine.
Vor der Tür schnell ein Blick nach links und rechts. Gar nicht so groß die Concorde, wenn man sie so mit einem Jumbo vergleicht.
Und dann geht es auch schon ins Innere der Maschine. Auch die Tür ist ziemlich klein und eng. Schon ungewöhnlich, wenn man das mit anderen Flugzeugen vergleicht. Das ist irgendwie eher wie der Einstieg in einen Canadair Jet.
Dann werfe ich meinen ersten Blick in die Kabine und bin, ehrlich gesagt, etwas entsetzt. Wenn man bedenkt, was hier ein Ticket gekostet hat und das hier das Who’s who der Welt gereist ist, so sieht das doch eher wie eine bessere Economy Class aus. Kein Vergleich zu modernen First und Business Class Angeboten. Hier hat man wohl wirklich in erster Linie für die Geschwindigkeit bezahlt.
Jeder Teilnehmer der Tour darf in einer Sitzreihe Platz nehmen und wir bekommen die Speisekarte gezeigt. Die ist schon recht üppig, besonders die Weinkarte hat es in sich. Wer’s braucht?
Der Sitzabstand zwischen den Reihen ist auch ok und die Sitze bequem, aber wie gesagt, für den Preis finde ich es nicht wirklich außergewöhnlich. In Reihe eins sind übrigens immer die Stammplätze von Queen Elizabeth und Prinz Phillip gewesen. Genau hier an Bord dieser Maschine. Fast nicht zu glauben, dass sie in diesen Sitzen gereist sind.
Zum Schluss darf jeder noch das Cockpit besichtigen und einmal im Pilotensitz Platz nehmen. Was für ein altmodisches Cockpit. Wenn ich das mit dem aufgeräumten Arbeitsplatz eines heutigen Piloten im neuen A350 vergleiche, den ich gerade erst besichtigen durfte, so ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Kaum zu glauben, dass diese Maschinen noch in diesem Jahrtausend so in Betrieb waren.
Auch der Blick aus dem Cockpitfenster ist interessant. Die Scheiben sind winzig und die Concorde musste sogar die Nase absenken, sonst konnten die Piloten nichts sehen. Draußen landet übrigens gerade ein A380, was für ein Kontrast.
Interessant sind allerdings die Geschichten über die Flüge. So wurde die Hitze so groß, dass sich zwischen Schaltpulten und Wänden eine derart große Lücke bildete, dass die Piloten dort ihre Mützen ablegten. Sie durften allerdings nicht vergessen, diese vor der Landung wieder herauszunehmen, denn ansonsten waren sie nach der Landung Matsch. Wahnsinn, welche Kräfte hier gewirkt haben müssen.
Die Concorde wurde während des Fluges zwischen 15 und 25 Zentimeter länger und musste deshalb mit einer ganz besonderen Farbe gestrichen werden, damit diese nicht riss. Sie schaffte es von 0 auch 225mph in 30 Sekunden und flog in 60.000 Fuß Höhe, das sind mehr als 18 Kilometer Höhe. Mehr als 2.5 Millionen Passagiere reisten mit der Concorde.
Die Concorde hier in Manchester ist übrigens eine ganz besondere Maschine. Sie war das Flagschiff von British Airways. Auch deshalb sind so viele Prominente mit ihr geflogen. Ihre Kennung war G‑BOAC, Rufname Alpha Charlie. Sie war die erste Concorde, die British Airways je in Dienst stellte. Sie flog zum ersten Mal am 27. Februar 1975, ausgeliefert wurde sie am 13. Februar 1976 und nach 22.260 Flugstunden am 31. Oktober 2003 in den Ruhestand versetzt. Diese Concorde absolvierte in ihrem Leben 7.730 Landungen und 6.761 Überschallflüge.
Ich erkunde schließlich den ganzen Hangar. Es ist toll, dass sie hier so allein steht, nicht wie in anderen Museen, wo viele andere Flugzeuge drumherum stehen. Und noch besser, nur mit einer Tour kommt man hier rein und mit mir sind nur vier weitere Leute hier. So kann ich alles gut anschauen.
Faszinierend wie anders es unter diesem Flugzeug aussieht. Ich bin ja schon unter einigen Maschinen unterwegs gewesen, unter ihnen die Boeing 747, der A380 und A350, aber sie alle haben ja eher eine runde Form und auch die Triebwerke und Flügel sind ganz anders gebaut. Man sieht ganz deutlich, dass dieses Flugzeug für den Überschallflug konzipiert wurde, es gleich eher einem Eurofighter.
Die Luke links im nächsten Bild ist übrigens die Gepäckluke. Winzig ist sie und auch der Platz für Gepäck und Fracht war sehr begrenzt.
Das Rufzeichen BOAC hat übrigens für British Airways eine ganz besondere Bedeutung. Es steht für British Overseas Airways Corporation, den Vorläufer der heutigen British Airways. Mehr zur Maschine gibt es hier.
Für mich war dieser Besuch, der 1 Stunde dauerte, ein ganz besonderes Erlebnis und hat mir ausgezeichnet gefallen. Auch über den Preis von 13.50 Pfund kann man nicht meckern. Es hat wirklich Spaß gemacht, die fast private Führung durch die Concorde.
Im Runway Visitor Park stehen noch zwei weitere Flugzeuge. Zum einen die voll restaurierte BEA Hawker Siddeley Trident 3B, von denen einst 177 Maschinen hergestellt wurden und die Nimord XV231 der Royal Airforce, die bis 2010 im Einsatz war.
Die Concorde steht auf dem Gelände des Runway Visitor Park, den man auch einfach so besuchen kann. Von hier hat man einen guten Blick auf die Start- und Landebahnen des Flughafens Manchester. Und so schaue ich den startenden und landenden Maschinen auch noch ein Weilchen zu.
Als ich den Runway Visitor Park verlasse, schauen doch tatsächlich ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken. Das passt sehr gut, denn ich will noch nach Lyme Park, das ich ebenfalls auf meiner letzten Reise nicht besuchen konnte, weil es nur an bestimmten Tagen geöffnet hat.
Lyme Park liegt in einem riesigen Park, der das Herrenhaus auch heute noch umgibt. Vom Eingangstor fahre ich mehrere Meilen, bis ich den Parkplatz erreiche. Von hier mache ich mich auf den Weg zum Eingang.
Lyme Park fiel bereits 1388 durch Heirat in die Hände der Familie Leghs of Lyme und da blieb es auch über all die Jahrhunderte bis es 1946 dem National Trust übertragen wurde. Genau aus diesem Grund ist das Haus auch sehr gut mit üppiger Ausstattung erhalten. Das heutige Herrenhaus stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und wurde in den folgenden Jahrhunderten mehrmals umgebaut und modernisiert.
Im Innenhof befindet sich das Besucherzentrum, wo ich meinen National Trust Pass vorlege und dafür ein Ticket bekomme. Damit kann ich nun das Haus betreten und mir alle Räume, die zugänglich sind, anschauen.
Schließlich erreiche ich ganz am Schluss des Rundgangs einen Raum, in dem dieser kleine Sekretär steht. Hier wird der Besucher dazu eingeladen, Platz zu nehmen. Es steht Briefpapier mit historischem Briefkopf bereit und man kann einen Brief verfassen. Diesen steckt man in einen Umschlag und adressiert ihn. Er wird dann kostenlos an den Bestimmungsort versendet. Und das hat auch tatsächlich geklappt, kann ich berichten.
Unmittelbar hinter dem Haus, und vom übrigen Park abgetrennt, liegt ein schöner Garten, der im 19. Jahrhundert angelegt wurde.
Eigentlich hatte ich jetzt vor, noch zum Shugborough Estate zu fahren, doch dafür ist es jetzt schon reichlich spät. Das werde ich nicht mehr schaffen und so heißt mein Ziel eigentlich nur noch Birmingham. Doch unterwegs sehe ich die Schilder zur Little Moreton Hall. Die hatte ich auch schon mal auf dem Plan, dann aber wieder gestrichen. Nun gut, kurz auf dem Smartphone nachgeschaut, ob sie offen haben und dann spontan hingefahren.
Das Fachwerkhaus wurde im 16. Jahrhundert erbaut und gehört zu den am besten erhaltenen Häusern seiner Art im Vereinigten Königreich. Besonderheit hier ist auch, dass das Haus nicht für eine adlige Familie erbaut wurde, sondern für eine Familie aus der Mittelschicht. Das macht es zu einer absoluten Rarität, denn kaum eines dieser Häuser ist heute noch in seinem Ursprungszustand erhalten.
Landbesitzer William Moreton begann 1504-08 mit dem Bau und seine Familie erweiterte das Anwesen bis 1610. Dazu gehört auch ein Wassergraben rund um das Haus, der dem morastigen Boden mehr Standfestigkeit geben sollte. Diese Wirkung ließ über die Jahrhunderte allerdings nach, sodass das Gebäude heute einen sehr schiefen Eindruck macht. Dazu beigetragen hat außerdem, dass im obersten Stockwerk sehr viel Stein verbaut wurde, in den unteren Holz.
Im Jahr 1938 wurde das Anwesen schließlich vom National Trust übernommen, der das Haus grundlegend stabilisierte und restaurierte. Auch die Gärten aus der Tudor Zeit wurden wieder hergestellt.
Die kleine Kapelle wurde bereits von einer der letzten Besitzerinnen aus der Familie Moreton wieder hergerichtet. Elizabeth Moreton war Nonne und erbte das Anwesen 1892. Sie vermachte es später ihrem Cousin, dem Bischof von Derby, dessen Sohn das Haus schließlich dem National Trust übergab.
Jetzt fahre ich aber ohne weitere Unterbrechung nach Birmingham. Im Norden der Stadt habe ich das Hampton by Hilton reserviert. Ich fahre durch diverse, zugegeben nicht sehr attraktive, Vororte. Hier sieht man mal wieder die verschiedenen Gesellschaftsschichten und Kulturen englischer Städte aufeinander prallen. Und ich frage mich, wie das wohl mit dem Parken klappen wird. Darüber hätte ich mir allerdings keine Sorgen machen brachen. Parkhaus ist gar nicht nötig, ich kann völlig unkompliziert und kostenlos in einer Nebenstraße parken. Das Hotel ist sehr schön, die Gegend nicht so sehr, aber heute Abend will ich sowieso nirgendwo mehr hin.
Meilen: 166
Wetter: 12–20 Grad – überwiegend bewölkt, mit Schauern
Hotel: Hampton by Hilton Birmingham North; £45.90